Alle sich selbst überlassen!

Re: Alle sich selbst überlassen!

Beitragvon Nanna » So 3. Apr 2011, 12:04

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Nur, worüber reden wir hier? Militärisches Eingreifen, Entwicklungshilfe, Handelsbeziehungen?

Ich denke, das ist alles miteinander vernetzt, @Nanna!

Ja klar ist es das. Aber wir reden ja wohl hoffentlich nicht darüber, entweder alles davon zu machen oder gar nichts. Ich bin ja wohl nicht der einzige, der zwischen der Führung eines Handelskrieges mit militärischen Mitteln und der Aufnahme friedlicher Handelsbeziehungen einen qualitativen Unterschied sieht?

Es geht darum zu definieren, wo die rote Linie verläuft.
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Re: Alle sich selbst überlassen!

Beitragvon stine » Mo 4. Apr 2011, 06:10

Die rote Linie ist inzwischen nicht mehr gerade. Friedliche Handlungsbeziehungen werden ganz schnell unfriedlich, wenn sie so angewachsen sind, dass der Wohlstand eines ganzen Volkes davon abhängt. Sie werden noch unfriedlicher, wenn gar die Existenz davon abhängt.
Friedliche Handelsbeziehungen gibt es nur auf der Touristenebene. Toskanische Tontöpfe und chinesisches Porzellan.

LG stine
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Re: Alle sich selbst überlassen!

Beitragvon mat-in » Mo 4. Apr 2011, 08:13

Ich muß mich entschuldigen, ich war das ganze Wochenende ohne Internet, daher etwas spät meine Antworten. Ich muß sagen das es auch in meinem Kopf nicht der Weisheit letzter Schluß ist, aber erst mal Gedanken, die meine Denkrichtung aufzeigen und eine Diskussion ermöglichen. Ich bin um anregungen Dankbar.
Nanna hat geschrieben:Was bedeutet das konkret? ...

Da sich meine Antworten auf viele der Fragen gleichen, möchte ich sie zusammenfassen: Wir werden genau das tun, was wir bisher auch tun: selektiv wegschaun:
Niemand hier hat sich zum Beispiel für den Krieg in Eritrea interessiert... erst gegen Äthopien, dann die Einmischung in Somalien, Gemetzel, Bürgerkrieg und Massenmord mit drittklassiger Militärausrüstung die wir los werden wollten. Erfahren habe ich seinerzeit von dem krieg weil ich einem Freund der aus Eriträa geflüchtet (ich dachte bis da hin: ausgewandert) war gebeten wurde, ihm beim abspielen eines internet-stream (damals war das noch nicht so einfach) zu hefen, weil das wohl die einzige Nachrichtenquelle überhaupt wäre zu dem Krieg und auch die stark zensiert. Bis zu diesem zeitpunkt wußte ich nicht einmal das dort seit Jahren ein Völkermord im gange ist. Ich könnte dir auch im Moment nicht sagen, wie es im Moment dort unten steht. Ein weiteres Beispiel: Die Siedlungspolitik Israels. In Landstreifen die man "in einem verteidigungskreig rechtmäßig erobert hat" Siedlungen zu bauen und die dort heimische Bevölkerung durch abriß ihrer Häuser (wenns sein muß mit dem Panzer und während sie drin sind) zu vertreiben. Ich weiß, man darf das nicht einseitig sehen, aber man hat doch als deutscher eigentlich eine historische verpflichtung, anderen Ländern ein "nein!" zu "Lebensraumerweiterung in den Osten" und "Dann wurde zurückgeschossen" auszusprechen, wenn sie arabische Läden markieren und dort nicht mehr einkaufen... aber auch hier findet ein kollektives wegschaun statt, aus... keine Ahnung... es ist eben genauso tabu was gegen Israel zu sagen wie es Tabu ist über Religion zu diskutieren. Wir schauen einfach weg und konzentieren unsere Streuhbomben Wohltaten in anderen Ländern. Es geht dabei um Medienfokus, Politikfokus, usw.

Was wir darüber hinaus jedoch aktiv tun können, wäre eine adere Art entwicklungshilfe zu fahren. Nachhaltig (wurde ja oben schon erwähnt) versucht man es eine ganze Weile schon. Was fehlt ist, das wir aufhören selektiv zu helfen, nur dort, wo es unsere Interessen stärkt und dabei gleichzeitig einen auf friedlich zu machen. Wir helfen beim sturz eines Regimes, bilden dann dem neuen die Polizei aus und machen den Verlierern des ganzen (die höchstwahrscheinlich ein Regime sind das wir vor 10 oder 20 Jahren selbst eingesetzt haben) das Leben zur Hölle. Wir greifen im Irak nicht ein, wenn er Kurden vergast, wir greifen ein, wenn er Ölquellen besetzt und jammern dann die Taschentücher voll, wie böse er doch ist, der Diktator und das er weg muß! Nicht wegen der Gastoten, sondern wegen der Ölquellen. Das ist eine miese augenwischerei. Schlimmer noch, es ist alles andere als nachhaltig!

Meine Idee von so etwas wäre:
* Grundversorgung zu sichern (lebensmittellieferungen) bei extremen Problemen
* Nachhaltig die Wirtschaft stärken - nicht so, das sie ohne uns selbst 12-Kern Supercomputerchips bauen können, die sollen sie gerne noch hier kaufen - aber so, daß sie selbst Brunnen bohren können und selbst dafür verantwortlich sind, ihren Acker mal umzugraben (habe da ganz gruselige Geschichten gehört, wo nach 2 Jahren Feldbauprojekt die Helfer weiter zogen und im Jahr drauf als sie wiederkamen schon wieder alle Äcker brach und alle Leute am Hungern waren, weil sie mit der Begründung "wir hatten aber heute doch zu essen" aufgehört hatten das Feld für das nächste jahr zu bestellen). Das führt mich zum nächsten Punkt:
* Bildung stärken. Ausbildung ohne Religiöse indoktrination, für Frauen und Männer. Lesen, Schreiben, Rechnen, Geschichte, Menschenrechte, eine Fremdsprache.
* Wenn es einzelne Warlords oder größere Fraktionen gibt, die das ganze stören, bin ich durchaus der Meinung, das wir "unsere Ausbilder und Helfer" mit Waffengewalt schützen sollten. Auch sollten wir drüber nachdenken, ob wir aufhören, solchen Leuten Waffen zu liefern (gott bewahre! die arme deutsche Exportwirtschaft!)
* Wenn wir von großen Bevölkerungsteilen dort nicht erwünscht sind (siehe Somalia-Desaster) sollten wir gehen. Punkt. Es ist nicht nur kein Sinn darin, eine Minderheit beim abschlachten einer Mehrheit zu unterstützen, um zu verhindern das die Mehrheit die Minderheit abschlachtet, es ist auch weder nachhaltig noch besonders moralisch. Wenn wir da noicht wegsehen können, richten wir eben Flüchtlingstransfer hier her ein und bieten ein par hunderttausend Menschen mehr Asyl. Wenn wir das nicht wollen....
* Wir (ich) möchte unseren Lebensstandard nicht komplett aufgeben. Zum Teil beruht dieser aber darauf, günstig Rohstoffe ein und teuer high-tech zu verkaufen. (auch wenn ich mir nicht sicher bin ob die Förderung der deutschen Kohle und das bauen eine Handyfabrik in Afghanistan der richtige weg wären dabei :2thumbs: ). Das darf so nicht aufhören. Damit das nicht passiert, gibt es zwei wege:
1) Wir verlieren etwas Lebensstandard und bezahlen einfach fairer für die Rohstoffe und sparen uns dafür Geld beim Kriegführen.
2) Wir machen weiter wie bisher, konzentrieren uns jedoch offen und ehrlich und mit waffengewalt auf die rohstoffe die uns interessieren, bauen die selber ab und schaffen die mit Waffengewalt nach Hause.
2.5) Mit dem Sichern von Handelswegen habe ich in 1) und 2) keine Probleme. Wenn ein deutsches (oder verbündetes) Schiff in internationalen Gewässern angegriffen wird, ist es zu verteidigen und die (überlebenden) Angreifer nach internationalem Recht zu behandeln.

so weit erst mal...
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