Lumen hat geschrieben:Ich habe einmal den Wikipedia Artikel zum Libertarismus gelesen, und sehe dort Positionen die von Links bis Rechts, oder anarchistisch bis kapitalisistisch geprägt sind. Zumindest was den Artikel dort angeht, finde ich durchaus richtige Beobachtungen neben Problemstellen, die für mich nicht beantwortet sind (auch wenn ujmp sie "dumm" findet).
Dort wird beschrieben, dass der Staat nur sich selbst (bzw. Lobbies oder Mitarbeiter) bedient und seine Macht ausnutzen würde. Was wäre wenn der Staat in einem anderen System ein Unternehmen wäre, und welche Mechanismen stehen bereit, das behauptete Problem zu beheben? Wenn es diesen Mechanismus gibt, warum ist er dann nicht auf einen Staat anwendbar? Anders gesagt, das Problem des Machtmissbrauchs wird nicht durch Umetikettierung gelöst.
nein, ein Unternehmen hätte nicht die Möglichkeit (z.B. per Exekutive) 'seine corporate identity' auf andere Unternehmen zu übertragen. Unternehmen, die ihre Macht missbrauchen können in einem freien System nur kurzfristig Monopole aufrecht erhalten, da andere Unternehmen dann Allianzen gegen diese bilden und nicht mehr mit ihnen 'handeln'
(Freier 'Handel' ist immer etwas, wovon beide Seiten einen Vorteil haben und damit die Grundlage des Friedens. Das lässt sich nicht mittels Planwirtschaft regeln oder Dekrete - das schafft das Gegenteil - siehe Griechenland: Es wird nicht der Handel mit Unternehmen eines Staates gehasst, sondern die planende Exekutive eines anderen Staates (die zudem noch ohne Legitimation erfolgt)
Das einzige Existenzrecht hätte der Staat dann als 'neutrale Institution', die über die Einhaltung der Rechte wacht - und nicht selbst welche festlegt. Der freiwilligen und gewaltlosen Übereinkunft der Beteiligten untereinander ist unabdinglich der Vorrang zu gewähren, -
was auch das Recht beinhaltet sich aus dem Staat auszugründen.Natürlich kann es 'zwischenzeitlich' vorkommen, dass das versucht wird und dadurch erstmal "Ungerechtigkeiten" entstehen. Man darf nur nicht dem Fehlschluss unterliegen, dass der Staat es besser machen könnte, nur weil Politiker geneigt sind den Findungsprozess zu ihren und zu Gunsten ihrer Lobby abzukürzen und Fehlentwicklungen zu verschweigen, zu beschönigen und 'Sündenböcken' aufzubürden.
Lumen hat geschrieben:Gleiche Bauchschmerzen habe ich, wenn es um Durchsetzung von Interessen geht. Auch hier kann ich den Staat als private Firma denken, wo aber die Menschen auf seinem "Landeigentum" immerhin ein demokratisches Mitspracherecht haben. Inwiefern wäre es eine Verbesserung, wenn Menschen auf dem Landeigentum von Firmen wohnen, die z.B. nur den Launen des Chefs oder der Börse unterworfen sind? Da spielt die polemische Bemerkung des letzten Hemdes mit hinein. Je stärker Menschen in Abhängigkeit geraten, umso unfreier werden sie. Was Landrechte angeht, sind sich Libertäre offenbar selbst nicht einig.
Die Problematik des Gemeinschaftseigentumes kennt man ja zu genüge: Die Tragödie der Allmende. Es kommt zu Raubbau der Ressourcen um des kurzfristigen Vorteils willen, weil Nutzen (des Eigentumes) und Haftung nicht miteinander verknüpft sind. Die Haftung für das Angerichtete wird buchstäblich 'sozialisiert'. (und lässt sich auch nicht durch noch so viele Gebote und Verbote auf das Individuum zurückdelgieren --> die Entwicklung geht dann allenfalls immer schneller Richtung "DDR 2.0" und/oder gar Faschismus)
Lumen hat geschrieben:Aus diesem für mich noch ungelösten Dilemma ensteht meine Meinung. Ganz einfach, wenn jemand etwas vorschlägt, dass recht offenkundig das Gegenteil dessen bewirkt, als propagiert wird, und sich dabei keine Mühe gegeben wird, das Problem anzusprechen (und zu beheben), wirkt es auf mich fadenscheinig.
Die Libertären sind sich schon darin einig: Jeder muss das Recht haben, (Land-)Eigentum (gewaltfrei und rechtens) erwerben zu können!
Es gibt nur Streit darüber,
'wie' man am Besten (und möglichst gerecht) andere am Eigentum beteiligen kann. 100% oder 0% Erbschaftssteuer?
Probleme:
100% - Man bräuchte einen Dritten, der bestimmt, wer die Karten neu mischt und wie sie verteilt werden.
0% - Das (Eigen-)Leistungsprinzip wird verletzt und das Verantwortungsbewusstsein für das Erworbene wohl nicht in dem Maß gegeben.
(Eine Lösung wäre imho z.B. Erbpacht. Eigentümer könnte die Gemeinschaft bleiben. Der Besitztende könnte sich aber zeitlebens als Eigentümer fühlen und das Eigentum verantwortlich nutzen)
Lumen hat geschrieben:Ungeachtet dessen, stimmt es, dass Minderheiten (oder Gruppen) in einem staatsgefüge zuviel Macht über die Mehrheit haben, was Konfessionslose ganz gut merken, aber im Sinne einer libertären Auffassung eigentlich "selbstverschuldet" sein müsste (könnten aus Verantwortung heraus sich besser organisieren). Schon bei staatlich Abhängigen wie Empfängern von Sozialleistungen fängt die Sache an, kompliziert zu werden, (auch in einer für ujmp "dummen" Weise). Wenn ich Arbeitslose in den Markt zwinge, verändere ich die Bedingungen der Arbeitnehmer (mehr Anbieter, höhere Konkurrenz, große Unterschiede der Ausgangsbedingungen, größere Unsicherheit, plus Vorteil Arbeitgeber, da sie die Preise bestimmen und Preise gegenseitig undurchsichtig, unsicher und undurchschaubar sind).
Du gehst bei Letzterem vom jetzigen Zustand aus: Über 70 % Staatsquote. Einem durch unzählige Subventionen hoch verfälschten Markt, einem 100% sozialistischen Geldsystem, das ständig von unten nach oben umverteilt und zahllosen Hürden (bis hin zu Handelskammerzwangsmitgliedschaften) für jemanden, der sich durch seine eigene Leistungen (und Verantwortung) erfolgreich seinen Marktnische finden will. So schützen - in diesem hochregulierten System - z.B. Mindestlöhne nicht diejenigen (z.B. die bis dahin Arbeitslosen), die neu in den Markt drängen, sondern diejenigen, die meinen das sie dann schon einen Gehalts- und Rentenanspruch haben, wenn sie ein Diplom erworben haben,
damit diese wiederum "guten Gewissens" die Sozialleistungen für die zahlen können, die arbeitslos sind - und bleiben.
In diesem System verlieren alle diejenigen, die aus eigneer Kraft selbständig Leistungen erbringen wollen - gewinnen tun die
"Administratoren und Profiteure der Umverteilung", die Leistungsunwilligen - und diejenigen, für die der Erwerb eines Diploms oder eine staatlich bezuschusste Stelle bereits Leistung genug bedeutet. (die bereits jetzt die Mehrheit stellen und maßgeblich die Politik bestimmen)
(Siehe auch "Klassenstrukturen des Etatismus": (S. 130) http://docs.mises.de/Blankertz/Manifest.pdf)
Zudem tu'st Du so als ob das Arbeitsangebot begrenzt wäre, so wie "Autos", "Stromleitungen", oder andere Ressourcen. Das ist aber überhaupt nicht der Fall. Arbeit gibt es jede Menge, - sie wird nur nicht (mehr) mit werthaltigem Tauschmittel geordert. Das sollte man nicht unterschätzen: Vor 20-30 Jahren hatten 10 DM wesentlich mehr Kaufkraft als heute 5 Euro! Für 10 DM/ die Stunde mussten damals viele arbeiten und hatten dennoch ein gutes Auskommen. Was bei 5 Euro nicht mehr zutrifft, obwohl es nominal doch (fast) das selbe sein sollte!?
[b]
Die "Tausch-Relationen" für den erhaltenen Lohn und die Kaufkraft dafür haben sich erheblich verschoben!
Obwohl z.B. die Bauern nach wie vor ihren 12h-Arbeitstag haben, Maurer immer noch Stein auf Stein setzen, können sie sich ständig mehr leisten, wohingegen z.b. der "öffentlich Dienst" sich heuer - wieder mal - den ersten Schluck aus der "Lohnpulle genommen hat, - noch bevor diejenigen, die indirekt diese Gehälter zahlen überhaupt daran denken konnten. Gleichzeitig werden immer neue Behörden und stellen geschaffen: So z.b. der absurde Vorschlag der FDP(!) eine Behörde zu installieren, die den steigenden Benzinpreis überwacht... (...und deren Etat dann mitel Steuererhöhung dem Benzinpreis zugeschlagen wird)
Daher kommt doch der ständige Druck auf die "vormals bezahlbare Arbeit". Auch hier: Wer ist dafür verantwortlich? ..und wer gebiert sich als Brandlöscher?
(Gleich dazu: Der Lohn-Druck auf den Paketzulieferer wird nicht von etwaigen Produktivitätssteigerungen in China oder in der heimischen Landwirtschaft etc. aufgebaut, - denn Produktivitätssteigerungen erhöhen immer die Kaufkraft der einzelnen Geldeinheit und vermindern sie nicht)
Lumen hat geschrieben:Am Ende läuft es darauf hinaus, dass es ungleiche Startbedingungen gibt, und Abhängigkeitsverhältnisse leicht (allein daraus) entstehen, und Abhängigkeitsverhältnisse Unfreiheit werden. Damit kann man arbeiten, aber mir fällt keine überzeugende Lösung ein.
Ungleiche Startbedingungen bringen ungleiche Herausforderungen mit sich. Das stimmt. Es sagt aber überhaupt nichts daraus aus, ob diese Startbedingungen "gut" oder "schlecht" für die zukünftige Entwicklung 'als Ganzes' sind. Sind die ressourcenarmen Startbedingunnen für die Ökosysteme im Amazonasdschungel "schlechter" für die Ökosysteme wie überdüngte Monokulturen im Landwirtschaftsbereich - oder erlangten sie 'dank' der knappen Ressourcen erst ihre Stabilität und Vielfalt (= Nischen für das Auskommen eines jeden Individuums, anstatt organisierter Monokultur und Herrscahft einiger weniger)?
Freiheitsphilosophien helfen hingegen nur zu ergründen, wie man sich aus etwaigen Abhängigkeitsverhältnissen befreien kann, - ohne das andere dadurch in Abhängigkeit geraten.
Lumen hat geschrieben: Aber ich sehe auch keine im Libertarismus auftauchen. Wenn ich als Modell nur mal einen Wald nehme, in dem sich alle "frei" bedienen könnten, um ihr Überleben zu sichern, wird es sehr schnell kompliziert und ekelig. Kann jemand Wild einzäunen, um für seine Zukunft zu sorgen? Wer entscheidet, was eingezäunt werden darf? Gilt hier einfach das Recht des Stärkeren oder ein "Nachtwächter-Staat", der nur die Gebiete verwaltet? (beide Sichtweisen kommen beim Libertarismus offenbar vor).
Es geht immer nur um 'das finden von Lösungsmöglichkeiten'. Lösungen können sich ändern (was Außenstehende offenbar verwirrt, weil sie alles in eine Ideologie einordnen wollen)- der Findungsprozess nicht.
Was gerecht ist, wird jeweils unter allen Betroffenen ausgemacht. Wenn einer sich auf Grund Gewalt gegen die anderen durchsetzt ist das nicht rechtens und darf von den anderen sanktioniert werden. (Notwehr)
Lumen hat geschrieben:Was ist, wenn ich hundert Jahre später geboren wurde und keine Ecke im Wald mehr zum umzäunen frei ist? Folglich bin ich dann in einem mittelalterlichen Forst, wo jedes Tier einem Herrscher gehört, und allein schon jagen (geschweige denn Züchten) verboten für mich ist.
Hieran erkennt man Dein großes Mißverständnis gegnüber dem was "Eigentum" bedeutet: Eigentumsrechte schützen nicht die Starken in der Gesellschaft und Staat, -. denn diese können sich eh alles nehmen wo und wie sie es brauchen. (Der "Fürst" hat sich bei der Jagd einen Dreck um etwaige Eigentumsrechte seiner Untertanen gescheert). Das grundlegenste Eigentumsrecht ist das Recht an Dir selber, Deinen Körper und das was Du erschaffen hast. Nur Sklaven haben das nicht.
Eigentumsrechte - und die Respektierung dieser durch andere - schützen die Schwachen auch dann, wenn sie nicht selbst in der Lage sind es für sich selbst wahrzunehmen.
Du hast ein Recht auf Leben und Auskommen, was Dir nicht abgesprochen werden darf. Alle zusammen müssen eine Lösung finden. Auch die (evtl. Vor-)Besitzenden haben kein Interesse dich verhungern zu sehen oder das du zum "Feind" mutierst (gegen den man evtl. Ressourcen aufbieten muss), um Deine berechtigten Interessen zu reklamieren und einzufordern.
DENN: Das Individuum (der Eigentümer) weis, das die Zukunft ungewiss ist und ihr Anteil am Wald z.B. mal abbrennen könnte, so das sie dann ebenfalls in Deine Situation geraten könnten. Libertäre werden Dir schon im Eigeninteresse immer wieder eine Chance geben, Eigentum zu erwerben! Alles andere wäre nicht Gerecht und widerspräche dem Freiwilligkeitsgebot zum Konsens. Die Respektierung der Rechte anderer stärkt eine Gemeinschaft in jeder Beziehung.
Lumen hat geschrieben: Angenomme, ich ändere die Konfiguration so, dass der Wald nie jemandem gehören kann und das wird irgendwie durch Nachtwächter durchgesetzt. Wie wird bei der "freien" Selbstbedienung dann gewahrt, dass es auch in Zukunft noch Tiere gibt? Wenn ich die Organisation dessen auch wieder dem Nachtwächter zuschlage, bewege ich mich wieder auf einem normalen Staat zu (mit Quoten usw.).
Das hatten wir schon oben: Eine zunehmende planwirtschaftliche Verwaltung und "Verboteritis" schwächt die Gemeinschaft, da unvermeidbare (unplanbare) unerwünschte Effekte sozialisiert, bzw. stets "Sündenböcken" aufgeladen werden müssen, damit die "Restgemeinschaft" sich selbst glauben machen kann, das ihr System ferfolgreich ist (Der Sozialismus funktioniert so)
Lumen hat geschrieben:Schließlich ist die Freiheit heute vergleichsweise hoch. Inwiefern wird ein Libertärer daran gehindert, das zu tun, was er tun möchte? Also, "Butter bei die Fische" worum geht es wirklich bei dem Herumgefummel an den Spielregeln? Will da jemand selbst gerne König werden, und bildet sich ein, das Zeug dazu zu haben, alle anderen auszustechen? Diese Art der Selbstüberschätzung, in einem Wettkampf andere auszubooten, ist auch nicht neu.
Libertäre streben eine klassenlose, herrschaftsfreie Gesellschaft an, deren Grundzüge sind auf
Freiwilligkeit, Eigentum und Recht aufgebaut ist. (Also durchaus eine Art An-Archie) Auch wenn das illusorisch erscheint (und womöglich auch ist), sollte es nicht daran hindern, dem Ideal nahezukommen. Daher ist die Kritik gegen den Staat, die politischen Zustände (und gegen Politiker speziell) tiefgründiger angelegt. Man geht nicht nur davon aus, das "manche Politiker nichts taugen und nur Populisten sind, - sondern das die politische Klasse grundsätzlich mehr Schaden anrichtet, als Nützliches für die Gesellschaft erschafft. Wahre Autorität basiert nur auf freiwilliger Gefolgschaft und kann daher nie eine Mehrheitsposition in einem Staatsgefüge sein. (So ist z.B. die "Kauzigkeit" eines "praktizierenden Frauenarztes der nebenbei politisch aktiv ist (Ron Paul)", seinem fehlenden populistischen Anspruch geschuldet, mit dem die Meinungsoligopole wenig anfangen können)
Daher auch die Forderung nach dem Recht auf Selbstverwaltung - "Ausgründung" und die Ablehnung von Steuern. Nur dadurch kann man sich dem Herrschaftsanspruch Dritter (und ihrer Meinungs-Maschinerie) entziehen.