Die sieben Zwerge hat geschrieben:Da dieser Thread mit "DDR 2.0" überschrieben ist, hatte ich auch die DDR im Sinn.
Und selbst unter Berücksichtigung der von Dir aufgeführten Beispiele halte ich die Behauptung für falsch, der Sozialismus beruhe prinzipiell auf Sklavenarbeit. Mit der gleichen Berechtigung ließe sich behaupten, Kapitalismus beruhe auf Steuerhinterziehung. Schließlich gibt es die in der Marktwirtschaft - und gar nicht mal so selten.
Und auch in der Marktwirtschaft hungern Menschen - vielleicht aktuell gerade mal nicht in Mitteleuropa.
Das besondere an Holodomor und dem Großen Sprung war halt, dass die Bauern zu Millionen verhungerten, weil ihnen der Staat in großen Mengen Erträge und sogar Saatgut gewaltsam raubte um sie an die Funktionäre und andre Begünstigte umzuverteilen.
Die sieben Zwerge hat geschrieben:Ein bestimmtes Wirtschaftssystem schützt weder vor politischen Verbrechen noch fördert es sie.
Pinochet, Marcos oder eben auch Hitler waren definitiv Verfechter der Marktwirtschaft.
Was Pinochet angeht, hast du in weiten Teilen recht, seine Chicago-Boys haben das Land ordentlich nach vorn gebracht. Inwieweit Pinochet selbst verstand, warum das was er tat funktioniert kann ich mangels genauerer Informationen nicht beurteilen. Hitler hingegen war kein Marktwirtschafter und von ihrer Funktionsweise verstand er nichts (ganz im Unterschied zu den Fachleuten bei der Reichsbank und im Finanzministerium). Hitler war ein Mensch, der anordnete die Renten um 15% zu erhöhen (Herbst 41) und es dann seinen Schergen überlies, sich Mittel und Wege auszudenken, die dafür notwendige Kohle zu beschaffen. Im Finanzministerium gab es eine Abteilung Friedensvertrag, in der man Pläne schmiedete welche Kontributionen den besetzten Ländern auferlegt werden sollten, um die sozialen Wohlfahrten aufrecht erhalten, den Krieg zu finanzieren und den Staatshaushalt am laufen halten zu können, ohne der eigenen Bevölkerung die steuerlichen Lasten zuzumuten. Auch während des Krieges geschah das in durchaus bemerkenswertem Umfang. Der Nationalsozialismus war von der Ideologie so eine Art selektive Eigentumswirtschaft. Eigentum in möglichst gleichverteilter Form und vom Staat bereitgestellter Form für die Herrenrasse, und das Untermenschentum hat dafür zu blechen. Ein Blick auf die Finanz- und Wirtschaftspolitik zeigt aber auch, dass die Zeit des Nationalsozialismus nicht grade Eigentümer freundlich war. Die einzigen Steuern die nennenswert erhöht wurden, waren die Körperschaftssteuer (2,5 facht gegenüber 1932) und eine Sonderabgabe für Immobilienbesitzer (auch autochthone) in Höhe von 8 Mrd. RM glaube im Jahr 1943.
Die sieben Zwerge hat geschrieben:Das war in den USA und in Großbritannien während des Zweiten Weltkrieges nicht anders.
Allerdings meines Wissens nicht annähernd in selbem Ausmaß.
Die sieben Zwerge hat geschrieben:Den überdurchschnittlichen Wohlstand der euopäischen Juden (nicht nur die deutschen wurden ja vernichtet) hätte ich gern belegt.
Das geht wohl aus den Einkommenssteuerstatistiken der Länder hervor (bis 1919 war die Steuererhebung in Deutschland nicht auf Reichsebene angesiedelt, sondern die Mitgliedsstaaten wie Bayern und Preußen zahlten Beiträge zum Reichshaushalt). Um 1900 (also der Zeit, wo der Antisemitismus im deutschsprachigen Raum in Mode kam) war die Wahrscheinlichkeit eines jüdischen Kindes Abitur zu machen, um einen Faktor 10 höher, und jüdische Haushalte hatten
im Durchschnitt das fünffache Einkommen. Dieser Vorsprung hatte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts langsam aufgebaut, weil religiös motivierte Bilingualität und nahezu vollständige Alphabethisierung mit dem Wegfall der diskriminierenden Zunftordnungen, und der beginnenden Industrialisierung wohl einen Vorteil verschafften. Zwar war die Beamtenlaufbahn nach wie vor weitgehend versperrt (außer z.T. an den Universitäten), aber in Handel und Industrie durfte man ab da genauso wirken, wie alle andern auch. Diese Vorteile hatte man auch in andren Ländern Europas und hatte wohl auch da einen gewissen Vorsprung und auch dort gab es (wie übrigens in den USA bis in die 1950er Jahre*) in dieser Phase einen durchaus ausgeprägten Antisemitismus. Die Besonderheit in Deutschland war, dass die ganze Entwicklung durch die später beginnende Industrialisierung quasi wie im Zeitraffer verlief und die Spannungen daher stärker waren. Auch darf man nicht vergessen, dass in der Folge des Weltkriegs und vor allem des Versailler Vertrags enorme Lasten aufgteilt werden mussten, was solche Spannungen tendentiell noch mal verstärkt. Die Entwicklung bekam dann eine immer größere Eigendynamik, die aber in der Abfolge der Pfadabhängigkeiten innerhalb des ideologischen Korsetts der Naziregierung und im Zuge einer schleichenden Gewöhnung der Beteiligten (Administration, Bevölkerung und auch Teilen der Regierung) an immer größere Grausamkeiten, letztlich dahin wohin die Geschichte führte.
*Wall Street Banken stellten damals beispielsweise keine Juden ein. Das gehörte zu einer Art ungeschriebenem "Benimm-Code".
Die sieben Zwerge hat geschrieben:Außerdem kommt Machthabern ein Sündenbock für alles, was schief geht, immer gelegen. In dem Sinne wurde der Sonderstatus der Juden gepflegt und geradezu konserviert.
Diese Interpretation passt aber nicht ganz in den historischen Zeitrahmen, denn der Antisemitismus gedieh ab etwa 1900 in zunehmendem Maße und da hatte das deutsche Kaiserreich gerade 30 höchst erfolgreiche Jahre hinter sich und es war nicht allzu viel schief gegangen, ganz im Gegenteil.
Die sieben Zwerge hat geschrieben:Ich würde die Erklärung andersherum aufziehen: Kein Unternehmer (auch kein Ein-Mann-Unternehmen) kann jemals sämtlichen Profit konsumieren (oder an seine Arbeitnehmer weitergeben). Immer ist zuerst der Verbrauch an Material und Produktionsmitteln auszugleichen.
Für mich als Wirtschaftler ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Abschreibungen, nicht dem Gewinn zuzurechnen sind. Die eigentliche korrekte Größe wäre der Freie Cashflow (FCF), vereinfacht gesagt ist das Gewinn plus Abschreibungen minus notwendige Investitionen sei es in Maschinen, Lagerbestand oder ähnliches, um sein Geschäft in ähnlichem Umfang weiterbetreiben zu können. In einem latent inflationären Umfeld sind diese Investitionen meistens etwas höher als die Abschreibungen, die ja auf historischen Kosten beruhen.
Für den FCF kann der Unternehmer dann entscheiden ob er lieber konsumiert oder investiert.
Die sieben Zwerge hat geschrieben: Dieses unvermeidliche Profitstreben kann bei ausreichen hohem Konkurrenzdruck - und hier widerspreche ich Gandalfs zu schlichter Auffassung - durchaus dazu führen, dass auch ein gesunder, leistungsbereiter Mensch als Arbeitnehmer eben doch nicht genug verdient, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Verwendung des erarbeiteten Profits hat darauf deutlich größeren Einfluss als die individuelle Qualifikation des Arbeitnehmers.
Wenn man jeden Menschen als eine Art Mini-Profitcenter sieht, wird man natürlich auch zu dem Schluss kommen, dass auch für die Einzelperson Kapitalallokation eine Schlüsselqualifikation ist. Du hast für dein Einkommen verschiedene Verwendungsmöglichkeiten. Du kannst dir Bücher kaufen, ein Seminar besuchen oder dir überteuerte Produkte der Firma Fallobst zulegen, weil die halt hip sind. Und vor allem bei der Fähigkeit der Kapitalallokation hapert es speziell in der Mittelschicht am allermeisten und ist auch der Kern, warum sie sich vom Abrutschen bedroht sieht. Weite Teile davon leben schlicht seit Jahren weit über die eigenen Verhältnisse (zu teure Immobilien, zu große und zu viele Autos, zu viel überflüssiger Elektronikkram auf Pump usw.), weil die antizipierten Reallohnsteigerungen niedriger ausgefallen sind früher und Kredit wegen rekordniedriger Zinsen, sehr leicht verfügbar wurde. Und so hangeln sich weite Teile der Mittelschicht trotz auskömmlicher Arbeitseinkommen von einem finanziellen Klimmzug zum nächsten. Man müsste nun einsparen, was man vorher durch Kredit an Kaufkraft gewonnen hat und das tut weh.
Dass es, insbesondere im Zuge der verschärften Konkurrenzsituation auf globaler Ebene für bestimmte Gruppen, hierzulande schwer geworden ist, "finaniell mitzuhalten", auch wenn sie gesund und willig sind, will ich gar nicht bestreiten. Global gesehen sorgt allerdings die sukzessive Anwendung marktwirtschaftlicher Prinipien durch vormals sozialistische Gesellschaften, für einen erheblichen Abbau an absoluter Armut und neuen Wohlstand für viele Weltbürger. Und ich hoffe sehr, dass die Welt diesen erfolgreichen Weg weiter beschreiten wird.
Die sieben Zwerge hat geschrieben:Keine Ahnung, wo Gandalf lebt, aber in Deutschland gibt es nachweislich genug Menschen, denen es genau so ergeht. Und nur dank des Staates und seiner "bösen" Steuern können sie überhaupt überleben.
Das ist mir zu plakativ. "Überleben" kann man mit sehr, sehr wenig (für unser beider Begriffe). Das lehrt nicht nur die Geschichte, sondern auch der Blick in die etwas weniger wohlhabenden Gegenden dieser Welt. Versteh mich nicht falsch, es gibt schon Annehmlichkeiten, die auch ich nicht missen möchte, aber überleben würden trotzdem viele, auch mit wenn sie sich auf legale Einkunftsarten beschränken.