Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Vollbreit » Fr 7. Dez 2012, 12:37

Mit einem Vergessen hat das nichts zu tun.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Fr 7. Dez 2012, 13:38

Ich wollte einen Rest an Diplomatie bewahren. ;-)
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Lumen » Fr 7. Dez 2012, 15:53

falsch gepostet...
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Vollbreit » Sa 8. Dez 2012, 11:01

Habe eben eine interessante Buchkritik in der ZEIT gelesen, die sich mit der Frage von Monotheismus und Gewalt und der Frage einer Sonderrolle des Islam beschäftigt:
http://www.zeit.de/2007/28/ST-Toleranz/komplettansicht
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Lumen » Di 11. Dez 2012, 00:19

Nanna hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Vor allem ist es so, dass das Mittelalter weit weniger grausam und primitiv war, als man meint. Unser kollektives Bild vom Mittelalter ist viel mehr durch Romane, Fernsehserien und tradierte Vorurteile geprägt, als durch wirkliche historische Untersuchungen, weil die mühsam und dröge sind.

Hab ich ihnen schon dreimal ausführlichst erklärt, sie vergessen's immer wieder, scheint einfach zu attraktiv zu sein, das dunkle, hungernde, bluzströmende Mittelalter...


Vollbreit hat geschrieben:Mit einem Vergessen hat das nichts zu tun.


Zuletzt las ich Bill Bryons World as a Stage. Ein toller Autor und wieder einmal ein gelungenes Buch. Es geht darin um das Leben William Shakespeares und was man derzeit (nicht) über ihn wissen kann, und das elisabethanische und jacob'sche England in dem er lebte. Das London des ausgehenden 16. Jahrhunderts war recht schmutzig, wurde immer wieder von der Pest heimgesucht, aber die Bevölkerung ist sehr oft und sehr gern für etwa 2 Pennies ins Theater gegangen.

Sowohl ein in lumpengrau dargestelltes Mittelalter, als auch das märchenhafte und romantische Gegenteil sind bekannt und verbreitet, wobei letzteres unsere Kultur weit mehr durchdrungen hat. Shakespeare und die Hexenverfolgung sind aber schon nicht mehr Mittelalter.

Das ist auch alles am Thema vorbei, sowohl an diesem, als auch an dem Argument. Das Argument lautet anders, nämlich, dass sich bestimmte religiöse Werte und Verdienste in der entschieden dargestellten Weise angesichts der Geschichte nicht halten lassen. Bedeutet im Klartext, dass ein verurteilter Mörder sich nicht als perfekter Schwiegersohn ausgeben kann, ohne zu lügen. Das bedeutet nicht, das er immer, oder erneut oder in Zukunft auch wieder etwas im Schilde führt, und bedeutet auch nicht -- zum Mitschreiben-- das sein Verbrechen das einzige war, was er je getan hat. Vielleicht ist er sogar Arzt und hat vielen Menschen geholfen. Trotzdem wäre es gelogen, wenn er sich als lupenreines Vorbild darstellen würde. Darum geht es. Level Zwei ist dann, wenn ihr soweit seid, dass seine Lüge auf Kosten anderer geht. Denn im Falle der Christenheit versuchen sie ja alles Gute von der Erfindung der Wäscheklammer bis geschnitten Brot als christliche Erfindung darzustellen, und jeder der nicht christlich ist, und diese "Werte" nicht hat, sei irgendwie ein unmoralischer Untermensch, ein Kommunist, und irgendwie ein Sympathisant Stalins oder Pol Pots.

Wenn ihr ehrlich gesagt zu scheel seid, um das in den einschlägigen Diskussionen nachzuvollziehen, kann ich auch nicht helfen. Auf Seite 1 ist eine Sendung verlinkt, mit respektablen Kandidaten die die christliche Seite vertreten und auch da ist der Tenor zu hören. Man muss schon suchen, um eine Debatte zu finden, wo das nicht so ist. Es ist also schon eine grobe Verzerrung so zu tun, als seien Christen immer die armen Opfer einer Geschichtsschelte. Die kommen doch bestens davon.



Oder gemäß des Topics eben die islamische Variante von der Religion des Friedens... genau... (wobei der Iran, um mal zu differenzieren, ziemlich friedlich ist, im Gegensatz zum damaligen eher säkulären Irak).
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Di 11. Dez 2012, 08:03

Lumen hat geschrieben:(wobei der Iran, um mal zu differenzieren, ziemlich friedlich ist, im Gegensatz zum damaligen eher säkulären Irak)
Ich denke, in punkto Unterdrückung des Volkes schenken sich diese beiden Beispiele nichts. Das eine ist so schlecht, wie das andere. Du solltest mal wirklich recherchieren, was aus dem Iran, seit der Übernahme der Islamisten, geworden ist. Nur weil die Medien stumm schalten, heißt das nicht, dass dort alles in Ordnung wäre.

Frau Merkel hat recht. Ausßerdem ist das wieder einmal ganz bewusst aus dem Zusammenhang gerissen.

Lumen hat geschrieben:Bedeutet im Klartext, dass ein verurteilter Mörder sich nicht als perfekter Schwiegersohn ausgeben kann, ohne zu lügen. Das bedeutet nicht, das er immer, oder erneut oder in Zukunft auch wieder etwas im Schilde führt, und bedeutet auch nicht -- zum Mitschreiben-- das sein Verbrechen das einzige war, was er je getan hat. Vielleicht ist er sogar Arzt und hat vielen Menschen geholfen. Trotzdem wäre es gelogen, wenn er sich als lupenreines Vorbild darstellen würde. Darum geht es.
Da dürfte ja niemand mehr einen Neuanfang wagen. Ich hoffe dein Benehmen war immer tadellos und du musstest dich niemals für etwas entschuldigen. Aalglatt, sozusagen!

LG stine
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Lumen » Di 11. Dez 2012, 11:16

stine hat geschrieben:Ich denke, in punkto Unterdrückung des Volkes schenken sich diese beiden Beispiele nichts. Das eine ist so schlecht, wie das andere. Du solltest mal wirklich recherchieren, was aus dem Iran, seit der Übernahme der Islamisten, geworden ist. Nur weil die Medien stumm schalten, heißt das nicht, dass dort alles in Ordnung wäre.


Das ist ja ein netter Versuch von dir, aber ich bin kein großer Iran Fan. Ich stelle nur fest, dass dieser im Unterschied zum Irak nicht fortwährend Angriffskriege geführt hatte.

stine hat geschrieben:Frau Merkel hat recht. Ausßerdem ist das wieder einmal ganz bewusst aus dem Zusammenhang gerissen.


Geradezu bösartig verfremdet!

stine hat geschrieben:Da dürfte ja niemand mehr einen Neuanfang wagen. Ich hoffe dein Benehmen war immer tadellos und du musstest dich niemals für etwas entschuldigen. Aalglatt, sozusagen!


Du möchtest dass der gläubige Christ mich als Untermensch darstellen darf, und wenn ich einwende, richtet sich die Rhetorik wieder gegen mich, weil ich entweder selbst "nicht tadellos" bin, oder "aalglatt" bin. Gutes Framing, stine. Weil das jedes mal so ist, werde ich diese Technik jetzt mal feierlich "christian hate-bait" Taktik nennen. Diese lässt sich etwa so umreißen:

  1. Christliche Propaganda verbreiten, christliche Werte, christliche Nächstenliebe, Moral nur mit Gott.
    Suggestion: Gottlose sind unmoralisch. Gott muss immer irgendwo politisch mitspielen, da sonst stalinistische Verhältnisse. Hate-Bait setzen.
  2. Atheistisches Gegenargument, dass zu erwarten ist, wenn man Leute durchbeleidigt und sich noch einbildet, man sei damit im Recht. Sachliche Argumentation: Christentum war nie sonderlich "gut".
  3. Schnapp. Stalin. Hitler. Mao. Und Ad Hominem. Was maßt sich der Kritiker an, das herrliche Christentum anzugreifen.
    Suggestion: Gottlose sind unmoralisch und charakterlich schlecht, siehe da!
  4. Das atheistisches Gegenargument verfängt sich in der komplexität der Sache. Für Christen ist die Welt schwarz/weiß, andere müssen differenzieren. Dies muss der Christ ausnutzen.
  5. Works.

Kommt Leute, ihr kauft doch Schokoriegel "wegen der extraportion Milch". :up:
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Di 11. Dez 2012, 16:24

Ich will ja nichts sagen, @Lumen, aber ich fühle mich nicht verfolgt, obwohl ich mich auch nicht im Club der Seligen befinde. Irgendetwas stimmt nicht mit deiner Wahrnehmung. Ich möchte auch gerne mal von dir wissen, warum es dir persönlich so wichtig ist, vom Verein der Christen "anerkannt" zu werden.
Lumen hat geschrieben:Suggestion: Gottlose sind unmoralisch. Gott muss immer irgendwo politisch mitspielen, da sonst stalinistische Verhältnisse
DAS und die anderen Punkt, sind deine Meinung. Nichts weiter.

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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon provinzler » Mi 12. Dez 2012, 03:28

Nanna hat geschrieben:Hab ich ihnen schon dreimal ausführlichst erklärt, sie vergessen's immer wieder, scheint einfach zu attraktiv zu sein, das dunkle, hungernde, bluzströmende Mittelalter...

So lässt sich halt die moralische Überlegenheit der eigenen Gesellschaft besser zelebrieren...
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon laie » Mi 12. Dez 2012, 23:58

Lumen hat geschrieben:Christliche Propaganda verbreiten, christliche Werte, christliche Nächstenliebe, Moral nur mit Gott.
Suggestion: Gottlose sind unmoralisch. Gott muss immer irgendwo politisch mitspielen, da sonst stalinistische Verhältnisse. Hate-Bait setzen.
Atheistisches Gegenargument, dass zu erwarten ist, wenn man Leute durchbeleidigt und sich noch einbildet, man sei damit im Recht. Sachliche Argumentation: Christentum war nie sonderlich "gut".
Schnapp. Stalin. Hitler. Mao. Und Ad Hominem. Was maßt sich der Kritiker an, das herrliche Christentum anzugreifen.
Suggestion: Gottlose sind unmoralisch und charakterlich schlecht, siehe da!
Das atheistisches Gegenargument verfängt sich in der komplexität der Sache. Für Christen ist die Welt schwarz/weiß, andere müssen differenzieren. Dies muss der Christ ausnutzen.
Works.


Hallo zusammen,

Sollte dies Schlußschema "christliche Ansichten und Argumentationen" widerspiegeln, so sind diese tatsächlich fragwürdig. Schon die erste Prämisse ist komplett falsch und sie wird auch nicht richtig, wenn noch so viele "Christen" sie weiterhin vertreten.

Zwar glaubt der Christ daran, daß alles, was von Gott verschieden ist, völlig von Gott abhängt, und daß die so verstandene (sic!) Schöpfung ethische Anforderungen an ihn stellt, die den Charakter einer Ansprache, eines Wortes haben und daher als "das Gesetz" bezeichnet werden. Keinesfalls ist mit "Gesetz" die Offenbarung oder Selbstmitteilung oder das "eigentliche" Wort Gottes gemeint. (vgl. Peter Knauer, 1991[Der Glaube kommt vom Hören]: 91ff).

Auf die Anforderungen, die das "Gesetz" an jeden Menschen stellt, kann mit Hilfe der Vernunft geantwortet werden und man braucht ausdrücklich keinen Begriff von Gott dazu. Aus diesem Grund gibt es im Christentum keine Scharia und auch nicht die vielen Gebote des Judentums. Im wesentlichen kann das Gesetz einfach erfüllt werden, wenn man den Anderen nicht übervorteilt.

Die Einseitigkeit der Geschöpflichkeit (die Welt ist von Gott abhängig, nicht umgekehrt) macht aber auch ein direktes Wort Gottes unmöglich. Das ist der tiefe Unterschied zwischen Islam und Christentum: jener kennt nur das unmittelbare Wort Allahs, welches auf Arabisch an Mohammed ergangen ist und im Koran auf Arabisch niedergelegt ist. Und dieses Wort hat nun in der Tat den Charakter von Anweisungen, die befolgt werden sollten, die der gläubige Muslim aber nicht immer befolgen kann. Auf dieser Spannung zwischen dem Gott-Gesollten und dem Menschen-Möglichen beruht auch das Judentum.

Im Unterschied dazu ist das eigentliche Wort Gottes im Christentum dagegen nicht als weitere Moralgesetzgebung zu verstehen, sondern soll den Menschen von der Angst vor Tod und Vergänglichkeit befreien. Aus dieser fundamentalen Angst nämlich resultieren Neid und Gier (2 Todsünden). Wer aber nicht mehr Angst davor hat, zu kurz zu kommen, begegnet seinem Nächsten anders als zuvor. Peter Knauer 1991[Der Glaube kommt vom Hören]:

Es ist alles verdorben, wenn man das Evangelium als zusätzliches "Gesetz", als moralische Forderung interpretiert. Dies abzulehnen bedeutet keineswegs, die Christusbotschaft vom Handeln zu "trennen". Es geht ja gerade darum, ihre unabdingbare Bedeutung für das Handeln zu erfassen. Sie entmachtet die Angst des Menschen um sich selbst, die sonst am rechten Handeln hindert.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Do 13. Dez 2012, 08:06

Ohne das so faktenreich erklären zu können, wie du, @laie, bin ich aus dem Bauch heraus, der gleichen Überzeugung: Christentum, Islam und Judentum sind völlig unterschiedliche Kulturen.
Und passen? Sie passen so gut zusammen, wie der linke Schuh, am rechten Fuß.

:mg: stine
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon laie » Do 13. Dez 2012, 12:20

Hallo stine,

tja, das weiss ich nicht, ob linker Schuh und rechter Schuh. Rein theoretisch würde ich sagen, Judentum und Islam sind nur bedingt "demokratietauglich". Das scheinen m.E. der Staat Israel und verschiedene arabische Staaten zu zeigen, wo z.B. Israel immer wieder Probleme mit religiös-orthodoxen Strömungen hat. Wie gesagt: es scheint mir so. Es kann sich auch ganz anders verhalten. Man unterliegt in Bezug auf die Überzeugungen der Anderen ja oftmals völlig falschen Vorstellungen. Immerhin gibt es im Judentum eine aufklärerische Strömung, ob es die im Islam gibt, weiss ich nicht.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Do 13. Dez 2012, 14:25

Dann wäre das Christentum auch nicht demokratietauglich (unpräzises Wort übrigens, wie ich finde, "pluralismustauglich" wäre der eigentliche Streitpunkt), wie man an den Problemen Russlands mit religiös-orthodoxen Strömungen sehen kann. Bei einer wörtlichen Auslegung ihrer jeweiligen Schriften werden alle Religionen demokratieuntauglich, da würde ich sogar Lumen an die vorderste Front schicken, um das nachzuweisen. Aber das ist halt immer nur ein Teil der Tradition und Orthopraxis. Das Judentum hat eine uralte Debattenkultur, der Islam kennt mit der Schura sogar eine proparlamentarische Zusammenkunftsform der Gemeinde und beide haben über die Jahrtausende in kulturell extrem heterogenen Milieus existiert. Israel und die derzeitigen arabischen Staaten sind kurze Momentaufnahmen und wie jeder halbwegs gute Methodiker weiß, kann man an Querschnitten fast nichts ablesen.

Was auch gerne vergessen wird, ist, dass die Mehrheit der Muslime gar keine Araber sind, sondern Südostasiaten (Pakistanis und Indonesier). Während die Pakistanis, nicht zuletzt auch durch saudischen Einfluss, in eine ziemlich ungesunde Richtung gehen, sind die Indonesier das Zusammenlebene in vielfältigen Kulturkontexten etwas gewohnter und da gibt es auch recht synkretische Islamauslegungen. Klar, es gibt seit den 80ern ein Islamismusproblem auch in Indonesien, trotzdem sollte man daran denken, dass Indonesien der Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung UND eine Demokratie ist, in der die Menschenrechte alles in allem recht passabel eingehalten werden (vielleicht nicht auf mitteleuropäischem Standard, aber das Land ist auch arm, unterentwickelt und geografisch zerfleddert).

Zuletzt sollte man auch daran denken, dass es nicht wichtig ist, ob der Koran und das Grundgesetz zusammenpassen, sondern ob Muslime, die hier leben, sich an das Grundgesetz halten. Himmelweiter Unterschied und nur das zweitere ist relevant.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon laie » Do 13. Dez 2012, 14:52

Nanna hat geschrieben:Zuletzt sollte man auch daran denken, dass es nicht wichtig ist, ob der Koran und das Grundgesetz zusammenpassen, sondern ob Muslime, die hier leben, sich an das Grundgesetz halten. Himmelweiter Unterschied und nur das zweitere ist relevant.


Zugegeben. Was aber, wenn für den "gläubigen Muslim" der Koran den Vorrang vor dem Grundgesetz genießt, aus den nämlichen Gründen, die ich oben dargestellt habe? Dann ist für den gläubigen Muslim eine säkulare Werteordnung wie das Grundgesetz immer die schlechtere Wahl. Natürlich können auch Muslime das Grundgesetz anerkennen, aber dann sind es eben keine gläubigen Muslime mehr, bzw. sie machen sich das nur vor.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Do 13. Dez 2012, 15:24

Ich habe ein großes Problem mit solchen Deutungen von außen. Ich schreibe dir auch nicht vor, unter welchen Umständen du ein gläubiger Christ sein kannst und unter welchen nicht. Der Minimalkonsens unter den Muslimen ist die Anerkennung der fünf Säulen des Islam: Glaubensbekenntnis, Gebet, Fasten, Armensteuer und Pilfgerfahrt. Da ist erstmal nichts dabei, was inhärent pluralismusinkompatibel ist. Und ich würde nichtmal meine Hand ins Feuer dafür legen, dass es synkretische Formen des Islam gibt, die selbst bei den fünf Säulen noch Auslegungsspielraum erkennen, Taqwacore zum Beispiel. Glaube ist eine Sache zwischen Individuum und Gott (also auch abhängig von der Gottesvorstellung des jeweiligen Individuums), da hat meines Erachtens keiner jemand anderem vorzuschreiben, wann er ein "wahrer" Gläubiger ist und wann nicht. Natürlich kann man von außen anhand einer Kriterienliste feststellen, dass jemand kein ultraorthodoxer Muslim ist, und wenn zu dieser Liste die Ausübung der Köprerstrafen gehört, ist diese Glaubensform in der Tat inkompatibel mit dem Grundgesetz und den Menschenrechten. Aber von dieser Unterspielart auf das gesamte große Label "Islam" zu schließen und es tutto completti als "demokratieinkompatibel" zu brandmarken, finde ich unredlich. Insbesondere dann, wenn man im selben Atemzug das große Label "Christentum" verteidigt, das wirkt dann nur noch lachhaft.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Do 13. Dez 2012, 15:34

Nanna hat geschrieben:Aber von dieser Unterspielart auf das gesamte große Label "Islam" zu schließen und es tutto completti als "demokratieinkompatibel" zu brandmarken, finde ich unredlich. Insbesondere dann, wenn man im selben Atemzug das große Label "Christentum" verteidigt, das wirkt dann nur noch lachhaft.
Ich verstehe zwar, was du meinst, aber das Problem ist, dass sich der Islam bisher weltweit als gesetzgebende Staatsgewalt zeigt, wo immer er gelebt wird, und sich damit gravierend anders darstellt, als das Christentum, das lediglich noch eine Glaubensgemeinschaft außerhalb säkularer Gesetzgebung ist. Auch dort, wo Orthodoxie gepredigt wird, gehen die Menschen hinterher aus der Kirche und leben ihr säkulares Leben. Sie müssen keinen Gebetsraum haben und auch nicht 5 x am Tag gen Mekka knien. Sie dürfen sich kleiden, wie sie wollen und müssen ihre Kinder nicht körperlich brandmarken.
Das musst doch auch sehen, oder nicht?

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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon laie » Do 13. Dez 2012, 15:43

@nanna
Du hast völlig recht in dem was du sagst. Ich selbst habe ja ausdrücklich gesagt, dass ich mich in Bezug auf den Islam durchaus irren mag. Nur gibt es ganz eindeutige Unterschiede in der Theologie selbst zwischen Islam, Judentum und Christentum. Für mich ist klar, dass die Zweiteilung in "Gesetz" und "Evangelium" ganz entscheidende Wegbereiter für die Aufklärung waren. Fehlt diese Zweiteilung, dann gibt es eben nur noch das Gesetz und das ist im muslimischen Fall eben unveränderlich, weil es ja von Allah selbst kommt. Das "Gesetz" im Christentum ist dagegen keine göttliche Vorschrift, und eben darum wandelbar.

Noch etwas: im Christentum gilt ganz allgemein, dass durch die blosse Erfüllung des "Gesetzes", also der ethischen Anforderungen des mitmenschlichen Zusammenlebens, niemand das Seelenheil erringt. Zwar ist es sittlich und moralisch gut, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, daraus erwächst aber keine Rechtfertigung unseres Lebens vor Gott. Niemand soll sagen, er sei gut vor Gott, weil er menschliche Gesetze befolgt habe.

Im Islam dagegen schreibt der Koran geradezu vor, wie ein sittliches Leben vor Gott auszusehen hat. Das Leben des Muslims ist in religiöser Hinsicht gelungen, wenn er Scharia und Koran gemäß handelt. Dieses "heilige Schrift-gemäße-Handeln" ist vom Islam nicht zu trennen.

Nachtrag: natürlich kennt auch der Islam die Einschränkung, dass das gute Handeln nicht nur eine Frage der eigenen Werke ist. Das liegt meines Wissens aber daran, dass die göttlichen Gebote per se unerfüllbar sind. Jeder Tag kann man sich daher als Muslim die Frage stellen, wo man bestimmten Geboten und Vorschriften nicht genügt hat. Man kann sich nie sicher sein, den Tag wirklich "Gottgemäß" zugebracht zu haben. Ich sehe hier schon einen Unterschied zum Christentum.
Zuletzt geändert von laie am Do 13. Dez 2012, 16:11, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Lumen » Do 13. Dez 2012, 15:47

Ich halte alle diese Überlegungen zwar für möglich und sie entsprechen in vielen Ländern den Tatsachen. Es ist jedoch wie eine Demokratie, die hart diktatorische Notstandsgesetze zulässt. Wenn die Umstände es verlangen, siegt Gottes Wille und es wird gemacht, was seine Repräsentanten eben wollen. In abgeschwächter Form ist das absolut üblich. In vielen Ländern sitzen religiöse Herren in Parlamenten und meinen aus einer diffusen Mischung an Unterstützern, dem angeblichen Willen ihrer Gottheit und ihrer Geschichte, eine Position abzuleiten, die sie dann in dieser diffusen Weise legitimiert sehen (Gott will es so, wurde irgendwie immer so gemacht, und die Gläubigen wollen auch so). Die Fähigkeiten von Menschen sich in andere Personen oder Positionen hineinversetzen zu können, bekommt hier numinöse Qualitäten. Und es ist ein Gleichschaltungsprinzip.

Wenn ich mir vorstelle, dass jede Minderheit jeweils ein Jahr regieren dürfte, bin ich derzeit davon überzeugt, dass Muslime als erstes den jährlichen Turnus abschaffen würden. Danach würden sie Andersgläubigkeit (besonders Nichtgläubigkeit) verfolgen oder wenigstens schikanieren, Meinungsfreiheit, besonders in Bezug auf ihre Religion würde eingeschränkt werden. Im harmlosen Fall. Nicht nur Muslime machen keinen sonderlich pluralistischen Eindruck auf mich, auch der gläubige Christ stellt sich jedes mal so dar. Wenn immer eine christliche Position gefragt wird, sitzen da Leute die eher Probleme mit Homosexualität haben, um ein aktuelles Beispiel zu nennen. Die Rechte, die andere Menschen genießen, soll manchen abgesprochen werden. Dafür haben die Herrschaften "gute Gründe" und da kommt niemand auf die Idee, Jesus oder irgendeine andere scheinheilige Lehre aus dem Hut zu ziehen, die ihre Gründe entkräftigen würden. Das passiert dann in zehn oder fünfzig Jahren, wenn auch der letzte Christ sich an Homosexualität gewöhnt hat. Dann heißt es: "Jesus sagte Blah Blah Blah, deshalb gilt die Nächstenliebe besonders auch für Homosexuelle Blah Blah Blah. Schon immer haben wir Christen uns für die Rechte der Schwachen und Ausgegrenzten... Blah ". Christen waren ja auch immer für die Rechte der Frauen, waren Vorkämpfer gegen Sklaverei und so fort. Die Bande wurde nur dann ungemütlich, wenn jemand ihre Pfründe wollte. Dann entdecken sie plötzlich ihre Liebe für Pluralismus oder Demokratie.

Alle Behauptungen, stets das Gute (im heutigen Verständnis) im Sinn zu haben, wurden in allen Zeitalter und allen Gegenden von religiösen Machthabern konterkariert. Man kann fast durchweg sagen, dass es nur dann Ruhe gab, wenn die jeweilige Authorität entweder selbst nicht sonderlich religiös, oder direkt säkulär organisiert war. Ob nun der Perser Kyros II oder Thomas Jefferson. Es gab dann Außreißer, wenn eine andere Ideologie an die Stelle der Religion trat. Es ist niemals eine gute Idee, dass Leute sich durch Behauptungen mobilisieren lassen, die keine Belege oder Begründungen brauchen und immun gegen Kritik sind.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Zappa » Do 13. Dez 2012, 19:27

laie hat geschrieben:Zwar glaubt der Christ daran, daß alles, was von Gott verschieden ist, völlig von Gott abhängt, und daß die so verstandene (sic!) Schöpfung ethische Anforderungen an ihn stellt, die den Charakter einer Ansprache, eines Wortes haben und daher als "das Gesetz" bezeichnet werden. Keinesfalls ist mit "Gesetz" die Offenbarung oder Selbstmitteilung oder das "eigentliche" Wort Gottes gemeint. (vgl. Peter Knauer, 1991[Der Glaube kommt vom Hören]: 91ff).

Der Christ sicher nicht und ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob eine relevante Minderheit der Christen so denkt. Was Du da zitierst ist eine zwar vernünftig klingende, aber doch sehr philosophische Herangehensweise. Im Dialog mit "Normalochristen" wird da eher auf der Ebene "10 Gebote" und die "Bibel als Wort Gottes" argumentiert und das ist näher an deinem Islambild.

Auf der anderen Seite gibt es sicher Muslime, die ähnlich denken wie dein Peter Knauer, auch der Islam ist ja keine monolithische Denkrichtung.

Ich will die Unterschiede nicht nivellieren (im Gegenteil, Sie interessieren mich!) wir sollten aber möglichst differenziert an das Thema herangehen.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon laie » Do 13. Dez 2012, 20:26

Hi Zappa,

die Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium ist keine Erfindung von mir oder von Peter Knauer, sondern sie findet sich in den Briefen des NT, u.a. im Römerbrief oder im Hebräerbrief.

Dass es Christen gibt, denen der Dekalog näher steht als das Grundgesetz, nehmen wir mal an, das gibt es wirklich. Na gut, das ist eben die Besonderheit des Christentums, dass es sich verschiedenen Gesellschaften und den in ihnen herrschenden Normen und Werten anpassen kann. Will sagen, wenn eine Gruppe evangikaler Hinterwäldler eine community gründen wollen, in der die 10 Gebote gelten, dann können sie das für sich tun (vielleicht ein extrem gezwungenes Beispiel). Treffen sie dann auf widerstreitende ethische Werte, dann muss vernünftig abgewogen werden, ohne Theologie, denn die braucht es dazu nicht. Der Punkt ist, so meine ich, dass man nur so ethisch sein kann, wie es die Werte der Gesellschaft zulassen, in der man lebt.

Auf der anderen Seite gibt es sicher Muslime, die ähnlich denken wie dein Peter Knauer, auch der Islam ist ja keine monolithische Denkrichtung.


das wollte ich eben theologisch begründet haben, dass das möglich ist. Mir persönlich ist, ohne dass ich Muslimen zu nahe treten möchte, schleierhaft, wie das -theologisch wohlgemerkt- gehen soll.
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