Vegan33 hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Für mich klingt das weit weniger bevormundend und gruselig, als du das hier darstellst
Trotzdem gab Ich dir die Antwort wo das der Fall ist...
Ja, sicherlich, aber man muss sich schon die Details ansehen. Es ist ja nicht nur so, dass die Praxis, wie ich geschrieben habe, offenbar ganz anders aussieht als das, was das Gesetz theoretisch ermöglicht. Es ist auch so, dass man sich in Österreich in das Widerspruchsregister eintragen lassen kann, wenn man Ausländer ist. Wenn du also derart Angst hast, dass du in Österreich vom Berg fällst und dann deine Organe verwendet werden, kannst du dich einfach vor deinem Urlaub in die Datenbank aufnehmen lassen und deine Organe bleiben sicher unangetastet. Es ist also nicht so, dass der österreichische Staat da willkürlich über dich verfügen würde. Man muss vorsichtig mit solchen plakativen Behauptungen sein. Lieber erstmal genau die Faktenlage analysieren.
Vegan33 hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Erkennst du den Widerspruch, der sich ergibt, wenn du einerseits die systematische Bevormundung von Kindern befürwortest (z.B. eben im Fall von Spülmittel) und ihnen andererseits weitreichende Entscheidungskompetenzen geben willst?
Das verstehe Ich nicht. Wie meinst du das? Kannst du es in einfachen Worten fassen..?
Klar, ich versuch's:
In manchen Fällen bist du dafür, dass Kinder bevormundet werden, z.B. wenn sie Geschirrspülmittel trinken wollen oder auf die Straße laufen, ohne auf die Autos zu schauen. In anderen Fällen bist du dagegen dafür, die Kinder nicht zu bevormunden, z.B. wenn es um das Bildungssystem geht, in dem sie aufwachsen wollen. Klar, Geschirrspülmittel ist einerseits erstmal viel gefährlicher als die Frage, ob man in die Regel- oder Montessorischule geht. Andererseits ist es auch viel viel leichter zu verstehen, warum man kein Geschirrspülmittel trinken oder über die Straße laufen soll - trotzdem kommen Kinder nicht unbedingt von selber drauf. Die Entscheidung über ein Bildungssystem ist dagegen so unglaublich viel komplexer. Wenn Kinder schon Schwierigkeiten haben, die Pros und Contras von Alltagssituationen abzuwägen, wie viel schwerer werden sie sich tun, komplexe Fragen über Bildungssysteme zu bewerten. Und ein minimales Überblickswissen muss man nunmal haben, selbst wenn man nur entscheiden soll, in welche Richtung es ungefähr gehen soll.
Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke und nur die, im Vergleich wirklich kleine, Entscheidung betrachte, als es darum ging, auf welches Gymnasium von den dreien in meiner Stadt ich gehen sollte, da sehe ich, wie unglaublich komplex das für einen Zehnjährigen schon ist. Und, wohlgemerkt, da ging es nicht um die große Frage nach dem Bildungssystem, sondern nach der Frage, ob Latein oder Englisch zuerst kommen soll, ob die Ausrichtung musisch, humanistisch oder naturwissenschaftlich sein sollt usw. Meine Mutter hat mich das selbst entscheiden lassen und ich habe keine schlechte Wahl getroffen. Im Nachhinein denke ich aber, dass sie u.U. die bessere Entscheidung getroffen hätte und viel genauer auf dem Schirm hatte, wo meine Stärken, Schwächen und Eigenheiten liegen als ich selbst das damals schon reflektieren konnte. Denn auch Selbstreflexion ist etwas, was man erstmal lernen muss. Kinder sind einfach keine kleinen Erwachsenen.
Vegan33 hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Letztlich bedeutet das, dass Kinder in komplexen Sachfragen nicht entscheidungsfähig sind, egal ob Pflichtschul-, Homeschooling- oder Unschoolingsystem.
Ja, aber Sie sollten entscheiden können mit welchem System sie aufwachsen. Wenn man davon ausgeht das Kinder dem Erwachsenen alles nachahmen, dann sollte man zumindest 15-Jährige Wählen lassen, denn diese Widersprechen ihren Eltern ständig.
Warum um alles in der Welt sollte man den unerfahrensten, ungebildetsten Mitgliedern unserer Gesellschaft mit dem eingeschränktesten Horizont und der größten Abhängigkeit von Anderen die Entscheidung über derart schwierige Fragen überlassen!? Kinder müssen das Entscheiden anhand von Situationen erlernen, die sie tatsächlich überblicken können. Je nach Alter sollte das die Frage sein, ob sie Tomaten- oder Käsesoße haben wollen, für was sie ihre 10€ Taschengeld ausgeben oder mit welchem anderen Kind sie ihren ersten Kuss wagen. Überfordere die Kinder mal nicht gleich mit dem großen Ganzen, wenn die erstmal ihren sozialen Mikrokosmos (Freunde, Familie, Schulkameraden, Vereinsleben etc.) ausreichend kennenlernen müssen, um überhaupt Dinge miteinander in Bezug setzen zu können.
15-jährige wählen lassen ist so eine Sache, wobei wir da eher ins Gespräch kommen, als wenn es um Achtjährige geht. Zuerstmal: Dass Pubertäre ihren Eltern dauernd widersprechen heißt nicht zwangsläufig, dass sie ihnen deshalb
gut widersprechen. Vieles mit dem pubertären Protest hat auch einfach mit dem Austesten sozialer Grenzen zu tun und nicht zuletzt auch damit, dass das pubertierende Gehirn in einer Weise umgebaut wird, die zeitweise die Fähigkeit zur Risikoeinschätzung herabsetzt. Pubertierende sind einfach nicht derart gut darin, Konsequenzen zu berücksichtigen, wie biologisch Erwachsene. Gleichzeitig sind sie noch gar nicht so emanzipiert, wie sie immer gerne tun. In vielen Punkten ahmen sie nach wie vor Verhalten nach, das sie anderswo vorgelebt bekommen, vielleicht weniger bei den Eltern, dafür mehr bei bestimmten Idolen oder durch das, was sie im Freundeskreis erzählt bekommen.
Pubertierende sind sogar häufig ganz besonders angepasst. Es wirkt nur häufig nicht so, weil die Anpassung sich eben auf einmal an anderen Vorgaben orientiert als an denen der Eltern. Dadurch entsteht vordergründig der Eindruck, Jugendliche wären plötzlich ganz unabhängig und unkontrollierbar. Unsinn, jeder Marketingexperte kann dir sagen, mit welchen billigen Tricks man die meisten Jugendlichen zu völlig dämlichen Entscheidungen verführt (funktioniert ja sogar bei den meisten Erwachsenen ziemlich gut).
Wusstest du außerdem, dass aus Ländern, in denen Jugendliche schon mit 16 wählen dürfen, bekannt ist, dass diese ganz besonders häufig konservativ wählen, sich also
gegen Veränderungen des Systems entscheiden? In Österreich hat dies zum Rechtsruck des Parlaments beigetragen, als 2008 der Nationalrat gewählt wurde (2007 wurde das Wahlalter auf 16 gesenkt). Jugendliche sehnen sich eben auch nach Orientierung, Konstanten und einem stabilen Umfeld. Erst wenn sie sich in der großen Welt so langsam ein wenig eingelebt haben, wenn viele mit Anfang 20 an die Uni gehen, mit neuen Ideen, Kulturen und noch mehr großer weiter Welt konfrontiert werden, steigt die Zustimmung zu progressiven politischen Ideen rapide.