@ stine:
Kunst ist heute vielleicht zu sehr Wirtschaftszweig.
Es mag ja romantisiserend klingen, aber zum Künstler (im engeren Sinne) ist man geboren, oder eben nicht.
Damit will ich nicht leugnen, dass die Kunst unglaublichen Fleißes bedarf, aber das kann man nicht planen.
Und ehrlich gesagt ist die wirtschaftliche Situation für die allermeisten Künstler bescheiden, selbst Künstler die ein Stipendium bekommen haben, etwas, was man nicht mal eben so bekommt, können zu 97% von ihrer Kunst nicht leben.
Mit der Kunst ist es wie mit dem Lernen, genauer gesagt ist es ja eine Art des Lernens.
Insofern mag man sich bestimmte Kunstfertigkeiten aneignen, aber der tiefere Sinn dahinter ist aus meiner Sicht, ein reicheres Erleben von Welt.
Wissen und Fähigkeiten ermöglichen Dir einen anderen Zugang zur Welt. Wenn man gut kochen kann, so tut man das ja nur in wenigen Fällen, weil man ein Restaurant eröffnen möchte oder sein Essen verkauft. Es bleibt meistens privat und dennoch ist das ein großer Gewinn, in puncto Genuss, Lebensqualität, schließlich isst man täglich und das gleich mehrfach.
So ist es auch mit der Kunst. Wenn man gerade noch den Unterschied zwischen naturalistischer und abstrakter Darstellung erkennen kann, das eine gut findet und das andere schon irgendwie merkwürdig, dann ist man bei der kindlichen Unterteilung von süß und schmeckt nicht stehen geblieben. Die Steigerung von einer Kugel Schokoeis sind dann drei Kugeln Schokoeis. Für die Kunst ist das dann der Kitsch, wie schon erwähnt, ist Kitsch kein Kriterium der Kunstfertigkeit, sondern der Motivwahl. Niedliche Rehkitze mit Kulleraugen malen zu können, kann schon technisch anspruchsvoll sein, doch es verändert den Blick nicht, es bleibt beim „och, wie süß“, was man als Kind schon drauf hatte.
Es hat ja einen Grund, warum Künstler, die durchaus malen können (= zur naturalistischen Darstellung in der Lage wären), beginnen so komisch zu malen.
Munchs weltbekanntes Bild „Der Schrei“
http://www.moma.org/images/dynamic_cont ... /78363.jpg (darf leider nur verlinkt werden)
zeigt ja durch die Entfremdung mehr, als eine naturalistische Darstellung uns je zeigen könnte.
Das ist natürlich nicht das Ende der Entwicklung und ich kann verstehen, wenn man nicht alle Pfade inhaltlich nachvollziehen kann und möchte, aber die Beschäftigung mehrt das Verstehen, auch wenn man vielleicht noch immer seine Präferenzen aus Gewohnheit und Neigung hat. Wenn man Kreuzkümmel und Korianderblatt für sich entdeckt hat, kann man noch immer Bratkartoffeln lieben, das Spektrum ist einfach nur breiter geworden.
Künstler lehren uns im besten Fall die Welt mit anderen Augen zu sehen, dennoch braucht man seine „Heimat“ nicht zu verlassen.
Es ist doch schön zu lernen, sich da zu verhalten. Der Ignorante kennt nichts, zu dem er sich verhalten müsste. Auch die Leute, die ohne Sinn und Verstand, sich damit betrügen lassen immer das Beste zu bekommen, sind ja arm dran. Sie sind fortwährend damit beschäftigt sich selbst belügen zu müssen, wenn sie irgendwie merken, dass „immer das Beste“ sie irgendwie nicht so richtig zu befriedigen vermag, aber nicht wissen, woran das eigentlich liegt.
Wo der Ignorant seine Enge erst gar nicht verlässt, traut sich der Anfänger oft nicht, ein eigenes Urteil zu fällen. Es ist dann schon okay, anzuerkennen, dass man Bratkartoffeln im Grunde viel lieber mag, als Kaviar und der noch teurere, edlere Kaviar auch keine Erweckung sein wird.
Aber gerade das ist eine Stärke der konservativen Grundgesinnung, sich zur „Heimat“ im erweiterten Sinne, zu dem was man mag, zu bekennen, es sich zu gönnen und von dort aus die Ausflüge zu starten. Der eine kommt weiter, der andere eben nicht, was soll's, Hauptsache es passt und natürlich sind die Temperamente verschieden.
Mit dieser Haltung kann Kunst zur Bereicherung werden, wächst die Neugierde auf anderes, die interessiert und nicht anbiedernd oder snobistisch gefärbt ist.
Und selbst wenn man kein Künstler im Sinne der schicksalhaften Vorwegnahme ist, kann man von Kunst in diesem Sinne profitieren, als Betrachter, Zuhörer, Leser und auch als fröhlicher Dilettant, der sein Inneres kreativ auszudrücken vermag. In Kontakt mit Welt zu kommen, macht das eigene Erleben reicher.
Analoges, um den Bogen zurück zu schlagen, gilt m.E. für die Religion. Es wertet die Religion ja nicht auf, wenn man sagt, sie sei ein prima Markt, sondern im Herzen des Christentums steht ja auch so ein Akt, wie die Tempelreinigung. Selbst der schwer zu bestreitende gesellschaftliche Nutzen, im Sinne der Ordnung und Führbarkeit der Menschen ist das falsche Argument, denn auch hier geht es um eine innere Haltung.
Und auch der Wissenschaftler mit Herzblut widmet sein Leben nicht zwingend einem engsten Teilgebiet der Welt, nur um damit Kohle zu machen, selbst wenn auch hier die Einflüsse der Wirtschaft voranschreiten.