Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Do 10. Jan 2013, 11:13

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Man kann auch nichts oder sehr wenig leisten und erwarten, dass andere dennoch allzeit für einen da sind.
Das ist keine graue Theorie sondern Lebenspraxis, freilich die der harten Egoisten.

Ja, aber sobald zu viele dieser Individuen in einer Population vorhanden sind, kann die Population sich nicht mehr erhalten und stirbt aus. Diejenige, die hingegen kooperative Egoisten in sich trägt, wird diese überleben.


Ja, aber das ist eine andere Fragestellung.
Es geht ja hier um zwei Kontroversen.
Ist die Behauptung haltbar, jedes Lebenwesen sei (letztlich) egoistisch motiviert.
Dawinks und viele Biologen und Du, sagen (bisher) ja, Batson, viele Psychologen, de Waal und einige aus dem Forum sagen nein.
Zweitens – darum geht es hier – ist die Behauptung haltbar, dass jedes Lebewesen kooperiert?
Du sagst ja, so gut wie alle anderen (auch Dawkins) sagen nein (wenn Kooperation mehr bedeuten soll, als sich nicht erwischen zu lassen).


Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: Für den Bereich reflexiver Mensch, ist das doch nicht so schwer. Man kann das Empfinden haben, dass man im Leben Glück hatte, es einem, warum auch immer ganz gut geht. Aus dieser Motivation heraus ist der Wunsch nachvollziehbar, dass es anderen auch gut gehen sollte. Da braucht man kein Logikseminar.

Nein, dafür braucht man einen Schlag auf den Kopf. Was ist daran logisch und nachvollziehbar, dass es, wenn es einem selbst gut geht, motivierend ist den anderen zu helfen?


Das ist eine Frage des Weltbildes, ob man den Eindruck hat, dass es neben dem Ego noch etwas/jemand anderes geben könnte, in den man Sorge investiert.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe auch nie gesagt, dass es etwas gar nicht geben dürfte (wie den globalisierten Zustand, der uns Hilfe an Menschen ermöglicht, die uns das nie vergelten werden), ich habe darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten in einer Zeit entstanden ist, als es viel häufiger nützlich war, da es meist nur die eigene Gruppe und/oder die Familie betraf.


Wer bestreitet denn, dass Altruisms entstanden ist?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Richard Dawkins hat geschrieben:Ich würde argumentieren, dass eine vorherrschende Eigenschaft, die wir bei einem erfolgreichen Gen erwarten müssen, ein skrupelloser Egoismus ist. Dieser Egoismus des Gens wird gewöhnlich egoistisches Verhalten des Individuums hervorrufen. Es gibt jedoch, wie wir sehen werden, besondere Umstände, unter denen ein Gen seine eigenen egoistischen Ziele am besten dadurch erreichen kann, dass es einen begrenzten Altruismus auf der Stufe der Individuen fördert. Die Worte „besonders“ und „begrenzt“ in diesem Satz sind wichtig. So gern wir auch etwas anderes glauben wollen, universelle Liebe und das Wohlergehen einer Art als Ganzes sind Begriffe, die evolutionstheoretisch gesehen einfach keinen Sinn ergeben.
(Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1989,1994 by Richard Dawkins, dt. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Mai 1996, S.22f)


Wenn das nicht Deine Einstellung ist, wie ist dann Deine?


Meine Einstellung ist, dass ein allumfassender Egoismus nichts erklärt, weil er a) jede Trennschärfe verliert und b) zirkulär ist.
Weiter ist meine Einstellung, dass es (beim Menschen) ein fließendes Kontinnum von reinem Egoismus gibt, bei dem überhaupt nicht kooperiert wird (wenn Kooperation mehr heißen soll, als dass man sich nicht erwischen lässt) bishin zu einem reinen Altruismus.

Im realen Leben kommen die Einstellungen in der Regel gemischt vor und die Motive zu einer Handlung sind variabel, nicht starr, eine Handlung kann als tendenzielle altruistisch motiviert sein, sie nächste tendenziell egoistisch (hier sind beide Begriffe nicht im moralisch wertenden Sinn zu verstehen).

Darth Nefarius hat geschrieben:Naja, und ich hatte schon geantwortet: Jein, da ich das nicht als begrenzten (oder was auch immer für einen) Altruismus bezeichne. Die "vorherrschende Eigenschaft" ist auf die Lebewesen an sich, nicht den Menschen bezogen.


Nun ist der Mensch aber nun mal auch ein Lebewesen.
Dennoch, glaube ich auch, dass die biologischen Beschreibungen rein biologische (= wenig der Kultur unterworfene) Lebewesen ganz gut erfasst, im Bereich des Menschenseins, aber schnell unzureichend wird und allenfalls die ersten Phasen der möglichen Entwicklung betrifft.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Do 10. Jan 2013, 11:18

fopa hat geschrieben:@Vollbreit
Ich glaube, du hast mich an mehreren Stellen missverstanden.
Ich meine nicht, dass unser Verhalten ausschließlich auf biologische Ursachen zurückzuführen ist.


Den Eindruck hatte ich eigentlich auch nicht, sonst wäre Dein Interessen an Memen auch nicht vorhanden.

fopa hat geschrieben:Jedenfalls möchte ich Gehirnzustände, die von kultureller, sozialer oder ähnlicher Beeinflussung herrühren, nicht als biologische Ursachen bezeichnen. Klar, auch erlernte Verhaltensweisen werden von instinktivem Verhalten beeinflusst. Der Mensch kann nicht "über seine Natur" hinauswachsen.


Ja, was immer das hießt, aber in einem alltäglichen Sinne, ist es zweifellos so, dass die Natur bestimmte Grenzen setzt, die wir einzuhalten haben.

fopa hat geschrieben:Dennoch sind erlernte Muster eines Individuums nicht den biologischen Voraussetzungen dieses Individuums entsprungen.


Ja, die Verkehrsregeln oder Staatsformen.
Nur gegen kulturelle Regeln kann man überhaupt verstoßen.
Wochenlange Proteste gegen die Schwerkraft werden nichts bewirken und man kann auch nicht aus Trotz schweben.

fopa hat geschrieben:Ich behaupte also nicht, dass Altruismus genetisch erklärbar sein müsste. Es könnte auch, wie Darth andeutete, ein moralisches Konstrukt sein - ein Denkmuster, das dem (in seiner Natur möglicherweise egoistischen) Menschen anerzogen wird. Das ist natürlich genauso Spekulation wie alles andere in diesem Thread. Wie Altruismus tatsächlich zu begründen ist, wissen wir schließlich nicht.


Ja, das stimme ich Dir weitgehend zu.
Beim Atruismus muss man (wie immer) hinschauen, wie man ihn definiert.
Viele sind der Auffassung, dass der reziproke Altruismus überhaupt kein (echter) Altruismus ist. Wenn man das so sieht wäre Altruismus wohl eher ein Kulturprodukt.
Einige Biologen (wie de Waal) meinen jedoch Evidenzen für einen echten Altruismus auch im Tierreich (bei Primaten) gefunden zu haben, wenn seine Versuche reproduzierbar sind, würde ich mich seiner Einstellung anschließen.
Dennoch, selbst wenn ein gewisser Altruismus angeboren sein mag (wieso auch nicht?) wird natürlich im kulturellen Bereich der Turbo zugeschaltet.

Die wirklich entscheidende und spannende Fragestellung bei dem ganzen Ding ist für mich folgende:
Empathie, Altruismus, Moral, Ethik und so weiter, werden im menschlichen Bereich zum einen aus der Vernunft abgeleitet. Auch Empathie, das Einfühlungsvermögen, ist sehr viel mehr Denkleistung, als Gefühl.
Dennoch ist es so, dass es beim Sprung von der starren Moral („Du sollst...“, „Du darfst nicht...“) zur flexibleren, reflexiveren und eigenverantwortlicheren Ethik, man oft mehrere Handlungsoptionen, oder sich vor Dilemmata gestellt, vorfindet.
In dieser Situation ist nun wieder der allgemeine Rat, man möge sich auf seine innere Stimme oder Intuition verlassen, noch mal drüber schlafen...
Was mich nun interessiert, ist, aus welcher Quelle man da schöpft.
Es gibt zwei prinzipielle Möglichkeiten: Entweder diese Stimme des Unbewussten, der Intuition, des Gewissens oder wie man es nennen will, verweist auf unsere grundlegende Natur und dann könnte es sein, dass das eher simple (durchaus angeborene) Verhaltensmuster sind, die das Zünglein an der Waage darstellen.
Alternativ könnte die Intuition so eine Art Emergenzsprung sein, auf den wir uns halbwegs verlassen können, da er recht gut zu funktionieren scheint.
(Es scheint eine recht allgemeine Regel zu sein, dass man beim Erwerb neuer Fähigkeiten, diese Fähigkeiten zunächst praktisch abrufen und beherrschen kann, aber nicht zwingend wissen muss, was man da genau tut. Das Explizieren der Regeln denen man folgt, ist immer der nachgeordnete Schritt.)
Meine Frage ist, in welche Richtung die „innere Stimme“ wohl weist.

fopa hat geschrieben:Da das Missverständnis jetzt ausgeräumt ist, wird dir sicher auch deutlich, dass ich anderen Wissenschaften nicht absprechen wollte, plausible Erklärungsmodelle liefern zu können. Wir hatten das Thema doch auch schon mal: Der Mensch, insbesondere sein "Geist", ist zu komplex, als dass biologische oder gar chemische oder physikalische Modelle ihn beschreiben könnten. Sie können bloß angeben, wie sich die Materie verhält, aus der der Mensch besteht, also das Fundament beschreiben. Für höhere Ebenen braucht man, wie du gesagt hast, andere Methoden, die nicht weniger wissenschaftlich sind. Man muss nur aufpassen, dass man nicht aneinander vorbeiläuft...


Tut mir leid, wenn da von meiner Seite ein Missverständnis befeuert wurde, ich hatte Dich da gar nicht harten Reduktionisten auf dem Schirm. Also, Strich drunter.

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Mit dieser objektiven Betrachtung, habe ich generell so meine Schwierigkeiten, ich halte das für Unsinn.
Du sprichst die Ängste aus, die wohl viele Geistes- und Sozialwissenschaftler gegenüber den Naturwissenschaften empfinden: sie befürchten, als überflüssig betrachtet zu werden, wenn Naturwissenschaftler irgendwelche prinzipiellen Ursachen/Erklärungen in geistige Zuständigkeitsbereichen gefunden zu haben meinen.


Da möchte ich mal kurz einhaken, weil das eine Motivzuschreibung ist, die man in vielen Variationen immer wieder findet. Hierzu meine Meinung:
So weit ich das einschätzen kann, trifft der oft geäußerte Befund, Geisteswissenschaftler hätten Sorge um ihre Daseinsberechtigung oder ihren Status oder einen Mangel an Selbstvertrauen überhaupt nicht zu.
Die meisten Geisteswissenschaftler, die ich kenne, sind nach meiner Einschätzung, im Schnitt wesentlich besser über Naturwissenschaften informiert, als anders herum, ihre naturwissenschaftlichen Kollegen über Geisteswissenschaften.
Ebenso scheint es - wenn schon – die schlechte Tendenz zu geben, dass beide Lager sich wechselseitig nicht sonderlich ernst nehmen. Naturwissenschaftler halten Geistes-, Sozialwissenschaften, Philosophie und Psychologie tendenziell für unexakte Laberei und andersherum halten oben Genannte oftmals wenig von Naturwissenschaftlern, die ihnen unterreflektiert und eindimensional erscheinen.
Beides mag seine Berechtigung haben, aber es gibt immer löbliche Ausnahmen und die sind doch interessanter. Die Tendenz zur Fachidiotie ist leider auch unter Philosophen verbreitet und sich breiter zu bilden anstatt immer mehr Spezialisten zu fordern könnte den Trend umkehren, aber so richtig erwünscht scheint das derzeit nicht zu sein.

fopa hat geschrieben:Dabei will gar kein Naturwissenschaftler erklären können, warum ich Rad fahre, Dawkins Bücher schreibt oder Bach komponierte. Er möchte höchstens erklären können, warum es überhaupt Menschen gibt, die solche Dinge tun - und das kann er am besten, wenn er mit Nichtnaturwissenschaftlern zusammenarbeitet. Denn du hast Recht: Wenn man Motivationen des Menschen außer Acht lässt, weil man sie für "nicht (natur)wissenschaftlich" oder "nicht objektiv" hält, kann das Bild am Ende nur unvollständig sein, und höchstwahrscheinlich ist es falsch.


Ja, das ist einfach eine Einkürzung, die je nach Fragestellung gerechtfertigt oder blödsinnig sein kann. Um zu wissen, wie Muskel optimal ernährt und gepflegt werden kann ich von Individuum weitgehend abstrahieren, wenn ich aber den optimale Trainingsplan für Dich entwerfen will, muss ich die Einzelbausteine individuell auf Dich zuschneiden und wissen, was Du für ein Typ bist.

fopa hat geschrieben:Was das Gruppenexperiment angeht, habe ich den Altruismus darin noch nicht gefunden.
Vollbreit hat geschrieben:also ist das Verhalten aufs Ganze betrachtet altruistisch, obwohl die Gangart viel ruppiger und primitiver als vorher ist.
Wessen Verhalten und welches Ganze ist denn gemeint?


Ich möchte noch mal nachfragen:
Die schriebst, es sei interessant, ob sich eine Gruppe altruistisch verhalten kann, ohne das seine Mitglieder es tun.
Wie meinst Du das:
Als Gruppe einer anderen Gruppe gegenüber?
Oder als Gruppe den einzelnen Mitgliedern gegenüber?
Einer Gruppe generell ein Motiv zuzuschreiben, ist ja so eine Sache für sich.
Dann können wir das glaube ich noch mal genauer auseinanderpflücken und ich gebe mir Mühe mich besser zu erklären, das was ich geschrieben habe, war in der Form wirklich Mist.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 10. Jan 2013, 12:02

AgentProvocateur hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Na, ich denke eher, dass bestimmte Triebe eine andere Priorität haben als andere und danach gewichtet wird, nicht nach dem größten Nutzen/geringsten Schaden (das ist praktisch, da sich diese Punkte durch die Evolution angeglichen haben, aber immernoch nicht äquivalent sind).

Auch diesen Einwand verstehe ich nicht recht. Wenn Du meinst, dass Menschen hauptsächlich triebgesteuert handeln und viel weniger überlegt/rational, dann laufen die Untersuchungen eben darauf hinaus, dass diese Triebe sich nicht hauptsächich auf das eigene Wohl beziehen, sondern sich auch ultimativ auf das Wohl anderer beziehen können.

Nur weil am Ende der Handlung jemand anderes mehr als man selbst davon hat und es eigentlich hätte klüger anstellen können, bedeutet das nicht, dass es auch so beabsichtigt war.
Wenn du vor hast als Arbeitgeber deine Arbeitnehmer auszubeuten, indem du deren Löhne streichst, kannst du beabsichtigen, dass dein Gewinn steigt. Das Gegenteil jedoch passiert: Du wirst vom Vorstand abgesetzt, die Löhne müssen sogar steigen, weil die Gewerkschaften aus Trotz angefangen haben, zu demonstrieren. Nur weil das Ergebnis deiner Handlung bedeutet, dass alle etwas davon haben, außer dir, bedeutet nicht, dass es so geplant war. Aus der Unfähigkeit abzuwägen, resultiert nicht altruistische Motivation. Ich deute seine Ergebnisse, in denen er vermeindlich die egoistisch wahrscheinlichste Handlung der altruistischen gegenüberstellt (die sich nur darin unterscheiden, dass der Nutzen des Handelnden unterschiedlich groß ist, und deswegen das Ergebnis als Altruismusbeweis gedeutet wird, weil nicht die nützlichste Handlung für einen selbst gewählt wird) lediglich als Aussage darüber, wie unfähig der Mensch sein kann, seinen maximalen Nutzen zu erwirtschaften.
AgentProvocateur hat geschrieben: Das halte ich hier für ziemlich egal, denn wenn sich Triebe hauptsächlich auf das Wohl anderer beziehen, wenn daraus ein ultimatives Ziel derart herrührt, dass das Wohl des anderen erhöht werden soll, dann ist das mE klar altruistisch.

Dadurch, dass nicht die Variante, die einem selbst den meisten Nutzen bringt, gewählt wurde, deutet er doch gerade dieses Ziel. Aber ich halte diese Deutung für falsch.
AgentProvocateur hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das war eigentlich nicht meine Kritik, aber ist auch eine Antwort wert. Ich kann dabei keineswegs auf Altruismus schließen, sondern auf Irrationalität.

Wieso sollte eine Handlung, die als ultimatives Ziel hat, das Wohl eines Dritten zu erhöhen, irrational sein?

Du implizierts, dass es so ist. Ich nicht. Das muss erstmal reichen, ich muss los.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Do 10. Jan 2013, 17:53

Den Text von Batson habe ich jetzt zu Ende gelesen, vielen Dank, für den link, Agent.
Letzten Endes ist der Text überzeugend und meine vorherigen Einwände diskutiert und beachtet Batson alle selbst, so dass ich sie wieder kassieren kann.

Damit ist die These vom psychologischen Egoismus wohl auch aus sozialpsychologischer Sicht geliefert.

In der modernen Analyse und Affekttheorie ist das Thema auch durch. Nur kurz dazu:
Freud ging davon aus, dass es eine Art Gesamtsumme an verfügbarer Aufmerksamkeit, Sorge oder Liebe gibt, die aus diesem Konzept heraus dann folgerichtig sinkt, wenn sie in andere investiert wird, da weniger für das eigene Ich zur Verfügung steht.
Mit dem Wandeln zur Objektbeziehungstheorie hat man erkannt, dass Sorge und Aufmerksamkeit für andere das eigene Ich sogar stärkt.

Die heißt aber nicht, dass es dem Individuum darum ginge, nun letztlich doch das Meiste („den größten Nutzen“) für sich herauszuholen, sondern im Gegenteil ist die Einstellung die, dass ein gesundes und im besten Sinne normales Ich, eines ist, dem es gelingt, den Käfig konstanter (pathologisch narzisstischer) Selbstaufmerksamkeit und -bespiegelung zu verlassen und seine Aufmerksamkeit auf die Beziehung zu anderen Menschen, sowie auf überindividuelle Bereiche wie Politik, Wertesysteme, Religion, Kunst, Philosophie Wissenschaft und Arbeit zu richten.

Weiterführend:
Ob man daraus in einem moderat hedonistischen oder sonstigen Sinn noch eine Form von Egoismus für das Individuum ableiten kann, erscheint mir irgendwann einmal uninteressant und auch logisch zweifelhaft.

Interessant finde ich aber die Beobachtung, dass die scheinbar gegensätzliche Teilung zwischen entweder ich oder die anderen profitieren, in sich zu zusammenfällt und zwar, in einer Weise, dass die These der Mehrung des eigenen Nutzens keinen Sinn mehr ergibt.

Wüschenswert für den Charakter aller Mitmenschen wäre es, dass dieses Spiel durchschaut wird. Der gegenwärtige Trend weist allerdings in eine andere Richtung.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon AgentProvocateur » Do 10. Jan 2013, 20:03

Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Du meinst, dass Menschen hauptsächlich triebgesteuert handeln und viel weniger überlegt/rational, dann laufen die Untersuchungen eben darauf hinaus, dass diese Triebe sich nicht hauptsächich auf das eigene Wohl beziehen, sondern sich auch ultimativ auf das Wohl anderer beziehen können.

Nur weil am Ende der Handlung jemand anderes mehr als man selbst davon hat und es eigentlich hätte klüger anstellen können, bedeutet das nicht, dass es auch so beabsichtigt war.

Könnte bei einer Entscheidung/Handlung sein, dass man sich vorher einen anderen Ablauf vorgestellt hatte, als den, der tatsächlich erfolgt, klar. Aber daraus folgt ja nicht, dass das immer der Fall wäre.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn du vor hast als Arbeitgeber deine Arbeitnehmer auszubeuten, indem du deren Löhne streichst, kannst du beabsichtigen, dass dein Gewinn steigt. Das Gegenteil jedoch passiert: Du wirst vom Vorstand abgesetzt, die Löhne müssen sogar steigen, weil die Gewerkschaften aus Trotz angefangen haben, zu demonstrieren. Nur weil das Ergebnis deiner Handlung bedeutet, dass alle etwas davon haben, außer dir, bedeutet nicht, dass es so geplant war. Aus der Unfähigkeit abzuwägen, resultiert nicht altruistische Motivation.

Die Experimente von Batson sind erstens einfacher aufgebaut als Dein Beispiel mit dem Arbeitgeber, dessen Abschätzung sich nicht erfüllt und zweitens ist diese Deine These doch sehr einfach zu testen: man fragt einfach den Arbeitgeber in Deinem Beispiel oder auch die Probanden in Batsons Tests, ob sie im Nachhinein, unter Kenntnis der erfolgten Geschehnisse, ebenso gehandelt hätten oder ob sie unter der neuen Kenntnis des tatsächlichen Ablaufes lieber anders gehandelt hätten.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich deute seine Ergebnisse, in denen er vermeindlich die egoistisch wahrscheinlichste Handlung der altruistischen gegenüberstellt (die sich nur darin unterscheiden, dass der Nutzen des Handelnden unterschiedlich groß ist, und deswegen das Ergebnis als Altruismusbeweis gedeutet wird, weil nicht die nützlichste Handlung für einen selbst gewählt wird) lediglich als Aussage darüber, wie unfähig der Mensch sein kann, seinen maximalen Nutzen zu erwirtschaften.

Wieso? (Sieht erst mal wie eine petitio principii aus: eine Handlung, die nicht den größten Nutzen für einen selber anstrebt, ist irrational, also ist eine Handlung, die nicht den größten Nutzen für einen selber anstrebt, irrational.)

Darth Nefarius hat geschrieben:Dadurch, dass nicht die Variante, die einem selbst den meisten Nutzen bringt, gewählt wurde, deutet er doch gerade dieses Ziel. Aber ich halte diese Deutung für falsch.

Weil?

Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das war eigentlich nicht meine Kritik, aber ist auch eine Antwort wert. Ich kann dabei keineswegs auf Altruismus schließen, sondern auf Irrationalität.

Wieso sollte eine Handlung, die als ultimatives Ziel hat, das Wohl eines Dritten zu erhöhen, irrational sein?

Du implizierts, dass es so ist. Ich nicht.

Verstehe nicht, was Du meinst, da habe ich nun etwas den Faden verloren. Was meinst Du, würde ich hier implizieren? Und was Du?
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 10. Jan 2013, 20:21

AgentProvocateur hat geschrieben:Ich kenne ein ähnliches Beispiel, (wenn jemand entscheiden kann, ob er eine Lohnerhöhung von X € bekommt oder nicht, wobei jedoch alle seine Kollegen eine Lohnerhöhung 2*X € bekommen, also das doppelte von ihm, dann entscheiden sich viele Leute gegen diese Lohnerhöhung - [das ist jetzt aber ziemlich aus dem Gedächtnis referiert, bin zu faul, das zu googeln]).

Diese Entscheidung ist ganz klar nicht altruistisch, denn sie hat ja in keinster Weise das ultimative Ziel, das Wohl anderer zu erhöhen. Allerdings würde ich diese Entscheidung auch nicht unbedingt "egoistisch" nennen wollen, (denn "egoistisch" würde mE erfordern, das eigene Wohl anzustreben). Das ist vielleicht eher ein Beispiel für eine Entscheidung/Handlung, die weder das eine noch das andere ist, auch das ist ja möglich.

Ich denke schon, dass soetwas dem Egoismus zuzuordnen ist, schließlich ist das wohl Ausschlaggebende in der Handlung hier der eigene Nutzen im Verhältnis zu den anderen. Der übermäßige Vorteil der anderen, so wohl die Logik der Konkurrenz, bedeutet, dass man nach hinten in einer Rangfolge abfällt, auch wenn man selbst einen Vorteil hat. Den größeren Nutzen der anderen zu verhindern, ist auch dann noch in gewisser Weise logisch, wenn man seinen geringeren eigenen Nutzen opfert, um (ganz eigennützig) seine Position, seinen Besitz, seinen Vorteil, seinen Rang nicht einzubüßen. Ich meine das ist egoistisch.
AgentProvocateur hat geschrieben:Batson weist übrigens explizit darauf hin, dass es solche Handlungen - die weder egoistisch noch altruistisch sind - geben kann. Diese sind aber schlicht nicht Gegenstand seiner Untersuchungen.

Ich kenne seinen Hinweis, jedoch deute ich Situationen und Handlungen, die er altruistisch nennt, weil sie in utilitaristischer, egoistischer Sichtweise nicht optimal sind, nicht als altruistisch, sondern als solche Fälle. Bestenfalls hat er damit bewiesen, dass der Mensch dann irrational handelt.
AgentProvocateur hat geschrieben:Daraus, dass nicht alle Handlungen entweder egoistisch oder altruistisch sein müssen, folgt ja nun auch nicht, dass es deswegen keine egoistischen oder altruistischen Handlungen geben könne.

Das habe ich auch nicht behauptet, auch wenn ich nicht meine, dass s solche Handlungen gibt. Ich betrachte sie als irrational egoistisch.
AgentProvocateur hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Batson untersucht mehrere unterschiedliche egoistische Erklärungsversuche von möglichweise altruistischen Handlungen, die Abwendung des eigenen Unbehagens ist nur eine davon. Er rechnet das Wohlbehagen selbstverständlich nicht der altruistischen Motivation zu: wenn es das ultimative Ziel eines Helfenden ist, durch die Hilfe sein eigenes Wohlbefinden zu erhöhen, dann ist das auch nach Batson ganz klar eine egoistische Motivation. (Ebenso wie die anderen egoistischen Erklärungsversuche: z.B. wenn die ultimativen Ziele des Helfens sind: Erhöhung des Selbstwertgefühles, höheres soziales Ansehen (Belohnung durch Dritte), Vermeidung der Abwertung des sozialen Ansehens (Bestrafung durch Dritte) etc., siehe nochmal den Link dazu.)

Das lese ich mir nicht nochmal durch, ich habe wirklich nicht verstanden, wie er nun zweifelsfrei den Egoismus ausschließt und mich nochmal zu bemühen, wird das nicht ändern. Eigentlich habe ich meine Probleme mit den Beweisen klar formuliert, in Bezug auf Hedonismus, auf Kosten-Nutzenrechnungen des Individuums und dass diese Punkte nichtmal ansatzweise ausschließlich für den Altruismus sprechen. Deine Antworten haben mich eigentlich nur noch mehr verwirrt, da sie wieder andere fragen aufferfen (oder nochmal die selben). Wenn ich fälschlicherweise irgendetwas anderes aus den Texten gelesen habe (wie z.Bsp. denn nun den Altruismus erkennt - durch Hedonismus? Durch objektive Kosten-Nutzenrechnungen? Oder wie nun????), kannst du mir doch erklären, wie er es meinte, und nicht was er nicht meinte. Da dies keine Diskussion zwischen 2 Leuten ist, würde das viel Zeit sparen und den Verlauf leserlicher machen. Ich fasse nochmal meine Frage zusammen:
Wie erkennt er zweifellos Altruismus? Und sag jetzt nicht durch seine Experimente oder durch das ultimative Ziel! :kopfwand:
fopa hat geschrieben:Selbstverständlich lassen sich viele kulturelle (interindividuelle) Muster auf biologische Voraussetzungen zurückführen. Die meisten aber nicht nur! Nimm zum Beispiel die Vorstellung des römischen Gottes Vulcanus. Die Menschen haben diese Vorstellung erst durch Einflüsse ihrer Umgebung bekommen: durch Brände und Vulkanausbrüche. Oder möchtest du behaupten, es stecke in den menschlichen Genen, an einen Feuergott zu glauben?

Ich würde behaupten, dass es in seinen Genen liegt, Zusammenhänge zu vermuten, auch wenn es nicht unbedingt welche gibt. Das erinnert mich an die Fähigkeit des Menschen, Metawerkzeuge zu verwenden. Einfache Zusammenhänge werden vermutet, erkannt. Und dann gibt es noch das Phänomen, dass der Mensch alles vermenschlicht (keine kulturelle Eigenschaft), da so viele Kapazitäten für die soziale Interaktion (Gesichts-und Gesikerkennung) verwendet werden müssen. Das kann auch mal mit einem Vulkan passieren.
fopa hat geschrieben:Wo ist dein Problem? Hast du unter "höheren Ebenen" geistige, spirituelle oder gar göttliche Seinsebenen verstanden? Dann wieder Missverständnis! Ich meinte natürlich Abstraktionsebenen. Auch die Biologie ist eine Abstraktionsebene. Oder bemühst du bei all deinen Erklärungen zur Evolution die fundamentalen physikalischen Wechselwirkungen? Warum sollten in der Psychologie nicht Modelle benutzt werden, die nicht direkt aus biologischen Erkenntnissen abgeleitet sind? Entscheidend ist doch bloß, dass sie ihnen nicht grundlegend widersprechen (vorausgesetzt, die biologischen Erkenntnisse stimmen).
Wenn ich erkältet bin, nehme ich zum Beispiel auch Hausmittel zur Symptombekämpfung und zur schnelleren Genesung. Sie helfen tatsächlich, obwohl es nicht medizinisch erwiesen ist.

Wieso sind andere Abstraktionsebenen als höher zu bewerten? Was soll "höher" überhaupt heißen? Mit Modellen, die direkt oder indirekt von der Biologie abgeleitet sind, habe ich keine Probleme. Aber wenn jemand wie Vollbreit schreibt:" Ne, das glaube ich dir nicht; und auch wenn das die Mehrheit der Biologen auch so sieht und auch noch Beweise hat, halte ich an meinen soziologischen Modellen fest, weil ich nicht unvoreingenommen mit Begriffen wie Egoismus umgehen kann. Alles andere ist Biologismus und schlecht und hat einen kleinen Horizont."
Wenn ein anderes Modell oder eine andere Methodik verwendet werden soll, muss sie Vorteile gegenüber dem ersten haben. Ich erkenne die Vorteile nicht, Kultur für die Erklärung von Motivation zu verwenden. Aber du hast das Entscheidende angesprochen: der Widerspruch. Und diesen sehe ich in Vollbreits Argumentation permanent, er brüstet sich auch noch damit, dass der der Biologie widerspricht.
P.S.: Bei vielen Hausmitteln gibt es medizinische Erklärungen, selbst der Placebo-Effekt ist eine solche.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 10. Jan 2013, 20:45

Vollbreit hat geschrieben:Ja, aber das ist eine andere Fragestellung.
Es geht ja hier um zwei Kontroversen.
Ist die Behauptung haltbar, jedes Lebenwesen sei (letztlich) egoistisch motiviert.
Dawinks und viele Biologen und Du, sagen (bisher) ja, Batson, viele Psychologen, de Waal und einige aus dem Forum sagen nein.
Zweitens – darum geht es hier – ist die Behauptung haltbar, dass jedes Lebewesen kooperiert?
Du sagst ja, so gut wie alle anderen (auch Dawkins) sagen nein (wenn Kooperation mehr bedeuten soll, als sich nicht erwischen zu lassen).

:kopfwand: :kopfwand: Ich habe nicht geschrieben, dass alle Lebewesen grundsätzlich kooperieren. Ich habe das auf den Menschen und auf soziale Tiere bezogen!!!
Vollbreit hat geschrieben:Das ist eine Frage des Weltbildes, ob man den Eindruck hat, dass es neben dem Ego noch etwas/jemand anderes geben könnte, in den man Sorge investiert.

Eine Frage des Weltbildes? Stimmt. Wenn dein Weltbild nicht auf Logik basiert, sondern auf Empfindungen und sie grundsätzlich als Ursache sieht (und nicht die Ursache der Empfindungen hinterfragt), liegt es tatsächlich an unterschiedlichen Weltbildern. Während dir die Erklärung für Motivation reicht, dass man es so empfindet, brauche ich nicht weiter auf dich einzureden. Als angehender Naturwissenschaftler stelle ich mir hingegen die Frage, wie es dazu kam? Und diese Frage kann sich nur durch Evolution, einen gewissen Nutzen für das Individuum (in den meisten Fällen) und ein instinktives Empfinden klären. Wenn du nochmal darüber nachdenkst, wirst du noch merken, dass es keine zwingende Ursache für helfendes Verhalten ist, dass es einem gut geht. Ein Zustand der Zufriedenheit kann zu einem Seufzer führen, weil die Muskulatur des Brustkorbes entspannt ist, kann zu Glückgefühlen führen, da Stresshormone nicht induziert werden. Diese Effekte lassen sich biologisch erklären, die des Verhaltens auch. Aber zu sagen, dass aus Zufriedenheit logischerweise Hilfsbereitschaft resultiert, ist völlig daneben. Ein zufriedener Löwe, der ein halbes Gnu gefressen hat, wird nicht anfangen, den Weibchen beim Jagen zu helfen, weil sie noch hungrig sind. Wo soll da der zwingende Grund sein?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: Ich habe auch nie gesagt, dass es etwas gar nicht geben dürfte (wie den globalisierten Zustand, der uns Hilfe an Menschen ermöglicht, die uns das nie vergelten werden), ich habe darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten in einer Zeit entstanden ist, als es viel häufiger nützlich war, da es meist nur die eigene Gruppe und/oder die Familie betraf.

Wer bestreitet denn, dass Altruisms entstanden ist?

Ich, aber die Existenz einer helfenden Handlung, die keinen Nutzen für einen selbst hat, ist kein Beweis für eine altruistische Motivation. Ist das denn so schwer zu verstehen? Beispiel: Ich will dir einen Stein an den Kopf werfen, weil du mich nervst. Dabei bückst du dich, ich treffe den Typen, der dich gerade ausrauben wollte, und habe dir damit geholfen. Ändert sich an meiner Motivation etwas, wenn das Ergebnis der Handlung anders ausfällt? Ich habe diese Frage bereits gestellt, aber mit dir zu diskutieren bedeutet immer, sich im Kreis zu drehen.
Vollbreit hat geschrieben:Meine Einstellung ist, dass ein allumfassender Egoismus nichts erklärt, weil er a) jede Trennschärfe verliert und b) zirkulär ist.

...Weil du meinst, dass es so wäre. Das Problem liegt in deinen Definitionen von Egoismus und deiner wertenden Assoziation.
Vollbreit hat geschrieben:Weiter ist meine Einstellung, dass es (beim Menschen) ein fließendes Kontinnum von reinem Egoismus gibt, bei dem überhaupt nicht kooperiert wird (wenn Kooperation mehr heißen soll, als dass man sich nicht erwischen lässt) bishin zu einem reinen Altruismus.

Ich habe nicht bestritten, dass der Mensch auch unkooperativ sein kann. Es kommt auf seinen Vorteil, seine Einschätzungen an. "Der reine Altuismus" ist ein Märchen.
Vollbreit hat geschrieben:Im realen Leben kommen die Einstellungen in der Regel gemischt vor und die Motive zu einer Handlung sind variabel, nicht starr, eine Handlung kann als tendenzielle altruistisch motiviert sein, sie nächste tendenziell egoistisch (hier sind beide Begriffe nicht im moralisch wertenden Sinn zu verstehen).

Eine Motivation kann in der krassen Mehrheit einer Spezies existieren, wenn sie ihren evolutionären Nutzen für das Individuum hatte. Auf den Altruismus trifft das nicht zu, nur auf eine kooperative Form des Egoismus.
Vollbreit hat geschrieben:Nun ist der Mensch aber nun mal auch ein Lebewesen.
Dennoch, glaube ich auch, dass die biologischen Beschreibungen rein biologische (= wenig der Kultur unterworfene) Lebewesen ganz gut erfasst, im Bereich des Menschenseins, aber schnell unzureichend wird und allenfalls die ersten Phasen der möglichen Entwicklung betrifft.

Es gibt Ausnahmen im Verhalten, ebenso erfolgreiche Strategien des Überlebens. Dadurch, dass die Mehrheit der Lebewesen einen unkooperativen Stil des Egoismus ausleben, schließt es nicht die Nische einzelner sozialer Egoisten aus.
"Unzureichend" müsste bedeuten, dass Erklärungen, Modelle und Beweise fehlen. Dem ist nicht aber nicht so.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 10. Jan 2013, 21:01

AgentProvocateur hat geschrieben:Die Experimente von Batson sind erstens einfacher aufgebaut als Dein Beispiel mit dem Arbeitgeber, dessen Abschätzung sich nicht erfüllt und zweitens ist diese Deine These doch sehr einfach zu testen: man fragt einfach den Arbeitgeber in Deinem Beispiel oder auch die Probanden in Batsons Tests, ob sie im Nachhinein, unter Kenntnis der erfolgten Geschehnisse, ebenso gehandelt hätten oder ob sie unter der neuen Kenntnis des tatsächlichen Ablaufes lieber anders gehandelt hätten.

Nun, die Testpersonen einfach zu fragen, bedeutet nicht, dass sie ihren Nachteil erkennen. Abgesehen davon werden wohl die meisten bei einer Frage nach egoistischer oder altruistischer Motivation so antworten, wie es ihrem Ansehen schmeichelt. Z.Bsp. heißt es immer, dass Männer häufiger fremdgehen als Frauen, auf Umfragen basierend. Aber wie soll dies möglich sein, wenn es etwa gleichviele Männer wie Frauen gibt? Entweder werden die fremdgehenden Männer homosexuell oder es gibt eine Gruppe kleine von Frauen, die diesen fremdgehenden Männern bereitstehen, da sie auch fremdgehen, was auf eine überproportionale Partnerfrequenz sprechen würde, oder ganz einfach: die befragten Frauen logen. Und dann will selten jemand seinen Fehler eingestehen, selbst wenn er ihn erkennt.
Agentprovocateur hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich deute seine Ergebnisse, in denen er vermeindlich die egoistisch wahrscheinlichste Handlung der altruistischen gegenüberstellt (die sich nur darin unterscheiden, dass der Nutzen des Handelnden unterschiedlich groß ist, und deswegen das Ergebnis als Altruismusbeweis gedeutet wird, weil nicht die nützlichste Handlung für einen selbst gewählt wird) lediglich als Aussage darüber, wie unfähig der Mensch sein kann, seinen maximalen Nutzen zu erwirtschaften.

Wieso? (Sieht erst mal wie eine petitio principii aus: eine Handlung, die nicht den größten Nutzen für einen selber anstrebt, ist irrational, also ist eine Handlung, die nicht den größten Nutzen für einen selber anstrebt, irrational.)

Nein, so beurteile ich Rationalität nicht. Ich beurteile sie danach, dass sie den eigenen, maximalen Vorteil bringt, weil sich solche in der Evolution mit größter Fitness durchsetzen. Aber wenn dich das Wort stört, müssen wir darauf nicht auch rumreiten. Ich kann es auch nochmal neutraler formulieren: Es können auch Handlungen egoistischer Natur sein, die nicht den maximalen eigenen Nutzen erfassen oder herbeiführten, was für mich eher auf Undruchdachtheit als auf Selbstlosigkeit deutet.
AgentProvocateur hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Dadurch, dass nicht die Variante, die einem selbst den meisten Nutzen bringt, gewählt wurde, deutet er doch gerade dieses Ziel. Aber ich halte diese Deutung für falsch.

Weil?

Weil sie lediglich belegt, dass der Mensch nicht seinen maximalen Vorteil wählt. Die Frage ist nun, ob er dies bewusst tut, oder es schlichtweg nicht besser kann, weil er seinen Vorteil nicht erkennt und die Triebbefriedigung nicht proportional zum eigenen Nutzen ausfallen muss (da sie nur oft korrelliert, nicht jedoch deckungsgleich ist). Ich tendiere zu letzterer Erklärung.
AgentProvocateur hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wieso sollte eine Handlung, die als ultimatives Ziel hat, das Wohl eines Dritten zu erhöhen, irrational sein?

Du implizierts, dass es so ist. Ich nicht.

Verstehe nicht, was Du meinst, da habe ich nun etwas den Faden verloren. Was meinst Du, würde ich hier implizieren? Und was Du?

Also: Ich bezeichne die altruistische Motivation, die ultimatives Ziel sein soll, nicht als irrational, sondern die Wahl der Handlung. Ich setze dies nicht gleich. Vielmehr sehe ich überhaupt keinen Altruismus in der Handlung, nur Egoismus, der nicht optimal gelebt wird. Du hast impliziert, dass die Handlung altruistisch ist und deswegen verstanden, dass ich Altruismus als irrational bezeichne, aber ich stelle nur eine andere Deutung dieser gegenüber.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon fopa » Do 10. Jan 2013, 21:15

Darth Nefarius hat geschrieben:Wieso sind andere Abstraktionsebenen als höher zu bewerten? Was soll "höher" überhaupt heißen?
Höher ist in diesem Fall keine Bewertung, sondern ein Maß für die Abstraktion bzw. das Abstraktionserbe (gibt es dafür einen Fachbegriff?). Biologische Phänomene basieren auf chemischen Gesetzmäßigkeiten, die wiederum physikalische Gesetzmäßigkeiten abstrahieren. Das Erbe der Abstraktion wird umso größer, je höher die Ebene ist, denn umso mehr (letzten Endes physikalische) Mikroprozesse sind involviert. Viele dieser mikroskopischen Prozesse werden vereinfacht oder teilweise vernachlässigt, sodass das Modell letzten Endes aus ein paar Formeln, Schemata, Sätzen oder was auch immer besteht, statt sich mit Gigaquads an Daten für alle involvierten Mikroprozesse zu befassen.
Ich denke, das Prinzip läuft unter dem Stichwort Systemismus.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Fr 11. Jan 2013, 08:52

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe nicht geschrieben, dass alle Lebewesen grundsätzlich kooperieren. Ich habe das auf den Menschen und auf soziale Tiere bezogen!!!


Was dann nicht richtig wäre, bezogen auf den Menschen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn du nochmal darüber nachdenkst, wirst du noch merken, dass es keine zwingende Ursache für helfendes Verhalten ist, dass es einem gut geht.


Behauptest Du nicht sonst immer das Gegenteil, nämlich, dass man nur hilft, weil es einem selbst nützt (und man sich z.B. gut fühlt)?

Darth Nefarius hat geschrieben:Ein Zustand der Zufriedenheit kann zu einem Seufzer führen, weil die Muskulatur des Brustkorbes entspannt ist, kann zu Glückgefühlen führen, da Stresshormone nicht induziert werden. Diese Effekte lassen sich biologisch erklären, die des Verhaltens auch. Aber zu sagen, dass aus Zufriedenheit logischerweise Hilfsbereitschaft resultiert, ist völlig daneben. Ein zufriedener Löwe, der ein halbes Gnu gefressen hat, wird nicht anfangen, den Weibchen beim Jagen zu helfen, weil sie noch hungrig sind. Wo soll da der zwingende Grund sein?


Es ist nicht zwingend, aber ein Grund.
Ich kann auch selbstzufrieden in der Sonne liegen und nichts tun oder einfach ziellos spazieren gehen, aber eben auch das Motiv haben, meinen Zustand teilen zu wollen. Was ist daran so fremdartig, dass Du es nicht akzeptieren möchtest?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wer bestreitet denn, dass Altruisms entstanden ist?

Ich, aber die Existenz einer helfenden Handlung, die keinen Nutzen für einen selbst hat, ist kein Beweis für eine altruistische Motivation.


Das ist nicht die Definition des Altruismus.
Die lautet nicht, dass etwas keinen Nutzen für einen selbst hat, sondern in der Absicht geschieht, das Wohlbefinden eines anderen zu vergrößern.
Gegen Definitionen kann man schlecht argumentieren, außer, dass man sie für unpassend hält.
Hier käme dann die Frage, nach einer besseren Definition recht zwingend auf. Wie lautet sie denn, Deiner Meinung nach?

Darth Nefarius hat geschrieben:Ist das denn so schwer zu verstehen? Beispiel: Ich will dir einen Stein an den Kopf werfen, weil du mich nervst. Dabei bückst du dich, ich treffe den Typen, der dich gerade ausrauben wollte, und habe dir damit geholfen. Ändert sich an meiner Motivation etwas, wenn das Ergebnis der Handlung anders ausfällt?


Das wäre ja nicht altruistisch, weil Du deutlich erkennbar in der Absicht handeltest mir zu schaden und mir nur zufällig geholfen hast.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Meine Einstellung ist, dass ein allumfassender Egoismus nichts erklärt, weil er a) jede Trennschärfe verliert und b) zirkulär ist.

...Weil du meinst, dass es so wäre. Das Problem liegt in deinen Definitionen von Egoismus und deiner wertenden Assoziation.


Hm, das scheint ein schwieriger Punkt zu sein, ich verstehe nicht ganz warum. Dazu eine Frage:
Bist Du der Meinung, dass zwischen der Methodik der Wissenschaft und Religion ein Unterschied besteht und falls ja, worin besteht der Deiner Meinung nach?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Weiter ist meine Einstellung, dass es (beim Menschen) ein fließendes Kontinnum von reinem Egoismus gibt, bei dem überhaupt nicht kooperiert wird (wenn Kooperation mehr heißen soll, als dass man sich nicht erwischen lässt) bishin zu einem reinen Altruismus.

Ich habe nicht bestritten, dass der Mensch auch unkooperativ sein kann.


Doch, oben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe nicht geschrieben, dass alle Lebewesen grundsätzlich kooperieren. Ich habe das auf den Menschen und auf soziale Tiere bezogen!!!


Daraus folgt, dass Menschen und soziale Tiere grundsätzlich kooperieren.
Es sei denn, Du meinst mit „grundsätzlich“ so was wie „meistens, aber es gibt Ausnahmen“.
Meinst Du das so?

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe nicht geschrieben, dass alle Lebewesen grundsätzlich kooperieren. Ich habe das auf den Menschen und auf soziale Tiere bezogen!!!
Eine Motivation kann in der krassen Mehrheit einer Spezies existieren, wenn sie ihren evolutionären Nutzen für das Individuum hatte. Auf den Altruismus trifft das nicht zu, nur auf eine kooperative Form des Egoismus.[/quote]

Batson hat ja ausgeführt, dass im experimentellen Design, Menschen auch dann helfen (und sogar stärker), wenn die Kosten zum Ausstieg aus der Hilfsleistung geringer wären, als die Kosten in ihr zu verweilen. Egoistisch motivierte Menschen würden aber genau anders herum handeln.

Darth Nefarius hat geschrieben:Es gibt Ausnahmen im Verhalten, ebenso erfolgreiche Strategien des Überlebens. Dadurch, dass die Mehrheit der Lebewesen einen unkooperativen Stil des Egoismus ausleben, schließt es nicht die Nische einzelner sozialer Egoisten aus.
"Unzureichend" müsste bedeuten, dass Erklärungen, Modelle und Beweise fehlen. Dem ist nicht aber nicht so.


Mir ist überhaupt nicht klar, ob Dir klar ist, was ich zu dem Thema denke.
Kannst Du mir das mal in knapper Form schreiben. Ich habe den Eindruck, dass Du in Teilen eine Auffassung gegen mich verteidigst, wo es gar nicht nötig ist, eine Klärung würde da helfen.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 11. Jan 2013, 16:12

fopa hat geschrieben:Höher ist in diesem Fall keine Bewertung, sondern ein Maß für die Abstraktion bzw. das Abstraktionserbe (gibt es dafür einen Fachbegriff?). Biologische Phänomene basieren auf chemischen Gesetzmäßigkeiten, die wiederum physikalische Gesetzmäßigkeiten abstrahieren. Das Erbe der Abstraktion wird umso größer, je höher die Ebene ist, denn umso mehr (letzten Endes physikalische) Mikroprozesse sind involviert. Viele dieser mikroskopischen Prozesse werden vereinfacht oder teilweise vernachlässigt, sodass das Modell letzten Endes aus ein paar Formeln, Schemata, Sätzen oder was auch immer besteht, statt sich mit Gigaquads an Daten für alle involvierten Mikroprozesse zu befassen.

Dadurch dass die Biologie teilweise auf der Chemie basiert, befindet sie sich nicht auf einer (nicht gewertet) höheren Abstraktionsebene. Meist vereinfachen Biologen (und sogar Biochemiker :winkgrin2: ) chemische Sachverhalte, sie bauen nicht auf dem letzten Stand der Dinge in Sachen Chemie auf (oder sehr, sehr selten, weil es zweckmäßiger ist, sich bei der meist organischen Chemie nicht zusätzlich auf die Systematik von metallischen Legierungen und dergleichen zu beschränken). Ebenso vereinfacht die Chemie einiges Wissen der Physik in vielen Fällen und wendet oft klassische Physik an. Das sind Interpretationsebenen, die gleichberechtigt nebeneinander existieren, einige bauen auf rudimentären Erkenntnissen der anderen auf, aber dadurch wird es keine höhere Abstraktionsebene, da selbst die Fachrichtung, aus der man sich bedient, schon über diese Ebene hinausging.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 11. Jan 2013, 16:42

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe nicht geschrieben, dass alle Lebewesen grundsätzlich kooperieren. Ich habe das auf den Menschen und auf soziale Tiere bezogen!!!


Was dann nicht richtig wäre, bezogen auf den Menschen.

Mit grundsätzlich meine ich nicht immer, sondern die Mehrheit, den Normalfall (des Menschen).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn du nochmal darüber nachdenkst, wirst du noch merken, dass es keine zwingende Ursache für helfendes Verhalten ist, dass es einem gut geht.


Behauptest Du nicht sonst immer das Gegenteil, nämlich, dass man nur hilft, weil es einem selbst nützt (und man sich z.B. gut fühlt)?

"Wenn es mir selbst nützt" ist nicht gleichzusetzen mit "es geht mir gut". Das eine ist ein aktueller Zustand, das andere ein Ziel, welches noch zu realisieren ist. Ich stelle (was tatsächlich logisch ist) die Motivation vor die Handlung. Ein Zustand des Glücks ist keine Motivation, sondern erstmal nur ein Zustand. Dieser kann verschiedene Motivationen unterschiedlich beeinflussen. Wenn man z.Bsp. satt ist, ist die Motivation zu essen sehr gering. Das ist eine logische Kette. Und zu solchen Ketten gehören auch Zwischenschritte, um die Argumentation valide zu machen.
Vollbreit hat geschrieben:Es ist nicht zwingend, aber ein Grund.
Ich kann auch selbstzufrieden in der Sonne liegen und nichts tun oder einfach ziellos spazieren gehen, aber eben auch das Motiv haben, meinen Zustand teilen zu wollen. Was ist daran so fremdartig, dass Du es nicht akzeptieren möchtest?

Na wenn du deine Motivation erklärst, hat es eine andere Qualität als sie vorrauszusetzen und gar nicht erst zu erwähnen. Das ist im Übrigen auch dein Fehler beim Altruismus: Du setzt ihn einfach voraus. Wie gesagt, wenn du mit Logik daher kommst, kannst du nicht mit hinreichenden Bedingungen argumentieren, die dazu führen könnten oder nicht.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:[...]die Existenz einer helfenden Handlung, die keinen Nutzen für einen selbst hat, ist kein Beweis für eine altruistische Motivation.


Das ist nicht die Definition des Altruismus.

Das ist die einzige Möglichkeit, den Egoismus auszuschließen, und darum ging es auch. Ich habe hier nicht beabsichtigt, den altruismus zu definieren. Abgesehen davon ist es immer noch kein Altruismus, wenn man das Bedürfnis hat, anderen zu helfen. Das ist dann eine nachrangige Motivation, da sie die primäre haben kann, sich dadurch einen eigenen Nutzen zu verschaffen; deswegen hat Batson auch von ultimativen Zielen gesprochen.
Vollbreit hat geschrieben:Bist Du der Meinung, dass zwischen der Methodik der Wissenschaft und Religion ein Unterschied besteht und falls ja, worin besteht der Deiner Meinung nach?

Natürlich besteht ein Unterschied. Die Religion schert sich einen Dreck um versuchte Objektivität der Akteure (damit meine ich die Gläubigen, nicht unbedingt ihrer imaginären Zentralgestalt), die Naturwissenschaftler bemühen sich um diese durch Reproduzierbarkeit der Ergebnisse und Empirie, um Logik als Argument pro These, nicht um das Gefühl, den Glauben, bla. Deswegen kann man mit den Theorien der Naturwissenschaften eine Zivilisation aufbauen, mit Religion höchstens eine Kultur.
Vollbreit hat geschrieben:Batson hat ja ausgeführt, dass im experimentellen Design, Menschen auch dann helfen (und sogar stärker), wenn die Kosten zum Ausstieg aus der Hilfsleistung geringer wären, als die Kosten in ihr zu verweilen. Egoistisch motivierte Menschen würden aber genau anders herum handeln.

Siehe Diskussion mit Agent. Kosten-Nutzen-Argumentationen und ihre Rationalität bei Handlung lassen nicht auf eine Motivation schließen. Der handelnde Mensch kann auch einfach blöde sein und seinen Nutzen überproportional hoch, seine Kosten überproportional niedrig einschätzen. Ich meine, dass das Batson nicht berücksichtigt.
Vollbreit hat geschrieben:Mir ist überhaupt nicht klar, ob Dir klar ist, was ich zu dem Thema denke.
Kannst Du mir das mal in knapper Form schreiben. Ich habe den Eindruck, dass Du in Teilen eine Auffassung gegen mich verteidigst, wo es gar nicht nötig ist, eine Klärung würde da helfen.

Soll das heißen, dass du meinst, wir wären uns in irgendetwas einig?? Ich werde mich aber nicht darauf einlassen, deine kruden Gedanken wiederzugenen, erst recht nicht, wenn du nicht klärst, was du mit "dem Thema" meinst. Meinst du die Beweisbarkeit von Batsons Theorien? Die Beweisbarkeit des universellen Egoismus? Ihre Koexistenz? Die falsche, weil biologistische Herangehensweise an diese Fragestellung?
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Fr 11. Jan 2013, 17:50

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe nicht geschrieben, dass alle Lebewesen grundsätzlich kooperieren. Ich habe das auf den Menschen und auf soziale Tiere bezogen!!!


Was dann nicht richtig wäre, bezogen auf den Menschen.

Mit grundsätzlich meine ich nicht immer, sondern die Mehrheit, den Normalfall (des Menschen).


Okay, danke.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Behauptest Du nicht sonst immer das Gegenteil, nämlich, dass man nur hilft, weil es einem selbst nützt (und man sich z.B. gut fühlt)?

"Wenn es mir selbst nützt" ist nicht gleichzusetzen mit "es geht mir gut".
Das eine ist ein aktueller Zustand, das andere ein Ziel, welches noch zu realisieren ist. Ich stelle (was tatsächlich logisch ist) die Motivation vor die Handlung.


Logisch mag es sein, nicht immer trifft es zu.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ein Zustand des Glücks ist keine Motivation, sondern erstmal nur ein Zustand.


Die Motivation wäre Glück anzustreben, oder, wenn man glücklich ist, es zu teilen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Dieser kann verschiedene Motivationen unterschiedlich beeinflussen. Wenn man z.Bsp. satt ist, ist die Motivation zu essen sehr gering. Das ist eine logische Kette. Und zu solchen Ketten gehören auch Zwischenschritte, um die Argumentation valide zu machen.


Und was sagt das aus?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es ist nicht zwingend, aber ein Grund.
Ich kann auch selbstzufrieden in der Sonne liegen und nichts tun oder einfach ziellos spazieren gehen, aber eben auch das Motiv haben, meinen Zustand teilen zu wollen. Was ist daran so fremdartig, dass Du es nicht akzeptieren möchtest?

Na wenn du deine Motivation erklärst, hat es eine andere Qualität als sie vorrauszusetzen und gar nicht erst zu erwähnen. Das ist im Übrigen auch dein Fehler beim Altruismus: Du setzt ihn einfach voraus.

Nein, wie kommst Du darauf?


Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:[...]die Existenz einer helfenden Handlung, die keinen Nutzen für einen selbst hat, ist kein Beweis für eine altruistische Motivation.


Das ist nicht die Definition des Altruismus.

Das ist die einzige Möglichkeit, den Egoismus auszuschließen, und darum ging es auch. Ich habe hier nicht beabsichtigt, den altruismus zu definieren.


Dass etwas keinen Nutzen für einen selbst hat, heißt nicht, dass die Handlung altruistisch ist.
Altrusitisch motiviert ist eine Handlung, wenn sie das Wohlergehen (welfare) des anderen erhöht oder vergrößert. Dabei kann es sein, dass man nichts davon hat, muss aber nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon ist es immer noch kein Altruismus, wenn man das Bedürfnis hat, anderen zu helfen. Das ist dann eine nachrangige Motivation, da sie die primäre haben kann, sich dadurch einen eigenen Nutzen zu verschaffen; deswegen hat Batson auch von ultimativen Zielen gesprochen.


Nein, Batson hat von ultimativen Zielen gesprochen, in dem Sinne, dass sie gerade nicht als Zwischenziel für andere Ziele dienen, sondern "that ist an end in itself". Das Wohlergehen des anderen zu vegrößern ist das definierte Ziel, bei dessen Erreichen die Motivation Handlung abbricht. (Punkt 2 auf Seite 2).
Sich immer einen eigene Nutzen verschaffen zu wollen, diese These hat Batson widerlegt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Bist Du der Meinung, dass zwischen der Methodik der Wissenschaft und Religion ein Unterschied besteht und falls ja, worin besteht der Deiner Meinung nach?

Natürlich besteht ein Unterschied. Die Religion schert sich einen Dreck um versuchte Objektivität der Akteure (damit meine ich die Gläubigen, nicht unbedingt ihrer imaginären Zentralgestalt), die Naturwissenschaftler bemühen sich um diese durch Reproduzierbarkeit der Ergebnisse und Empirie, um Logik als Argument pro These, nicht um das Gefühl, den Glauben, bla. Deswegen kann man mit den Theorien der Naturwissenschaften eine Zivilisation aufbauen, mit Religion höchstens eine Kultur.


Der Begriffsgebrauch ist eigenwillig, aber hier egal.
Was macht denn die überlegene Logik der Wissenschaft aus? Wo liegt hier der zentrale Unterschied?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Batson hat ja ausgeführt, dass im experimentellen Design, Menschen auch dann helfen (und sogar stärker), wenn die Kosten zum Ausstieg aus der Hilfsleistung geringer wären, als die Kosten in ihr zu verweilen. Egoistisch motivierte Menschen würden aber genau anders herum handeln.

Siehe Diskussion mit Agent. Kosten-Nutzen-Argumentationen und ihre Rationalität bei Handlung lassen nicht auf eine Motivation schließen. Der handelnde Mensch kann auch einfach blöde sein und seinen Nutzen überproportional hoch, seine Kosten überproportional niedrig einschätzen. Ich meine, dass das Batson nicht berücksichtigt.

Ich fand eigentlich, dass Batson sehr viele potentielle Einwände berücksichtigt.
Kannst Du noch mal klarer formulieren, was Batson Deiner Meinung nach nicht berücksichtigt hat?
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon stine » Fr 11. Jan 2013, 18:18

wir wünschen uns alle einen vollbreiten Darth!

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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 11. Jan 2013, 20:43

Darth Nefarius hat geschrieben:Also: Ich bezeichne die altruistische Motivation, die ultimatives Ziel sein soll, nicht als irrational, sondern die Wahl der Handlung. Ich setze dies nicht gleich. Vielmehr sehe ich überhaupt keinen Altruismus in der Handlung, nur Egoismus, der nicht optimal gelebt wird. Du hast impliziert, dass die Handlung altruistisch ist und deswegen verstanden, dass ich Altruismus als irrational bezeichne, aber ich stelle nur eine andere Deutung dieser gegenüber.

Gut, soweit verstehe ich das jetzt, denke ich. Aber Dein Einwand ("wenn jemand mit einer Handlung nicht die Maximierung seines eigenen Nutzens anstrebt, dann kann das nur daran liegen, dass er sich ob der angenommenen Folgen geirrt hat") erscheint mir erst mal irrelevant, solange Du ihn nicht weiter begründen kannst. Stimmt zwar, dass das sein könnte und sicher auch in einigen Fällen so sein wird, aber daraus schließen zu wollen, dass das in der Mehrheit solcher Fälle zutreffen würde, erscheint mir wenig plausibel. Die Experimente von Batson sind nicht besonders kompliziert; es ist mE daher nicht anzunehmen, dass die meisten Leute nicht dazu in der Lage wären, die zu überschauen; dass sie (in der Mehrzahl) ihre Handlungen grundsätzlich falsch einschätzen würden, dass daraus ertwas anderes erfolgt, als sie vorher annehmen.

Dein Beispiel oben mit dem Arbeitgeber, der aus egoistischen Motiven heraus versucht, die Löhne seiner Arbeitnehmer zu drücken und dabei auf die Nase fällt, weil sich Aufsichtsräte und die Gewerkschaft dagegen stellen, ist sehr viel komplexer; das beinhaltet Geschehnisse, die man evtl. schlecht vorhersehen kann.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 11. Jan 2013, 20:47

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Mit grundsätzlich meine ich nicht immer, sondern die Mehrheit, den Normalfall (des Menschen).


Okay, danke.

Bitte. :aspirin:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:"Wenn es mir selbst nützt" ist nicht gleichzusetzen mit "es geht mir gut".
Das eine ist ein aktueller Zustand, das andere ein Ziel, welches noch zu realisieren ist. Ich stelle (was tatsächlich logisch ist) die Motivation vor die Handlung.


Logisch mag es sein, nicht immer trifft es zu.

Nur auf den ersten Blick vielleicht. Aber eigentlich muss alles logisch sein, wenn es den Naturgesetzen folgt.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ein Zustand des Glücks ist keine Motivation, sondern erstmal nur ein Zustand.


Die Motivation wäre Glück anzustreben, oder, wenn man glücklich ist, es zu teilen.

Eventuell wäre das eine Motivation, aber wohl nicht die ultimative (zweckmäßige). Als Biologe stelle ich mir jedenfalls die Frage: Qui bonum? Und wie hat es sich durchgesetzt? Schon reichen naive Vorstellungen von Selbstlosigkeit nicht.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Dieser kann verschiedene Motivationen unterschiedlich beeinflussen. Wenn man z.Bsp. satt ist, ist die Motivation zu essen sehr gering. Das ist eine logische Kette. Und zu solchen Ketten gehören auch Zwischenschritte, um die Argumentation valide zu machen.


Und was sagt das aus?

Was soll uns das schon sagen? Es soll dir erstmal sagen, was da steht. Bis jetzt hast du nicht den Eindruck gemacht, du verstündest diese Banalität. Aber vielleicht willst du darauf hinaus, dass eine Motivation nie permanent besteht? Dafür ist Hunger ein schlechtes Beispiel, da es kein ultimatives Ziel (direkt) anstrebt. Es ist ein untergeordnetes Motiv. Kontinuität wird durch den Egoismus geliefert.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Na wenn du deine Motivation erklärst, hat es eine andere Qualität als sie vorrauszusetzen und gar nicht erst zu erwähnen. Das ist im Übrigen auch dein Fehler beim Altruismus: Du setzt ihn einfach voraus.

Nein, wie kommst Du darauf?

Nur eine Antwort ist darauf angemessen: Ich habe mit dir diskutiert, mehrfach. :kopfwand:
Vollbreit hat geschrieben:Dass etwas keinen Nutzen für einen selbst hat, heißt nicht, dass die Handlung altruistisch ist.

Natürlich nicht, deswegen halte ich Batsons Beweise für fadenscheinig.
Vollbreit hat geschrieben:Altrusitisch motiviert ist eine Handlung, wenn sie das Wohlergehen (welfare) des anderen erhöht oder vergrößert. Dabei kann es sein, dass man nichts davon hat, muss aber nicht.

Nein, das ist eine mögliche Konsequenz der Handlung. Aber der Handlung geht nicht die Konsequenz vor (die nicht absehbar ist), sondern die Motivation. Ich hab dir doch das Beispiel mit dem Stein genannt. Ich kann es für dich nochmal umkehren, ohne die Aussage zu verändern: Ich will dir helfen, indem ich jemandem, der dich ausrauben will, einen Stein an den Kopf werfe. Dummerweise erwische ich dich und mache es dem Räuber auch noch leicht. Habe ich dein Wohlergehen vergrößert? Nein, aber du würdest in deiner Kurzsichtigkeit die motivation sicherlich als altruistisch bezeichnen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon ist es immer noch kein Altruismus, wenn man das Bedürfnis hat, anderen zu helfen. Das ist dann eine nachrangige Motivation, da sie die primäre haben kann, sich dadurch einen eigenen Nutzen zu verschaffen; deswegen hat Batson auch von ultimativen Zielen gesprochen.


Nein, Batson hat von ultimativen Zielen gesprochen, in dem Sinne, dass sie gerade nicht als Zwischenziel für andere Ziele dienen, sondern "that ist an end in itself". Das Wohlergehen des anderen zu vegrößern ist das definierte Ziel, bei dessen Erreichen die Motivation Handlung abbricht. (Punkt 2 auf Seite 2).
Sich immer einen eigene Nutzen verschaffen zu wollen, diese These hat Batson widerlegt.

Das hat er nicht. Und was du zum Zwischenziel schreibst, unterscheidet sich inwiefern von dem, was ich geschrieben habe??? Nun, ich habe direkt die Hilfe für andere als nachrangige (oder nenn es auch zwischenzeitiges, mir egal!) Motivation bezeichnet, aber nur, weil du im vorangegangenen nicht berücksichtigt hast, dass es ultimative Ziele gibt.
Vollbreit hat geschrieben:Der Begriffsgebrauch ist eigenwillig, aber hier egal.
Was macht denn die überlegene Logik der Wissenschaft aus? Wo liegt hier der zentrale Unterschied?

Auf diese Spielchen lasse ich mich nicht ein. Sprich klar, was du mir unterstellst und lass den Rector sein, den hast du nicht drauf.
Vollbreit hat geschrieben:Ich fand eigentlich, dass Batson sehr viele potentielle Einwände berücksichtigt.
Kannst Du noch mal klarer formulieren, was Batson Deiner Meinung nach nicht berücksichtigt hat?

Ich kann es, werde mich aber nicht wiederholen, da ich das an Agentprovocateur schon geschrieben habe. Eigentlich warte ich noch auf seine Antwort, da mir die Diskussion mit ihm eher fruchtbar zu sein scheint.
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Batson hat ja ausgeführt, dass im experimentellen Design, Menschen auch dann helfen (und sogar stärker), wenn die Kosten zum Ausstieg aus der Hilfsleistung geringer wären, als die Kosten in ihr zu verweilen. Egoistisch motivierte Menschen würden aber genau anders herum handeln.

Siehe Diskussion mit Agent. Kosten-Nutzen-Argumentationen und ihre Rationalität bei Handlung lassen nicht auf eine Motivation schließen. Der handelnde Mensch kann auch einfach blöde sein und seinen Nutzen überproportional hoch, seine Kosten überproportional niedrig einschätzen. Ich meine, dass das Batson nicht berücksichtigt.
stine hat geschrieben:wir wünschen uns alle einen vollbreiten Darth!

:santagrin: stine

Was auch immer das heißen soll. :irre:
Wünschen kannst du in der Kirche. :gott:
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 11. Jan 2013, 20:52

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber Dein Einwand ("wenn jemand mit einer Handlung nicht die Maximierung seines eigenen Nutzens anstrebt, dann kann das nur daran liegen, dass er sich ob der angenommenen Folgen geirrt hat") erscheint mir erst mal irrelevant, solange Du ihn nicht weiter begründen kannst. Stimmt zwar, dass das sein könnte und sicher auch in einigen Fällen so sein wird, aber daraus schließen zu wollen, dass das in der Mehrheit solcher Fälle zutreffen würde, erscheint mir wenig plausibel.

Scheint es dir nicht wesentlich unplausibler bei all den Optionen, zu handeln, dass auch nur zu 50 % die Nützlichste für einen selbst gewählt werden könnte?
AgentProvocateur hat geschrieben: Die Experimente von Batson sind nicht besonders kompliziert; es ist mE daher nicht anzunehmen, dass die meisten Leute nicht dazu in der Lage wären, die zu überschauen; dass sie (in der Mehrzahl) ihre Handlungen grundsätzlich falsch einschätzen würden, dass daraus ertwas anderes erfolgt, als sie vorher annehmen.

Dein Beispiel oben mit dem Arbeitgeber, der aus egoistischen Motiven heraus versucht, die Löhne seiner Arbeitnehmer zu drücken und dabei auf die Nase fällt, weil sich Aufsichtsräte und die Gewerkschaft dagegen stellen, ist sehr viel komplexer; das beinhaltet Geschehnisse, die man evtl. schlecht vorhersehen kann.

Könntest du mir ein Experiment konkret schildern? Und das falsche Einschätzen bedeutet nicht, dass sie im Nachhinein enttäuscht wären oder es bereuen würden. Es kann gut sein, dass jemand sein ganzes Leben darauf beharrt, dass seine Entscheidung die cleverste war. Damit er falsch liegt, muss die Situation nicht sonderlich schwierig sein.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 11. Jan 2013, 22:11

Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Aber Dein Einwand ("wenn jemand mit einer Handlung nicht die Maximierung seines eigenen Nutzens anstrebt, dann kann das nur daran liegen, dass er sich ob der angenommenen Folgen geirrt hat") erscheint mir erst mal irrelevant, solange Du ihn nicht weiter begründen kannst. Stimmt zwar, dass das sein könnte und sicher auch in einigen Fällen so sein wird, aber daraus schließen zu wollen, dass das in der Mehrheit solcher Fälle zutreffen würde, erscheint mir wenig plausibel.

Scheint es dir nicht wesentlich unplausibler bei all den Optionen, zu handeln, dass auch nur zu 50 % die Nützlichste für einen selbst gewählt werden könnte?

Worauf bezieht sich jetzt diese Prozentzahl?

Die meisten Handlungen sind sicher egoistisch, d.h. sie werden deswegen durchgeführt, um letztlich einen Nutzen (kurz- oder langfristig) für sich selber zu erzielen. Das wird wohl wenig strittig sein.

Diese Beiträge hier z.B. schreibe ich ausschließlich aus egoistischen Motiven. Ich will was lernen. Und dabei ist es mir völlig gleichgültig, ob andere dabei auch was lernen. Und dass ich dabei höflich bin, es möglichst vermeide, z.B. irgendwelche ad hominems zu verwenden, ist auch ausschließlich egoistisch begründet, hat keinerlei altruistischen Hintergrund. Denn würde ich das tun, (würde ich ad hominems verwenden oder den anderen absichtlich missverstehen), würde ich mich von meinem egoistischen Ziel, selber etwas dazu zu lernen, unweigerlich entfernen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Könntest du mir ein Experiment konkret schildern?

Bin zu faul, das mit eigenen Worten zu tun und aus dem bisher bereits zitierten PDF kann man nichts kopieren, keine Lust, das abzutippen, daher einfach mal ein Zitat aus der englischen Wikipedia:

Batson recognized that people sometimes helped out of selfish reasons. He and his team were interested in finding ways to distinguish between the motives. Students were asked to listen to tapes from a radio program. One of the interviews was with Carol. She talked about her bad car accident in which both of her legs were broken. She talked about her struggles and how behind she was becoming in class. Students who were listening to this particular interview were given a letter asking the student to share lecture notes and meet with her. The experimenters changed the level of empathy by telling one group to try to focus on how she was feeling (high empathy level). The other group did not need to be concerned with that (low empathy level). The experimenters also varied the cost of not helping. The high cost group was told that Carol would be in their same psychology class after returning to school. The low cost group believed she would finish the class at home. The results confirmed the empathy-altruism hypothesis. Those in the high empathy group were almost equally as likely to help her in either circumstance, while the low empathy group helped out of self-interest. Seeing her in class everyday made them feel guilty if they did not help (Aronson, Wilson, & Akert, 2005).


Darth Nefarius hat geschrieben:Und das falsche Einschätzen bedeutet nicht, dass sie im Nachhinein enttäuscht wären oder es bereuen würden. Es kann gut sein, dass jemand sein ganzes Leben darauf beharrt, dass seine Entscheidung die cleverste war. Damit er falsch liegt, muss die Situation nicht sonderlich schwierig sein.

Fragt sich dann aber erstens, welchen Bewertungsmaßstab man dann anlegen will; inwiefern, an welchen Kriterien und Zielen gemessen, die Handlung als "falsch" klassifiziert werden könnte und zweitens fragt sich auch, was Du eigentlich unter der Maximierung des eigenen Nutzens verstehst, wenn das etwas sein soll, das völlig abgekoppelt von der jeweiligen eigenen Bewertung bewertet werden könnte.

Ich meine erst mal, das geht so nicht. Es gibt mE keine Bewertungen ohne subjektiven Faktor. Was Du für Dich als gut ansiehst, muss ich noch lange nicht als gut für mich ansehen. Is it better to burn out than to fade away? Ist es besser, Sicherheit vor Freiheit zu bevorzugen oder ist es umgekehrt besser? Ist Individualität besser als Kollektivität oder umgekehrt? Ich glaube, diese Fragen sind nicht objektiv beantwortbar, die sind mE vielmehr persönliche Geschmackssache (von den eigenen Motiven, Ansichten und Zielen abhängig) und man muss letztlich einen Kompromiss finden, mit dem alle so gut wie möglich leben können. (Hinweis: die Beispiele beziehen sich mE auf entgegengesetzte Pole auf jeweils einem graduellen Kontinuum, man muss daher selbstverständlich nicht die jeweilige Extrem-Position einnehmen, sowas tut wahrscheinlich keiner. Aber auch wenn man sich auf einer bestimmten Position auf diesem Kontinuum befindet, gibt es mE keinen Grund, diese als auch für andere als (objektiv) "richtig" bezeichnen zu können, bzw. wenn die das anders sehen, das als (objektiv) "falsch" bezeichnen zu können.)

Ich bin allerdings nun moralischer Relativist, kein moralischer Objektivist. (Gut, vielleicht ein anderes Thema.)

Frage wäre hier dann wohl die: wie kann man (kannst Du) eine Handlung (die niemandem anderen schadet, sondern im Gegenteil anderen mehr nutzt als dem Handelnden) als "falsch" beurteilen, auch wenn der Handelnde über alle sich daraus ergebenenden Folgen aufgeklärt wurde und das dennoch selber nicht als "falsch" ansieht, sondern die Handlung ebenso wieder durchführen würde?
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 12. Jan 2013, 12:01

AgentProvocateur hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Scheint es dir nicht wesentlich unplausibler bei all den Optionen, zu handeln, dass auch nur zu 50 % die Nützlichste für einen selbst gewählt werden könnte?

Worauf bezieht sich jetzt diese Prozentzahl?
Die Zahl habe ich mir aus der Nase gezogen, aber ich stelle mir vor, dass ich immer hunderte Möglichkeiten habe in einem beliebigen Moment zu handeln. Davon haben wenige auch einen Nutzen. Angenommen ich würde von diesen 100 98 unnütze Möglichkeiten ausschließen, müsste ich immer noch entscheiden, welche von den beiden letzten die nützlichste ist. Meinst du nicht auch, dass man viel mehr als nur 2-3 Möglichkeiten hat, zu handeln? Ich kann jetzt, anstatt zu schreiben, fernsehen, essen, schlafen, rausgehen, wieder lernen (und dann auch noch was? Rechtskunde? Biochemie? Toxikologie oder Mikrobiologie?) Ich kann mich auch auf den Boden legen und atmen oder meinen Kopf gegen die Wand schlagen. :kopfwand:
Jedenfalls denke ich mir bei diesen vielen Möglichkeiten, die halbwegs nützlichsten raussuchen zu können, schon eine Leistung ist. Allerdings die Trefferquote bei der bestmöglichen Wahl zu beachten ist schon unfair.
AgentProvocateur hat geschrieben:Diese Beiträge hier z.B. schreibe ich ausschließlich aus egoistischen Motiven. Ich will was lernen. Und dabei ist es mir völlig gleichgültig, ob andere dabei auch was lernen. Und dass ich dabei höflich bin, es möglichst vermeide, z.B. irgendwelche ad hominems zu verwenden, ist auch ausschließlich egoistisch begründet, hat keinerlei altruistischen Hintergrund. Denn würde ich das tun, (würde ich ad hominems verwenden oder den anderen absichtlich missverstehen), würde ich mich von meinem egoistischen Ziel, selber etwas dazu zu lernen, unweigerlich entfernen.

Hmm, ja, hier gibt es jemanden, der ad hominem nicht sein lassen kann. Diesbezüglich habe ich die gleiche Motivation wie du.
AgentProvocateur hat geschrieben:Batson recognized that people sometimes helped out of selfish reasons. He and his team were interested in finding ways to distinguish between the motives. Students were asked to listen to tapes from a radio program. One of the interviews was with Carol. She talked about her bad car accident in which both of her legs were broken. She talked about her struggles and how behind she was becoming in class. Students who were listening to this particular interview were given a letter asking the student to share lecture notes and meet with her. The experimenters changed the level of empathy by telling one group to try to focus on how she was feeling (high empathy level). The other group did not need to be concerned with that (low empathy level). The experimenters also varied the cost of not helping. The high cost group was told that Carol would be in their same psychology class after returning to school. The low cost group believed she would finish the class at home. The results confirmed the empathy-altruism hypothesis. Those in the high empathy group were almost equally as likely to help her in either circumstance, while the low empathy group helped out of self-interest. Seeing her in class everyday made them feel guilty if they did not help (Aronson, Wilson, & Akert, 2005).

Ich habe nicht verstanden, wie das die Altruismus-Hypothese stützen soll. Meine Kritik hat es damit nur bestätigt; eigentlich wundert mich, dass beide Gruppen helfen sollten. Auch wenn sie sie nie wieder sehen, mussten sie ihr helfen, oder nicht? Und nur, weil nicht bestätigt wurde, dass man sie wieder sieht, bedeutet es nicht, dass die Leute dies nicht dennoch vermuteten. man kann genauso deuten, dass Menschen sehr optimistisch sind, andere wiederzusehen. In globalisierten Zeiten ist das möglicherweise weniger wahrscheinlich als früher als der Mensch sich entwickelte. Ich habe ja schon bei Vollbreit angesprochen, dass soetwas für mich eher eine Leerlaufhandlung ist (oder einfach nur eine unrealistische Einschätzung des Wiedersehens).
AgentProvocateur hat geschrieben:Fragt sich dann aber erstens, welchen Bewertungsmaßstab man dann anlegen will; inwiefern, an welchen Kriterien und Zielen gemessen, die Handlung als "falsch" klassifiziert werden könnte und zweitens fragt sich auch, was Du eigentlich unter der Maximierung des eigenen Nutzens verstehst, wenn das etwas sein soll, das völlig abgekoppelt von der jeweiligen eigenen Bewertung bewertet werden könnte.

Ich muss gar keinen Bewertungsmaßstab festlegen, ich bin lediglich darauf aus, Batsons Deutungen zu kritisieren. Und offensichtlich hälst du sie zumindest für einleuchtend, wenn auch nicht für angemessen. Das Problem wird jedenfalls immer sein, dass man die "objektive" Bewertung von Nutzen nicht auf die subjektive der Testperson übertragen kann. Damit kann man auch nicht zweifelsfrei die Motive deuten. Du schliderst ja selbst, dass wir unterschiedliche Bewertungen haben können, wie kann Batson dann von sich behaupten, er würde dies immer durchschauen? ich mache später weiter.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 12. Jan 2013, 17:09

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe nicht verstanden, wie das die Altruismus-Hypothese stützen soll. Meine Kritik hat es damit nur bestätigt; eigentlich wundert mich, dass beide Gruppen helfen sollten. Auch wenn sie sie nie wieder sehen, mussten sie ihr helfen, oder nicht? Und nur, weil nicht bestätigt wurde, dass man sie wieder sieht, bedeutet es nicht, dass die Leute dies nicht dennoch vermuteten. man kann genauso deuten, dass Menschen sehr optimistisch sind, andere wiederzusehen. In globalisierten Zeiten ist das möglicherweise weniger wahrscheinlich als früher als der Mensch sich entwickelte. Ich habe ja schon bei Vollbreit angesprochen, dass soetwas für mich eher eine Leerlaufhandlung ist (oder einfach nur eine unrealistische Einschätzung des Wiedersehens).

Batsons "Empathy-Altruism"-These besagt, dass man dann aus altruistischen Gründen anderen hilft, wenn es zu diesen eine starke empathische Beziehung gibt, diese Hilfe also von der Stärke der empathischen Beziehung abhängt.

In Batsons Untersuchungen gibt es daher immer 4 Gruppen: jeweils immer eine mit "low empathy" gegenüber einer zu helfenden Person und eine mit "high empathy" gegenüber dieser Person. Diese beiden Gruppen werden dann nochmal jeweils geteilt, um eine bestimmte egoistische These zu testen. In dem Beispiel hier ist die egoistische These wohl, dass man soziale Kosten vermeiden will, daher werden 2 Szenarien mit unterschiedlichen sozialen Kosten erzeugt.

Nach der hier getesteten egoistische These wäre folgendes Ergebnis zu erwarten: die aus der Gruppe im Szenario mit den höheren sozialen Kosten helfen signifikant mehr als die aus der Gruppe im Szenario mit den geringeren sozialen Kosten.

Nach Batsons "Empathy-Altruism"-These wäre ein anderes Ergebnis zu erwarten: nämlich dass die aus der "high empathy"-Gruppe signifikant mehr helfen als die aus der "low empathy"-Gruppe und zwar unabhängig von den Kosten, die aus der "low empathy"-Gruppe bei geringeren Kosten weniger helfen.

Und die Studie ergab nun letzteres Ergebnis.

Sehe nun nicht, wie Dein Einwand: "kann sein, dass man die Auswirkungen seiner Handlung nicht hinreichend abschätzen kann" hier anzuwenden sei. Das ist doch wohl bei allen Probanden gleichermaßen anzunehmen, das mittelte sich dann einfach heraus.

Auch der Einwand "man kann genauso deuten, dass Menschen sehr optimistisch sind, andere wiederzusehen" zieht nicht, denn dann wären andere Ergebnisse zu erwarten gewesen, denn auch das kann man als gleichverteilt annehmen.

Könnte zwar immer zufällig sein, dass beides in einer bestimmten Gesamtgruppe nicht gleichverteilt ist, aber Batson hat sehr viele Experimente durchgeführt, daher kann man erst mal annehmen, dass sich das herausmittelt, falls es nicht gute Gründe gegen diese Annahme gibt, (ich sehe aber keine).

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich muss gar keinen Bewertungsmaßstab festlegen, ich bin lediglich darauf aus, Batsons Deutungen zu kritisieren. Und offensichtlich hälst du sie zumindest für einleuchtend, wenn auch nicht für angemessen. Das Problem wird jedenfalls immer sein, dass man die "objektive" Bewertung von Nutzen nicht auf die subjektive der Testperson übertragen kann. Damit kann man auch nicht zweifelsfrei die Motive deuten. Du schliderst ja selbst, dass wir unterschiedliche Bewertungen haben können, wie kann Batson dann von sich behaupten, er würde dies immer durchschauen? ich mache später weiter.

Ich halte Batsons Untersuchungen und seine Deutungen für einleuchtend, insbesondere finde ich es gut, dass er seine These falsifizierbar gestaltet und empirische Unterschungen dazu durchführt. Das imponiert mir sehr viel mehr als einfache Behauptungen aus dem Bauch/dem Lehnstuhl heraus. Wie kommst Du aber darauf, dass ich sie nicht für "angemessen" hielte? Das tue ich sehr wohl, was sollte daran nicht angemessen sein?

Deinen weiteren Einwand verstehe ich nun nicht so recht, finde aber das "zweifelsfrei" und das "immer" etwas verdächtig. Wie lautet konkret Dein Einwand gegen Batsons Annahmen und Settings und den Experimenten? Natürlich ist Batsons These auch durch seine Untersuchungen, die sie alle gestützt haben, nicht zweifelsfrei bewiesen. Aber das kann ich als Einwand nicht gelten lassen, denn das gilt für alle wissenschaftlichen Theorien. Und es ist mE kein Problem bei einer wissenschaftlichen Theorie, wenn man sie nicht verifizieren kann. Ein Problem ist lediglich, wenn man sie nicht falsifizieren kann.

Wie würdest Du denn Deine egoistische These überprüfen wollen?
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