Politik ohne Parteien

Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon Kurt » Mo 11. Feb 2008, 23:13

Ari hat geschrieben:
kurt hat geschrieben:Nörgeln kann jeder, aber schlag doch mal ein besseres System vor. Wie stellst du dir ein politisches System vor, das funktioniert und besser ist?


Darüber hab ich mir auch einige Gedanken gemacht, was mir schlaflose Nächte und lange leseabende gekostet hat. Ich hab entsprechende Literatur (vergleichende Staatslehre, Vorträge/Bücher von Professoren die sich mit dem Thema beschäftigt haben etc.) durchgelesen. An Vorschlägen mangelt es nicht, die Frage ist ob sie so funktioniert. Natürlich ist es kontraproduktiv nur zu nörgeln, aber erwartest du jetzt das hier einer ein perfektes Staatssystem vorstellt?


Natürlich kann keiner ein perfektes System vorstellen. Die Welt ist zu komplex und ändert sich außerdem noch. Was wir brauchen ist ein System, das schrittweise optimiert werden kann, das man den Änderungen der Umwelt anpassen kann. Und genauso funktioniert es auch. Einige Dinge werden ständig angepasst, z.B. Steuersätze, die Höhe von Sozialleistungen, andere Dinge sind auf längere Sicht ausgelegt, wie das Grundgesetz. Hier wird man außerdem eine konservativere Strategie fahren, d.h. man greift auf bewährte Konzepte zurück, die in anderen Ländern funktionieren, statt dass man theoretisch wunderbare Konzepte ala Karl Marx ausprobiert und sich dann über die nicht bedachten negativen Effekte wundert. Übrigens bedeutet Politik nicht nur Gesetze machen und ändern, sondern auch Dinge im Rahmen der Gesetze umzusetzen, z.B. das vorhandene Geld zum Nutzen aller zu verwenden. Die geschmähten "Parteigänger" leisten zum Teil richtig gute und wichtige Arbeit. Ich finde, jeder sollte ein bisschen soziale Verantwortung übernehmen und seinen Teil zum Gemeinwohl beitragen. Wenn ich was zu sagen hätte, würde ich Emporda nochmal zwei Jahre zum Zivi schicken. "Macht euern Mist doch alleine, ich verzieh mich" ist eine egoistische Art, die man sich auch als "Aussteiger" nicht zu eigen machen sollte. Schon gar nicht sollte man dann über diejenigen schimpfen, die sich noch an der Arbeit beteiligen.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon emporda » Di 12. Feb 2008, 03:08

Kurt hat geschrieben:Wenn ich was zu sagen hätte, würde ich Emporda nochmal zwei Jahre zum Zivi schicken. "Macht euern Mist doch alleine, ich verzieh mich" ist eine egoistische Art, die man sich auch als "Aussteiger" nicht zu eigen machen sollte. Schon gar nicht sollte man dann über diejenigen schimpfen, die sich noch an der Arbeit beteiligen.

Da gibt es ein winziges Problem, die nehmen niemanden mit 70 Jahren.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon Mark » Fr 15. Feb 2008, 12:54

Jakob hat geschrieben:
Ari hat geschrieben:
kurt hat geschrieben:Und ich finde, die Parteien gehören nicht zu den größeren Schwachpunkten.

Welche Schwachpunkte siehst du den? Die Politiker? Die Wähler? :lachtot:

Volltreffer! Genau das sind die Schwachpunkte. Machtgeile, intrigante Egomanen, die alles tun würden, damit die ignorante bzw. grenzdebile Masse sie wählt. Leider hat bisher noch niemand ein besseres System erfunden. So bleibt einem nichts anderes übrig, als überzeugter Demokrat zu bleiben.

Aber zum Thema: Ich wäre gegen eine Politik ohne Parteien. Denn das Ergebnis wäre, daß Wahlkämpfe noch mehr als heute über Personen und nicht über Inhalte geführt würden. Und Personenwahlkämpfe sind so ziemlich das ekeleregendste, was unsere Gesellschaft hervorgebracht hat :mg: Bevor ich die Parteien verbiete, würde ich die Spitzenkandidaten verbieten, so daß nur noch Parteien gewählt werden können. (Aber das würde in der Praxis wahrscheinlich genauso wenig funktionieren, wie das Parteienverbot.)


Na, wenn das Ziel sein soll, die Politik von menschlichen Umtrieben einzelner zu befreien, dann kann man ja auch gleich dazu übergehen ein Programm zu schreiben, welches dann regiert, und zwar immer nach den Richtlinien der Partei, die am meisten Stimmen hatte etc...

Wer wäre denn ein Anhänger der Idee einer Maschine die Regierungsgeschäfte zu übergeben ?
Solch eine Maschine braucht natürlich auch einen schmissigen coolen Namen... "Skynet" zB...
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon stine » Fr 15. Feb 2008, 13:12

Mark hat geschrieben:Na, wenn das Ziel sein soll, die Politik von menschlichen Umtrieben einzelner zu befreien, dann kann man ja auch gleich dazu übergehen ein Programm zu schreiben, welches dann regiert, und zwar immer nach den Richtlinien der Partei, die am meisten Stimmen hatte etc...

Wer wäre denn ein Anhänger der Idee einer Maschine die Regierungsgeschäfte zu übergeben ?
Solch eine Maschine braucht natürlich auch einen schmissigen coolen Namen... "Skynet" zB...


Wow, das ist die Idee! :mg:
Bleibt nur die Frage, wer den Stecker ziehen darf, wenn´s soweit kommt wie beim Terminator.

Davon abgesehen, klar könnte man einem Computer die Rechnung in Auftrag geben, wie es in bestimmten Situationen das beste wäre weiterzuverfahren. Ähnlich einem Schachcomputer. Aber auch hier wäre die Frage der Ausführung die letztgültige.
Beispiel der Großrechner sagt: Alle Flüge bis 2015 einstellen, wegen Schutz und Wiederaufbau der Ozonschicht in unserer Atmosphäre, wer würde gehorchen?

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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon HF******* » Fr 15. Feb 2008, 16:54

Das Parteiensystem halte ich für eine Voraussetzung eines Minimus an Berechenbarkeit der Politik. Wenn ich nicht weiß, was eine Person vertritt, kann ich sie auch nicht wählen. Es wird recht kompliziert dabei.

Ansonsten gibt es automatisch Gruppenbildung und letztendlich Parteien. Mit welchem Grund könnte man Gruppenbildungen verbieten wollen?

Ohne direkte Demokratie, also mit Volksentscheiden, halte ich eine Demokratie ohne Parteien für undenkbar. Auch mit Volksentscheiden ohne jede organisierte Gruppe wäre eine Abstimmung der Manipulation Einzelner sehr viel stärker unterworfen, als im gegenwärtigen Zustand.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon emporda » Fr 15. Feb 2008, 17:24

HFRudolph hat geschrieben:Das Parteiensystem halte ich für eine Voraussetzung eines Minimus an Berechenbarkeit der Politik. Wenn ich nicht weiß, was eine Person vertritt, kann ich sie auch nicht wählen. Es wird recht kompliziert dabei.

Ansonsten gibt es automatisch Gruppenbildung und letztendlich Parteien. Mit welchem Grund könnte man Gruppenbildungen verbieten wollen?

Ohne direkte Demokratie, also mit Volksentscheiden, halte ich eine Demokratie ohne Parteien für undenkbar. Auch mit Volksentscheiden ohne jede organisierte Gruppe wäre eine Abstimmung der Manipulation Einzelner sehr viel stärker unterworfen, als im gegenwärtigen Zustand.

Nur funktioniert das System ganz offensichtlich miserabel. Die Parteien setzen ihre fragwürdigen Spezies auf die Liste und der Wähler kann sie nicht einmal abwählen. Schon haben wir Persoen im Parlament, die für eine Wiedereinführung der Stasi plädieren und für die die Mauer notwendig war um zu verhindern, daß so viele Wessies in den Osten kommen. Die NPD hat sogar 2 Figuren im Parlament (Landtag), die sind so gut wie nie anwesend und treten auch sonst nicht in Erscheinung.

So ein Blindfisch sitzt dann 4 Jahre bei 6000 bis 8000 € im Monat und erschleicht sich eine Altersversorgung, die ein Arbeiter in 45 Jahren nicht zusammenbringt.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon Twilight » Fr 15. Feb 2008, 21:41

stine hat geschrieben:
Mark hat geschrieben:Wer wäre denn ein Anhänger der Idee einer Maschine die Regierungsgeschäfte zu übergeben ?
Solch eine Maschine braucht natürlich auch einen schmissigen coolen Namen... "Skynet" zB...


Wow, das ist die Idee! :mg:
Bleibt nur die Frage, wer den Stecker ziehen darf, wenn´s soweit kommt wie beim Terminator.


Die Idee gab es schon in verschiedenen SF-Romanen. Wer interessiert ist, mag einfach mal die Sternengeist-Trilogie von Poul Anderson lesen. Jedenfalls, warum sollte eine maschinelle Intelligenz Terminator-artige Züge annehmen? "Kill all humans" wäre ein höchst unlogisches Motto. Alle Flüge zu canceln klingt eher nach menschlicher Entscheidung. Sie würde natürlich nicht ALLE Flüge betreffen. Nur die "unwichtigen" also, die die nicht von Machthabern benötigt werden.

Aber zurück zum On-topic:
Parteien, die sich nicht an ihre Programme halten, Parteimitglieder, die Wahlversprechen brechen und Leute, die nur kassieren, ohne auch nur einmal an einer entscheidenden Sitzung ohne Bildzeitung auf dem Schoß teilgenommen zu haben, braucht niemand.
Da wäre mir eine Monarchie lieber. Und wenn der König über die Stränge schlägt, droht die Guillotine. Ist doch ein netter Anreiz, oder? Am besten wäre noch eine Epistokratie. Da braucht es keine Parteien. Höchstens alternierende Gruppierungen von Spezialisten, die dazu dienen, Informationen auszutauschen und Programme aufeinander abzustimmen, wenn nötig.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon Ari » Sa 16. Feb 2008, 11:40

Twilight hat geschrieben:Da wäre mir eine Monarchie lieber. Und wenn der König über die Stränge schlägt, droht die Guillotine. Ist doch ein netter Anreiz, oder? Am besten wäre noch eine Epistokratie. Da braucht es keine Parteien. Höchstens alternierende Gruppierungen von Spezialisten, die dazu dienen, Informationen auszutauschen und Programme aufeinander abzustimmen, wenn nötig.

Hoffentlich meinst du das ironisch...
Oder glaubst du wirklich das sich ein König nicht (wie in der Geschichte so oft geschehen) mit seinem Hofstaat und Adel der gut von der Monarchie lebt bis aufs letzte verteidigt? Du fändest also gut wenn jemand auf lebenszeit bestimmen darf und die anderen um ihn loszukriegen einen bürgerkrieg anzetteln? Das bei der heutigen militärtechnologischen Entwicklung sicher sehr brutal und mit massiver Zerstörung verbunden. Sehr clever.....

Ich denke ein halbwegs praktikabler Weg ist mehr direkte Demokratie und wachsamkeit. Wenn die Bürger verlogenheit und nebenverdienst in höhe des abgeordnetengehalt tolerien dan selber schuld...
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon Twilight » So 17. Feb 2008, 10:36

Ari hat geschrieben:
Twilight hat geschrieben:Da wäre mir eine Monarchie lieber. [...]

Hoffentlich meinst du das ironisch...[...] auf lebenszeit bestimmen [...] bürgerkrieg [...] massiver Zerstörung


Die Kehrseite der Medaille. Deswegen halte ich auch immer noch die Epistokratie für die beste Lösung. Habe ich auch so geschrieben.
Warum aber keine direkte Demokratie? Ein einzelner Mensch ist in der Regel intelligent, in der Lage seine Meinung auf Grund äußerer Umstände festzulegen, aber auch, diese zu ändern, wenn andere Argumentationen stärker sind. EIN Mensch ist in der Lage, nachzudenken, die Folgen seines Handelns abzuwägen und entsprechend anders zu handeln, falls nötig.
Bei vielen Menschen herrscht eine andere Dynamik. Viele Menschen sind wie Schafe. Populistische Parolen streuen Kollektivemotionen aus, geben eine Richtung vor. Der Gruppenzwang sorgt dann dafür, dass nicht beeinflusste trotzdem mitlaufen. Wer trotzdem noch in der Lage ist, sich abseits zu halten, wird geächtet - ein weiterer Anreiz, sich der Masse anzuschließen.
Beispiele:
*Die Grünen wollten den Benzinpreis schrittweise auf 5 DM anheben und das Geld in die Entwicklung von 3-Liter-Autos und einen (auch finanziell) attraktiveren öffentlichen Nahverkehr investieren. Die Medien stürzten sich auf die die Teile "Benzin" und "Fünf Mark" und das war's dann.
*Die Hartz-Reform zu Schröders Zeiten hatte das ergeizige Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen, das Soziale Netz zu entlasten und - anstatt Menschen ohne Arbeit zu Hause sitzen zu lassen, diese zeitweise in Billigjobs unterzubringen. Dass so ein Hartz 4 - Empfänger nicht schlechter lebt, als ein Arbeitnehmer mit einem Mindestlohn von 6...7 Euronen, verschwiegen die Medien ebenfalls. "Der ist Ingenieur und soll jetzt für einen Euro die Stunde malochen!!!einself." Keine Rede davon,dass selbst das gesünder ist, als zu Hause im Fernsehsessel zu verkümmern. Keine Rede davon, dass er eigentlich für Arbeitslosengeld PLUS 1,-€ pro Stunde arbeitet. Was war die Folge? Das Volk wählt plötzlich CDU, die das Programm natürlich fortsetzt. Welche Überraschung!

Doch das Volk springt voll darauf an. Es gibt noch mehr Beispiele in denen die öffentliche Meinung reguliert wird. Deshalb glaube ich einfach nicht an Demokratie. Weder direkte, noch indirekte. Eine Monarchie würde keinen Unterschied machen. Immerhin wären das keine mittelalterlichen Bauernstaaten, in denen die Pest und die Inquisition wütet, sondern eine hochtechnisierte Gesellschaft. Es gäbe einfach keine fehlenden Abgeordneten, die nach vier Jahren des Sesselfurzens eine Pension kassieren, für die andere hundertfünfzig Jahre lang hart arbeiten müssten.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 17. Feb 2008, 10:51

Twilight hat geschrieben:Ein einzelner Mensch ist in der Regel intelligent,
äh ... nein, auch wenn es welche gibt, dies ist aber nicht die Regel.
Twilight hat geschrieben:EIN Mensch ist in der Lage, nachzudenken, die Folgen seines Handelns abzuwägen und entsprechend anders zu handeln,
Glaube ich nicht. Auch wenn dies möglicherweise deshalb so ist, weil ihm von klein auf dies verwehrt wurde, nicht vorgemacht wurde bzw.. sogar als schlecht dargestellt wurde.
Twilight hat geschrieben:Bei vielen Menschen herrscht eine andere Dynamik. Viele Menschen sind wie Schafe. Populistische Parolen streuen Kollektivemotionen aus, geben eine Richtung vor.
Voll deiner Meinung.
Ich verstehe dich, ich bin nur noch pessimistischer was die Fähigkeit des Durchschnittsmenschen angeht.
Twilight hat geschrieben:Der Gruppenzwang sorgt dann dafür, dass nicht beeinflusste trotzdem mitlaufen.
Der Gruppenzwang ist meiner Meinung nach, der Grund warum direkte Demokratie in kleinen Kreisen funktionieren kann, in großen Kreisen (siehe deine Argumentation) sowieso nicht, da kennt man sich nämlich nicht gegenseitig.
In einem Dorf oder in einer kleinen Stadt, wo sich noch jeder kennt oder wo zumindest ein unsozial agierendes Individuum als einzelner identifiziert werden kann, ist der Gruppenzwang für die Gemeinschaft und gegen persönliche Vorteile zu stimmen noch vorhanden. Nur so kann direkte Demokratie halbwegs funktionieren. Halbwegs, weil die Gruppendynamik auch selbst in einer kleiner Individuen-Gemeinschaft "Andersartige" brutalst ausgrenzen kann (Andorra, Max Frisch).
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon Twilight » So 17. Feb 2008, 18:16

1von6,5Milliarden hat geschrieben:
Twilight hat geschrieben:Ein einzelner Mensch ist in der Regel intelligent,
äh ... nein, auch wenn es welche gibt, dies ist aber nicht die Regel.

Etwas unglücklich formuliert vielleicht. Ein Mensch, der auf sich allein gestellt ist, ist durchaus in der Lage, sich intelligent zu verhalten, solange er einfachste Ursache-Wirkung-Mechanismen abschätzen kann. Ich rede nicht vom Menschen, der allein mit Bildzeitung und Fernseher dasitzt und auf "diedaoben" motzt. Der ist technisch gesehen nicht alleine. Er folgt einfach dem, was die Medien ersatzweise für die richtungsgebende Gruppe kommandiert.
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Der Gruppenzwang ist meiner Meinung nach, der Grund warum direkte Demokratie in kleinen Kreisen funktionieren kann,[...]

Ist das dann noch Demokratie? Ich habe solche Dinge in der Schule erlebt. Sechste ofer siebte Klasse oder so: Wir durften abstimmen, ob wir mit Bus oder lieber mit Bahn auf Klassenfahrt gehen. Ich und zwei andere (von etwas 35) stimmten für Bahn. Nach dem Unterricht habe ich mich mit ein paar unterhalten, die für Bus stimmten. (Es war eine Wahl, die einfach per Handhebung ablief.) Die meisten sagten etwas wie: "Mir wäre Bahn auch lieber gewesen, und wenn mehr dafür gestimmt hätten, hätte ich das auch getan."

Bus, Bahn - letztendlich hätte zweiteres nur geringe Vorteile gehabt, vielleicht hätten sich Vor- und Nachteile auch aufgehoben, aber hier ging es mir um den Ablauf der Abstimmung an sich. Nun ja, wir waren Kinder, und Politik war einfach nur ein Spiel. Nichts Ernstes. Oder doch?

Jahre später - ich war inzwischen wahlberechtigt wie die meisten in meiner Klasse auch. Kurz vor einer anstehenden Wahl gab es mal eine Diskussion darüber, wer wen wählen wird.
3 von 5 Antworten hatten das Muster "Ich warte mal die Statistiken ab und stimme dann für die mit den meisten Stimmen."

Beängstigend, oder? Es geht noch weiter:

In einem Laden:
Ich: "Was soll ich mit so einer Winterjacke? Da liegt permanent der Hals frei. Das ist KALT!"
Kundenbetreuerin: "Aber das ist gerade hochmodern!!!"

Offensichtlich liegt die Situationsbeurteilung der Gruppe - so seltsam und abwegig sie auch sein mag - über der des gesunden Menschenverstandes.

Kann mir IRGENDEINER ein Szenario zeigen, wo Gruppendynamik/Demokratie wirklich funktioniert?
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 17. Feb 2008, 18:55

Dies IST Demokratie, nirgendwo steht geschrieben dass Demokratie immer "intelligent" ist.
Deshalb wird ja auch gerne gesagt, dass eine Alleinherrschaft eines "idealen" Diktators die beste (wenn auch nur theoretisch) Regierungsform wäre. Ich glaube wirklich, die Chance wäre größer dass sich ein "idealer Alleinherrscher" findet, als dass sich ein "ideales Wahlvolk" findet. Für letzteres sehe ich die Chance bei sehr Nahe Null. Allerdings sehe ich die Chance sehr hoch, dass ein "idealer Alleinherrscher" - sollte er sich halten können - sicherlich keinen "idealen Alleinherrscher" als Nachfolger bekommen wird und als fortlaufende Regierungsform als unmöglich. Insofern ist (gelebte) Demokratie auf dauer immer noch besser.
Nimm's gelassen. Gruppendynamik funktioniert leider fast immer, aber selten in positivem Sinn.

Du verstehst unter funktionieren anscheinend immer nur etwas Positives, dem ist aber nicht so.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon Twilight » So 17. Feb 2008, 19:53

Irgendwie kommt bei jeder Kritik an Demokratie das Beispiel des totalitären Alleinherrschers auf. An sich normal, aber die Häufigkeit der Erwähnung suggeriert, dass das die einzige Alternative wäre (vielleicht mal abgesehen von der Anarchie, über die kaum einer gern spricht.

Um das zu ändern, gebe ich einfach mal eine Liste, ohne (vorerst) zu beurteilen:
*Anarchie (Herrschaftslosigkeit)
*Demokratie (Herrschaft des Volkes)
*Monarchie [totalitär/parlamentarisch] (Herrschaft eines Einzelnen(bei der p.M. weniger))
*Diktatur (Herrschaft eines "Befehlenden")
*Epistokratie (Herrschaft des Wissenden)
*Oligarchie (Herrschaft von wenigen (Reichen))
*Ochlokratie (Herrschaft des Pöbels - Entartete Demokratie)
*Aristokratie (Herrschaft des Adels / Herrschaft der "Besten")
*Tyrannis (Herrschaft eines einzelnen (durch Gewalt) an die Macht gekommenen)
*Meritokratie ("Verdiente" Herrschaft)
*Plutokratie (Herrschaft des Geldes (des Geldadels)) <-- USA? :ka:
*Technokratie (Herrschaft der Technik (Experten, Fachleute))
*Theokratie (Religiös legitimierte Herrschaft)
*Xenokratie (Fremdherrschaft (Militärdiktatur)) <-- Nachkriegsdeutschland
*Bürokratie (Herrschaft der Verwaltung) <-- Ähm, ja. :mg:

Es gibt sicher noch mehr, aber das sollte eigentlich reichen.

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Du verstehst unter funktionieren anscheinend immer nur etwas Positives, dem ist aber nicht so.

Du hast recht. Ich meinte lediglich, dass das Wort "funktionieren" bedeutet, dass das gewünschte Ergebnis erreicht wird. Also etwas sehr subjektives. Dass es Leute gibt, denen die derzeitige Situation durchaus optimal vorkommt, habe ich nicht bedacht.
Muss mal ne Nacht darüber schlafen.

Was meinst du übrigens mit "gelebter Demokratie"?
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 17. Feb 2008, 20:13

Twilight hat geschrieben:Irgendwie kommt bei jeder Kritik an Demokratie das Beispiel des totalitären Alleinherrschers auf.
Ist eine beliebte Theorie, dass ein "idealer" Alleinherrscher (mag sich auch König schimpfen, wem es so lieber ist), besser (da auch schneller) entscheiden könnte, als eine Demokratie (egal ob direkt oder parlamentarisch). In reiner Theorie sicher zutreffend. In reiner Theorie könnte allerdings auch der Wähler in der Demokratie besser sein. :mg:
Twilight hat geschrieben:
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Du verstehst unter funktionieren anscheinend immer nur etwas Positives, dem ist aber nicht so.

Du hast recht. Ich meinte lediglich, dass das Wort "funktionieren" bedeutet, dass das gewünschte Ergebnis erreicht wird. Also etwas sehr subjektives. Dass es Leute gibt, denen die derzeitige Situation durchaus optimal vorkommt, habe ich nicht bedacht.
Äh, funktionieren ist hier von mir nicht als Wertung des "Regierungsoutputs" gedacht, nur als "technische Funktionsbestätigung" des zustandekommens der Regierung, Verwaltung etc.
Eine Demokratie ( != freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat mit Minderheitenschutz) sehe ich hier jetzt nur als Wahl durch das Volk mit Mehrheitsentscheid.
Du siehst anscheinend in Demokratie mehr als ich hier, du idealisierst sie wohl (so wie es vermutlich auch gerne hätte), ich sehe hier eher den technischen Vorgang. Wenn die Mehrheit des Volkes entscheidet das Putin wieder Präsident wird, so ist dies technisch gesehen Demokratie.

Twilight hat geschrieben:Was meinst du übrigens mit "gelebter Demokratie"?
Analogie zum "gelebten Sozialismus", wie in der Praxis die demokratischen Staaten wie D und USA funktionieren.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon Ari » Mo 18. Feb 2008, 11:50

Twilight hat geschrieben:Irgendwie kommt bei jeder Kritik an Demokratie das Beispiel des totalitären Alleinherrschers auf.

Das Problem ist doch das in anderen Staatsformen meist irgendwann sich ein Alleinherscher herausgebildet hat. In deiner Aufzählung der "theoretisch möglichen Staatsformen" ist das sicher so trennbar, aber wann läuft es den in der Praxis so wohlstrukturiert wissenschaftlich ab? Auf den ersten BLick ist ja manchmal nicht erkennbar wer den im Staat die Macht hat und wie sich Machtverhältnisse verschieben.

Twilight hat geschrieben:Wenn die Mehrheit des Volkes entscheidet das Putin wieder Präsident wird, so ist dies technisch gesehen Demokratie.

Genau so ist es! Auch Hitler wurde schließlich von der Mehrheit gewählt. Deshalb ist die Demokratie wie wir sie leben eben nicht die Krone der Entwicklung und das Ende jeglicher Staatsreform.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon webe » Mo 18. Feb 2008, 12:10

Eine Staatsform ohne Parteien wäre eine Alternative; vielleicht eine Art Räterepublik-die könnte durchaus demokratisch und sozialmarktwirtschaftliche Züge tragen.

Wer sagt denn, dass unsere Demokratie die Beste ist? Jedenfalls ist sie momentan die beste Alternative!

Anderseits würde ich es begrüssen, wenn die Abgeordneten wieder in den politischen Mittelpunkt treten würden, anstatt die Parteien: Also weg mit dem Fraktionszwang, geheime Abstimmungen nach dem Gewissen des Volksvertreter und den Parteidruck a la Schröder gesetzeswidrig einreihen.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mo 18. Feb 2008, 14:54

Ari hat geschrieben:
Twilight hat geschrieben:Wenn die Mehrheit des Volkes entscheidet das Putin wieder Präsident wird, so ist dies technisch gesehen Demokratie.

Genau so ist es! Auch Hitler wurde schließlich von der Mehrheit gewählt. Deshalb ist die Demokratie wie wir sie leben eben nicht die Krone der Entwicklung und das Ende jeglicher Staatsreform.
Erstens stammt der zitierte Satz von mir und nicht von Twilight und zweitens ist deine Aussage problematisch:

Die Mehrheit der Deutschen hat Adolf Hitler in der letzten freien, demokratischen Wahl (am 5. März 33) nicht gewählt.
Die "Wahl" im November 1933 kann auch unter "technischen Aspekten" nur noch schwer als "Wahl" gesehen werden, denn man hatte kein Auswahl. Man konnte nur sein Kreuzel in den große Kreis ja oder in den kleinen Kreis nein machen, ob das Ergebnis tatsächlich dem Ankreuzverhalten entsprach ist nicht sicher und auch soll die Anwesenheit von Braunhemden vor, bei und manchmal in den Wahlkabinen die Wahl zusätzlich eingeschränkt haben.

(Auch deshalb habe ich das Beispiel nicht genutzt)
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon Twilight » Mo 18. Feb 2008, 20:08

Ari hat geschrieben:Das Problem ist doch das in anderen Staatsformen meist irgendwann sich ein Alleinherscher herausgebildet hat. In deiner Aufzählung der "theoretisch möglichen Staatsformen" ist das sicher so trennbar, aber wann läuft es den in der Praxis so wohlstrukturiert wissenschaftlich ab? Auf den ersten BLick ist ja manchmal nicht erkennbar wer den im Staat die Macht hat und wie sich Machtverhältnisse verschieben.


In der Tat ein Problem. Gerade das Beispiel Bürokratie - eine Machtform, die einfach überall dort auftreten MUSS, wo große Strukturen zu verwalten sind, zeigt ja, dass eine Verschmelzung nicht nur möglich sondern auch unvermeidlich ist. Plutokratie ist ein Zeichen für Mangelnde Kontrollfunktionen der staatlichen Einrichtungen (Ö. r. Fernsehen, Bildungseinrichtungen) und wenn immer diese gezwungen sind, wirtschaftlich zu agieren, ist ein Geldgeber mit Hintergedanken nicht weit.
Eine Anarchie kann meines Wissens nicht mit menschlichen Gesellschaften funktionieren. Es bräuchte ein stabiles System aus Wechselwirkungen auf einer Ebene und selbst dann besteht dank der fehlenden zentralen Organisation immer noch eine Anfälligkeit für eine fremde Übernahme. Xenokratie.
Mein persönlicher Favorit, die Epistokratie, wurde leider nie praktisch umgesetzt. Das liegt vielleicht daran, dass all die Doktoren, Ingenieure und sonstige Spezialisten kaum an einer echten Machtposition interessiert sind.
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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon stine » Di 19. Feb 2008, 07:52

Die Epistokratie hat mE deshalb wenig Chancen, weil bekanntlich jene am meisten an Macht interessiert sind, die am wenigsten zu sagen haben. Gutes Beispiel sind die Haldenkönige beim Sperrmüll. Je weniger einer zusagen hat, umso gezielter lässt er seine Macht den anderen gegenüber dort spüren, wo es ihm möglich ist. :kg:

Die Formel lautet also: Je weniger Denkvermögen, umso mehr Machtstreben.

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Re: Politik ohne Parteien

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 19. Feb 2008, 09:04

stine hat geschrieben: Je weniger Denkvermögen, umso mehr Machtstreben.
Nun, zwar wirken weder Kohl noch Merkel als "Hochintelligent", aber dies ist kein Beweis für deine These. (Ein gigantisches Machtstreben und Machtbewusstsein haben sie beide, aber auch hohe Intelligenz darin, die Macht zu erlangen und vorallem zu halten.)
Nein, ich würde sagen, der Mensch bzw. seine geistige Kapazität ist i.A. nur fähig einige wenige Ziele, Aufgaben zu verfolgen. Also kann ein Mensch entweder ein guter Wissenschaftler oder ein erfolgreicher Politiker sein. Nur sehr sehr wenige schaffen zwei oder mehr Diszipline gleichzeitig und bei den Gegenbeispielen scheint es oft so zu sein, dass sich der Mächtige mit fremden Federn (Leistungen) schmückt. Als übertriebenes und dadurch lächerliches Beispiel diene Kim Il-sung, der ja - soweit ich weiß - "tausende" von Sachen erfunden, entworfen und errichtet haben soll (zumindest "innerhalb" Nordkoreas soll dies der Stand des "Wissens" sein).
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