provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Jetzt hast du wortreich nur das wiederholt, was du schon gesagt hattest. Aber ich habe gar nicht nach Details gefragt, sondern die prinzipielle Sichtweise, mit der du auf das Problem siehst, kritisiert.
Weiß schon, bin halt was diese Zivilreligion angeht, der Ketzer.
Das ist ja auch ok, nur gibt's halt gut und schlecht begründete Ketzerei. Wie soll ich deine Sichtweise nachvollziehen, wenn du fünfmal sagst "Das ist Neid" anstatt von "Das ist Neid aus diesen und jenen Gründen"? Einfach nur deine Sichtweise übernehmen werde ich in der Tat nicht, das heißt aber nicht, dass ich nicht bereit bin, zu versuchen, sie nachzuvollziehen.
provinzler hat geschrieben:Ich sagte doch, dass Neid und Missgunst grundsätzlich abgestritten werden.
Genauso wie die Scheibenform der Erde. Dass etwas grundsätzlich abgestritten wird heißt ja nicht, dass es deshalb auf eine Lüge wäre.
provinzler hat geschrieben:Und messbar im naturwissenschaftlichen Sinne ist er auch nicht, wie Emotionen eigentlich generell.
Völlig richtig. Unter anderem deshalb halte ich es auch für problematisch, so selbstsicher zu behaupten, dass das zweifelsfrei Neid sei. Wenn ich jetzt behaupten würde, die Leute gäben das Geld aus Nächstenliebe, würdest du ja auch kritisieren, dass ich das nicht beweisen kann. Einfach begründungsfrei zu behaupten, die Menschen würden aus diesen und jenen Affekten handeln, bringt uns also offensichtlich nicht weiter.
provinzler hat geschrieben:Wenn du heute Unternehmer, Freiberufler, Investor oder einfach so Wohlhabender bist, musst du sehr stark aufpassen, wem du was davon erzählst. Ich kenne Menschen um die 50, die haben genug Geld um sich zur Ruhe zu setzen, die trotzdem weiter im Beruf bleiben, weil sie nicht wissen, wie sies ihrem Umfeld verklickern sollen, dass sie genug haben. Manche hören auf, und erfinden irgendeine Beratertätigkeit, von der sie angeblich leben. Was glaubst du woran diese Ängste liegen? Bestimmt alles nur Paranoia von asozialen Elementen, die keinen Gerechtigkeitssinn haben und nix abdrücken wollen.
Ich behaupte doch nicht, dass es Neid nicht geben würde. Wobei ich persönlich kein Problem haben würde, wenn jemand mit 50 sagen würde "Ich hab genug, das reicht mir für die zweite Lebenshälfte". Das hat doch auch einen sympathischen, mäßigenden Zug, ganz im Gegensatz zu dem raffgierigen "Ich hätte eigentlich längst genug, aber ich brauch noch viel mehr". Und letztlich ist das, sorry, auch eine Frage des persönliche Mutes, da nicht den Schwanz vor einer gefühlten sozialen Stigmatisierung einzuziehen. Komisch, wenn Leute einerseits die Gesellschaft für ihren "Neid" verachten, aber dann doch so sehr dazu gehören wollen, dass sie sich nicht trauen, die Wahrheit zu sagen, sondern irgendwas erfinden, womit sie glauben, besser da zu stehen. Performativer Selbstwiderspruch, finde ich.
Ansonsten ist mir nicht klar, was jetzt genau der Punkt ist? Deine diffuse Wut auf den missgünstigen Pöbel? Wenn jemand mehr hat, wird es immer Leute geben, die neidisch sind, natürlich. Aber das heißt doch nicht, dass jeder, der Steuern und Abgaben befürwortet - was ja auch viele Reiche tun -, gleich ein Neidhammel ist. Es gibt diejenigen, die von den Wohlhabenden fordern, einen gewissen, in relativen Zahlen auch höheren Prozentsatz (wegen des im Verhältnis geringeren Teil der Lebenshaltungskosten auf's Gesamteinkommen), abzugeben, weil Wohlstand nunmal nicht
nur verdient ist, sondern
auch qua ungleicher Startbedingungen ins Leben zufällt und darüberhinaus Gesellschaften mit grob ungleichem Lebensstandard eine ganze Reihe eklatanter Nachteile mit sich bringen. Zu denen zähle ich mich. Und dann gibt es natürlich diejenigen, die aus Neid oder ideologischer Verbohrtheit Wohlstandsunterschiede aus Prinzip ablehnen, die halte ich nicht für besonders viel weniger komisch als du.
Was ich dir lediglich vorwerfe, ist, dass du ein Schwarz-Weiß-Schema aufmachst und sämtliche Gerechtigkeitsfragen auf die simple Dichotomie Neid vs. Verdienst reduzierst. So als gäbe es nicht tausende Differenzierungsstufen und auch gänzlich andere Begriffspaare, die man zur Eindordnung der Wohlstandsverteilung hernehmen könnte. Und ich halte es auch immer für ungesund, wenn jemand sich einbildet, die Welt "so zu sehen wie sie
ist", einfach, weil das in unserem Universum epistemologisch unmöglich ist. Und dass du so wütend für diese Sichtweise sprechen kannst, ist für mich halt immer wieder verwunderlich, weil ich nicht verstehe, was so bedrohlich daran sein soll, die Welt mal durch andere Augen zu sehen. Ich gebe mir doch auch Mühe, deine freiheitlichen und unternehmerischen Bedenken gegenüber staatlicher Reglementierung einzubeziehen.
provinzler hat geschrieben:Für jemanden, der sich hauptsächlich unter Menschen bewegt, die Einkommen wie Altersvorsorge vom Staat beziehen und mit Erreichen bestimmter Altersgrenzen automatisch befördert werden, sind solche Probleme natürlich alles böhmische Dörfer...
Da hab ich erst letztes Wochenende einer bekennenden Marxistin gegenüber den Liberalismus verteidigt, und das ist der Dank?
provinzler hat geschrieben:Du wirfst mir mangelnde Begründungen vor und argumentierst selbst auch nur nach dem 1. Palmströmschen Theorem ("Weil, so schloss er messerscharf, nicht sein kann was nicht sein darf")
Ich versuche gern, etwas über mich selbst zu lernen. Inwiefern mache ich das denn?