ostfriese hat geschrieben:Also, ich glaube nicht, dass man jemandem, der aus einer gewissenhaften Analyse heraus militärische Präventivschläge fordert, die Humanität absprechen darf.
Die Frage ist ja: Ist es wirklich eine gewissenhafte Analyse oder Mittel zum Zweck, um dem Kampf gegen den Islam weiter zu fördern?
Bei vielen Neocons aber liegen schon die Motive ganz woanders, und von gewissenhafter Analyse kann gar keine Rede sein (siehe Irak). Humanität ist auch nicht gerade das Leitbild der Konservativen. Wie kommt es zu der Spiegel-Unterstellung, Hirsi Ali ließe sich von den Neocons vereinnahmen? Reicht es, dass sie in einem Punkt deren Meinung teilt (wenngleich aus anderen Motiven)? Oder lässt sie sich von Cheney und Konsorten als Gewährsfrau rumreichen? In dem Fall zöge ich tatsächlich meine Befürwortung des Friedensnobelpreises zurück...
Von "Vereinnahmen" war nie die Rede, hier noch ein wichtiger Ausschnitt aus dem Artikel für ein besseres Verständnis:
Sie wird Stipendiatin am American Enterprise Institute (AEI), dem berühmten Think-Tank, an dem die Neocons den Regimewechsel im Irak und Demokratie für den Nahen Osten vorgedacht haben. Sie will dort ein Buch schreiben, das den Weg zur Öffnung des Islam weisen soll. Das Exposé dazu hatte sie schon vor Monaten an Christopher DeMuth, den Chef des AEI, geschickt. Titel: "Eine Abkürzung zur Aufklärung".
Das soll kein trockenes politikwissenschaftliches Werk sein, sondern erzählerische Züge tragen. "Ich lasse den Propheten Mohammed in der New York Library wiederauferstehen", erzählt sie blitzenden Auges. "Dort soll er auf drei große Aufklärer treffen": auf Karl Popper, den Philosophen der offenen Gesellschaft, auf John Stuart Mill, der Freiheit als menschliche Grundtriebkraft beschrieb, und auf Friedrich August von Hayek, den Ökonomen, der den Wohlfahrtsstaat ablehnte und die Freiheit der Märkte pries.
Der Prophet und die westlichen Philosophen sollen einen Kampf der Ideen austragen. Denn sie, Hirsi Ali, will beide erreichen: die intellektuellen arabischen Dissidenten im Westen und die Gelehrten in den Ländern, die sich für eine Modernisierung und Öffnung der islamischen Gesellschaften einsetzen.
Hirsi Ali spricht schnell und bestimmt, sie lässt sich von ihrer Aufbruchstimmung mitreißen. "Die europäischen Intellektuellen werden mich dafür hassen, dass ich zum AEI gehe", sagt sie und fügt mit einem Schmunzeln hinzu, "aber die europäischen Appeasement-Politiker hassen mich ja sowieso schon."
Das AEI ist aus ihrer Sicht keineswegs die ideologische Speerspitze der republikanischen Partei und ihres Präsidenten, die den Krieg im Irak anheizte und die Rolle Amerikas als Weltmacht propagiert. "Am AEI werden Menschen mit verschiedenen Meinungen zusammengeführt und diskutieren miteinander", erklärt Hirsi Ali. "In Europa hingegen meiden sich die Intellektuellen, die gegensätzliche Meinungen haben." Sie habe vor den versammelten AEI-Gelehrten gesagt, sie habe "einen großen Mund", widerspreche gern und sei im Übrigen eine Atheistin. Sie konnte den Herren auch die Zusage entlocken, "Submission II" - den ersten Teil hatte der Filmemacher Theo van Gogh gedreht, den ein Islamist deshalb umbrachte - zu drehen, in dem es um das Verhältnis des Islam unter anderem zur Homosexualität gehe. Kein Problem, habe man gesagt.
Ideologische Überschneidungen zwischen Hirsi Ali und dem AEI sind leicht zu erkennen - etwa in der Frage eines Präventivschlags gegen Iran. Da hält sie der alten Welt Schwäche vor: "Die Option ist doch nur noch: einen Krieg gegen einen Präsidenten Ahmadinedschad mit oder einen Krieg gegen Ahmadinedschad ohne eine Atombombe zu führen", sagt sie. "Das hat in Europa aber niemand so richtig begriffen."
Ob es nun eine Vereinnahmung gab, kann ich auch nicht sagen, aber zumindest gibt es keinerlei Unterstellungen seitens des SPIEGEL.