stine, das Einzige, was hier unnatürlich ist, ist deine unnötige Trennung des "natürlichen" vom "künstlichen" Bereich. Alles Erfahrbare ist Produkt natürlicher Gegebenheiten und das, was du als "von außen kommend" titulierst, ist eine willkürliche, kaum zu definierende Kategorie. Die Evolution hat Spezies hervorgebracht, die in kooperierenden Verbänden, auch Gesellschaften genannt, für ihr Überleben sorgen. Wir kooperieren aus Gründen der sozialen Sicherheit, der Vertrauensbildung der Menschen ineinander und in die Gesellschaft als ganzes, der Spezialisierung (Stichwort behinderter Informatiker) und der Reduzierung von Komplexität: Anstatt umständlich herauszufinden, wer der Gesellschaft nützt und nur diesem zu helfen, helfen wir einfach allen und vertrauen darauf, unerkannte Potentiale mitgefördert zu haben und Vertrauensverluste durch willkürliche Unterscheidungen verhindert zu haben. Das führt nämlich schnell zu selbstschädigendem Verhalten (gated communities, Bürger- und Klassenkriege, Handelshemmnisse, usw. Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft und Volkswirtschaft ist Vertrauen, das generiert man darüber, dass man versichert, dass jedem unter allen Umständen geholfen wird. Nicht umsonst gibt es gerade in den bestfunktionierenden Armeen der Welt, z.B. der US-Army, die loyalitäts- und vertrauensfördernde Doktrin, dass niemand zurückgelassen wird, wenn irgendwie möglich - was jetzt keine Aussage über die sonstigen Umtriebe dieser Einrichtung ist).
Es gibt keine natürliche Bestimmung für irgendetwas! Die Evolution experimentiert seit jeher damit, Systeme für andere Zwecke zu adaptieren, als die, für die sie ursprünglich nützlich waren. Es gibt da die bizzarrsten Beispiele, die Biologen hier haben sicherlich einige parat. Teleologie ist eine Idee des Menschen, die auf seiner Fähigkeit beruht, Intentionalität ("Ich erkenne, was du vorhast") zu erkennen. Leider schießt der Mensch dabei gerne mal über das Ziel hinaus und schreibt unzielgerichteten, dynamischen Systemen wie der Evolution, aber auch Gesellschaften oder eben Staatssytemen teleologische Eigenschaften zu. Gemeint ist damit, dass der Mensch glaubt, es gäbe ein höheres Ziel, das durch das Optimieren des Systems zu erreichen sei. Es ist prinzipiell in Ordnung, wenn der Mensch diese Ziele selber definiert, beispielsweise indem er sagt, dass er eine Welt ohne Hunger erreichen will, einfach, weil er es will, weil er sich gut dabei fühlt - und weil eine Welt ohne Hunger so nebenbei auch viel mehr Märkte und Wirtschaftswachstum bedeutet. Man kann aber
nie über die Schiene argumentieren, dass es natürliche (d.h. in der Natur angelegte) Faktoren gebe, die zu einem solchen Vorgehen verpflichten würden. Man nennt das übrigens auch den naturalistischen Fehlschluss, welcher dir eigentlich hinlänglich bekannt sein sollte. Man darf nicht vom Sein auf das Sollen schließen, Ethik, wozu auch die sog. "Gute Herrschaft", also das ideale Staatssystem zählt, fällt darunter. Deshalb ist es Unsinn, hier über einen pseudonaturalistischen Weg zu argumentieren.
Um jetzt noch auf deine Eingangsfrage zu antworten:
Unser Staatssystem richtet sich nach extrem vielen Faktoren aus und ganz sicher nicht nach einer Personengruppe, die du die "Schwächsten" genannt hast. Deine Frage ist also entweder als irrelevant, da nicht realitätsbezogen, oder als zu allgemein gestellt in dieser Form abzulehnen. Formuliere sie genauer, denn derzeit läuft sie in etwa auf "Können sozialistische Systeme jeglicher Couleur funktionieren?" hinaus, wofür man nur zu einer groben Beantwortung schon gut 1000 Seiten schreiben kann. So, wie du die Frage derzeit gestellt hast, dreht sie sich im Kreise und wird nichts sinnvolles produzieren außer verärgerte Diskutanten, die aneinander vorbeireden (wie man gesehen hat), weil nicht klar ist, worüber man sich eigentlich austauschen/diskutieren/streiten will.
edit:
Weil es gerade passt:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31295/1.htmlDer Telepolis-Artikel berichtet über Forscher, die der Auffassung sind, dass der starke menschliche Altruismus ein kulturelles und kein genetisch bedingtes Phänomen ist - also ein deinen Kategorien, stine, absolut "künstlicher" und kein "natürlicher" Vorgang, der uns aber dahin gebracht hat, wo wir heute sind.