Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon ganimed » Do 8. Jan 2009, 18:35

In diesem Forum wurde ja bereits oft genüßlich festgestellt, dass alle Gläubigen offenbar ihren Verstand verloren haben, oder zumindest keine Lust zeigen, ihn zu gebrauchen.

Mein Gedanke heute beim Schneespaziergang: könnten Atomkraftgegner ebenfalls eine Gruppe von irrationalen Spinnern sein?
Wogegen protestieren die nochmal? Dass Atomkraft zu gefährlich sei?

Wie viele Straßenverkehrstote gibt es jährlich und wie viele Atomkraftopfer?
2007 waren es in Deutschland 4949 und 0, soweit ich weiß.
Gegen Atomkraft wird demonstriert, es werden Castor-Transporte behindert und es besteht sogar politischer Wille zum schnellstmöglichen Ausstieg (obwohl doch gerade das Öl knapp wird). Und gegen Autoverkehr, wer demonstriert da? Wer behindert Neuwagenauslieferungen? Sind wenigstens die Grünen gegen Autos?

Wie erklärt ihr euch diese Unverhältnismäßigkeit, an die man sich vielleicht schon so sehr gewöhnt hat, dass sie einem kaum noch bewusst wird?
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon Kurt » Do 8. Jan 2009, 19:01

ganimed hat geschrieben:Wie viele Straßenverkehrstote gibt es jährlich und wie viele Atomkraftopfer?
2007 waren es in Deutschland 4949 und 0, soweit ich weiß.

Wie erklärt ihr euch diese Unverhältnismäßigkeit, an die man sich vielleicht schon so sehr gewöhnt hat, dass sie einem kaum noch bewusst wird?


Bei Risikoabschätzungen musst du immer die Erwartungswerte nehmen, nicht die absoluten Zahlen. Angenommen bei einem Atom-GAU sterben 1.000.000 Menschen und die Eintrittswahrscheinlichkeit ist 1% für ein gegebenes Jahr, dann sterben pro Jahr erwartete 10.000 Menschen. Bei Verkehrsunfällen nur 4949. Bei diesen Zahlen wäre es rational, Atomkraftgegner zu sein.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon ganimed » Do 8. Jan 2009, 21:46

Ah, guter Hinweis. Das mit der Risikoabschätzung und der Statistik ist natürlich ein Argument. Ich habe auch sofort nach Risikoabschätzungen im Internet gesucht.
http://www.umweltlexikon-online.de/fp/archiv/RUBsonstiges/GAU.php
    "Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Super-G.: Nach der deutschen Risikostudie von 1979 (Phase A) ist alle 10.000 Reaktorjahre ein Kernschmelzunfall mit radioaktiver Belastung der Umwelt zu erwarten, allerdings nur alle 1 Mio Reaktorjahre ein Kernschmelzunfall mit mehreren akuten Todesfällen (akute Strahlenschäden).
    Kritiker bezweifeln diese Zahlen und weisen auf zahlreiche methodische Fehler und Ungenauigkeiten der Studie hin. Sie rechnen alle 1.000 Reaktorjahre mit einem Kernschmelzen und alle 11.000 Reaktorjahre mit einem Kernschmelzen, begleitet vom Austritt großer Mengen Radioaktivität und akuten Todesfällen, d.h., beim Betrieb von derzeit weltweit ca. 300 Kernkraftwerken ist durchschnittlich alle 30 Jahre ein schwerer Unfall mit zahlreichen Todesfällen zu erwarten."
Ob jetzt die Kritiker recht haben oder nicht, wenn die Kraftwerkstechnik und Sicherheitstechnik mit den Jahren Fortschritte macht (und wer macht heutzutage nicht Fortschritte) sollte das Risiko mit der Zeit etwas kleiner werden, denke ich mir. In hundert Jahren gibt es auch vielleicht schon neue Techniken und verbesserte erneuerbare Energien. Uran haben wir auch nur noch für 50 Jahre, hörte ich mal. Will sagen: In 10.000 oder mehr Jahren werden wir vermutlich keine Kraftwerke mehr haben.

Wie schlimm war es in Tschernobyl?
http://www.n-tv.de/658350.html
    "93.000 statt 4.000 Tote"
Die Zahlenangaben schwanken stark, offenbar je nach Quelle.
Nehmen wir mal die gerundeten Zahlen der kritischen Seite : 100.000 Tote pro Gau und alle 30 Jahre ein GAU, dann käme man auf etwa 3333 Tote pro Jahr.
Optimistisch könnte man ungefähr rechnen: 4000 Tote pro Gau und alle 3333 Jahre ein GAU -> 1,2 Tote pro Jahr.
Nichts genaues weiß man also nicht. Sollte man dann nicht als rationaler Mensch doch erstmal gegen den Autoverkehr protestieren, wo doch jene Zahlen recht klar vorliegen? Anstatt sich auf windige Rechnungen mit offenbar sehr unsicher zu schätzenden Zahlen zu stützen, bei denen dann in der Regel sogar heraus kommt, dass das Auto doch gefährlicher ist?

Aber vielleicht ist es ja gerade diese Ungewissheit, die viele Menschen ängstlich werden lässt? Strahlung sieht man nicht, wie genau ein Kraftwerk funktioniert weiß man nicht, welche Sicherheitsmaßnahmen und welches Risiko genau vorliegt weiß man nicht. Aber im Straßenverkehr hat man den Durchblick. Wenn es richtig kracht sind ein paar Leute tot, das versteht man, das kann man sich vorstellen. Und vor allem: man kann sich in beliebiger Selbstüberschätzung überlegen, dass man selber ja gut fahren kann und vorsichtig und die Kontrolle hat, meistens.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon Kurt » Do 8. Jan 2009, 22:00

ganimed hat geschrieben:Nehmen wir mal die gerundeten Zahlen der kritischen Seite : 100.000 Tote pro Gau und alle 30 Jahre ein GAU, dann käme man auf etwa 3333 Tote pro Jahr.
Optimistisch könnte man ungefähr rechnen: 4000 Tote pro Gau und alle 3333 Jahre ein GAU -> 1,2 Tote pro Jahr.
Nichts genaues weiß man also nicht.


Gut recherchiert. :-) Wohlgemerkt, die Toten weltweit.

Die meisten Menschen kennen das Risiko nicht so gut, weil sie nicht recherchiert haben. Sie kennen nur Tschernobyl und hören von den Zwischenfällen und Beinahe-Unfällen, die es gibt. Und sie misstrauen den Kapitalisten, die die Kraftwerke betreiben und die Risiken möglicherweise verschleiern. Kann ich ehrlich gesagt sehr gut nachvollziehen. Da ist ein Risikoaufschlag auch noch auf die pessimistische Rechnung durchaus noch gerechtfertigt.

Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Panikmache gegen Atomstrom purer Unsinn ist. Das gleiche gilt für den "Krieg gegen den Terror", den unser Schäuble mit seinem Überwachungswahn gewinnen will und zum Teil auch gegen den Kampf gegen den Klimawandel. Jeder Mensch hat so seine irrationalen Überzeugungen, außer mir natürlich. ;-)
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon ganimed » Fr 9. Jan 2009, 03:14

Wieder danke für den Hinweis! Das waren ja tatsächlich weltweite Atomzahlen im Gegensatz zu den deutschen Verkehrstoten.
Ich denke aber auch manchmal zu wenig nach.

Als beliebte weitere Quellen des angstvollen Wahns fallen mir noch die irrationale Panik wegen Vogelgrippe, Genmanipulation und das Klonen ein. Der Gotteswahn ist also nur einer von vielen, muss man befürchten.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon Twilight » Fr 9. Jan 2009, 20:32

viewtopic.php?f=13&t=2577& (Ich glaube, dieses Thema ist ein wenig verwandt.)

Es geht mal wieder um die Illusion von Kontrolle und das offensichtlichere Nichtvorhandensein dieser. Obwohl die 20-30 Kilometer Autofahrt zum Flughafen lebensbedrohlicher sind, als der Flug selbst, beißen selbst die tollsten Straßenraser vor Angst in ihre Gurte, wenn das Flugzeug abhebt. Ähnlich geht es vielen Menschen mit AKWs. ("Watt weeß ick, watt die da für Knöppsche drügge!?")

Solchen Leuten würde es interessanterweise besser gehen, wenn sie selbst mit dem Steuerknüppel in der Hand abstürzen, eigenhändig einen fast-GAU nach dem anderen produzieren würden, oder wenn der eigene Nachbar wöchentlich aus seinem Terrorcampaufenthalt eine Postkarte schriebe. :kopfwand:
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon Kurt » Fr 9. Jan 2009, 21:15

Twilight hat geschrieben:Obwohl die 20-30 Kilometer Autofahrt zum Flughafen lebensbedrohlicher sind, als der Flug selbst, beißen selbst die tollsten Straßenraser vor Angst in ihre Gurte, wenn das Flugzeug abhebt.


Nunja, manche Ängste sind uns evolutionär vorgegeben. Es liegt nunmal nicht in der menschlichen Natur, mehrere Kilometer über dem Boden zu schweben, daher ist Angst eine natürliche Reaktion. Und wer kann schon das Risiko vernünftig abschätzen? Ich hab eine Statistik in Erinnerung, dass Kurzflüge riskanter sind, als die gleiche Strecke mit dem Auto zu fahren. Bei Langstrecken ist es umgekehrt. Das liegt daran, dass die gefährlichen Momente beim Fliegen Start und Landung sind, und die kommen auf Langstrecken pro Kilometer weniger häufig vor.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon xander1 » So 11. Jan 2009, 10:14

bzgl. Autos und Atomkraft
bzgl. der Ausgangsfrage,
Sind Autos oder ist Atomkraft interessanter?
Ist Religion oder Nationalstolz interessanter?

Das ist auch ein Kritikpunkt, warum man sich für etwas entscheidet.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 11. Jan 2009, 11:52

Kurt hat geschrieben:Nunja, manche Ängste sind uns evolutionär vorgegeben. Es liegt nunmal nicht in der menschlichen Natur, mehrere Kilometer über dem Boden zu schweben, daher ist Angst eine natürliche Reaktion.
Aber es ist in der Natur des Menschen mit 200 km/h über die Autobahn zu brettern?
Warum sieht unsere Gesellschaft jemanden als "krank" an, der in solchen Situationen Angst hat (ich habe keine Flugangst und fahre - zugegeben - manchmal gerne schnell, aber i.d.R. mit Abstand nach vorne. Aber manchmal denke ich darüber nach und meine Denkfähigkeit (also nicht mein Gefühl) sagt, dies ist Wahnsinn. :irre:



Abgesehen davon, dass die Zahlen oben beide - wenn sie wirklich korrekt wären (auch wenn man "Verkehrstote" auf "Tote in Folge von Unfällen im Straßenverkehr" reduzierte.
In einer Gefahrenabschätzung ist der Mensch erfinderisch (siehe => GAU) und alles andere als realistisch kalkulierend.
Da dies so ist, kann er wunderbar manipuliert werden, obwohl es manchmal nicht nötig wäre.
Warum man Tote im Flugverkehr nach Kilometern und nicht nach verbrachter Zeit im Verkehrsmittel berechnet darf man sich mal gerne überlegen.
Im Durchschnitt verbringt jeder Deutsche wohl ein paar Wochen im Auto. Mal sehen, wie die Zahlen wären, wenn jeder Deutsche zwei Wochen Flugzeit im Jahr mitmacht.
*Nur ein Gedankenanstoß, dass hier einige den engen Käfig der gedankenlose Widergabe verlassen*
(Das es viele Leute gibt, z.B. Geschäftsreisende, Stewardessen und Piloten, die mehr als nur lächerliche zwei Wochen im Jahr im Flugzeug sind, hat damit nichts zu tun. es gibt genügend Pendler, die zwei Monate im Jahr für die Fahrt vom und zum Arbeitsplatz vertun, und Berufskraftfahrer u.v.m. gibt es ja auch.)

zu GAU.
Die schönen Zahlen zu der Wahrscheinlichkeit eines GAUs sind nett, aber recht wertlos, nicht nur wenn man mit Hilfe der Wahrscheinlichkeit die jährlichen (möglichen, durchschnittlichen) Todeszahlen der friedlichen Nutzung der Atomkraft in D (oder sonstwo) hochrechnen wollte.
Es gibt "Ereignis-Möglichkeiten" unterhalb der Schwelle eines GAUs und oberhalb. In "oberhalb" hat Politik und Industrie alles geschoben, was sie nicht berechnen konnten oder wollten (weil sonst die Zahlen zu schlecht würden) oder woran sie tatsächlich in ihrer Fehlbarkeit einfach nicht gedacht hatten. Tschernobyl hat als SuperGAU mit der Wahrscheinlichkeitsberechnung eines GAUs nichts zu tun, ebenso kleinere Unfälle.

Das Ausmaß der Irrationalität ist meines Erachtens weniger der Zahlenvergleich, sondern die Sache an sich.
Der Mensch schätzt Gefahren ganz individuell, allerdings doch im Durchschnitt recht ähnlich, einfach meistens absolut falsch ein. Und ob dann zwei falsch eingeschätzte Gefahren, dann auch noch in unterschiedlichen Relationen zu einander falsch eingeschätzt werden, ist doch eher ohne Bedeutung.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon ganimed » So 11. Jan 2009, 12:14

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Der Mensch schätzt Gefahren ganz individuell, allerdings doch im Durchschnitt recht ähnlich, einfach meistens absolut falsch ein. Und ob dann zwei falsch eingeschätzte Gefahren, dann auch noch in unterschiedlichen Relationen zu einander falsch eingeschätzt werden, ist doch eher ohne Bedeutung.

Für mich ist das Irrationale ja nicht, dass AKW-Gegner das Risiko falsch einschätzen. Das Lustige ist ja, dass selbst bei deren Zahlen die Atomkraft nur mäßig gefährlicher wäre als das Auto. Mögen alle Einschätzungen auch noch so falsch sein, was hier zählt ist ja nur die Konsequenz aus den Einschätzungen. Und die ist irrationalerweise offenbar: gegen Straßenverkehr wird nicht demonstriert, gegen Atomkraft schon. Über die Qualität der Einschätzungen müssten wir uns also, wenn man es eng sehen wollte, gar nicht unterhalten.

Und da finde ich das Argument mit der subjektiv erlebten Kontrolle schon recht erhellend. Und ein weiterer Punkt fällt mir ein. Als Gegenargument gegen Basisdemokratie wird ja oft, meistens recht zurückhaltend und höflich formuliert, gesagt, dass Basisabstimmungn nicht funktionieren, weil die Bürger eben zu durchgeknallt, zu irrational, zu emotional und zu kurzsichtig sind (das sind jetzt meine, weniger zurückhaltenden Formulierungen). Auch wenn also große Mehrheiten gegen Genversuche, Embryoforschung und Atomstrom sind, so gibt es doch offenbar eine mehr oder weniger stille Übereinkunft der Mächtigen, die Mehrheiten hierzulande erstmal nicht für voll zu nehmen. Gut so, kann ich da nur zynisch feststellen.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 11. Jan 2009, 13:16

ganimed hat geschrieben:Für mich ist das Irrationale ja nicht, dass AKW-Gegner das Risiko falsch einschätzen.
Solange es SuperGAUs gibt und auch die sonstigen Zahlen nicht wirklich belastbar sind, die Frage der Entsorgung nicht endgültig und und verlässlich abschätzbar ist (und dies letzte dürfte erst in ein paar Hunderttausend Jahren der Fall sein), solange ist es nicht korrekt einer Seite eine falsche Risikoabschätzung vorzuwerfen, selbst wenn sie scheinbar offensichtlich ist.
ganimed hat geschrieben:Das Lustige ist ja, dass selbst bei deren Zahlen die Atomkraft nur mäßig gefährlicher wäre als das Auto.
Echt? Hast du mal einen Link?

ganimed hat geschrieben:Mögen alle Einschätzungen auch noch so falsch sein, was hier zählt ist ja nur die Konsequenz aus den Einschätzungen. Und die ist irrationalerweise offenbar: gegen Straßenverkehr wird nicht demonstriert, gegen Atomkraft schon.
Nein, so ganz irrational wäre es nicht, wenn das Ziel (Gefahrenabwehr) und die Konsequenz (Abschaffung der potentiellen Gefahr) konsistent wären.
Demonstriert wird ja auch (meines Erachtens) weil die Gefahr nicht selber bestimmt werden kann, also von außen eine Gefährdung, die nicht beeinflusst werden kann, herangeschafft wird. Konsistent und konsequent wäre es dann, wenn andere, hinreichend große Gefahren ebenfalls "bekämpft" würden. Dies ist (oder war) zwar bei den klassischen AKW-Gegner durchaus teilweise gerade bei dem Stichwort Straßenverkehr durchaus kräftig gegeben (Tempolimit und Förderung des ÖPNV sind probate und verlässliche Mittel dafür und werden bzw. wurden aus den Reihen der klassischen AKW-Gegner gefordert) aber andere Gefahren wie Rauchen und Alkoholkonsum stören weniger.
Wobei natürlich die Frage sein sollte, muss ein Individuum immer konsistent handeln und darf man nur gegen eine (vermeintliche oder tatsächliche) Gefahr antreten, wenn man gegen alle vermeintlichen oder tatsächlichen Gefährdungspotentiale ähnlicher oder höherer Größenordnung antritt?
ganimed hat geschrieben: Auch wenn also große Mehrheiten gegen Genversuche, Embryoforschung und Atomstrom sind, so gibt es doch offenbar eine mehr oder weniger stille Übereinkunft der Mächtigen, die Mehrheiten hierzulande erstmal nicht für voll zu nehmen. Gut so, kann ich da nur zynisch feststellen.
Das Problem bei deiner Aufzählung ist außer der naturgemäßen Subjektivität, dass jeder dieser Punkte vor allem primär die finanziellen Interessen einiger weniger betrifft. Dass in Konsequenz nach der sicherlichen(!) Befriedigung der finanziellen Interessen einiger, auch viele davon vielleicht profitieren könnten, sollte man nicht unbeachtet lassen. Hättest du die Beispiele besser gewählt, gäbe es diesen Einwand nicht. :mg:
Außerdem ist mir neu, dass die große Mehrheit gegen Atomstrom ist. Die große Mehrheit ist meines Wissens nur gegen Atomanlagen vor der eigenen Haustür.
Sonst ist es maximal eine kleine Mehrheit, die meist nicht einmal absolut ist (also nicht über 50 %).
Zuletzt geändert von 1von6,5Milliarden am So 11. Jan 2009, 13:19, insgesamt 2-mal geändert.
Grund: quote schreibt man ohne "z"
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon ganimed » So 11. Jan 2009, 15:04

1von6,5Milliarden hat geschrieben:solange ist es nicht korrekt einer Seite eine falsche Risikoabschätzung vorzuwerfen, selbst wenn sie scheinbar offensichtlich ist.

Bin nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe. Eine falsche Risikoabschätzung habe ich niemandem vorgeworfen. Hingegen hast du darauf hingewiesen, wie ungenau und vermutlich falsch die gängigen Risikoabschätzungen sind (echte Riskiofaktoren würden sogar absichtlich außen vor gelassen, etc.). Ist deine neuste Bemerkung also so zu verstehen, dass es dir auch nicht, und damit also niemandem hier mehr um richtig oder falsch der Abschätzungen gehen sollte?

ganimed hat geschrieben:Das Lustige ist ja, dass selbst bei deren Zahlen die Atomkraft nur mäßig gefährlicher wäre als das Auto.

Ich hatte bei meinen Recherchen jeweils einen Artikel gefunden, wo zumindest zwei Schätzungen genannt wurden. Einmal die jeweils offizielle und dann die Gegendarstellung von "Kritikern", wie es dort jeweils hieß. Gut möglich, dass gewisse Atomkraftgegnerkreise zu noch ganz anderen Zahlen kommen. Das habe ich nicht weiter verfolgt. Hier nochmal die beiden Links:
http://www.umweltlexikon-online.de/fp/archiv/RUBsonstiges/GAU.php
http://www.n-tv.de/658350.html

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Konsistent und konsequent wäre es dann, wenn andere, hinreichend große Gefahren ebenfalls "bekämpft" würden.

Ich würde es noch etwas allgemeiner und persönlicher formulieren (habe keine Lust, alle Leute auf die Straße zu rufen): Rational wäre es, wenn man vor gleich gefährlichen Dingen auch gleich viel Angst hätte. Hingegen alles bekämpfen, wäre sicherlich auf den ersten Blick logisch, aber ist wohl auch aus ganz praktischen Gründen sicher nicht möglich.

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Das Problem bei deiner Aufzählung ist außer der naturgemäßen Subjektivität, dass jeder dieser Punkte vor allem primär die finanziellen Interessen einiger weniger betrifft. Dass in Konsequenz nach der sicherlichen(!) Befriedigung der finanziellen Interessen einiger, auch viele davon vielleicht profitieren könnten, sollte man nicht unbeachtet lassen. Hättest du die Beispiele besser gewählt, gäbe es diesen Einwand nicht.

Was ist das überhaupt für ein Einwand? Willst du damit nur zum Ausdruck bringen, dass du zufällig zu den Gegnern zählst und ist das Argument mit den wenigen Verdienern ein reflexartiger Einstieg in die entsprechende Diskussion? :^^: Ob Embryonalforschung nun toll ist oder nicht, das müssen wir hier nicht klären (wäre ich aber auch nicht abgeneigt, mal eure anderen Meinungen zu hören). Es geht doch erstmal bei meiner Aufzählung nur darum, dass die Themen jeweils emotional aufgeheizt sind und die jeweiligen Gegner deshalb oft irrational und nicht verhältnismäßig argumentieren. Und solche Themen zur Abstimmung frei zu geben fände ich deshalb eben auch fatal.

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Außerdem ist mir neu, dass die große Mehrheit gegen Atomstrom ist.

Stimmt, da hast du wohl recht. Bei dem Thema ist inzwischen sicher nur noch eine Minderheit irrational. Könnte aber zur Hochzeit der AKW-Nee-Bewegung ein wenig anders ausgesehen haben.

Mir fällt dazu auch eine Radiodiskussion vor ein paar Wochen ein, wo es um die Frage ging, ob es legitim sei, wegen der Finanzkrise die Bemühungen um den Klimaschutz hinten an zu stellen. Einer der Hörer drückte es so aus, dass wenn man den Klimaschutz nicht ernst nehme, wir bald alle nicht mehr leben würden, oder so ähnlich formuliert. Das erschien mir jedenfalls auch für eine relativ irrational übersteigerte Angst. Also auch bei dem Thema Klimaschutz bitte keine Abstimmungen. Man kann uns Bürgern einfach nicht trauen.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 11. Jan 2009, 17:55

ganimed hat geschrieben: Ist deine neuste Bemerkung also so zu verstehen, dass es dir auch nicht, und damit also niemandem hier mehr um richtig oder falsch der Abschätzungen gehen sollte?
Wie du zu dieser absurden Folgerung kommst, magst du erklären oder auch für dich behalten.
Meine Antwort auf deine Frage lautet: Nein.

ganimed hat geschrieben:Was ist das überhaupt für ein Einwand? Willst du damit nur zum Ausdruck bringen, dass du zufällig zu den Gegnern zählst und ist das Argument mit den wenigen Verdienern ein reflexartiger Einstieg in die entsprechende Diskussion?
Nein, es soll zeigen bzw. aussagen, dass ein u.U. richtiger Gedanke durch die Wahl schlechter Beispiele sich ins Gegenteil verkehren kann.
Hier steht ja plakativ tatsächlich weniger die (angebliche) Vernunft unserer Volksvertreter gegen das unfachmännische und emotionale Volksempfinden sondern tatsächlich Lobbyarbeit gegen emotionale "Gewissensentscheidungen". Ob eine echte rationale Vernunftsentscheidung u.U. zu dem selben Schluss kommen würde, ist somit unerheblich bzw. in den Hintergrund gedrückt. Im Auge des kritischen (kritisch bedeutet nicht, dass man "auf der anderen Seite steht"!) Betrachters, der sich auch ein wenig informiert hat, steht sofort die Arbeit der Interessensvertreter milliardenschwerer Unternehmen und nicht eine möglicherweise von Vernunftsgedanken getragenen Meinung der Politik.

Abgesehen davon, haben ja erst die Faktoren Geld und Durchsetzung rein wirtschaftlicher Interessen (=> Patentierung), außerhalb von esoterisch/klerikalen Kreisen die Genforschung und ganz besonders die Forschung mit embryonalen Stammzellen groß zum "Gegner" gemacht.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon ganimed » So 11. Jan 2009, 22:41

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Abgesehen davon, haben ja erst die Faktoren Geld und Durchsetzung rein wirtschaftlicher Interessen (=> Patentierung), außerhalb von esoterisch/klerikalen Kreisen die Genforschung und ganz besonders die Forschung mit embryonalen Stammzellen groß zum "Gegner" gemacht.

Das sehe ich anders. Zumindest mein Umfeld hat hauptsächlich ideologische Vorbehalte und emotionale Ängste gegen die Genmanipulation. Es sei eben unnatürlich, es sei viel zu unberechenbar, der Mensch dürfe das nicht (vermutlich ist da irgendeine von Gott gewollte Ordnung im Hinterkopf), es sei vor allem unethisch. Bei den Embryonen kommt dann noch die Sache mit der Heiligkeit und Unantastbarkeit des Lebens bzw. des potentiellen Lebens hinzu. Auch hierzu fällt mir eine Radiodiskussion ein, wo die anrufenden Hörer eben diese Argumente vorbrachten, wenn ich mich recht erinnere. (Höre ich zuviel Radio?) Die Besorgnis über fehlgeleiteten Lobbyismus steht nach meinem Eindruck also eher nicht ganz oben auf der Liste. Ist aber wohl, wenn ich so drüber nachdenke, nicht so ganz von der Hand zu weisen.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon AgentProvocateur » Do 19. Feb 2009, 14:21

Was mir bei dieser Diskussion (und auch bei anderen im Forum) auffällt, ist folgendes Schema: eine gegenteilige Meinung wird erst einmal absurd verzerrt und verkürzt dargestellt ("Leben ist heilig", "Gene sind böse" usw. usf.), man tut anschließend so, als ob das die einzigen Argumente gegen die eigene Meinung sein könnten und dann wird einfach gesagt, all dies sei ja nun offensichtlich irrational und / oder ideologisch und / oder emotional und damit hält man dann die Sache für erledigt, fühlt sich in seiner Meinung bestätigt und man hält sich selber auch für ganz toll rational.

Ich denke aber, genau das Gegenteil ist der Fall: permanent nur Strohmänner auseinander zu nehmen ist einfach nur grottig und hat nichts mit einem rationalen Diskurs zu tun.

Was die Atomkraft betrifft, schließe ich mich übrigens dem an. Ich bin also sehr dafür, dass die Risiken von den Kraftwerksbetreibern versichert und also getragen werden müssen.
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Re: Verhältnismäßigkeit: Autos gegen Atomkraft

Beitragvon ganimed » Sa 21. Feb 2009, 12:02

AgentProvocateur hat geschrieben:Was mir bei dieser Diskussion (und auch bei anderen im Forum) auffällt, ist folgendes Schema:

Im Grunde ist das wohl tatsächlich mein Denkschema. Ich erkenne es wieder :^^: Nur ein paar Korrekturen hätte ich da:

AgentProvocateur hat geschrieben:eine gegenteilige Meinung wird erst einmal absurd verzerrt und verkürzt dargestellt ("Leben ist heilig", "Gene sind böse" usw. usf.),

Es ist wohl wie bei der stillen Post. Die Meinung eines anderen kann man selber vermutlich nie so darstellen, wie der Besitzer es tun würde. Deine Meinung, die gegenteilige Meinung hier im Thread sei absurd verzerrt und verkürzt dargestellt worden, finde ich beispielsweise eher absurd übertrieben. Aber zumindest tendenziell ist es wohl so.

AgentProvocateur hat geschrieben:man tut anschließend so, als ob das die einzigen Argumente gegen die eigene Meinung sein könnten

Das stimmt nicht, finde ich. Man stellt die Argumente hier dar und fragt in die Runde, ob es
a) noch weitere Argumente gibt
b) ob die dargestellten Argumente von irgendwem anders gesehen werden
Man sucht also genau nach den Teilen der Gegenmeinung, die man vielleicht noch nicht gesehen und verstanden hat. Eben um sich und seine eigene Meinung zu prüfen. So nach dem Motto: "wenn ich nichts übersehen habe, sollte meine Meinung stimmen. Also: was habe ich übersehen?"

AgentProvocateur hat geschrieben:und dann wird einfach gesagt, all dies sei ja nun offensichtlich irrational und / oder ideologisch und / oder emotional und damit hält man dann die Sache für erledigt, fühlt sich in seiner Meinung bestätigt und man hält sich selber auch für ganz toll rational

Ein gewisses Maß an Irrationalität oder Emotionalität ist beim Menschen, so wie er nunmal tickt, wohl immer drin. Könnte man also immer und überall als Totschlagargumente bringen. Ich versuche mal, drauf zu achten, es damit nicht zu übertreiben.

Ich überlege gerade, welche anderen Schemata es in einem Forum überhaupt geben kann.
Aber dazu öffne ich lieber einen neuen Thread.
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