Myron hat geschrieben:Zum ersten Ausruf: Ich stoße öfter auf die Übersetzung "Allah/Gott ist am größten" (siehe z.B.: http://www.islaminstitut.de/uploads/med ... lam_01.pdf), was den islamischen Herrschaftsanspruch noch stärker verdeutlicht:
Zuerst mal: Die Frau, die das im Link angegebene Schrifstück verfasst hat, ist ein wichtiges Mitglied der Deutschen Evangelischen Allianz, wo sich auch viele Evangelikale tummeln. Unabhängig davon, dass es für diese Übersetzung sachlich korrekte Begründungen gibt, kann ich mich des Verdachtes nicht erwehren, dass der Islam für solche Menschen tendentiell eher ein Feindbild sein wird, das man gerne als besonders gefährlich zeichnet.
Grammatisch hat Fr. Schirrmacher allerdings trotzdem recht: Die elativische Form "akbar" lässt sich im Deutschen sowohl mit dem Komparativ, als auch dem Superlativ wiedergeben, wobei es beides nicht als eigenständige Formen im Arabischen gibt, sondern nur unter Zuhilfenahme zusätzlicher Präpositionen und durch den Kontext spezifiziert werden kann. Allerdings ist das für mich eine Frage, die für die gesellschaftliche Diskussion eher zweitrangig ist und eher von sprachwissenschaftlichem Interesse ist, denn der Islam wird nicht mehr oder weniger monotheistisch dadurch, dass diese Formel in Details anders interpretiert wird. Genauso wie das Christentum hat der Islam einen Allgültigkeits- und Alleinvertretungsanspruch, das ändert sicha uch dann nicht, wenn der Muazzin "Guten Morgen allerseits!" ruft. Wie das Christentum zeigt, ist ein totaler Anspruch aber nicht notwendigerweise ein Hindernis, um im Rahmen einer pluralistischen Gesellschaft am Ende doch zu kooperieren und es wäre auch Unsinn, zu verlangen, dass die Muslime "Gott ist vielleicht am größten" oder "Wir halten unseren Gott für am größten" als Formel hernehmen.
Man muss als Beobachter aufpassen, dass man nicht denselben Fehler wie manche Fundamentalisten macht, und glaubt, dass eine Religion ein unveränderliches Denksystem sei, nur weil irgendein "Prophet" einmal behauptet hat, dass das so wäre. Es gab Zeiten, da war es unter muslimischer Herrschaft weitaus besser möglich, alternative Glaubensinhalte zu pflegen, als zur selben Zeit im christlichen Europa. Sowohl von Minaretten totalitärer islamistischer Regime wie auch liberalerer Gesellschaften (z.B. im Emirat/Kalifat von Córdoba) wurde "Allahu akbar!" gebrüllt. Man kann also nicht anhand solcher traditioneller 1400 Jahre alter Formeln über die innere Verfasstheit einer Gesellschaft befinden. Meiner Meinung nach ist das ein zu verengter Blick auf ein Detail. Sinnvoller, wenn auch schwer zu realisieren, wäre eine Feldstudie, die feststellt, ob es zwischen Gebetsrufen und blinder Religiosität, aber auch Wirtschafts- und Gesundheitsdaten eine Korrelation gibt.
Myron hat geschrieben:48:28. Er [Allah] ist es, Der Seinen Gesandten mit der Rechtleitung und der Religion der Wahrheit gesandt hat, um ihr die Oberhand über alle Religion zu geben. Und Allah genügt als Zeuge.
Mit einer Befürwortung eines liberalen weltanschaulichen Pluralismus hat das definitiv nichts zu tun!
Nein, aber das apostolische Glaubensbekenntnis auch nicht. Der Islam ist in diesem Punkt nicht schlimmer in seinem Totalitätsanspruch als andere Religionen, insbesondere Monotheismen, auch.
Myron hat geschrieben:Oder stell Dir mal vor, wir Naturalisten würden die Dörfer und Städte täglich mit folgendem Ausruf beschallen:
"Die Natur ist am größten! Es gibt keinen Gott über der Natur! Der Naturalismus ist die einzig wahre Weltanschauung!"
Was meinst Du, wie tolerant sich die Moslems (und auch die Christen) dem gegenüber verhalten würden?
Ja, hierin liegt natürlich das Kernproblem: Man kann dem Gelärme nicht aus dem Weg gehen und da treffen sich unsere Meinungen auch. Mir ging es bei der Antwort auf ibex44 auch nur um den inhaltlichen Teil, nicht um die Erlaubnis zum öffentlichen Krachmachen.
Ich bin dafür, dass weltanschauliche Belärmung des öffentlichen Raumes generell zu unterbleiben hat, d.h. auch das Geläute zum Sonntagsgottesdienst. Stundenschläge der Uhren finde ich in Ordnung, aber da war die ursprüngliche Intention ja schon immer eine ökonomische. Von mir aus können für Kirchen UND Minarette zu traditionellen Feiertagen Ausnahmen gemacht werden, deren Anzahl sollte aber auf irgendwas um die fünf im Jahr und sog. "christliche" (*SCNR*) Tageszeiten beschränkt bleiben, eventuell kann die Anzahl auch von der lokalen Religionszugehörigkeit abhängig gemacht werden, damit nicht jede kleine Sekte an fünf Tagen im Jahr die Lautsprecher anschaltet.
ibex44 hat geschrieben:Was auf uns zukommt, konnte ich im Sommer 2007 in Antalya um 5 Uhr morgens hören.
[...]
Worin die Faszination liegt, solche alarmistischen Parolen hervorzustoßen (wie auch stine regelmäßig bei diesem Thema) leuchtet mir nicht ein.
So ist beispielsweise aus diesem Artikel zu entnehmen, dass die Gemeinde der Moschee, die Myron aufführt, so strikte Auflagen für den Gebetsruf auferlegt hat (max. 42dB, nur von 6:00 - 22:00 Uhr), dass man nicht besonders viel davon mitbekommen wird. Zum Vergleich: Die Lärmhöchstgrenze liegt nachts in Wohngebieten bei 65dB, also deutlich darüber, was die Rendsburger Moschee tagsüber absondern darf, zudem dürfen christliche Kirchen oftmals auch nachts ihr Stundengeläut durchführen, was viel öfter vorkommt und viel nerviger ist als das, was diese Präzedenz-Moschee abgeben darf. Ich bin sehr gut für ein generelles Verbot kontinuierlicher weltanschaulicher Lärmtätigkeit, aber dann bitte ohne Bevorzugung irgendeiner Religion, Tradition hin oder her.
stine hat geschrieben:Abwarten und Tee trinken, kann ich da nur sagen.
Wie wäre es lieber mit einem ordentlichen Immissionsschutzgesetz, das alle Religionsgemeinschaften gleich behandelt und auch die Interessen derer berücksichtigt, die sich weltanschauliche Signale nicht fünfmal am Tag anhören wollen?