Wie sozial kann der Staat sein?

Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Mi 14. Okt 2009, 19:05

Nein, das hast du gesagt.
Ich habe versucht den Begriff "natürlich" zu erklären.
Und du musst zugeben dass das,
PW_ hat geschrieben:...wenn er "Hilfe von aussen" bekommt: Die richtigen Medikamente oder Psychotherapie, eine gute Psychoedukation (= Ausbildung und Unterstützung beim gesunden Umgang mit der Problematik), Ergotherapie oder Psychotherapie... einen passenden Schreibtisch, ein PC mit Braillzeile und Vorleseprogramm, Unterstützung aus der Selbsthilfegruppe, einen Blindenhund, eine Brille, eine Rehabilitationsmaßnahme,...
Oder auch: Einfach eine OP nach dem Unfall...
erstmal nicht "natürlich" zu haben ist.

Da wir aber in einer zivilisierten Gesellschaft leben, steht es wohl jedem zu, sich solcherei Hilfen einzufordern.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Mi 14. Okt 2009, 19:23

Wollt ihr mich jetzt in die Ecke der Behindertenhasser drängen?
Ich meine ihr könnt das ruhig tun, wenn euch das Spaß macht, ich werde mir aber den Hut nicht aufsetzen und an dieser Stelle den Spielplatz verlassen.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon PW_ » Mi 14. Okt 2009, 19:50

stine hat geschrieben:Wollt ihr mich jetzt in die Ecke der Behindertenhasser drängen?
Ich meine ihr könnt das ruhig tun, wenn euch das Spaß macht, ich werde mir aber den Hut nicht aufsetzen und an dieser Stelle den Spielplatz verlassen.

LG stine


Nein. Ich versuchte, deine Meinung zum Thema "Behinderung und Arbeiten" oder so ähnlich zu ergründen.


PW_ hat geschrieben:All soetwas steht einem behinderten Menschen also nach deiner Definition nicht zu - zumindest nicht, solange er nicht von alleine in der Lage ist, sich die Kosten der Unterstützung, die er bräuchte, um arbeitsfähig zu werden, selbstständig zu erarbeiten.
Wolltest du das wirklich sagen?


stine hat geschrieben:Nein, das hast du gesagt.

e
Ich dachte aber, genau das meintest du mit Aussagen wie:
stine hat geschrieben:Die natürliche Bestimmung eines Menschen mit Behinderung wäre demnach keine andere, als die eines Nichtbehinderten, nämlich die, das Sozialgefüge nach seinen ihm möglichen Fähigkeiten zu unterstützen, soweit er dies ohne zusätzliche Hilfestellung bewerkstelligen kann.


Bitte fühle dich jetzt nicht wieder gleich beleidigt. Ich darf auch missverstehen. Und du darfst auch eine ganz andere Meinung vertreten, als ich.

LG, PW
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Re: Staatssysteme

Beitragvon Nanna » Mi 14. Okt 2009, 20:42

stine, das Einzige, was hier unnatürlich ist, ist deine unnötige Trennung des "natürlichen" vom "künstlichen" Bereich. Alles Erfahrbare ist Produkt natürlicher Gegebenheiten und das, was du als "von außen kommend" titulierst, ist eine willkürliche, kaum zu definierende Kategorie. Die Evolution hat Spezies hervorgebracht, die in kooperierenden Verbänden, auch Gesellschaften genannt, für ihr Überleben sorgen. Wir kooperieren aus Gründen der sozialen Sicherheit, der Vertrauensbildung der Menschen ineinander und in die Gesellschaft als ganzes, der Spezialisierung (Stichwort behinderter Informatiker) und der Reduzierung von Komplexität: Anstatt umständlich herauszufinden, wer der Gesellschaft nützt und nur diesem zu helfen, helfen wir einfach allen und vertrauen darauf, unerkannte Potentiale mitgefördert zu haben und Vertrauensverluste durch willkürliche Unterscheidungen verhindert zu haben. Das führt nämlich schnell zu selbstschädigendem Verhalten (gated communities, Bürger- und Klassenkriege, Handelshemmnisse, usw. Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft und Volkswirtschaft ist Vertrauen, das generiert man darüber, dass man versichert, dass jedem unter allen Umständen geholfen wird. Nicht umsonst gibt es gerade in den bestfunktionierenden Armeen der Welt, z.B. der US-Army, die loyalitäts- und vertrauensfördernde Doktrin, dass niemand zurückgelassen wird, wenn irgendwie möglich - was jetzt keine Aussage über die sonstigen Umtriebe dieser Einrichtung ist).

Es gibt keine natürliche Bestimmung für irgendetwas! Die Evolution experimentiert seit jeher damit, Systeme für andere Zwecke zu adaptieren, als die, für die sie ursprünglich nützlich waren. Es gibt da die bizzarrsten Beispiele, die Biologen hier haben sicherlich einige parat. Teleologie ist eine Idee des Menschen, die auf seiner Fähigkeit beruht, Intentionalität ("Ich erkenne, was du vorhast") zu erkennen. Leider schießt der Mensch dabei gerne mal über das Ziel hinaus und schreibt unzielgerichteten, dynamischen Systemen wie der Evolution, aber auch Gesellschaften oder eben Staatssytemen teleologische Eigenschaften zu. Gemeint ist damit, dass der Mensch glaubt, es gäbe ein höheres Ziel, das durch das Optimieren des Systems zu erreichen sei. Es ist prinzipiell in Ordnung, wenn der Mensch diese Ziele selber definiert, beispielsweise indem er sagt, dass er eine Welt ohne Hunger erreichen will, einfach, weil er es will, weil er sich gut dabei fühlt - und weil eine Welt ohne Hunger so nebenbei auch viel mehr Märkte und Wirtschaftswachstum bedeutet. Man kann aber nie über die Schiene argumentieren, dass es natürliche (d.h. in der Natur angelegte) Faktoren gebe, die zu einem solchen Vorgehen verpflichten würden. Man nennt das übrigens auch den naturalistischen Fehlschluss, welcher dir eigentlich hinlänglich bekannt sein sollte. Man darf nicht vom Sein auf das Sollen schließen, Ethik, wozu auch die sog. "Gute Herrschaft", also das ideale Staatssystem zählt, fällt darunter. Deshalb ist es Unsinn, hier über einen pseudonaturalistischen Weg zu argumentieren.

Um jetzt noch auf deine Eingangsfrage zu antworten:
Unser Staatssystem richtet sich nach extrem vielen Faktoren aus und ganz sicher nicht nach einer Personengruppe, die du die "Schwächsten" genannt hast. Deine Frage ist also entweder als irrelevant, da nicht realitätsbezogen, oder als zu allgemein gestellt in dieser Form abzulehnen. Formuliere sie genauer, denn derzeit läuft sie in etwa auf "Können sozialistische Systeme jeglicher Couleur funktionieren?" hinaus, wofür man nur zu einer groben Beantwortung schon gut 1000 Seiten schreiben kann. So, wie du die Frage derzeit gestellt hast, dreht sie sich im Kreise und wird nichts sinnvolles produzieren außer verärgerte Diskutanten, die aneinander vorbeireden (wie man gesehen hat), weil nicht klar ist, worüber man sich eigentlich austauschen/diskutieren/streiten will.


edit:
Weil es gerade passt: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31295/1.html
Der Telepolis-Artikel berichtet über Forscher, die der Auffassung sind, dass der starke menschliche Altruismus ein kulturelles und kein genetisch bedingtes Phänomen ist - also ein deinen Kategorien, stine, absolut "künstlicher" und kein "natürlicher" Vorgang, der uns aber dahin gebracht hat, wo wir heute sind.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Do 15. Okt 2009, 06:45

Danke für den Link und den Richtungswechsel, Nanna!
Du hast recht, die richtige Frage wäre gewesen: "Können sozialistische Systeme jeglicher Couleur funktionieren?"

In dem Artikel wird deutlich gemacht, dass zum großen Teil vererbte Kultur und nicht vererbte Gene im Verhalten der Gruppen eine Rolle spielen. Genau dies ist aber der Punkt, an dem ich eigentlich ansetzen wollte: Kann sich Kultur dauerhaft über die genetische Veranlagung hinwegsetzen, wenn diese ein anderes Muster im Kern hat? Ich bitte mich hier nicht wieder falsch zu verstehen (es ist nur eine Frage, die sich mir stellt), aber meine Gedanken gehen dahin, wo eine übertriebene Gutmenschen-Kultur, langfristig Frust und Widerstand hervorrufen und dann uU das Fass irgendwann zum Überlaufen bringen kann, wenn keinerlei Ventile zum Ablassen des Unmuts geschaffen werden können.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon PW_ » Do 15. Okt 2009, 17:01

stine hat geschrieben:Danke für den Link und den Richtungswechsel, Nanna!
Du hast recht, die richtige Frage wäre gewesen: "Können sozialistische Systeme jeglicher Couleur funktionieren?"

In dem Artikel wird deutlich gemacht, dass zum großen Teil vererbte Kultur und nicht vererbte Gene im Verhalten der Gruppen eine Rolle spielen. Genau dies ist aber der Punkt, an dem ich eigentlich ansetzen wollte: Kann sich Kultur dauerhaft über die genetische Veranlagung hinwegsetzen, wenn diese ein anderes Muster im Kern hat? Ich bitte mich hier nicht wieder falsch zu verstehen (es ist nur eine Frage, die sich mir stellt), aber meine Gedanken gehen dahin, wo eine übertriebene Gutmenschen-Kultur, langfristig Frust und Widerstand hervorrufen und dann uU das Fass irgendwann zum Überlaufen bringen kann, wenn keinerlei Ventile zum Ablassen des Unmuts geschaffen werden können.

LG stine


Ebenfalls danke Nana! :applaus:
Ich denke das selbe, wie nana im ersten Absatz beschreibt. (Der zweite ist für mich einfach nur zum Nachdenken und richtig verstehen.)

Zu Stines Frage, falls ich verstanden habe, worauf sie hinaus will: Im Artikel steht, dass sowohl vererbte Kultur, als auch vererbte Gene eine Rolle spielen. Aber natürlich ist all unsere Kultur auf Grundlage von Genen entstanden. Nur natürlich nicht nur aus den Genen einzelner Induviduen, sondern letztlich aus den Genen von Gruppen. Und natürlich findet unsere Kultur immer auf der Grundlage unserer Gene statt. En, entweder ein Induviduum findet (manchmal auch nach längerer Zeit) eine Möglichkeit seine Gene mit irgendeiner Kultur in einklang zu bringen oder es stirbt. In seltensten Fällen wird ein Mensitch auch mal Eremit. Deshalb kann sich Kultur nicht dauerhaft über Gene hinwegsetzen und Gene mittlerweile auch kaum noch über sadie Kultur. Sondern es muss immer ein Zusammenspiel und enges Ineinandergreifen von beidem geben. Deshalb habe ich auch den Sinn der Rechnung, von der der Artikel zum Schluss redet, immer noch nicht verstanden. Ich sehe keine klare Trennung oder gar Gegeneinander von Genen und Kultur.

"Zur übertriebenen Gutmenschenkultur". Ich kann mir momentan nicht vorstellen, dass es so etwas geben kann. Denn, nach dem, was auch Nana schreibt, nützt es einer Gruppe wahrscheinlich in der überwiegenden Zahl der Fälle am meisten, wirklich niemanden fallen zu lassen. Allerdings gibt es jede Menge falsch verstandenes "Gutmenschentum" - auch in Gruppen. Z.B. wäre Gleichmacherei ohne Beachtung, dass es zwischen Menschen einfach riesige Unterschiede gibt, so etwas (z.B. "Das tut mir gut - also tut es allen anderen auch gut. Basta.").

Aber von einem bedingungslosen generellen Vertrauen in das Leben und die Gruppe(n) zu der man gehört (dass alle möglichen Zweifel, Fehler und Enttäuschungen im Alltag trägt und dadurch auch austrägt), kann es meiner Ansicht nach nie genug geben. Und natürlich dann auch nicht von Gruppen, die sich genau daran halten: Die ernsthaft versuchen, niemanden fallen zu lassen. Und die, neben den Schwächen, vor allem die Talente, Potentiale, Leistungen und Erfolge sehen, die in ihren Mitgliedern stecken.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon Zappa » Do 15. Okt 2009, 17:32

Nanna hat geschrieben: ... Anstatt umständlich herauszufinden, wer der Gesellschaft nützt und nur diesem zu helfen, helfen wir einfach allen und vertrauen darauf, unerkannte Potentiale mitgefördert zu haben und Vertrauensverluste durch willkürliche Unterscheidungen verhindert zu haben. ...


Aber eine solch willkürliche Entscheidung ist ja gerade diejenige, die stine an den Anfang des Threads gestellt hat. Ich hatte die Ausgangsfrage eher so verstanden ob eine Quotierung (nach Geschlecht, Staatszugehörigkeit, "Grad der Behinderung" etc.) sinnvoll ist. Der Spruch "... bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt ..." ist natürlich eine argumentative Nebelbombe, was ist schon eine gleiche Qualifikation in unserer komplexen Arbeitswelt?

Ich habe die Ausgangsfrage so verstanden: Zählt allein die Qualifikation bei der Besetzung einer Position oder dürfen/sollen/müssen wir andere Aspekte dabei berücksichtigen. Meine Meinung ist klar: Es zählt alleine die Qualifikation. Wenn die Gut- oder Schlechtmenschen sich hier einmischen kann es nur schlechter werden.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon PW_ » Do 15. Okt 2009, 18:11

Zappa hat geschrieben:Ich habe die Ausgangsfrage so verstanden: Zählt allein die Qualifikation bei der Besetzung einer Position oder dürfen/sollen/müssen wir andere Aspekte dabei berücksichtigen. Meine Meinung ist klar: Es zählt alleine die Qualifikation.

Sympatie und Motivation darf und sollte schon auch eine Rolle spielen. Ich möchte niemanden einstellen, der mit den Menschen, mit den er arbeiten muss, nicht sonderlich viel anfangen. kann. Allerdings, da wirklich menschenfeindliche Behinderte z.B. inzwischen eher selten sind, finde ich solche Aspekte gegenüber der Chancengleichheit ansonsten Benachteiligter einfach nur nachgeordnet. Ausserdem ist das Wort "Qualifikation" eh so weit auszulegen, dass kaum ein Mann oder Nichtbehinderter dadurch ernsthafte Nachteile erleidet. Insbesondere für höhere Positionen ist es doch sicher selten, dass es an der Spitze zwei genau gleich Qualifizierte für eine Stelle gibt - oder liege ich da falsch?
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Re: Staatssysteme

Beitragvon Zappa » Do 15. Okt 2009, 18:49

PW_ hat geschrieben: Insbesondere für höhere Positionen ist es doch sicher selten, dass es an der Spitze zwei genau gleich Qualifizierte für eine Stelle gibt - oder liege ich da falsch?


Da liegst Du richtig, deshalb kritisierte ich die Formulierung "bei gleicher Qualifikation" ja, ich halte das für gut gemeinten aber wirkungslosen Mumpitz. Bei der Qualifikation gehört allerdings für mich neben den hard skills auch die soft skills dazu, hängt halt vom Job ab. Bei einem Systemadministrator ist mir die soziale Kompetenz eher wurscht als bei der Dame am Empfang etc. pp.

Dein Argument ist allerdings insofern korrekt, als es bei der Einstellung von Mitarbeitern natürlich auch heftig menschelt. Nur wenige versuchen da mittels Kreuzchen und Testchen die Qualifikation in all ihren Facetten zu quantifizieren und scheitern daran wahrscheinlich grandios :mg:

Viel wichtiger finde ich eine vernünftige Transparenz bei Einstellungen: Alle BewerberInnen müssen eine Chance bekommen und eine dritte Stelle (z.B. Betriebsrat) hat ein Auge auf den Einstellprozess.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon PW_ » Do 15. Okt 2009, 20:15

Zappa hat geschrieben:Bei einem Systemadministrator ist mir die soziale Kompetenz eher wurscht als bei der Dame am Empfang etc. pp.

Siehst du, ich glaube, bei mir wäre das nicht so!
Davon, dass die Systeme und Computer in einem Unternehmen dauerhaft gut funktionieren, hängt nähmlich mittlerweile wirklich sehr viel ab.
Und einen guten Systemadmin macht vor allem auch aus, dass er
a) Nutzern gut erklären kann, was sie zu tun und zu lassen haben.
b) Bei den Chefs durchsetzen kann, ihr Geld sinnvoll zu investieren.
c) Gute Beziehungen zu den Firmenseitigen Verkäufern und Betreuern unserer Systeme pflegt.
d) Natürlich von den Mitarbeitern gern gesagt bekommt, was gebraucht und gewünscht wird.
Und das ganze in dem wirklich theoretisch schwierigem und meisst äusserst unbeliebten Themengebiet der Systemadministration. Das erfordert ein wirklich hohes Maß an sozialer Kompetenz. Wenn auch in anderen Bereichen, als bei der Dame am Empfang. (Die, der er das Vertrauen geben muss, dass bei ihm alles in guten Händen ist und er jedes Computerproblem kompetent und zeitnah löst. Und das, obwohl sich die "nette" Dame immer wieder benimmt, als wäre sie ein DAU...)
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Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Fr 16. Okt 2009, 07:17

Also ob ein Systemadmin nett oder unnett ist, wäre mir egal, sofern er gute und kompetente Arbeit abliefert - die Nettigkeit wäre für mich schönes Zubrot. Von einer Empfangsdame dagegen verlange ich Höflichkeit und ein nettes Wesen, weil das unbedingt zu ihrem Job gehört. Wenn sie zusätzlich noch mit ihrem Handwerkszeug umgehen kann, wäre das von großem Vorteil.

Zappa hat geschrieben:Ich habe die Ausgangsfrage so verstanden: Zählt allein die Qualifikation bei der Besetzung einer Position oder dürfen/sollen/müssen wir andere Aspekte dabei berücksichtigen. Meine Meinung ist klar: Es zählt alleine die Qualifikation. Wenn die Gut- oder Schlechtmenschen sich hier einmischen kann es nur schlechter werden.
Ich denke, das ist der springende Punkt: Überall wo versucht wird ganzheitliche Rezepte aufzustellen und Einheitlichkeit gefordert wird, gibt es Unterdrückung und Ungerechtigkeiten. Je mehr punktgenaue Gesetze geschaffen werden um Einheitlichkeit herzustellen, umso mehr Ungerechtigkeiten müssen dann wieder mit noch punktgenaueren Gesetzen aus dem Weg geräumt werden. Da wird das Feld der Bestimmungen unendlich groß. Überall wo nach Vereinheitlichung verlangt wird, weil man nach der vermeintlich sicheren Mitte sucht, werden früher oder später menschliche Stärken ausgebremst und Schwächen gefördert, was zwangsläufig zum Stillstand führt.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon PW_ » Fr 16. Okt 2009, 19:08

stine hat geschrieben:Also ob ein Systemadmin nett oder unnett ist, wäre mir egal, sofern er gute und kompetente Arbeit abliefert - die Nettigkeit wäre für mich schönes Zubrot.


Für mich persönlich... Ich neige dazu, erst Probleme zu versuchen selbst zu lösen, zu umgehen oder einfach nur aufzuschieben, wenn derjenige, an den ich mich zu deren Lösung wenden müsste mir nicht sympatisch ist. Und natürlich ganz besonders, wenn ich erwarte, dass er sich beschwert, dass es Ärger gibt oder ich einfach nur nicht verstehe, was er sagt, tut und von mir will.

Ich denke, ein Systemadmin muss (und sollte irgendwie auch :^^: ) nicht immer so super freundlich sein, wie die Dame am Empfang. Dafür wäre es mir aber umso wichtiger, dass er schwierige Sachverhalte einfach erklären kann, dass er seine Interessen vertreten kann und dass er nicht nur kompetent ist, sondern auch kompetent auftritt - auch dann wenns für ihn richtig stressig wird und Zeitdruck herrscht. Das gehört auch alles in den Bereich der sozialen Kompetenzen.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon ujmp » Fr 16. Okt 2009, 23:19

stine hat geschrieben:Wollt ihr mich jetzt in die Ecke der Behindertenhasser drängen?


Immerhin verbreitest du hier die klassischen Vorurteile gegenüber Behinderten: "schwach, hilfsbedürftig, muss demütig die Klappe halten".

stine hat geschrieben:Beispiele kann ich dir nicht nennen, wei ich keinen Zugang zu so besetzten Arbeitsplätzen habe.
Ich kann mir aber gut vorstellen, dass ein Familienvater, dessen einziger Nachteil es ist, keine Behinderung zu haben, seine abgelehnte Bewerbung nicht verstehen wird.


Aber ein schwerbhinderter Familienvater, wird sich riesig freuen, wenn er endlich mal einen Job bekommt, wo er seinen Fähigkeiten entsprechend bezahlt wird! Es ist schon erschreckend, wie gewohnheitsmäßig du Menschen in den Kerker deiner Vorurteile sperrst! die natürliche Reaktion von Schwerbehinderten darauf ist der soziale Rückzug. Ich meine, wenn schon leben lassen, dann auch ordentlich, oder?
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Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Sa 17. Okt 2009, 10:57

Alles ist Natur. Oder doch nicht?
Viele Vertreter moralischer Instanzen würden nicht einmal den Begriff "behindert" gebrauchen, wenn es darum geht die Unterschiede menschlichen Daseins festzumachen. Ich bin hier in einem Forum von Naturalisten. Das bedeutet für mich, dass ich mich auch mit den Gedanken auseinandersetzen möchte, was ist, wenn wir die Menschen auf ihre jeweils mitgebrachten Vorraussetzungen hin unterscheiden und Systeme schaffen, die jedem einzelnen gerecht werden.
Ich stelle aber fest, dass dieser Gedanke genauso angefeindet wird, wie die Forderung nach Sinnmodellen.
Vielleicht sollte man sich an dieser Stelle erst einmal klar darüber werden, was man hier eigentlich und überhaupt bezwecken möchte.
Dass jeder tun darf, was er tun möchte, braucht keine extra festgeschriebenen Gesetze.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon Nanna » Sa 17. Okt 2009, 20:31

Jetzt nicht durch die Hintertür die Seite wechseln, stine. ;-) Du hast die Unterscheidung von künstlich und natürlich überhaupt erst aufgebracht.

Selbstverständlich wäre es das sinnvollste, alle Leute leistungsbezogen einzustellen und zu entlohnen. Allerdings geht das in sehr vielen Berufen kaum, weil es keine hinreichend objektivierbaren Kriterien zur Feststellung der erbrachten Leistung gibt. Dazu kommt, dass Menschen, die eine im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung erhebliche körperliche Einschränkung (=Behinderte), besitzen, mit starken Vorurteilen zu kämpfen haben - auch mit dem, dass sie unproduktiver sind. Ersterer Punkt führt dazu, dass die Personalchefs ohnehin schon sehr stark nach Sympathie entscheiden - meiner Meinung gerade bei kleineren Unternehmen und Abteilungen auch in Ordnung, wo das soziale Klima wichtig für die Produktivität ist -, zweiterer Punkt verschärft das Problem, weil die Vorurteile, gegen die Personalchefs genausowenig gefeit sind, sich eben speziell gegen Behinderte oder bestimmte andere Bevölkerungsgruppen richten. Man kann lange ausführen, wie es auf natürlichem (!) Wege zu solchen Effekten kommt, die Zusammenrottung zu Gruppen, die möglichst in irgendeiner Form gut erkennbare Merkmale aufweisen, ist ja auch genetisch bedingt. Entscheidend ist, dass man dann aber nicht den naturalistischen Fehlschluss führt, sondern versteht, dass man diesem Mechanismus einen Gegenmechanismus entgegensetzen muss und das ist in unserem Fall eben eine staatliche Direktive, dass Behinderte bei ungefähr gleicher Qualifikation, was ja wie gesagt sowieso schon schwer genug zu definieren ist, vorzuziehen sind. Ob das im Einzelfall berechtigt ist, ist nicht so entscheidend, es geht vor allem darum, dass es einen Effekt in der statistisch relevanten Breite gibt, wie bei den wesentlich diskussionswürdigeren Frauenquoten ja auch.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Sa 17. Okt 2009, 22:17

@Nanna: Da wir schon wieder in diesem Beispiel hängen, möchte ich doch noch dazu sagen, dass nach mM in keinem Gesetz jemals irgendwer bevorzugt werden darf. Es muss immer heißen, dass niemand aufgrund irgendeiner Besonderheit benachteiligt werden darf.
Eine Bevorzugung bedeutet mehr, als der Ausschluß der Benachteiligung.

Das gleiche gilt für die "Frauenquote". Das war für mich stets ein Aufreger. Es könnte gemeinhin den Eindruck erwecken, dass Frau in öffentlichen Ämtern eine potentielle Quotenfrau ist, die ihren Job vielleicht nur bedingt so gut macht, wie der männliche Kollege.
Frauen dürfen nicht benachteiligt werden - eine Bevorzugung brauchen sie nicht.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon Nanna » Sa 17. Okt 2009, 22:50

Das zu unterscheiden ist aber recht schwierig. Eine Quotenregelung hat den Vorteil, dass sie administrativ recht einfach, d.h. kostengünstig, durchzuführen und zudem für den Staat auch noch effizient zu kontrollieren ist. Müsste der Arbeitgeber in jedem strittigen Fall nachweisen, dass es keine Benachteilgung gab, wäre das dagegen ein immenser Aufwand, wobei sich noch die Frage gestellt hätte, ob die Frauen sich auch ausreichend beschwert hätten. Es ist ja leider ein typisches Problem benachteiligter Gruppen, dass die Angehörigen sich viel zu selten trauen, klar für ihre Position Stellung zu beziehen. Als Problem sehe ich es eher, wenn Quotenregelungen nicht wieder abgeschafft werden, sobald sich ein gewisses Maß eingestellt hat, von dem an die Entwicklung dann ein Selbstläufer ist. Mir ist schon klar, dass das eine unschöne Lösung ist mit der Bevorzugung, ich kenne für meinen Teil aber auch keine vom Kosten-Nutzen-Verhältnis praktikablere Alternative. Dass das Argument der Kapitalismusfetischisten "Ein Unternehmen stellt immer die qualifizierteste Person ein, weil es es sich gar nicht anders leisten kann" ist jedenfalls leicht zu entkräften, wenn man ein bisschen etwas über menschliche Psyche und Sozialverhalten weiß und sich einfach mal ansieht, wie so ein Aufsteiger in einem Unternehmen nach oben kommt - ganz sicher nicht nur durch fleißiges und gewissenhaftes Arbeiten.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Sa 17. Okt 2009, 23:16

Sind wir aber nicht bereits da, wo übertrieben dargestellt nicht die Qualifiziertesten den Job haben, sondern die Spitze vom Clan der Seilschaften besetzt ist und die Basis von denen, die nicht sozialverträglich kündbar waren?
Noch mehr Verordnungen und noch mehr Gesetze schaffen das auch nicht aus der Welt. Die Forderung eines Politikers der Linken, dass der Staat die Arbeitsplätze schaffen und erhalten müsse, halte ich für völig daneben. Unternehmer und Arbeitnehmer müssen eine gegenseitige Wertschöpfung haben, sonst funktioniert das Ganze nicht.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon Nanna » Sa 17. Okt 2009, 23:27

Ich weiß nicht, ob das heute anders ist, als früher. Schon der gute alte Adam Smith sagte doch "Geschäftsleute des gleichen Gewerbes kommen selten, selbst zu Festen und zu Zerstreuungen, zusammen, ohne dass das Gespräch in einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder irgendein Plan ausgeheckt wird, wie man die Preise erhöhen kann." Gesetze und Verordnungen sind dagegen natürlich kein Allheilmittel und funktionieren auch nur so gut wie die gesellschaftliche Kultur des Landes sie mitträgt, aber ich finde sie schon wichtig. Wie soll die gegenseitige Wertschätzung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer denn deiner Meinung nach etabliert werden?
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Re: Staatssysteme

Beitragvon tischl » So 18. Okt 2009, 09:44

@stine:

stine hat geschrieben:Vielleicht sollte man sich an dieser Stelle erst einmal klar darüber werden, was man hier eigentlich und überhaupt bezwecken möchte.

Stimmt! Ich warte immer noch auf die Beantwortung der ersten zwei Fragen, wahrscheinlich hast Du Dir inzwischen eine eigene Meinung gebildet, die Du hier vortragen kannst. Es genügen zwei Sätze.
stine hat geschrieben:(1) Macht es wirklich Sinn, bei den Beschäftigungsprogrammen des Bundes und der Gemeinden nicht die geeignetsten Bewerber zuerst zu beschäftigen, sondern, wie heute morgen in dradio gehört, jene bevorzugt einzustellen, die am längsten arbeitslos waren und am schwersten auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln sind?

stine hat geschrieben:(2) Ist eine Einstellung nach Kriterien wie "bei gleicher Qualifikation sind Schwer-und Schwerstbehinderte vorzuziehen" eine Einstellung gegen die natürliche Bestimmung?

Besten Dank!
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