Religionsunterricht

Re: Religionsunterricht

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 15. Jun 2013, 20:53

Nanna hat geschrieben: Nur sollte man, gerade wenn man schlau und wissbegierig ist, keine Türen zuschlagen, hinter denen sich Wissen und Erkenntnis verbergen könnten. Es ist nämlich so, dass die Theologie in bestimmten Bereichen intellektuell schon einiges zu bieten hat und auch wichtig ist, um spätere säkulare Gedanken zu verstehen. Die Entstehung der Menschenrechte beispielsweise kann man gar nicht nachvollziehen, wenn man nichts von Theologie und Religionsgeschichte versteht, weil die Menschenrechte sich größtenteils aus der Religionsfreiheit heraus entwickelt haben und die wiederum als Antwort auf brutale Religionskriege wie den Dreißigjährigen Krieg entstanden ist. Da geht eins ins andere über und wenn man sich strikt weigert, sich mit bestimmten Themen zu befassen, steht man am Ende immer etwas ahnungslos in der Gegend herum.

Religion und Glauben zu verstehen und zu kennen ist nicht schwierig, ansonsten würde nicht die breite (und oft ungebildete) Masse einer Religion angehören. Atheisten verstehen Religion und Glauben nicht selten besser als Gläubige. Ja, es ist gut sich über Religionen und Glauben zu erkundigen, aber in etwa so wie man sich über abartige Krankheiten informieren muss, um sie einzudämmen oder sich zu schützen. Dies kann der Religonsunterricht leider nicht bieten. Ich habe leider viel Zeit daran verschwendet, mit Religiösen zu diskutieren, mich über Religionen zu informieren. Wenn man sich aber nur unter naturwissenschaftlichen Akademikern aufhält, ist das völlig überflüssig. Letztlich hat es mich nur ein Stück weit mehr zum Misanthropen gemacht und mich Nerven gekostet. Eine der jüngeren Erkenntnisse, die ich (u.a. aus diesem Forum) gewonnen habe, ist, dass es sich nicht lohnt, über soetwas zu diskutieren. Wenn man es aber unbedingt will, so ist Informationsbeschaffung hilfreich.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon xander1 » So 16. Jun 2013, 00:19

Darth Nefarius hat geschrieben:Religion und Glauben zu verstehen und zu kennen ist nicht schwierig, ansonsten würde nicht die breite (und oft ungebildete) Masse einer Religion angehören.

Das ist so nicht ganz schlüssig. Das sagt nämlich nicht aus wie gut Religion und Glaube wann, in welchen Zusammenhängen, verstanden wird. Außerdem steht dabei offen, was man alles Religion und Glauben zuschreibt, die ganze Theologie oder Religionswissenschaft oder ... was auch immer? Diese Betrachtung wird in deiner Formulierung einfach ausgeklammert und damit ist diese Aussage von dir eine Nullaussage. Du relativierst einfach deine Aussage und der Leser soll selbst entscheiden inwieweit Relgion und Glauben verstanden wird in welchem Zusammenhang. Aber so eine Vorgehensweise ist unsauber. Aussagen, mit relativen Größenangaben ohne Bezug sind sinnlos, so auch dieses Zitat von dir.

Darth Nefarius hat geschrieben:Atheisten verstehen Religion und Glauben nicht selten besser als Gläubige.

Das ist so ne Meinungsaussage. Mit unbegründeten Aussagen überzeugt man kaum jemanden. Diese Aussage ist außerdem extrem subjektiv. Es wird gar nicht erst der Versuch unternommen einen intersubjektiven Konsens zu erlangen oder einer Objektivität irgendwie nahe zu kommen. Jeder hat zu dieser Aussage von dir seine eigene Meinung und das einfache stichpunktartige Nennen von Meinungen führt zu nichts. Damit habe ich aber nichts zu dem Wahrheitsgehalt deiner Aussage gesagt. Ich kritisiere lediglich deine Vorgehensweise.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Nanna » So 16. Jun 2013, 11:50

Darth Nefarius hat geschrieben:Religion und Glauben zu verstehen und zu kennen ist nicht schwierig, ansonsten würde nicht die breite (und oft ungebildete) Masse einer Religion angehören.

Volksfrömmigkeit und Theologie sind nicht dasselbe. Der Einfluss der letzteren auf die Ideengeschichte ist enorm und wenn man verstehen möchte, warum die Welt heute ist, wie sie ist, kommt man nicht darum herum, sich auch mit der Theologie auseinanderzusetzen. Darüberhinaus sind nunmal um die 85% der Menschen in der westlichen Welt in irgendeiner Form gläubig, das kann man nicht ignorieren, selbst wenn man selber deren Glauben nicht teilt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe leider viel Zeit daran verschwendet, mit Religiösen zu diskutieren, mich über Religionen zu informieren. Wenn man sich aber nur unter naturwissenschaftlichen Akademikern aufhält, ist das völlig überflüssig.

Nur hält sich halt nur eine kleine Minderheit derart unter der naturwissenschaftlichen Käseglocke auf...
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Philipp01 » So 16. Jun 2013, 13:56

stine hat geschrieben:Hallo @Phillip01: wieso hast du dreimal die Woche am Vormittag Zeit in einem Forum zu schreiben?
Habt ihr an eurem Gymnasium soviele Ausfallstunden oder verar...t uns da jemand?

:o0: stine



Ich bin die ganze Woche über krank geschrieben. Außerdem sind ohnehin bald Ferien und wir machen fast nichts mehr, weil die Noten schon feststehen.

Nanna hat geschrieben:Allerdings kann man darüber, ob eine Antwort schwachsinnig ist, natürlich erst entscheiden, wenn man die Antwort vollständig angehört und verstanden hat.


In der Religion besteht man aber auf die Antwort, auch wenn sie nachweislich keinen Sinn ergibt.


Nanna hat geschrieben:Ich habe selbst so in der zehnten, elften Klasse entschieden, dass ich keine Lust mehr habe, mich nicht für bestimmte Dinge zu interessieren. Warum sich von Sachen künstlich fern halten, anstatt es mal zu riskieren, eine neue und unerwartete Erfahrung zu machen? Es hat übrigens funktioniert, ein grundsätzliches Interesse kann ich heute für fast jedes beliebige Thema aufbringen, was sich nicht zuletzt im Kontakt mit anderen Menschen als sehr angenehm herausgestellt hat....

Nein, aber du kannst dir aussuchen, ob du schlecht im Zeichnen bleiben willst - oder ob du ein bisschen sportlichen Ehrgeiz entwickelst und einfach mal auch mit den Fähigkeiten experimentierst, die bei dir nicht am besten entwickelt sind.



Ich halte mich ja nicht künstlich fern, sondern weil ich in bestimmten Dingen talentfrei bin.
In einem RPG ist es ein Anfängerfehler die Schwächen der Charas auszugleichen. Bei einem typischen Damage Dealer sollte man die Verteidigung ganz vernachlässigen und ihn nicht zu einem minderwertigen Tank machen. In einem Team sind die Rollen (Damage Dealer, Tank, Speed-Tank, Healer, DoT, Annoyer ...) klar verteilt. Jeder konzentriert sich auf seine Stärke und gegenseitig ergänzen sie sich. Deswegen gewinn ich so oft gegen Kumpels, weil die ohne Strategie kämpfen und Schwächen der Charas ausgleichen und damit ihre Stärken nicht ausreizen.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Darth Nefarius » So 16. Jun 2013, 19:49

xander1 hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Religion und Glauben zu verstehen und zu kennen ist nicht schwierig, ansonsten würde nicht die breite (und oft ungebildete) Masse einer Religion angehören.

Das ist so nicht ganz schlüssig. Das sagt nämlich nicht aus wie gut Religion und Glaube wann, in welchen Zusammenhängen, verstanden wird.

Darum ging es auch gar nicht. Unabhängig davon wie Religion verstanden und gelebt wird, sind einige Mechanismen und besonders die Motivation und die Art zu denken, gleich. Variabel ist die Anzahl, das Geschlecht, die Morphologie der Gottheit(en), die kulturhistorischen Komponenten und der Wille andere Religionen und Geisteshaltungen zu unterdrücken oder es nicht zu tun. Um zu verstehen, warum jemand religiös ist, muss ich nicht explizit beleuchten, auf welche Art jemand religiös ist.
xander1 hat geschrieben: Außerdem steht dabei offen, was man alles Religion und Glauben zuschreibt, die ganze Theologie oder Religionswissenschaft oder ... was auch immer? Diese Betrachtung wird in deiner Formulierung einfach ausgeklammert und damit ist diese Aussage von dir eine Nullaussage.

Es ist konkret genug, bezieht sich auf Religion. Die Theologie (also die "Wissenschaft", die sich mit Religion beschäftigt, fällt nicht unter Religion. Auch ein Atheist kann Theologe sein, ein Mikrobiologe ist kein Mikrobakterium, ein Architekt ist kein Gebäude.). Ich denke, dass du es hinbekommst zwischen Phänomen oder Objekt der Betrachtung (Religion) und der Art der Betrachtung (Theologie) zu unterscheiden.
Dein Kommentar hat gezeigt wie nötig du es hast, mit jemandem zu streiten, darauf lasse ich mich nicht ein.
Nanna hat geschrieben:Volksfrömmigkeit und Theologie sind nicht dasselbe.

Richtig, religiös zu sein und sich mit Religion wissenschaftlich auseinanderzusetzen, ist nicht das selbe. Eben das, was xander1 nicht verstanden hat (und du offensichtlich auch nicht, zumindest nicht in dem Zusammenhang, als dass du meinst, mir das erklären zu müssen). Der Begriff Volksfrömmigkeit verschleiert nebenbei, dass die Gründe zu glauben immer die gleichen sind und es nicht soetwas wie eine interlektuelle Religiösität gibt. Die Unterschiede bestehen lediglich im Pedantismus bei der Ausführung der Rituale und ihrer Kenntnis, die Gründe zu glauben sind bei Bauer und Banker die gleichen.
Nanna hat geschrieben:Der Einfluss der letzteren auf die Ideengeschichte ist enorm und wenn man verstehen möchte, warum die Welt heute ist, wie sie ist, kommt man nicht darum herum, sich auch mit der Theologie auseinanderzusetzen.

Mehr oder weniger haltbar als Aussage. Habe auch nicht behauptet, dass es anders wäre. Ich habe lediglich an mir festgestellt, was die Ergebnisse so einer Beschäftigung sind: Etwas Misanthropie und Pessimismus was die Mehrheit der Menschen betrifft. Einen echten Nutzen hat es nicht. Um meine persönlichen Ziele zu erreichen ist es nicht unbedingt nötig die Geschichte der Menschheit zu verstehen; ich tue es in bestimmtem Ausmaß, merke aber, dass es mir nicht nützt (eher schadet).
Nanna hat geschrieben: Darüberhinaus sind nunmal um die 85% der Menschen in der westlichen Welt in irgendeiner Form gläubig, das kann man nicht ignorieren, selbst wenn man selber deren Glauben nicht teilt.

Man kann es ignorieren und sie über Persönlichkeit, Motive und Lebenslauf betrachten. So fällt das Urteil immer schmeichelhafter aus und das bekommt dem eigenen Gemüt und der Kooperationswilligkeit zugute. Sofern die Religiösität oder der Glaube nicht penetrant zur Schau gestellt werden, ist selbige ein unnötiger Parameter bei der Betrachtung.
Nanna hat geschrieben:Nur hält sich halt nur eine kleine Minderheit derart unter der naturwissenschaftlichen Käseglocke auf...

Richtig, aber meine Worte waren auch nicht an die breite Masse gerichtet, sondern an Phillipp01, der sich scheinbar auch unter dieser Käseglocke bewegen will.
Philipp01 hat geschrieben:In einem RPG ist es ein Anfängerfehler die Schwächen der Charas auszugleichen. Bei einem typischen Damage Dealer sollte man die Verteidigung ganz vernachlässigen und ihn nicht zu einem minderwertigen Tank machen. In einem Team sind die Rollen (Damage Dealer, Tank, Speed-Tank, Healer, DoT, Annoyer ...) klar verteilt. Jeder konzentriert sich auf seine Stärke und gegenseitig ergänzen sie sich. Deswegen gewinn ich so oft gegen Kumpels, weil die ohne Strategie kämpfen und Schwächen der Charas ausgleichen und damit ihre Stärken nicht ausreizen.

...Ein evolutionäres Vorgehen: Es überleben die Angepasstesten, diejenigen, die sich in einer Nische besonders gut auskennen. Auch wenn du dich darüber ärgern magst, dass du einige Talente nicht hast, hast du wiederum die gegebenen der Evolution zu verdanken. Bei mir z.Bsp. ist es umgekehrt: Ich kann ziemlich gut malen, kann damit auch Geld verdienen, würde es aber gegen extrem gute Mathematikfähigkeiten austauschen wenn ich könnte. So muss ich lediglich mit Überdurchschnittlichkeit in Mathematik auskommen, aber das kann ich noch nicht als Talent bezeichnen.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Nanna » So 16. Jun 2013, 21:14

Philipp01 hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Allerdings kann man darüber, ob eine Antwort schwachsinnig ist, natürlich erst entscheiden, wenn man die Antwort vollständig angehört und verstanden hat.

In der Religion besteht man aber auf die Antwort, auch wenn sie nachweislich keinen Sinn ergibt.

Nicht ablenken jetzt. Es ging darum, ob du dir anhörst, was andere zu sagen haben, nicht, was Religiöse tun.

Ich verstehe deine Frustration über den Religionsunterricht, weil ich selber zu den begabten Schülern gehört habe, die sich häufig im Unterricht nicht so recht gefordert fühlen. Aber sei dir bewusst, dass du noch sehr jung bist. Du musst erst mal noch viel kennenlernen, was du rein zeitlich noch gar nicht kennengelernt haben kannst und das solltest du mit offenen Augen und wachem Verstand tun. Lass dir Zeit. Lies ein Buch über Philosophie. Lass dir was beibringen. Lern erst mal verschiedene philosophische und theologische Denkschulen kennen. Sie kritisch. Frage nach. Aber vorverurteile nicht. Sag nicht "Religion ist dies und das" oder "Diese Leute sind so und so". Es ist nun mal viel einfacher zu (ver)urteilen als zu verstehen. Mir wäre es lieber, dass du dich zu einem Menschen entwickelst, der an zweiterem interessiert ist.

Philipp01 hat geschrieben:Ich halte mich ja nicht künstlich fern, sondern weil ich in bestimmten Dingen talentfrei bin.

Verschon mich. Niemand ist unmusikalisch, niemand ist zeichnerisch komplett unbegabt, niemand ist literarisch völlig unfähig. Tust du dich schwerer als Andere? Ganz sicher. Kannst du etwas dazulernen? Ebenfalls ganz sicher. Und dadurch können sich für dich neue Welten auftun. Zeitverschwendung ist Kunstunterricht nur dann, wenn du ihn Zeitverschwendung sein lässt.

Philipp01 hat geschrieben:In einem RPG ist es ein Anfängerfehler die Schwächen der Charas auszugleichen. Bei einem typischen Damage Dealer sollte man die Verteidigung ganz vernachlässigen und ihn nicht zu einem minderwertigen Tank machen. In einem Team sind die Rollen (Damage Dealer, Tank, Speed-Tank, Healer, DoT, Annoyer ...) klar verteilt. Jeder konzentriert sich auf seine Stärke und gegenseitig ergänzen sie sich. Deswegen gewinn ich so oft gegen Kumpels, weil die ohne Strategie kämpfen und Schwächen der Charas ausgleichen und damit ihre Stärken nicht ausreizen.

Nur dass das Leben kein simpler Stapel Spielkarten ist. Stell dir vor, du bist ein Damage Dealer und bräuchstest in einer bestimmten Situation einen Speed-Tank. Du weißt aber weder, wo du einen herkriegen kannst, noch wie er grundlegend funktioniert, wie du ihn sinnvoll einsetzen könntest usw. Tja, hätt'ste halt früher mal was darüber gelernt, kann man dann nur sagen. Auch ein Anfängerfehler. Und darüber hinaus gehört es zum Leben in einer Gesellschaft dazu, dass man sich Grundkenntnisse in den wichtigsten sozialen und kulturellen Bereichen aneignet.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Volksfrömmigkeit und Theologie sind nicht dasselbe.

Richtig, religiös zu sein und sich mit Religion wissenschaftlich auseinanderzusetzen, ist nicht das selbe. Eben das, was xander1 nicht verstanden hat (und du offensichtlich auch nicht, zumindest nicht in dem Zusammenhang, als dass du meinst, mir das erklären zu müssen). Der Begriff Volksfrömmigkeit verschleiert nebenbei, dass die Gründe zu glauben immer die gleichen sind und es nicht soetwas wie eine interlektuelle Religiösität gibt. Die Unterschiede bestehen lediglich im Pedantismus bei der Ausführung der Rituale und ihrer Kenntnis, die Gründe zu glauben sind bei Bauer und Banker die gleichen.

Du erklärst uns mal wieder die Welt, hm?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Nur hält sich halt nur eine kleine Minderheit derart unter der naturwissenschaftlichen Käseglocke auf...

Richtig, aber meine Worte waren auch nicht an die breite Masse gerichtet, sondern an Phillipp01, der sich scheinbar auch unter dieser Käseglocke bewegen will.

Ich kenne eine ganze Reihe ITler und Naturwissenschaftler, die ein reiches Leben inklusive Konzerten, Theater, Ausstellungen, Kneipenabenden, geistreichen Diskussionen etc. führen. Ich hoffe, dass Phillip sich nicht erfolgreich einreden wird, dass diese Dinge unwichtig sind und er sie nicht verstehen muss, sondern dass er mal ein breit gebildeter, vielseitig talentierter und interessierter Naturwissenschaftler wird, der nicht das tragische Schicksal dieser verbissenen Einsamkeit teilt, in das du dich mit deiner geistigen und sozialen Abschottung manövrierst. Nur so eine Hoffnung.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Vollbreit » Mo 17. Jun 2013, 12:37

Im Grunde hast Du recht, Nanna, beeindruckt hat mich Dein Satz: „Ich habe selbst so in der zehnten, elften Klasse entschieden, dass ich keine Lust mehr habe, mich nicht für bestimmte Dinge zu interessieren.“ Ich weiß aber nicht, ob man das beschließen kann, also, ob jeder das kann.
Ich kann mich da gut in Philipps Situation versetzen, da es mir sehr ähnlich ging.
Bei mir waren es zwar nicht Mathe und Naturwissenschaften, sondern nur die Naturwissenschaften, die es mir angetan hatten, dafür aber umso kräftiger, ich habe es bedauert, dass ich keine Möglichkeit hatte, das große Hobby meiner späten Kindheit, Astronomie, als Schulfach zu wählen.
Und Fachidiot wäre ich auch gerne geworden, bin ich sogar, da mich die anderen Fächer kategorisch nicht interessiert haben.
Mein Schulideal wäre damals gewesen, die Fächer nach Neigung wählen zu dürfen und vor dort ausgehend die Kreise immer weiter zu ziehen, was sich auch nach meiner heutigen Überzeugung dann ganz organisch ergeben hätte.

Mit der Bibel ging es mir auch ähnlich wie Philipp, nur bin ich in einem formal evangelischen, de facto atheistischen Haushalt groß geworden. Nicht antireligiös, sondern eigentlich schlimmer, ein solides Desinteresse an jeder Form von Religion. Bis zum Erwachsenenalter habe ich kaum eine Hand voll Kirchenbesuche hinter mir gehabt, vom Zwangssingen im Religionsunterricht der Grundschulzeit mal abgesehen. An ein oder zwei Besuche mit meinen Eltern kann ich mich erinnern, ohne Predigt, unter dem Aspekt „schönes Bauwerk“, konfirmieren lassen musste ich mich nicht. Die seltenen Male in denen zu Hause das Thema Religion angeschnitten wurde, war, wenn von den „Scheiß Katholiken“ die Rede war, aber das war keine religiöse Positionsbestimmung, sondern eine Anklage der vermeintlichen oder tatsächlichen Doppelmoral vieler Katholiken, in der Wahrnehmung meiner Eltern.

Vor dem Hintergrund dieser Stimmung, so im Alter von 11 oder 12, habe ich dann in Teilen die Bibel gelesen und war völlig entsetzt. Nicht über angebliche Widersprüchlichkeit oder vermeintliche Brutalität, sondern einfach über den Inhalt, der mir vor meinem naturwissenschaftlichen Weltbild schlicht vollkommen falsch erschien. Ich konnte nicht verstehen, wie erwachsene Menschen ernsthaft an so etwas glauben konnten. Für mich was sonnenklar, dass das von A bis Z völliger Unsinn war.
Mit genau dieser Frage wandte ich mich an meine Mutter, die sich immerhin noch zu einem halbherzigen, „Es gibt auch intelligente Menschen, die an Gott glauben, sogar manche bekannte Wissenschaftler“ durchringen konnte, bei der Nachfrage, wie und warum denn, musste sie dann allerdings passen.

In der typischen Manier dessen, der sich für Fakten interessiert – die vermutlich in den meisten schlummernde, religiöse Ader wurde durch Superheldencomics und Science Fiction Romane bedient, wie Philipp mochte ich ansonsten auch nur Sachbücher – empfand ich die ganzen Sozialfächer als Laberfächer. Einzig ein Pädagogiklehrer, von Hause aus Psychologe und ein völliger Unsympath, der als kleiner Diktator galt, bekam einen Unterricht hin, für den man sich im doppelten Sinne interessieren musste. Ansonsten hätte ich es nicht vermocht, mich damals schon nicht „nicht zu interessieren“, aber Du bist heute auch deutlich reifer, als ich das in Deinem Alter war.

Bei mir war es im Grunde der reine Zufall, der mich öffnete. Nach meiner, mehr durch Glück als Verstand, am Ende (nur den Abschluss betreffend) doch noch „erfolgreichen“ Schulzeit hatte ich genau einen großen Wunsch: Im Leben niemals wieder was mit Schule, Uni oder dem Bildungssystem zu tun haben zu müssen. Die Nummer habe ich dann nach der Schule auch etliche Jahre durchgezogen und habe dann erst mal das gemacht, was ich mir für meine Schulzeit gewünscht hätte. Ich bin streng meinen Interessen nachgegangen und habe das lernen dürfen, was ich lernen wollte und da ich das mehr oder weniger freiwillig tat, hatte ich auch keine „Du musst jetzt“ Blockaden mehr und so kommt dann ganz von selbst eines zum anderen. Bremsend wirkten einzig noch die ujmps und Darths im Leben eines jeden, die einem erklären wollen, womit man seine Zeit gar nicht erst zu verschwenden braucht – sieht man ja, was dabei rauskommt, die sind halt noch nicht so weit. ;-)

Allerdings wechselte ich nur, das jedoch aus tiefer Überzeugung, die Fronten. War, quasi als Negativskizze einer typischen Brights-Karriere, bisher das naturwissenschaftliche Weltbild meine geistig-emotionale Heimat, sah ich das nun alles kritisch bis überkritisch, mit den gleichen nahezu paranoiden Tendenzen, die auch hier – aktuell selten – aufblitzen und deren Vertreter zu nennen, der Anstand verbietet. Erst als ich so ungefähr in Deinem heutigen Alter war, änderte sich das dann noch einmal, weil ich erkannte, wie ich mich in alberner Weise selbst blockierte. Aus eher kindlichem Zorn und Trotz hatte ich beschlossen, aufgrund eines (auch aus heutiger Sicht tatsächlich) unfairen Artikels, eine Zeitschrift, die ich eigentlich gerne las, nun „zur Strafe“ zu boykottieren. Mein Geld würden die nicht mehr kriegen. „So!“ Dummerweise merkte ich nach der ersten Empörung, dass ich die Zeitschrift eigentlich noch ganz gerne lesen wollte und erwischte mich dabei, dass ich dann fast „heimlich“ das Inhaltsverzeichnis durchlas, wenn die neue Ausgabe rauskam. Das war dann der Punkt an dem ich mir die Frage stellen konnte, ob ich eigentlich noch alle Tassen im Schrank habe, was ich dann verneinen musste. Ab dem Tag beschloss ich dann auch mich nicht mehr nicht zu interessieren, ich brauchte nur ein gutes Jahrzehnt länger dafür.

Hat sich aber gelohnt, kann ich nur so unterschreiben, ich denke eine echte Wissbegierde setzt sich am Ende auch durch, auch wenn mein ehrliches Schulresümee nicht ohne Sarkasmus auskommt und wohl lauten muss, dass auch die Schulzeit es am Ende nicht verhindern konnte, dass ich leidenschaftlich gerne lerne. Ob man daraus einen flotten Lebenstipp schnitzen kann, weiß ich allerdings nicht. Am Ende ist ja doch alles Karma. :^^:
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 17. Jun 2013, 14:39

Nanna hat geschrieben: Lass dir was beibringen. Lern erst mal verschiedene philosophische und theologische Denkschulen kennen. Sie kritisch. Frage nach. Aber vorverurteile nicht. Sag nicht "Religion ist dies und das" oder "Diese Leute sind so und so". Es ist nun mal viel einfacher zu (ver)urteilen als zu verstehen. Mir wäre es lieber, dass du dich zu einem Menschen entwickelst, der an zweiterem interessiert ist.

Gutmenschentum in der Sprache: Wenn ein Fazit positiv ausfällt, nennt man es verstehen, wenn es negativ ausfällt verurteilen. Den gleichen Bullshit gibt es in der Unterscheidung zwischen "konstruktiver" und "destruktiver" Kritik. Ein gefestigter Mensch, der nicht bei jedem Mist losheult, kann aus jeder Kritik eine konstruktive machen. Ebenso fällt nicht jedes Urteil positiv aus/führt nicht jedes Verstehen auch zu Verständnis. Keine Ahnung wie das bei dir war, aber bei vielen meiner Lehrer kam es nicht gut an, sich außerhalb der Schule zu informieren (besonders bei den Religionslehrern nicht).
Nanna hat geschrieben:Niemand ist unmusikalisch, niemand ist zeichnerisch komplett unbegabt, niemand ist literarisch völlig unfähig. Tust du dich schwerer als Andere? Ganz sicher. Kannst du etwas dazulernen? Ebenfalls ganz sicher. Und dadurch können sich für dich neue Welten auftun. Zeitverschwendung ist Kunstunterricht nur dann, wenn du ihn Zeitverschwendung sein lässt.

Da hast du nicht ganz unrecht. Letztlich wird jedem die aktuelle Mode in Kunst in die Hände spielen: Je unkenntlicher desto kreativer. Spucke auf eine Leinwand und du kannst es als abstrakte Aktionskunst bezeichnen.
Nanna hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:....

Du erklärst uns mal wieder die Welt, hm?

Wenn nicht ich, wer dann? :klugscheisser:
Nanna hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Nur hält sich halt nur eine kleine Minderheit derart unter der naturwissenschaftlichen Käseglocke auf...

Richtig, aber meine Worte waren auch nicht an die breite Masse gerichtet, sondern an Phillipp01, der sich scheinbar auch unter dieser Käseglocke bewegen will.

Ich kenne eine ganze Reihe ITler und Naturwissenschaftler, die ein reiches Leben inklusive Konzerten, Theater, Ausstellungen, Kneipenabenden, geistreichen Diskussionen etc. führen. Ich hoffe, dass Phillip sich nicht erfolgreich einreden wird, dass diese Dinge unwichtig sind und er sie nicht verstehen muss, sondern dass er mal ein breit gebildeter, vielseitig talentierter und interessierter Naturwissenschaftler wird, der nicht das tragische Schicksal dieser verbissenen Einsamkeit teilt, in das du dich mit deiner geistigen und sozialen Abschottung manövrierst. Nur so eine Hoffnung.

Was fällt denn bei dir unter "Naturwissenschaftler"? Klar, bei Lehramtsstudenten und anderen Studiengängen muss man vielleicht einmal die Woche vorbeischauen und eine Hausaufgabe oder so abgeben, wieder andere können ihr Studium gleich fast vollständig online machen. Nach meiner Erfahrung und das, was ich bei den anderen Mitstudenten beobachte, kannst du morgens in die Uni, wenn es dunkel ist wieder zurück, deine Protokolle schreiben, die Vorlesungen nachbearbeiten und dich um 1.00 Uhr ins Bett legen. Am Wochenende kannst du vielleicht noch in die Disco und ein dummes Huhn abschleppen. Das wars. Finanziell und zeitlich ist nicht mehr drin (außer für diejenigen, die immer noch bei Eltern leben, die ihre 2 Eigentumswohnungen und ein Haus haben und dir das Geld in den Hintern schieben). Es gibt noch welche, die nebenbei versuchen zu arbeiten, aber bei denen leidet deswegen die Leistung.
Die Abschottung war zunächst nicht unbedingt gewollt, aber je mehr ich über meine Mitmenschen gelernt habe, desto günstiger ist es für meine Meinung über sie, dass ich möglichst wenig von ihnen weiß. Das gilt doppelt für die Religiösen.
Vollbreit hat geschrieben:Ich bin streng meinen Interessen nachgegangen und habe das lernen dürfen, was ich lernen wollte und da ich das mehr oder weniger freiwillig tat, hatte ich auch keine „Du musst jetzt“ Blockaden mehr und so kommt dann ganz von selbst eines zum anderen. Bremsend wirkten einzig noch die ujmps und Darths im Leben eines jeden, die einem erklären wollen, womit man seine Zeit gar nicht erst zu verschwenden braucht – sieht man ja, was dabei rauskommt, die sind halt noch nicht so weit. ;-)

Jeder hat seine Wahl, entweder wird man so ein unreifes Wesen, welches warhscheinlich noch mit 30 bei Eltern wohnt, weder arbeiten noch lernen noch produktiv sein will und jede Bewertung der Leistung verweigert, oder man erkennt früh seine Stärken, Schwächen, Chancen und Ziele. Ach, stimmt ja gar nicht, das hängt alles vom Vermögen ab! :/
Ja, Philipp, es bleibt dir überlassen, festzustellen, wer "noch nicht so weit" ist. Mit meiner Einstellung habe ich immerhin vorzuweisen, dass ich dem Mysterium des Lebens näher komme, es manipulieren kann (Molekularbiologiestudium). Die Physiker, die ich kenne, arbeiten an Teilchenbeschleunigern, den Bausteinen des Universums.
Andere können dir gescheiterte Ehen, Kenntnis über Sci-Fi-Romane, einen "erfolgreichen" Schulabschluss und "Karma" vorweisen. Es verbietet natürlich der Anstand, diejenigen zu nennen. :wink:
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Nanna » Mo 17. Jun 2013, 17:20

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn ein Fazit positiv ausfällt, nennt man es verstehen, wenn es negativ ausfällt verurteilen. Den gleichen Bullshit gibt es in der Unterscheidung zwischen "konstruktiver" und "destruktiver" Kritik. Ein gefestigter Mensch, der nicht bei jedem Mist losheult, kann aus jeder Kritik eine konstruktive machen.

Wie leicht man dich gefestigten Menschen immer aus der Reserve locken kann. ;-)

Darth Nefarius hat geschrieben:Keine Ahnung wie das bei dir war, aber bei vielen meiner Lehrer kam es nicht gut an, sich außerhalb der Schule zu informieren (besonders bei den Religionslehrern nicht).

Die fanden's generell cool.

Darth Nefarius hat geschrieben:Letztlich wird jedem die aktuelle Mode in Kunst in die Hände spielen: Je unkenntlicher desto kreativer. Spucke auf eine Leinwand und du kannst es als abstrakte Aktionskunst bezeichnen.

Ich muss sagen, dass ich Kunst mehr und mehr interessant finde. Kunst spielt häufig mit Realität und Realitätsauffassungen. Das kann man vielleicht nicht so leicht verstehen, wenn man einen dogmatischen Realitätsbegriff hat, aber ich für meinen Teil find's faszinierend.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Du erklärst uns mal wieder die Welt, hm?

Wenn nicht ich, wer dann? :klugscheisser:

Mir egal, irgendjemand, für den der Inhalt zählt, nicht der Akt des Rechthabens als solcher.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ich kenne eine ganze Reihe ITler und Naturwissenschaftler, die ein reiches Leben inklusive Konzerten, Theater, Ausstellungen, Kneipenabenden, geistreichen Diskussionen etc. führen. Ich hoffe, dass Phillip sich nicht erfolgreich einreden wird, dass diese Dinge unwichtig sind und er sie nicht verstehen muss, sondern dass er mal ein breit gebildeter, vielseitig talentierter und interessierter Naturwissenschaftler wird, der nicht das tragische Schicksal dieser verbissenen Einsamkeit teilt, in das du dich mit deiner geistigen und sozialen Abschottung manövrierst. Nur so eine Hoffnung.

Was fällt denn bei dir unter "Naturwissenschaftler"?

Physiker, Mathematiker, Biologen, größtenteils promovierend - falls du das "Mein Haus, meine Frau, mein Auto"-Spiel spielen willst. Tolle Leute, gefestigte Persönlichkeiten, die nicht anfangen zu kreischen, sobald jemand "Religion" oder "Kunst" sagt. ;-)

Darth Nefarius hat geschrieben:Klar, bei Lehramtsstudenten und anderen Studiengängen muss man vielleicht einmal die Woche vorbeischauen und eine Hausaufgabe oder so abgeben, wieder andere können ihr Studium gleich fast vollständig online machen. Nach meiner Erfahrung und das, was ich bei den anderen Mitstudenten beobachte, kannst du morgens in die Uni, wenn es dunkel ist wieder zurück, deine Protokolle schreiben, die Vorlesungen nachbearbeiten und dich um 1.00 Uhr ins Bett legen. Am Wochenende kannst du vielleicht noch in die Disco und ein dummes Huhn abschleppen. Das wars. Finanziell und zeitlich ist nicht mehr drin (außer für diejenigen, die immer noch bei Eltern leben, die ihre 2 Eigentumswohnungen und ein Haus haben und dir das Geld in den Hintern schieben). Es gibt noch welche, die nebenbei versuchen zu arbeiten, aber bei denen leidet deswegen die Leistung.

Du hast in den letzten eineinhalb Jahren unheimlich viel Zeit gefunden, meterlange Beiträge hier zu verfassen. Erzähl mir nix von Zeitmangel. Und bloß zur Info, die meisten meiner Kommilitonen inklusive meiner Wenigkeit arbeiten neben dem Studium und wenn ich schaue, wer von meinen Freunden den größten workload hat, ist das eine Theologie-Lehrämtlerin, die knapp 40h Präsenzzeit pro Woche hat, zuzüglich Vor- und Nachbereitung, nebenher noch einen zusätzlichen 10h-Hiwi-Job schmeißt und am Wochenende mit ihren Mädels Party macht. Es IST Zeit da, zu leben.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Abschottung war zunächst nicht unbedingt gewollt, aber je mehr ich über meine Mitmenschen gelernt habe, desto günstiger ist es für meine Meinung über sie, dass ich möglichst wenig von ihnen weiß. Das gilt doppelt für die Religiösen.

Wir leben in einem freien Land und es ist dein Recht, dein Leben so zu gestalten. Aber es ist weit weg von dem, was ich als "gutes Leben" bezeichnen würde. Was du über deine Mitmenschen gelernt hast, hat ja sehr viel mit deiner subjektiven Linse zu tun, durch die du auf sie schaust. Wenn man immer nur das Schlechte im Guten sieht, hat man schon auch selber etwas damit zu tun. Und ironischerweise ist es auch nicht so, dass man deshalb illusionsloser wird. Man hat einfach nur stattdessen andere Illusionen über das Leben, mit dem bitteren Nebeneffekt, dass man jetzt getäuscht und enttäuscht ist. Und das macht deine Situation tragisch. Ich wünsche dir aufrichtig, dass du irgendwann merkst, dass du dir damit keinen Gefallen tust (kann aber auch sein, dass das zu sehr weh tun wird und du davor dein Leben lang Angst haben wirst - was ich dir ausdrücklich nicht wünsche).

Darth Nefarius hat geschrieben:Mit meiner Einstellung habe ich immerhin vorzuweisen, dass ich dem Mysterium des Lebens näher komme, es manipulieren kann (Molekularbiologiestudium). Die Physiker, die ich kenne, arbeiten an Teilchenbeschleunigern, den Bausteinen des Universums.
Andere können dir gescheiterte Ehen, Kenntnis über Sci-Fi-Romane, einen "erfolgreichen" Schulabschluss und "Karma" vorweisen. Es verbietet natürlich der Anstand, diejenigen zu nennen. :wink:

Man muss nicht hartherzig sein, um einen Teilchenbeschleuniger zu bedienen, weißt du. Einer meiner besten Freunde, ein Physiker, würde bei so einer Haltung nur eine Augenbraue hochziehen, ein angedeutetes Prusten unterdrücken und mit den Schultern zucken - und dann einfach damit weitermachen, sein Leben zu genießen und dich vergessen. Weil Naturwissenschaftler zu sein nichts mit Zynismus, Misantropie oder sonstirgendetwas in der Richtung zu tun hat. Und weil das auch niemanden beeindruckt.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon xander1 » Mo 17. Jun 2013, 18:48

Philipp01 muss das alles noch lesen =) .
Kommt er dann noch dazu Mathe und Physikhausaufgaben zu machen? :klugscheisser: :crazy:
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon provinzler » Di 18. Jun 2013, 00:43

Nanna hat geschrieben:Verschon mich. Niemand ist unmusikalisch, niemand ist zeichnerisch komplett unbegabt, niemand ist literarisch völlig unfähig. Tust du dich schwerer als Andere? Ganz sicher. Kannst du etwas dazulernen? Ebenfalls ganz sicher. Und dadurch können sich für dich neue Welten auftun. Zeitverschwendung ist Kunstunterricht nur dann, wenn du ihn Zeitverschwendung sein lässt.

Ich persönlich mochte den Kunstunterricht auch nicht wirklich. Hab halt die Zeit abgesessen und Kunst dann bei erster sich bietender Gelegenheit abgewählt. Hat mich halt damals nicht interessiert und interessiert mich auch heute nicht sonderlich. Will allerdings nicht ausschließen, dass sich das auch mal ändert. Wenn man mir vor sechs oder sieben Jahren gesagt hätte, was mich heute am meisten beschäftigt, hätte ich dem vermutlich auch den Vogel gezeigt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Da hast du nicht ganz unrecht. Letztlich wird jedem die aktuelle Mode in Kunst in die Hände spielen: Je unkenntlicher desto kreativer. Spucke auf eine Leinwand und du kannst es als abstrakte Aktionskunst bezeichnen.

Da halte ichs mit Karl Valentin. Kunst kommt von können nicht wollen, sonst würde sie Wunst heißen. Aber das ist nur mein persönlicher Geschmack.

Dath Nefarius hat geschrieben:Die Abschottung war zunächst nicht unbedingt gewollt, aber je mehr ich über meine Mitmenschen gelernt habe, desto günstiger ist es für meine Meinung über sie, dass ich möglichst wenig von ihnen weiß. Das gilt doppelt für die Religiösen.

Ich kann dich für das Leben das du führst nur bedauern. Das Schöne als Student ist ja eigentlich, dass man sich sein Umfeld mehr oder weniger frei wählen kann. Wen man nicht mag, oder wessen Interessen man nicht teilt, dem kann man im Unterschied zur Schule problemlos ausm Weg gehen, und trotzdem soziale Kontakte haben.

Darth Nefarius hat geschrieben:Jeder hat seine Wahl, entweder wird man so ein unreifes Wesen, welches warhscheinlich noch mit 30 bei Eltern wohnt, weder arbeiten noch lernen noch produktiv sein will und jede Bewertung der Leistung verweigert, oder man erkennt früh seine Stärken, Schwächen, Chancen und Ziele. Ach, stimmt ja gar nicht, das hängt alles vom Vermögen ab!

Reichlich eindimensionales Weltbild, das du hier aufführst. In meinem Bekanntenkreis gibts einen Mitte 30, der bis vor kurzem bei seinen Eltern wohnte (weil Single und weil er aufgrund ausgedehnter Nacht- und Feiertagsschichten eigentlich ohnehin nur eine beheizte Schlafstelle brauchte), der sich wohl in ein paar Jahren wird zur Ruhe setzen können vom zurückgelegten (primär in Aktien angelegten) Geld. Ob man so ein Leben selber führen möchte, ist dann wieder eine andre Sache.

Übrigens: Die Physiker, die ich kenne, gehören zu den geselligsten Zeitgenossen überhaupt...
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Vollbreit » Di 18. Jun 2013, 06:39

Kunst gehört zu den Bereichen im Leben, die sich einem nur bedingt von selbst erschließen. Einen unmittelbaren Zugang hat man zum Kitsch. Ist natürlich ein Dauerthema zu dem jeder zurecht sein Meinung haben kann. Kitsch hat die Tendenz zur Eindeutigkeit des Motivs, es hat nicht unbedingt was mit den künstlerischen Fähigkeiten zu tun. So ein Airbrush-Bild auf der Motorhaube, das muss man erst mal hinbekommen, technisch gut, nur oft ohne künstlerischen Wert.

Den sieht man einem Kunstwerk aber auch nicht immer auf den ersten Blick an. Um die epocheverändernde neue Perspektive zu erkennen, muss man den Kontext kennen, das gilt aber für Darwins Perspektivwechsel ebenso, der ist uns nur bekannter.


Was das viel oder wenig erleben angeht, das hängt m.E. nicht zwingend von den äußeren Tun ab. Viele Aktivitäten, das kann auf ein sehr oberflächliches Leben hinweisen, muss es aber nicht. Ich mag auch die Spezialisten, Leute, die sich einem Thema widmen und darin wirklich aufgehen. Völlig egal was der Inhalt ist, völlig egal, ob sie einen an der Waffel haben, die Vorgaben des konventionellen Lebens finde ich persönlich auch nur in wenigen Fällen nachahmenswert. Forscher, die gebannt Tiere beobachten und gar nicht merken, dass sie so langsam einen Eiszapfen an der Nase haben. Mathematiker, die wirklich in einer eigenen Welt zu leben scheinen, wie Perelman, der mal eben eines der schwierigsten mathematischen Probleme überhaupt gelöst hat und auf die Million die ihm dafür zusteht verzichtet hat und in Armut lebt. Es gibt vier Eliteunis auf der Welt, die nachts anderes machen, als das Werk von Thomas von Aquin zu erforschen, es gibt Musiker, die in einem eigenen musikalischen Kosmos leben. Kafka, der Sprache gewissermaßen destilliert hat und der um neue Horizonte gerungen hat ohne die formalen Sprachregeln zu verletzen.

Entscheidend ist m.E. als wie reich und erfüllend man seine innere Welt empfindet, gleich ob man über Formel sitzt, im wahrsten Sinne den ganzen Tag Musik im Kopf hat, man fiebrig an einem wissenschaftlichen Projekt arbeitet oder in seinem Gemüsegärtchen wurschtelt.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 19. Jun 2013, 10:17

Nanna hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn ein Fazit positiv ausfällt, nennt man es verstehen, wenn es negativ ausfällt verurteilen. Den gleichen Bullshit gibt es in der Unterscheidung zwischen "konstruktiver" und "destruktiver" Kritik. Ein gefestigter Mensch, der nicht bei jedem Mist losheult, kann aus jeder Kritik eine konstruktive machen.

Wie leicht man dich gefestigten Menschen immer aus der Reserve locken kann. ;-)

Welche Reserve? Es braucht mehr als dieses Forum, um mich aus der Reserve zu locken. Deine Angst vor konkreten und unschmeichelhaften Urteilen zeigt wie wenig Rückgrat bleibt, wenn man sich lange genug einredet, dass 2 unterschiedliche Weltbilder gleichberechtigt sind, unabhängig von Logik, Vernunft und Beweisbarkeit. Ich will dich wirklich damit nicht beleidigen, aber dieser Kuschelkurs ist wirklich ziemlich einseitig und wird dir oder anderen nicht gedankt. Es hat einfach keinen Nutzen und verprellt die einen näherstehenden, konsequenteren Atheisten.
Nanna hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Keine Ahnung wie das bei dir war, aber bei vielen meiner Lehrer kam es nicht gut an, sich außerhalb der Schule zu informieren (besonders bei den Religionslehrern nicht).

Die fanden's generell cool.

Bestimmt, wenn man ihnen in die Karten spielte und den ganzen Mist unterstützte. Sobald man kritisch andere Positionen prüft und die vorgestellte hinterfragt, gibt es Stress. Jede Frage nach Logik und Vernunft wirkt für sie wie eine Beleidigung für den eigenen Verstand, nicht ganz zu Unrecht. Aber das ist nicht meine Schuld, sondern deren Defizit. So eine Frage kann man nicht derart schmeichelhaft stellen, ohne missverstanden zu werden. Sobald sie verstanden, worauf man eigentlich hinauswill, bekamen sie Schaum vorm Maul.
Nanna hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Letztlich wird jedem die aktuelle Mode in Kunst in die Hände spielen: Je unkenntlicher desto kreativer. Spucke auf eine Leinwand und du kannst es als abstrakte Aktionskunst bezeichnen.

Ich muss sagen, dass ich Kunst mehr und mehr interessant finde. Kunst spielt häufig mit Realität und Realitätsauffassungen. Das kann man vielleicht nicht so leicht verstehen, wenn man einen dogmatischen Realitätsbegriff hat, aber ich für meinen Teil find's faszinierend.

Mit Realitäten und Wahrnehmung zu spielen kann sehr unterhaltsam sein, aber die klassischen Künste können uns nicht oder kaum noch beeindrucken. Die neuen Künstler sind diejenigen, die virtuelle Welten in Filmen und Spielen schaffen. Ein Erkenntnisgewinn ist aber in der Kunst selten zu finden (egal in welcher).
Nanna hat geschrieben:Physiker, Mathematiker, Biologen, größtenteils promovierend - falls du das "Mein Haus, meine Frau, mein Auto"-Spiel spielen willst. Tolle Leute, gefestigte Persönlichkeiten, die nicht anfangen zu kreischen, sobald jemand "Religion" oder "Kunst" sagt. ;-)

Das ist auch nicht sonderlich vorteilhaft in Realität. In einem mehr oder weniger anonymen Forum kann man auch mal ehrlich sein. Abgesehen davon frage ich mich, was das soll: Eigentlich hast du deine naturwissenschaftlichen Bekanntschaften erwähnt, um mir zu erklären, wie viel Freizeit und Kultur sie sich erlauben würden, nicht wie sie auf Religion und Kunst reagieren.
Nanna hat geschrieben:Du hast in den letzten eineinhalb Jahren unheimlich viel Zeit gefunden, meterlange Beiträge hier zu verfassen. Erzähl mir nix von Zeitmangel. Und bloß zur Info, die meisten meiner Kommilitonen inklusive meiner Wenigkeit arbeiten neben dem Studium und wenn ich schaue, wer von meinen Freunden den größten workload hat, ist das eine Theologie-Lehrämtlerin, die knapp 40h Präsenzzeit pro Woche hat, zuzüglich Vor- und Nachbereitung, nebenher noch einen zusätzlichen 10h-Hiwi-Job schmeißt und am Wochenende mit ihren Mädels Party macht. Es IST Zeit da, zu leben.
Die Beiträge, die ich schreibe erfolgen immer in den etwas ruhigeren Phasen, wenn die ernstere Hälfte des Semesters anbricht, höre ich immer auf. 40h sind ganz nett, zumindest wenn man nur im Hörsaal zu sitzen hat und sich mit Geschwätz befasst. Wenn du die selbe Zeit im Labor verbringen musst, kann das ziemlich aufreibend sein, da du auch mal denken musst (und ohnehin mit den Agenzien vorsichtig umzugehen hast und dich die kleinste Unaufmerksamkeit zu einer Vergiftung bringen kann oder dich tagelange Arbeit kostet). 40h eines Theologen sind nicht vergleichbar mit 40h eines Naturwissenschaftlers. Das mit der Party glaube ich dir, irgendwo müssen die Hühner ja herkommen, die abgeschleppt werden. Ich hatte bis jetzt nicht den Eindruck, dass sie besonders viel im Oberstübchen zu bieten hätten. Aber naja, der Trieb kann den intellektuellen Eckel überwinden.
Nanna hat geschrieben:Wir leben in einem freien Land und es ist dein Recht, dein Leben so zu gestalten. Aber es ist weit weg von dem, was ich als "gutes Leben" bezeichnen würde. Was du über deine Mitmenschen gelernt hast, hat ja sehr viel mit deiner subjektiven Linse zu tun, durch die du auf sie schaust. Wenn man immer nur das Schlechte im Guten sieht, hat man schon auch selber etwas damit zu tun. Und ironischerweise ist es auch nicht so, dass man deshalb illusionsloser wird. Man hat einfach nur stattdessen andere Illusionen über das Leben, mit dem bitteren Nebeneffekt, dass man jetzt getäuscht und enttäuscht ist. Und das macht deine Situation tragisch. Ich wünsche dir aufrichtig, dass du irgendwann merkst, dass du dir damit keinen Gefallen tust (kann aber auch sein, dass das zu sehr weh tun wird und du davor dein Leben lang Angst haben wirst - was ich dir ausdrücklich nicht wünsche).

Ich empfinde nur eine Angst. "Gutes Leben" ist für mich ein langfristiges Ziel, aber das liegt auch nur daran, dass ich gewisse Ansprüche habe. Mich hat mal ein Mädchen gefragt, wann ich denn überhaupt glücklich bin - respektive betrachtet konnte ich mich an keinen richtigen Moment erinnern. Aber kann man sich überhaupt an Glück erinnern? Ist nicht jeder glückliche, vergangene Moment eine leidvolle Erinnerung? Wenn man simultan über die Zukunft, die Vergangenheit und die verschiedenen Gegenwarten nachdenkt, bleibt wenig Raum für Glück. Ich denke durchaus, dass ich Glück empfinde, in seltenen Momenten und dass ich zu einem glücklichen Leben fähig bin, aber deine Einstellung ist für mich schlichtweg nicht einnehmbar, da ich es mich einfach stört, meine Wahrhnehmung einzuschränken. Ich glaube dir ja, dass du glücklich bist, wahrscheinlich glücklicher als ich, aber das liegt an unserem unterschiedlichen Wesen, nicht an einer einfach mal änderbaren Einstellung. Ich würde mein Wesen auch nicht durch deines eintauschen wollen, ich würde zu viel verlieren, was ich an mir schätze.
Nanna hat geschrieben:Man muss nicht hartherzig sein, um einen Teilchenbeschleuniger zu bedienen, weißt du. Einer meiner besten Freunde, ein Physiker, würde bei so einer Haltung nur eine Augenbraue hochziehen, ein angedeutetes Prusten unterdrücken und mit den Schultern zucken - und dann einfach damit weitermachen, sein Leben zu genießen und dich vergessen. Weil Naturwissenschaftler zu sein nichts mit Zynismus, Misantropie oder sonstirgendetwas in der Richtung zu tun hat. Und weil das auch niemanden beeindruckt.

Ist richtig, Naturwissenschaftler sind auch nicht grundsätzlich tiefgründigere Wesen als andere, nur weil sie besonders begabt in Mathematik, logischem Denken sind, oder ein besonders gutes Gedächtnis haben. Ich habe in den ersten Semestern versucht mit meinen Mitstudenten über anderes als das neueste Malariavirus zu sprechen, ich war schockiert wie wenig Allgemeinbildung und wie viel Desinteresse zur Politik und Philosophie bestand. Dann gab es die ersten Bewertungen der Leistungen und ich musste schlussfolgern, dass ich meinen Ansprüchen nicht genüge. Und dann muss man sich entscheiden, ob man sich spezialisiert oder nicht. Die Einstellung, sich auf seine Ziele zu konzentrieren, hat mich weitergebracht. Deinen Physiker wird die weltpolitische Lage gewiss auch kaum interessieren. Somit hat er gar keinen Grund zur Misanthropie. Ich muss meine Ignoranz lediglich noch etwas trainieren, dann verliere ich vielleicht auch meine negative Einstellung.
provinzler hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: Da hast du nicht ganz unrecht. Letztlich wird jedem die aktuelle Mode in Kunst in die Hände spielen: Je unkenntlicher desto kreativer. Spucke auf eine Leinwand und du kannst es als abstrakte Aktionskunst bezeichnen.


Da halte ichs mit Karl Valentin. Kunst kommt von können nicht wollen, sonst würde sie Wunst heißen. Aber das ist nur mein persönlicher Geschmack.

Diese Haltung hatte ich auch in der Schule. Vom Handwerklichen kann mir keiner Paroli bieten, aber bei einer Ausstellung in der Oberstufe wurde auch nur eben dies bestätig, aber mangelde Kreativität bescheinigt. Beim zweiten Versuch habe ich einiges bedeutungslose, etwas die Kunst beleidigende Geschmiere zur fast gleichen Ausstellung hinzugefügt und den ersten Platz erhalten. Ich war desillusioniert, habe mich aber über das Geld gefreut. Jetzt male ich nur gegen Bezahlung, aber Kunst ist es (in dem "kreativen" Sinne) wohl nicht. Dazu kann man viel zu viel erkennen.
provinzler hat geschrieben: Das Schöne als Student ist ja eigentlich, dass man sich sein Umfeld mehr oder weniger frei wählen kann. Wen man nicht mag, oder wessen Interessen man nicht teilt, dem kann man im Unterschied zur Schule problemlos ausm Weg gehen, und trotzdem soziale Kontakte haben.

Wer hat denn gesagt, dass ich nicht trotzdem Freunde hätte? Ich habe nicht viele, aber kenne sie schon seit Jahren und sind sehr treu. Ich habe von der Mehrheit der Menschen gesprochen, es gibt einige wenige interessante und Gleichgesinnte; bei denen muss ich nicht so vorgehen wie bei der Mehrheit.
provinzler hat geschrieben: In meinem Bekanntenkreis gibts einen Mitte 30, der bis vor kurzem bei seinen Eltern wohnte (weil Single und weil er aufgrund ausgedehnter Nacht- und Feiertagsschichten eigentlich ohnehin nur eine beheizte Schlafstelle brauchte), der sich wohl in ein paar Jahren wird zur Ruhe setzen können vom zurückgelegten (primär in Aktien angelegten) Geld. Ob man so ein Leben selber führen möchte, ist dann wieder eine andre Sache.

Übrigens: Die Physiker, die ich kenne, gehören zu den geselligsten Zeitgenossen überhaupt...

Ich messe Erfolg nicht an der Menge des Besitzes. Der Typ von dem du erzählst ist in meinen Augen nicht weniger armselig nur weil er nie einen Finger krumm machen musste, um dann nur Geld vorweisen zu können.
Ich kenne auch Physiker; sie sind sehr freundliche Zeitgenossen, wenn man sich auf sie einlässt.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon xander1 » Mi 19. Jun 2013, 21:13

War ja klar, dass es irgendwann nicht mehr um Phillip01 geht, und dass die alteingesessenen miteinander reden werden.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Nanna » Mi 19. Jun 2013, 23:29

Bisher hat Phillip auf jeden seiner Beiträge ausführliche Antworten erhalten. Und dass das Thema darüberhinaus weitergesponnen wird und die Frage, ob man abseits der MINT-Fächer in der Schule etwas Sinnvolles lernen kann, genereller diskutiert wird, ist doch nicht schlecht.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon stine » Do 20. Jun 2013, 08:26

Eben, finde ich auch.
Phillip kann dabei auch lernen, dass es Sinn macht, wenn man etwas zur Debatte stellt, weil man dann auch weitergehende Antworten erhalten kann.
Ich zB möchte zum Thema Kunst auch noch was sagen dürfen:
Kunst ist ein Handwerk, wie jedes andere auch. Wenn man mal die Lebensläufe der praktizierenden, gut verdienenden Künstler betrachtet, dann ist selten ein Talent dabei, das einfach nur gemalt, gebildhauert, gesungen oder Theater gespielt hat ohne vorherige Ausbildung. Wer in der Kunstszene "arbeiten" möchte, braucht genauso Vorbildung, Weiterbildung, Kontakte/Netzwerke, usw, wie jeder andere Freiberufler oder Angestellte auch. Kunst ist nicht einfach nur ein zufälliges Können, sondern ein ernsthafter Wirtschaftszweig, verbunden mit viel Fleiß und Arbeit.
Wer schon in der Schule ablehnt, am Kunstunterricht teilzunehmen, weil er vermeintlich unbegabt ist, der hat (noch) nicht begriffen, dass Kunst ein Angebot zur Lebensgestaltung allgemein ist. Man könnte auch den Musikunterricht ablehnen, weil man kein Sänger werden möchte oder den Turnunterricht ablehnen, weil man eh nicht als Sportler sein Geld verdienen wird. Man könnte selbst den Deutschunterricht ablehnen, wenn man nicht vorhat Schriftsteller zu werden. Es gilt zu verstehen, dass jedes Schulfach dazu dient, erstmal Interesse zu wecken und dann seine Stärken und Schwächen kennen zu lernen.
Kunstunterricht ist also nicht nur einfach ein Talent- oder Spaßfach, sondern gerade begabte Mathe- und Physikgenies lernen dabei, sich mit ihrer Fähigkeit des abstrakten, dreidimensionalen Denkens, sich gute Lösungen bewusst zu erarbeiten. Kunst ist ein Arbeitsfach.


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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 21. Jun 2013, 19:10

stine hat geschrieben:Kunst ist ein Handwerk, wie jedes andere auch.

Das siehst du (und eigentlich ich auch) so. Leute, die sich selbst "Künstler" nennen, betrachten es als über Handwerk hinausgehend. Das ist eine Arroganz, die in der modernen, abstrakten Kunst eigentlich kaum Berechtigung hat, wie ich finde. Ich persönlich habe ja den Anspruch, der Natur möglichst nahe zu kommen (oder zumindest der Vorlage), da ich finde, dass sie der Perfektion noch am nächsten kommt und Schönheit ziemlich unverfälscht selbst darstellt. Aber so eine Einstellung wird als "angenehme Kunst" abgetan, und gilt daher als weniger anspruchsvoll. Irgendwelche Idioten meinen, dass Kunst unangenehm sein muss, um wirklich Kunst zu sein. Ich sehe nur meinen guten Geschmack beleidigende Machwerke, wenn ich in Ausstellungen wie die der Pinakothek der Moderne gehe. Jedem das seine, aber nicht auch noch soetwas als anspruchsvoller als die Renaissance bezeichnen.
stine hat geschrieben:Wer schon in der Schule ablehnt, am Kunstunterricht teilzunehmen, weil er vermeintlich unbegabt ist, der hat (noch) nicht begriffen, dass Kunst ein Angebot zur Lebensgestaltung allgemein ist. Man könnte auch den Musikunterricht ablehnen, weil man kein Sänger werden möchte oder den Turnunterricht ablehnen, weil man eh nicht als Sportler sein Geld verdienen wird. Man könnte selbst den Deutschunterricht ablehnen, wenn man nicht vorhat Schriftsteller zu werden. Es gilt zu verstehen, dass jedes Schulfach dazu dient, erstmal Interesse zu wecken und dann seine Stärken und Schwächen kennen zu lernen.

Naja, es gibt auch noch soetwas wie Priorisierung; ich kann mich erinnern, dass die musischen Fächer als "C-Fächer" bekannt waren und daher die geringste Bedeutung hatten. Ein C-Fach abzulehnen bedeutet nicht, dass man nicht verstanden hat, es ginge um ein Angebot. Ein Angebot kann man auch ablehnen. Leider wird man in der gleichmachenden Schulausbildung selten vor Angebote gestellt, sondern meist vor normierten Modellen der Ausbildung. In der Oberstufe ändert sich das ein wenig, aber nicht viel.
stine hat geschrieben:Kunstunterricht ist also nicht nur einfach ein Talent- oder Spaßfach, sondern gerade begabte Mathe- und Physikgenies lernen dabei, sich mit ihrer Fähigkeit des abstrakten, dreidimensionalen Denkens, sich gute Lösungen bewusst zu erarbeiten. Kunst ist ein Arbeitsfach.

Der war gut. Ich kann mich noch erinnern, wie ich von einer gescheiterten Architektin erklärt bekommen habe, wie man einen Würfel korrekt perspektivisch darstellt :kopfwand: . Ich habe ihr in Perfektion ein paar andere dreidimensionale Körper gezeichnet, um darauf aufmerksam zu machen, dass sie mich unterfordert; sie hat mein Talent zur Kenntnis genommen, mich nicht weiter behelligt, mir meine 1er gegeben und mich trotzdem weiter Würfel malen lassen. :/ Ich habe dann, nachdem ich in 5 min mit ihren Aufgaben fertig war, mich in der Stunde mit Hausaufgaben beschäftigt oder etwas interessanteres gemalt. Soviel zu meinen Erfahrungen. Zugegeben, ich hatte in der 5ten oder 6ten einen Kunstlehrer, der mich auch fordern wollte, allerdings ging das nicht über Wetten um eine Tafel Schokolade hinaus (es sollte ein mittelalterlicher Holzstich nachgezeichnet werden, ich habe natürlich gewonnen). Man wird nicht wirklich gefördert oder gefordert, sowas muss schon von einem selbst ausgehen. Kunst ist die Mühe nicht wert, außer man kann damit seinen Schnitt noch etwas mehr verbessern (oder sein Ego).
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Vollbreit » So 23. Jun 2013, 09:55

@ stine:

Kunst ist heute vielleicht zu sehr Wirtschaftszweig.

Es mag ja romantisiserend klingen, aber zum Künstler (im engeren Sinne) ist man geboren, oder eben nicht.
Damit will ich nicht leugnen, dass die Kunst unglaublichen Fleißes bedarf, aber das kann man nicht planen.
Und ehrlich gesagt ist die wirtschaftliche Situation für die allermeisten Künstler bescheiden, selbst Künstler die ein Stipendium bekommen haben, etwas, was man nicht mal eben so bekommt, können zu 97% von ihrer Kunst nicht leben.

Mit der Kunst ist es wie mit dem Lernen, genauer gesagt ist es ja eine Art des Lernens.
Insofern mag man sich bestimmte Kunstfertigkeiten aneignen, aber der tiefere Sinn dahinter ist aus meiner Sicht, ein reicheres Erleben von Welt.
Wissen und Fähigkeiten ermöglichen Dir einen anderen Zugang zur Welt. Wenn man gut kochen kann, so tut man das ja nur in wenigen Fällen, weil man ein Restaurant eröffnen möchte oder sein Essen verkauft. Es bleibt meistens privat und dennoch ist das ein großer Gewinn, in puncto Genuss, Lebensqualität, schließlich isst man täglich und das gleich mehrfach.

So ist es auch mit der Kunst. Wenn man gerade noch den Unterschied zwischen naturalistischer und abstrakter Darstellung erkennen kann, das eine gut findet und das andere schon irgendwie merkwürdig, dann ist man bei der kindlichen Unterteilung von süß und schmeckt nicht stehen geblieben. Die Steigerung von einer Kugel Schokoeis sind dann drei Kugeln Schokoeis. Für die Kunst ist das dann der Kitsch, wie schon erwähnt, ist Kitsch kein Kriterium der Kunstfertigkeit, sondern der Motivwahl. Niedliche Rehkitze mit Kulleraugen malen zu können, kann schon technisch anspruchsvoll sein, doch es verändert den Blick nicht, es bleibt beim „och, wie süß“, was man als Kind schon drauf hatte.

Es hat ja einen Grund, warum Künstler, die durchaus malen können (= zur naturalistischen Darstellung in der Lage wären), beginnen so komisch zu malen.
Munchs weltbekanntes Bild „Der Schrei“
http://www.moma.org/images/dynamic_cont ... /78363.jpg (darf leider nur verlinkt werden)
zeigt ja durch die Entfremdung mehr, als eine naturalistische Darstellung uns je zeigen könnte.

Das ist natürlich nicht das Ende der Entwicklung und ich kann verstehen, wenn man nicht alle Pfade inhaltlich nachvollziehen kann und möchte, aber die Beschäftigung mehrt das Verstehen, auch wenn man vielleicht noch immer seine Präferenzen aus Gewohnheit und Neigung hat. Wenn man Kreuzkümmel und Korianderblatt für sich entdeckt hat, kann man noch immer Bratkartoffeln lieben, das Spektrum ist einfach nur breiter geworden.

Künstler lehren uns im besten Fall die Welt mit anderen Augen zu sehen, dennoch braucht man seine „Heimat“ nicht zu verlassen.
Es ist doch schön zu lernen, sich da zu verhalten. Der Ignorante kennt nichts, zu dem er sich verhalten müsste. Auch die Leute, die ohne Sinn und Verstand, sich damit betrügen lassen immer das Beste zu bekommen, sind ja arm dran. Sie sind fortwährend damit beschäftigt sich selbst belügen zu müssen, wenn sie irgendwie merken, dass „immer das Beste“ sie irgendwie nicht so richtig zu befriedigen vermag, aber nicht wissen, woran das eigentlich liegt.

Wo der Ignorant seine Enge erst gar nicht verlässt, traut sich der Anfänger oft nicht, ein eigenes Urteil zu fällen. Es ist dann schon okay, anzuerkennen, dass man Bratkartoffeln im Grunde viel lieber mag, als Kaviar und der noch teurere, edlere Kaviar auch keine Erweckung sein wird.

Aber gerade das ist eine Stärke der konservativen Grundgesinnung, sich zur „Heimat“ im erweiterten Sinne, zu dem was man mag, zu bekennen, es sich zu gönnen und von dort aus die Ausflüge zu starten. Der eine kommt weiter, der andere eben nicht, was soll's, Hauptsache es passt und natürlich sind die Temperamente verschieden.
Mit dieser Haltung kann Kunst zur Bereicherung werden, wächst die Neugierde auf anderes, die interessiert und nicht anbiedernd oder snobistisch gefärbt ist.

Und selbst wenn man kein Künstler im Sinne der schicksalhaften Vorwegnahme ist, kann man von Kunst in diesem Sinne profitieren, als Betrachter, Zuhörer, Leser und auch als fröhlicher Dilettant, der sein Inneres kreativ auszudrücken vermag. In Kontakt mit Welt zu kommen, macht das eigene Erleben reicher.

Analoges, um den Bogen zurück zu schlagen, gilt m.E. für die Religion. Es wertet die Religion ja nicht auf, wenn man sagt, sie sei ein prima Markt, sondern im Herzen des Christentums steht ja auch so ein Akt, wie die Tempelreinigung. Selbst der schwer zu bestreitende gesellschaftliche Nutzen, im Sinne der Ordnung und Führbarkeit der Menschen ist das falsche Argument, denn auch hier geht es um eine innere Haltung.
Und auch der Wissenschaftler mit Herzblut widmet sein Leben nicht zwingend einem engsten Teilgebiet der Welt, nur um damit Kohle zu machen, selbst wenn auch hier die Einflüsse der Wirtschaft voranschreiten.
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Re: Religionsunterricht

Beitragvon stine » So 23. Jun 2013, 10:29

@Vollbreit: Du hast ja recht, was deine Beschreibung der Kunst betrifft. Aber niemand, der nicht Kunst studiert hätte, könnte ein Bild wie den Munchschen Schrei so veröffentlichen, dass man es "gut" heißen würde.
Künstler ist eben nicht nur Begabung, sondern vor allem auch Beruf!

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Re: Religionsunterricht

Beitragvon Vollbreit » So 23. Jun 2013, 12:39

Wieso denn das?
Technisch ist das doch nicht übermäßig schwer.
Ich bin recht überzeugt, dass man bereits bei beliebigen Zehntklässlern brauchbare Resultate herauskommen würden

Aber darüber hinaus war mein eigentliches Thema die Kunst, die Religion oder auch Dein Thema, Familie(npolitik) nicht ständig unter vorherrschend unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit abzuhandeln.

Wir haben doch gerade in den vergangenen Jahrzehnten lernen müssen, dass es bestimmte Dinge gibt, die inmitten des Wohlstandes wirklich schlechter geworden sind.
Da kann die Dauerausrede bringt/kostet Arbeitstsplätze doch nicht mit Scheuklappen durchgezogen werden, siehe dazu auch Zappa: viewtopic.php?f=29&t=4342
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