ostfriese hat geschrieben:stine hat geschrieben:Ist das Mittelstandskolonialismus?
Ich kenne so einen Fall. Diese Leute hatten sich durch den Betrieb eines gut gehenden Kiosks ein Startkapital von -- so weit ich mich erinnere -- 200.000 DM erwirtschaftet. Mit dem einen Teil des Geldes kauften sie sich ein Anwesen in Costa Rica, das hierzulande ungefähr den fünfzigfachen Preis gekostet hätte, den anderen Teil legten sie hochverzinslich an. Villa und Grundstück wurden von einer im Gartenhäuschen ansässigen einheimischen Familie gepflegt, rund um die Festung hielten fünf deutsche Schäferhunde sowie -- flussseitig -- zwei Alligatoren Wache...
Bei so einer Entscheidung kommen andere Dinge zu tragen, die hier noch nicht angesprochen wurden.
Wesentlich sind der kulturelle Hintergrund des Einzelnen als auch sein Lebensalter. Wer jung ist, Lust auf Abendteuer hat und sein ganzes Hab und Gut in einem Persilkarton mit sich rum trägt, für den ist keit Ort zu abwegig und keine Situation zu absurd.
Wer mit viel Mühe einen anspruchsvollen Beruf erlernt hat (Studium) und diesen mit einem gesunden Ehrgeiz betreibt, der ist nicht darauf scharf in Kuala Lumpur eine Schaschlik Bude zu betreiben oder in Comodoro Rivadavia/Patagonien Touristen in einem klapprigen Schrotthaufen von Auto durch die Landschaft zu kutschieren. Der zieht es vor fachliche Herausforderungen in einem gut bezahlten Job zu finden, für den wären 30.000 € auch kein unüberwindbares Hindernis. Wer allerdings gelernt hat in wirtschaftlichen Dimensionen zu denken, für den sind das "peanuts" und mit Sicherheit keine Grundlage für eine Existenz wo auch immer.
Wer in einem Heim und Umfeld aufgewachsen ist, wo Hartz-IV über Jahre fürs Einkommen sorgt, in dem die Bildzeitung die Spitze der Bildung darstellt, für den als rote Pfeiffe vor Tor seines bestreikten Betriebes zu stehen elementare Wichtigkeit hat und für den ein Kasten Bier pro Wochenende und Person zu Ernährung gehört, dem macht es wenig aus in Dreck und Lärm zu leben und als anonymer Teil einer dumpfen Masse Mensch nach Belieben rumgeschubst zu werden.
Wer in einem gepflegten Hause aufgewachsen ist, wer eine gewisse Ordnung und Gediegenheit zu schätzen weiß, wer Streitgespräche zwischen den Eltern als Diskusionen um Ausbildung und Plfichten, um Geldanlagen, Umbauten und Erneuerungen, um Urlaubsgestaltung und gemeinsames Freizeitvergnügen kennt und nicht als rumgrölen, meckern, Eifersuchtsdramen, Prügel und dergleichen - für den sind die Slums und die Müllhalden in elenden Orten am Arsch der Welt mit Sicherheit keine Alternative.
Mit zunehmenden Alter und Lebenserfahrung nehmen die wenigen Besitztümern des einstigen Studenten einen erheblichen Umfang an Dingen und Wertsachen an, die man weder willkürlich aufgibt noch bewußt in einem Teil der Welt aufstellt, wo man jederzeit beklaut, betrogen und bedroht wird und als beliebiges und lukratives Opfer von Kriminellen herhalten muß.
Wir (Iris und ich) haben bewußt einen Teil der Welt als Wohnsitz gewählt, der zu EU gehört und damit eine erhebliche Rechtssicherheit gewährt. Dazu kommt ein angenehmes, warmes Klima, eine ganzjährig grüne sowie im Aussehen gepflegte Landschaft, ein gute Gesundheitsversorgung sowie eine gesunde und sehr schmackhafte Ernährung einschließlich einem guten Wein.
Die durchschnitlliche Lebenserwartung in diesem Landesteil liegt bei Frauen bei 83 Jahren, bei Männern bei 78 Jahren und spiegelt die Qualität der medizinischen Versorgung. Wir sind Miglied einer kleinen Privatklinik mit Ambulanz, Operationsräumen, Bettenstation und der Versorgung durch Konsultation von 60 verschiedenen Spezialisten im Haus - alles für 35 €/Monat und Person. Im Vergleich liegt im Musterland USA die durchschnittliche Lebenserwartung bereits weit unter der von Costa Rica, nur 40 % aller Einwohner können sich überhaupt noch eine Krankenversicherung leisten. Wenn es nur ums Geld dabei geht, dann ist der witchcraft-doctor im brasilianischen Regenwald zu empfehlen, der behandelt für eine Glasperle aus dem Kaugummi Automaten.
Wir essen gerne gut und gediegen, entsprechend kaufen wir ein. Dazu fahren wir auch mal in große Einkaufsmärkte nach Perpignan/Frankreich oder Sabadell/Barcelona. Vorrangig kauf man da Spezialtitäten wie Enten, Perlhuhn, Lachs, Shrimps, Pasteten aller Art, Käse, Fleisch usw. usw., alles zu normalen oder günstigen Preisen in Relation zum Einkommen (Rente) und vor allem ohne einen riesigen Anteil Chemie aus Geschmacksverstärker, Konservierungsmittels, Farben, Nitriersalze, Emulgatoren, Glucosen, Resten von Hormonen, Pestiziden und vielen nicht genannten Chemiecocktails.
Ich erinnere mich mich Schrecken an Einkäufe in Homs/Libyen, Riyadh, Tripoli, Lagos oder Kairo usw., da hängt das Fleisch vorm Laden über dem Bürgersteig, alle laufen dran vorbei und begrabschen es, die Fliegen sitzen zu Tausenden drauf und niemand kann sagen, wie lange das da schon in der Sonne gammelt. Man muß alles sehr heiß durchbraten und scharf würzen, nur so sind garantiert alle Fliegenlarven, Trichinen und sonstigen ungewollten Mitbewohnern der Mahlzeit hinüber. Das danach alles schmeckt wie alte Schuhsohle, nun jedes Abendteuer hat seinen Preis.
Im Wochenmarkt von Sale/Rabbat wird das Fleisch auf einem Stand angeboten, der aus 2 Baubohlen besteht, die sicher noch nie geschrubbt wurden. Der Händler bringt das Fleisch in einem Jutesack auf dem Rücken und schmeißt es auf den Tisch. Dann setzt er sich auf die Bohlen und puhlt mit seinem Fleischermesser erst einmal ausgiebig seine Zehennägel. In den straßen ringsum häufen sich die wilden Müllberge und stinkendes Abwasser steht in jeder Vertiefung.
Wenn wundert es da, wenn das Durchschnittsalter der Menschen keine 60 Jahre erreicht. Das mag pitoresk und abendteuerlich finden wer will, nur mein Lebnesstil ist es nicht.