Menschenrechte und ihre Begründung

Menschenrechte und ihre Begründung

Beitragvon folgsam » Mo 21. Apr 2008, 22:16

Menschenrechte kann man auch sehr gut ohne 'höchstes Wesen' begründen, somit wird Gott auch hier zu einer unnötigen Hypothese die mehr Fragen aufwirft als sie beantworten kann (nämlich keine).
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 21. Apr 2008, 22:35

folgsam hat geschrieben:Menschenrechte kann man auch sehr gut ohne 'höchstes Wesen' begründen,

So? Wie denn?
Geht das auch nachhaltig?

fragt
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Mo 21. Apr 2008, 22:46

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
folgsam hat geschrieben:Menschenrechte kann man auch sehr gut ohne 'höchstes Wesen' begründen,

So? Wie denn?
Geht das auch nachhaltig?


Willst du uns damit sagen, dass du OHNE GOTT nicht fähig bist, Menschenrechte zu postulieren und du vermeinst, dass dies ebenfalls kein anderer könnte?
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon El Schwalmo » Mo 21. Apr 2008, 22:47

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
folgsam hat geschrieben:Menschenrechte kann man auch sehr gut ohne 'höchstes Wesen' begründen,

So? Wie denn?
Geht das auch nachhaltig?

vermutlich geht es um 'Begründung' vs. 'Letztbegründung'.

Die Transzendentalpragmatik beispielsweise behauptet, eine Letztbegründung in der Ethik geben zu können. Schon aus der Tatsache, dass es Ethiker gibt, die die Transzendentalpragmatik ablehnen, kann man ersehen, dass diese 'Letztbegründung' keine ist. Zudem scheint mir die Transzendentalpragmatik Menschenrechte eher vorauszusetzen.

Ich gehe davon aus, dass man Menschenrechte zwar begründen kann, dass das aber ohne einen Gott nicht in Form einer Letztbegründung erfolgen kann. Da man aber nicht zeigen kann, dass es einen Gott gibt, sehe ich die einzige Möglichkeit darin, auf eine Letztbegründung der Menschenrechte zu verzichten und anzuerkennen, dass sie letztlich auch nur eine Konvention sind.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon El Schwalmo » Mo 21. Apr 2008, 22:52

Qubit hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
folgsam hat geschrieben:Menschenrechte kann man auch sehr gut ohne 'höchstes Wesen' begründen,

So? Wie denn?
Geht das auch nachhaltig?

Willst du uns damit sagen, dass du OHNE GOTT nicht fähig bist, Menschenrechte zu postulieren und du vermeinst, dass dies ebenfalls kein anderer könnte?

es ging nicht um Postulieren, sondern um Begründen. Das sind zwei Paar Stiefel.

Selbstverständlich kann man Menschenrechte ohne Gottesbezug 'begründen', beispielsweise durch die 'Goldene Regel' oder auch nur durch die rationale Überlegung, dass das für einen selber das Beste sein könnte. Die Frage ist nur, wie stichhaltig derartige Begründungen sind. Soweit ich sehe, ist es enorm schwer, Menschenrechte ohne Gottesbezug so zu begründen, dass man die Begründung anerkennen 'muss'.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 21. Apr 2008, 22:55

Qubit hat geschrieben:Willst du uns damit sagen, dass du OHNE GOTT nicht fähig bist, Menschenrechte zu postulieren und du vermeinst, dass dies ebenfalls kein anderer könnte?

Sicherlich kann man ohne Gott Menschenrechte postulieren. In Abhängigkeit vom gesellschaftlichen Kontext, versteht sich. Wenn der sich entsprechend ändert, sind die Menschenrechte flugs wieder weg.
Es geht mir aber um eine nachhaltige Rechtsgrundlage. Wie zB in GG1.

Grüßle,
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Mo 21. Apr 2008, 23:11

El Schwalmo hat geschrieben:
Qubit hat geschrieben:Willst du uns damit sagen, dass du OHNE GOTT nicht fähig bist, Menschenrechte zu postulieren und du vermeinst, dass dies ebenfalls kein anderer könnte?

es ging nicht um Postulieren, sondern um Begründen. Das sind zwei Paar Stiefel.


Die Paare Stiefel passen oder sie passen nicht.
Menschliche Rechte sind erfunden, da ist es schnuppe, ob du dir eine Begründung dazu ausdenkst. Wichtig ist, ob die Stiefel dem passen, der sie anziehen soll. Er mag seine eigene Begründung haben, aber das ist seine Sache!
Also musst du sie postulieren ;-)
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 21. Apr 2008, 23:12

El Schwalmo hat geschrieben:Selbstverständlich kann man Menschenrechte ohne Gottesbezug 'begründen', beispielsweise durch die 'Goldene Regel' oder auch nur durch die rationale Überlegung, dass das für einen selber das Beste sein könnte. Die Frage ist nur, wie stichhaltig derartige Begründungen sind. Soweit ich sehe, ist es enorm schwer, Menschenrechte ohne Gottesbezug so zu begründen, dass man die Begründung anerkennen 'muss'.

Jepp.
Die Goldene Regel ist ja auch nicht gerade selbstevident. Und schon in der Schule war es immer das Ödeste, Langweiligste und Heuchlerischste von der Welt, wenn an die Vernunft appelliert wurde, um daraus irgendwelche obskuren moralischen Werte abzuleiten.

Grüßle,
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon El Schwalmo » Mo 21. Apr 2008, 23:18

Qubit hat geschrieben:Menschliche Rechte sind erfunden,

das ist eine Position. Es gibt auch andere. Und genau das war die Frage: kann man Menschenrechte (letzt)begründen, wenn man das nicht via 'imago dei' oder sonstwie transzendent macht. Was Du machst ist 'begging the question'.

Du ziehst Dir den Stiefel an, der Dir passt. Solange Du das nicht mit einem Argument verwechselst, ist das okay.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 21. Apr 2008, 23:26

Qubit hat geschrieben:Welche Rationalität liegt einer solchen Begründung zugrunde? Ist es nicht eine "Schein-Rationalität"?

Rationalität fragt in meinen Augen nach Gründen und schreckt dabei auch vor Axiomen und Postulaten nicht zurück.
"Schein-Rationalität" bedeutet für mich erst einmal, wenn sich ein rationaler Mensch weigert weiterzudenken, wenn es um die Begründung solcher Kleinigkeiten wie Existenz und Erkenntnis geht.

Grüßle,
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Mo 21. Apr 2008, 23:27

El Schwalmo hat geschrieben:
Qubit hat geschrieben:Menschliche Rechte sind erfunden,

das ist eine Position. Es gibt auch andere. Und genau das war die Frage: kann man Menschenrechte (letzt)begründen, wenn man das nicht via 'imago dei' oder sonstwie transzendent macht. Was Du machst ist 'begging the question'.

Du ziehst Dir den Stiefel an, der Dir passt. Solange Du das nicht mit einem Argument verwechselst, ist das okay.

Du verstehst anscheinend noch nicht..
Die Übereinstimmung der Begründung liegt im gleichen Kontext, den der Stiefelmacher und derjenige, der die Stiefel sich anzieht, haben.
Der Kontext selbst ist beliebig.
Willst du kontextunabhängig Menschenrechte haben, dann musst du sie postulieren!
Kann FF ohne Kontext der religiös-verkorksten Dogmatik Menschenrechte postulieren?
Zuletzt geändert von Qubit am Mo 21. Apr 2008, 23:42, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon El Schwalmo » Di 22. Apr 2008, 06:59

Qubit hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
Qubit hat geschrieben:Menschliche Rechte sind erfunden,

das ist eine Position. Es gibt auch andere. Und genau das war die Frage: kann man Menschenrechte (letzt)begründen, wenn man das nicht via 'imago dei' oder sonstwie transzendent macht. Was Du machst ist 'begging the question'.

Du ziehst Dir den Stiefel an, der Dir passt. Solange Du das nicht mit einem Argument verwechselst, ist das okay.

Du verstehst anscheinend noch nicht..
Die Übereinstimmung der Begründung liegt im gleichen Kontext, den der Stiefelmacher und derjenige, der die Stiefel sich anzieht, haben.
Der Kontext selbst ist beliebig.
Willst du kontextunabhängig Menschenrechte haben, dann musst du sie postulieren!
Kann FF ohne Kontext der religiös-verkorksten Dogmatik Menschenrechte postulieren?

das ist immer noch die spannende Frage. Ich wies darauf hin, dass es philosophische Positionen gibt, die davon ausgehen, dass das eben nicht postuliert werden muss. Wir beide sind anderer Meinung, aber das heißt noch lange nicht, dass wir Recht haben.

Nur damit kein falscher Zungenschlag in die Diskussion kommt: ich bin Konventionalist. Man hat mir eine Fakultas für Ethik mit auf den Weg gegeben, Du kannst davon ausgehen, dass mir die Diskussion über die Begründung ethischer Normen durchaus vertraut ist.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon stine » Di 22. Apr 2008, 07:22

Qubit hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
folgsam hat geschrieben:Menschenrechte kann man auch sehr gut ohne 'höchstes Wesen' begründen,

So? Wie denn?
Geht das auch nachhaltig?


Willst du uns damit sagen, dass du OHNE GOTT nicht fähig bist, Menschenrechte zu postulieren und du vermeinst, dass dies ebenfalls kein anderer könnte?

"Reine" Menschenrechte sind im Naturalismus eigentlich nicht vorgesehen. Hier ist der Mensch nichts besonderes. (Würde mich sehr wundern, warum er es sein sollte?) Man könnte allerhöchstens den Umgang miteinander gesetzlich regeln.
Dass der Mensch eine besondere "Kreatur" ist, wird nur durch die Bibel belegt.
Ansonsten ist er ein evolutionäres Wesen, getreu dem Motto: Das Starke setzt sich durch!


Könnte eine spannende Diskussion werden.

LG stine
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Re: Menschenrechte und ihre Begründung

Beitragvon HF******* » Di 22. Apr 2008, 09:59

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Und wenn Dir diese "Grundierung" noch nicht Grund genug ist, wie wärs dann mit der Begründung von nachhaltigen ethischen Werten:
Locke hat zB mit seinem Deismus (es kann auch echter Glaube gewesen sein, aber ich will hier nicht mehr unterstellen als das, was ich sicher weiß) die Menschenrechte begründet. Ist das nichts?
Und Robespierre hat mit seinem 'Höchsten Wesen' die Gleichheit aller Staatsbürger begründet (bevor er übergeschnappte).

Ja. Die Begründung überzeugt natürlich nur diejenigen wenigen, die tatsächlich an eben diese Gottheit glauben.
Wie viele das tatsächlich sind, kann man bei Fowid nachlesen: http://www.fowid.de/

Für einen Nicht-Gläubigen ist das gar keine Begründung.
Und wenn dann eine Person vom Gottesglauben abfällt oder Agnostiker wird, dann sind die Menschenrechte futsch?
Die Menschen müssten nicht nur an die reale Existenz der Gottheit glauben, sondern auch noch glauben, dass diese Gottheit die Menschenrechte will:
Aus der Bibel lässt sich das sicherlich nicht ableiten! Selbst im 10. Gebot - das ja von eben dieser Gottheit stammen soll - wird ja noch die Sklaverei als selbstverständlich vorausgesetzt (Du sollst nicht den Sklaven Deines Nächsten begehren, kauf Dir Deinen eigenen...). Die Religionsfreiheit und Weltanschauungsfreiheit wird schon im 1. Gebot ad absurdum geführt, indem die Wahl einer anderen Religion für eine schwere "Sünde" erklärt wird (die dann in die Hölle führt). Von Menschenrechten nichts gewesen!

Suggestion ist im Gegensatz zu echten Argumenten eine denkbar dünne und wacklige Grundlage für die Begründung von Menschenrechten.

Letztendlich lässt sich auch hier alles auf den menschlichen Willen reduzieren. Wenn der Wille an den entsprechenden Positionen fehlt, die Menschenrechte aufrecht zu erhalten, dann fallen sie - ob mit oder ohne Gottessuggestion.
Es gibt daher zwei Dinge, die notwendig sind:

1. Die immerwährende Begründung, wozu die Menschenrechte da sind und warum sie wichtig sind um andere von der Richtigkeit dieser Werte zu überzeugen, also den Willen zu erzeugen, die Menschenrechte zu unterstützen.
2. Die immerwährende Äußerung des unumstößlichen Willens, diese Menschenrechte aufrecht zu erhalten und durchzusetzen.

Die Argumentation mit Gottheiten trägt schlimmstenfalls sogar noch dazu bei, das tatsächliche gemeinsame Ziel der Menschen aus den Augen verloren wird, welches mit der Gewährung (so!) von Menschenrechten erreicht werden soll! Es beinhaltet auch den Verzicht, andere Menschen von der Richtigkeit der Menschenrechte durch Argumente zu überzeugen. Die Ratzinger-Rede vom 18.04.2008 vor den Vereinten Nationen ist wieder mal ein bestes Beispiel hierfür. Für mich erweckt solch ein Argumentationsverzicht wie ein Eingeständnis, dass die besseren rationalen Gründe gegen die Menschenrechte sprechen würden...

Bei uns sind die Menschenrechte zumindest ihrem Kernbereich nach dann auch formell so verankert, dass sie sogar dem Demokratieprinzip entzogen sind. Wir haben also gewissermaßen eine Diktatur der Menschenrechte. Ich denke, viel mehr haben wir tatsächlich nicht aufzubieten.
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Re: Menschenrechte und ihre Begründung

Beitragvon Mark » Di 22. Apr 2008, 15:32

HFRudolph hat geschrieben:Die Argumentation mit Gottheiten trägt schlimmstenfalls sogar noch dazu bei, das tatsächliche gemeinsame Ziel der Menschen aus den Augen verloren wird, welches mit der Gewährung (so!) von Menschenrechten erreicht werden soll! Es beinhaltet auch den Verzicht, andere Menschen von der Richtigkeit der Menschenrechte durch Argumente zu überzeugen. Die Ratzinger-Rede vom 18.04.2008 vor den Vereinten Nationen ist wieder mal ein bestes Beispiel hierfür. Für mich erweckt solch ein Argumentationsverzicht wie ein Eingeständnis, dass die besseren rationalen Gründe gegen die Menschenrechte sprechen würden...


Ganz genau ! Wer öffentlich vorlebt, daß er davon überzeugt ist auf Argumente verzichten zu können, ist ein Vollidiot im doppelten Sinne.
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Re: Menschenrechte und ihre Begründung

Beitragvon pinkwoolf » Di 22. Apr 2008, 17:57

Mir scheint bisher klargestellt, dass man alle nur erdenklichen Menschenrechte postulieren kann, mit oder ohne Bezug auf ein höheres Wesen. Zum Beispiel, dass jeder Mensch das Recht hat, von Widersachern unbelästigt ein glückliches Leben zu führen. Das wäre zwar etwas realitätsfremd, aber nobel.

Das eigentliche Problem liegt, wie HFRudolph erläutert hat, in der Begründung; und hier sehe ich in der Tat keine endgültige Lösung. Am ehesten erscheint mir tatsächlich die Goldene Regel self-evident – eine angemessene Übersetzung kann ich bei Leo nicht finden. Die amerikanische Verfassung benutzt ja dieses Wort, und ich habe damit noch nie ein Problem gehabt.

Fisherman's Fellow's Schulerinnerungen können mich dabei nicht beirren; denn in einem bestimmten Alter gehört es für einen denkenden Menschen einfach zum guten Ton, a) alles langweilig zu finden und b) die These, dass schwarz weiß sei, bis zum Letzten zu verteidigen. Wenn es solche jungen Menschen nicht gäbe, hätte ich meinen Lehrerberuf längst an den Nagel gehängt. Aus Langeweile.

Mit Ausnahme der Goldenen Regel kann es, scheint mir, eine letztgültige Begründung für keines der Menschenrechte geben, weder mit höherem Wesen noch ohne ein solches. Mit höherem Wesen noch weniger als ohne. Trotzdem finde ich es gut, dass wir (vorläufig) festgeschriebene Menschenrechte haben. Wären sie endgültig festgelegt, dann könnten wir unseren Laden hier auch unter dem Motto "Ziel erreicht!" endgültig dichtmachen und kollektiven Selbstmord begehen.

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Re: Menschenrechte und ihre Begründung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Di 22. Apr 2008, 22:06

HFRudolph hat geschrieben:Für einen Nicht-Gläubigen ist das gar keine Begründung.
Und wenn dann eine Person vom Gottesglauben abfällt oder Agnostiker wird, dann sind die Menschenrechte futsch?

Nun, man kann sich auch aus Angst vor der Staatsgewalt noch nach ihnen richten, oder weil man persönlich von ihnen überzeugt ist. Solange man von ihnen überzeugt ist. Aber sobald der "Kontext" sich ändert, kann man sie in die Ablage P befördern, und damit verlieren sie auch ihre prinzipielle Bedeutung, weil es nämlich so etwas im Agnostizismus gar nicht gibt.

HFRudolph hat geschrieben:Die Menschen müssten nicht nur an die reale Existenz der Gottheit glauben, sondern auch noch glauben, dass diese Gottheit die Menschenrechte will:

"Die Menschen" müssen sich an die Gesetze halten, sonst nichts. Es ist aber besser, wenn sie auch davon überzeugt sind, und nichts hindert sie daran, nicht deshalb von ihnen überzeugt zu sein, weil sie von Gott stammen, sondern weil sie sie aus subjektiven Überzeugungen heraus nicht schlecht finden oder wegen der Konvention.
Hier geht es erst mal darum, wie eine politische Ordnung ihre Regeln begründet und wie haltbar diese dadurch werden, und nicht um persönliche Glaubensüberzeugungen. Falls Du Dich erinnerst: Locke argumentierte deistisch, nicht spezifisch christlich, und er wusste genau was er tat. Denn Hobbes hatte mit seinem agnostischen Standpunkt immerhin den Absolutismus begründet.

HFRudolph hat geschrieben:Aus der Bibel lässt sich das sicherlich nicht ableiten!

Bist Du ein Fundamentalist, dass Du Gesetze aus der Bibel ableiten willst?
Ich nicht.
Aus dem Evangelium lassen sich zwar keine Rechte ableiten - Kasuismus selbst ist dort längst überwunden -, aber dort wird die Saat gelegt, die bei den heterodoxen kirchlichen Bewegungen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit (Waldenser, Freimaurer, reformatorische Kirchen, englischer Kongregationalismus, Quäker, etc) ein Klima schafft, das zuerst Bürger- und dann Menschenrechte begründet.

HFRudolph hat geschrieben:Selbst im 10. Gebot - das ja von eben dieser Gottheit stammen soll - wird ja noch die Sklaverei als selbstverständlich vorausgesetzt

Logisch, denn die war damals überall Realität.

HFRudolph hat geschrieben:Suggestion ist im Gegensatz zu echten Argumenten eine denkbar dünne und wacklige Grundlage für die Begründung von Menschenrechten.

Wesentlich wackliger ist eine kontext-zeitkernig-abhängige Argumentation, die als Konsenswahrheit zur Disposition gestellt oder schlicht mit Gewalt "verifiziert" oder "falsifiziert" wird, wie das 20. Jahrhundert eindrucksvoll bewiesen hat.
Am schärfsten fand ich dabei immer die US-Variante, die die Rechte nur im eigenen Land gelten ließ. So ist das, wenn sie nur "argumentativ" gedeckt sind. Da ist jeder noch so faule Deal möglich.

HFRudolph hat geschrieben:Letztendlich lässt sich auch hier alles auf den menschlichen Willen reduzieren. Wenn der Wille an den entsprechenden Positionen fehlt, die Menschenrechte aufrecht zu erhalten, dann fallen sie - ob mit oder ohne Gottessuggestion.

Richtig. Aber damit sie erhalten bleiben, muss der Preis sehr hoch sein, den man zahlt, um sie abzuschaffen. Und das geht nur, wenn der Deckungswert dieses Preises sehr hoch ist.

HFRudolph hat geschrieben:Es gibt daher zwei Dinge, die notwendig sind:

[b]1. Die immerwährende Begründung, wozu die Menschenrechte da sind und warum sie wichtig sind um andere von der Richtigkeit dieser Werte zu überzeugen, also den Willen zu erzeugen, die Menschenrechte zu unterstützen.

Wie lautet denn so eine agnostische, immerwährende Begründung? Ich bin wirklich sehr neugierig.

HFRudolph hat geschrieben:Die Argumentation mit Gottheiten trägt schlimmstenfalls sogar noch dazu bei, das tatsächliche gemeinsame Ziel der Menschen aus den Augen verloren wird, welches mit der Gewährung (so!) von Menschenrechten erreicht werden soll! Es beinhaltet auch den Verzicht, andere Menschen von der Richtigkeit der Menschenrechte durch Argumente zu überzeugen. [...]
Bei uns sind die Menschenrechte zumindest ihrem Kernbereich nach dann auch formell so verankert, dass sie sogar dem Demokratieprinzip entzogen sind. Wir haben also gewissermaßen eine Diktatur der Menschenrechte. Ich denke, viel mehr haben wir tatsächlich nicht aufzubieten.

Als die "Gründerväter" der Republick die ersten Artikel des GG ausarbeiteten, stand in den Entwürfen noch eine theophore Begründung drin. Denn anders begründet konnten sich die Damen und Herren die Menschenrechte nicht vorstellen, die sie so, wie Du schreibst, diktatorisch verankern wollten. Aber auf Betreiben von Theodor Heuss wurden alle Anträge niedergestimmt, diese theophore Begründung ins GG zu übernehmen. Aus genau dem Grund, den Du angegeben hast. Und auch ich stimme Dir bei: In einem Gesetzeswerk haben Letztbegründungen, gleich welcher Art, nichts verloren, denn der Staat ist ein weltlich Ding.

Nichtsdestoweniger sind die Menschenrechte ohne eine christliche Geistesgeschichte (aber auch ohne die katastrophale Erfahrung der Glaubenskriege) kaum denkbar, und ich müsste sie für eine reine Fiktion halten, wenn ich kein Christ wäre.

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Re: Menschenrechte und ihre Begründung

Beitragvon Robert » Mi 23. Apr 2008, 06:28

folgsam hat geschrieben:Menschenrechte kann man auch sehr gut ohne 'höchstes Wesen' begründen, somit wird Gott auch hier zu einer unnötigen Hypothese die mehr Fragen aufwirft als sie beantworten kann (nämlich keine).


Hä?!

Mir ist neu, dass die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen per Gott begründet worden ist.
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Re: Menschenrechte und ihre Begründung

Beitragvon HF******* » Mi 23. Apr 2008, 10:07

Weiterer Artikel auf dem Blog:
http://brightsblog.wordpress.com/2008/0 ... ment-23076

@Fishermans Fellow:
"immerwährende Begründung" ist anscheinend missverständlich formuliert, gemeint ist, dass immerwährende Bemühen erkennbar sein sollte, die Menschenrechte auch in einer für alle nachvollziehbaren Form (nicht nur für Abergläubige) begründen zu können. Während meiner Schulzeit etwa habe ich das vermisst, es wurde dort eher auf Deine Warte gesetzt, dass es genüge, wenn sich die Menschen diesen Gesetzen unterwerfen würden. In einer Demokratie ist es aber so, dass die politische Führung mehr oder weniger aus der breiten Masse des Volkes kommt und somit die Erforderlichkeit dieser Werte in irgendeiner Form begriffen und verinnerlicht haben sollte und nicht bloß aus Unterwürfigkeit gegenüber dem Staat oder gegenüber einer Gottheit diese befolgt.

Besser sollte man vielleicht sagen:
1. Die andauernde Bemühung um rationale Begründung der Menschenrechte, um andere
von der Richtigkeit dieser Werte zu überzeugen und der Notwendigkeit, sich für die
Menschenrechte einzusetzen.
2. Die immerwährende Äußerung des unumstößlichen Willens, diese Menschenrechte
aufrecht zu erhalten und durchzusetzen.


Fishermans Fellow schrieb:
Nichtsdestoweniger sind die Menschenrechte ohne eine christliche Geistesgeschichte (aber auch ohne die katastrophale Erfahrung der Glaubenskriege) kaum denkbar, und ich müsste sie für eine reine Fiktion halten, wenn ich kein Christ wäre.

Selbstverständlich ist der heutige Zustand aus der Vergangenheit entstanden, in der auch das Christentum gewütet hat. Das ist allerdings weniger ein Verdienst oder eine Begründung, als vielmehr eine Warnung, dass die christlich-theologische Begründung von Menschenrechten nichts taugt.
Zuletzt geändert von HF******* am Mi 23. Apr 2008, 10:41, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Menschenrechte und ihre Begründung

Beitragvon Mark » Mi 23. Apr 2008, 10:28

HFRudolph hat geschrieben:Weiterer Artikel auf dem Blog:
http://brightsblog.wordpress.com/2008/0 ... ment-23076



The only spam that could ever reach me, was a ton of that preacher spam…

:lachtot: Geil.
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