PISA-Debakel bei Zuwanderern

PISA-Debakel bei Zuwanderern

Beitragvon pinkwoolf » Sa 18. Okt 2008, 20:06

Die PISA-Ergebnisse legen immer wieder nahe, dass Zuwanderer in Deutschland schlechtere Chancen haben.
Der Spiegel-Artikel, den ich gerade verspätet entdeckt habe, zeigt auf, dass das nicht für alle Zuwanderer zutrifft.

http://www.spiegel.de/schulspiegel/wiss ... 45,00.html

Die Kinder vietnamesischer Eltern in Ostdeutschland sind demnach sogar erfolgreicher als einheimische Kinder. Ähnliche Ergebnisse an amerikanischen Schulen lassen vermuten, dass es sich um ein kulturell bedingtes Phänomen handelt – Eltern erstreben für ihre Kinder eine optimale Ausbildung, und die Kinder bemühen sich aus Respekt für ihre Eltern, deren Erwartungen zu erfüllen. Meine Frage ist: Hat das auch etwas mit der Religion der Zuwanderer zu tun?

Moslemische Eltern verlangen zweifellos ebenfalls Respekt von ihren Kindern; aber es könnte sein, dass deren Vorstellungen von einer optimalen Ausbildung häufig, gelinde gesagt, suboptimal sind. Bibel- (sorry: Koran-)festigkeit trumpft Wissenschaft.

Gegen die religiöse Erklärung würde sprechen, dass die Kinder osteuropäischer Zuwanderer im Bildungssystem ebenfalls versacken. Meine Theorie: Diese Eltern verlangen von ihren Kindern zwar ebenfalls Respekt, kriegen ihn aber nicht. Da obsiegen die Vorstellungen bildungsfeindlicher, autoritär strukturierter Peer-Groups. Die autoritäre Struktur kommt zwar von den Eltern; aber als Respektpersonen konnten sie sich nicht halten.

Was kann der Staat gegen solche Misserfolgs-Modelle tun?
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Re: PISA-Debakel bei Zuwanderern

Beitragvon ganimed » Sa 18. Okt 2008, 22:45

Der Hauptunterschied zwischen den Vietnamesen in Ostdeutschland und anderen Einwandergruppen wird sein, dass die Vietnamesen gar keine Einwanderer waren. Jedenfalls nicht nach dem, was ich hier gefunden habe:
http://www.bpb.de/publikationen/R9SNLF,0,0,Vietnam:_Netzwerke_zwischen_Sozialismus_und_Kapitalismus.html
    Schon ab 1955 wurden Schülerinnen und Schüler aus Vietnam in der DDR aufgenommen. Sie waren nach einer Gruppe aus Nordkorea die zweite Gruppe von Kindern, die im Rahmen einer Solidaritätsaktion eine schulische und berufliche Ausbildung in der DDR erhielten. 1955/56 reisten die ersten 348 Kinder in die DDR ein und wurden in Dresden und Moritzburg aufgenommen. Viele dieser Kinder, die im Alter von 10
    bis 14 Jahren in die DDR gekommen waren, kehrten erst als Erwachsene nach Vietnam zurück.

Soweit ich verstehe, waren die Vietnamesen also nur zur Ausbildung in der DDR und nicht, um dort für immer zu leben. Ich vermute, nicht jeder bekommt die Chance zu so einem Auslandsstudium, so dass die Schüler vermutlich besonders motiviert und sorgfältig ausgewählt gewesen sein dürften.
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Re: PISA-Debakel bei Zuwanderern

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 19. Okt 2008, 10:38

Ganimeds Einwand schlägt schon in eine auf jeden Fall zu bedenkende Richtung.
Sowohl die (Nord-)Vietnamesen in der DDR (und ihre heutigen Nachfahren) wie auch die (Süd-)Vietnamesen (und ihre heutigen Nachfahren) in den USA sind und waren (DDR wohl zu 100%) überwiegend keine unterprivilegierten Flüchtlinge, wenn auch wohl mancher armer, unausgebildete Vietnamese den weg auf ein US-Kriegsschiff gefunden haben mag.
D.h. hier ist auch schon mal der Migrationshintergrund ein anderer, als der z.B. von Gastarbeitern und ihren Nachfahren oder vielen ("anderen") Flüchtlingen und Migranten.
Sicherlich aber, spielt die Kultur und Tradition durchaus auch eine Rolle, die muss aber eben nicht immer nur an die Ethnie sondern kann auch an die "Schicht" gebunden sein. Genauso wie es "hiesige" Bevölkerungs-Gruppen gab und auch noch gibt, die bei Bildung mehrheitlich sagen, "das brauchst du nicht".

Sollte man den Spiegelbericht wie leicht überflogen haben, so könnte man auch noch an der Erklärung "Sprachverständnis" hängen geblieben sein. Wer die Sprache der Schule nicht beherrscht, wird dort selten viel lernen. Wer wie in der DDR bzw. später Ostdeutschland in eine deutschsprechende Kindertagesstätte oder Kindergärten gezwungen wird, hat halt tatsächlich eine größere Chance schon als Kleinkind und Grundschüler die Schulsprache ausreichend genug zu beherrschen.
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Re: PISA-Debakel bei Zuwanderern

Beitragvon stine » So 19. Okt 2008, 11:31

ganimed hat geschrieben:Ich vermute, nicht jeder bekommt die Chance zu so einem Auslandsstudium, so dass die Schüler vermutlich besonders motiviert und sorgfältig ausgewählt gewesen sein dürften.
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Sicherlich aber, spielt die Kultur und Tradition durchaus auch eine Rolle, die muss aber eben nicht immer nur an die Ethnie sondern kann auch an die "Schicht" gebunden sein. Genauso wie es "hiesige" Bevölkerungs-Gruppen gab und auch noch gibt, die bei Bildung mehrheitlich sagen, "das brauchst du nicht".

Das sind für mich die entscheidendsten Punkte. Bildung ist ein Privileg und kein Saufutter. Wer sich bilden lassen "muß" sträubt sich gerne, aber wer Bildung als besondere Zuwendung erfährt, wird viel motivierter an die Sache ran gehen.

So verrufen die Klassengesellschaft vielleicht sein mag, aber wer keine Vision für seine Zukunft hat, weil Gleichmacherei gesellschaftliches Muß ist, der tut auch nichts, um vorwärts zu kommen. An Chinas Kindern kann man ebenfalls deutlich sehen, wie es genauso auch in die andere Richting eskalieren kann.

LG stine
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