(Geld-)Systemkrise

Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Kurt » Sa 30. Apr 2011, 09:18

mat-in hat geschrieben:Es geht ja nicht darum selbst einen Kredit aufzunehmen und damit die Welt in den Abgrund zu reißen... es geht darum, das Leute aus Geld noch mehr Geld machen, ohne das arbeit passiet.


Das ist das Grundproblem. Diese Fehlentwicklung wird z.B. auch dadurch angeschoben, dass Banken mehr Geld verleihen dürfen, als sie selber haben, Stichwort Kernkapitalquote von 10%. Das müsste gesetzlich nach oben reguliert werden, vllt erstmal auf 20%. Dann wäre auch das Risiko für die Gesellschaft geringer, wenn ne Bank sich verspekuliert.

mat-in hat geschrieben:Da werden gut laufende Unternehmen gekauft, dann Forschung zusammengestrichen, weil die ja niemandem nutzt und nur Geld kostet, dann der Kundendienst reduziert und in der Produktion wird mal eben ohne Inflationsausgleich Produziert wenn man keine Kündigung möchte. Da hat man dann 2-3 Jahre ein Spiztenunternehmen was den Gewinn angeht und im 4. Jahr keine innovativen Produkte mehr und nur noch unzufriedene Kunden. Die reste dieses Scherbenhaufens werden dann verkauft und man sucht sich das nächste unternehmen.


Jetzt schießt du aber ein bisschen übers Ziel hinaus. Wer auf diese Weise Unternehmen herunterwirtschaftet, wird damit nichts verdienen. Richtig macht mans umgekehrt. Man sucht sich einen Rohdiamanten, der (noch) unrentabel arbeitet, installiert einen guten Innovationsprozess, eine Wachstumskultur und bringt das Unternehmen in einen Zustand, dass Gewinne und Umsatz wachsen können. Dann kann man die Kiste weiterverkaufen. Da "passiert" auch Arbeit, im Gegensatz zum Kauf von Staatsanleihen oder Gold.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Kurt » Sa 30. Apr 2011, 09:22

musicman hat geschrieben:Ich sehe das auch nicht negativ, Staaten wie Griechenland hätten mit einer Nationalwährung wieder ein Instument in der Hand, ihre Einkommensituation aktiv zu verbessern durch günstigere Exporte und könnten Anreize schaffen im Land zu investieren. Alleine im Tourismus, eine der Haupteinnahmequellen des Landes könnten enorme Summen ins Land gezogen werden, die Leute werden wieder dort urlauben, wo die Währung günstig für sie steht


Es gibt auch innerhalb des Euroraums große Unterschiede beim Preisniveau, da brauchen die Griechen nicht (unbedingt) ihre eigene Währung. Es wird aber wohl nicht ausbleiben, dass in Griechenland die Preise purzeln und sich die Griechen beim Lebensstandard eine Etage tiefer einordnen müssen.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Kurt » Sa 30. Apr 2011, 09:27

musicman hat geschrieben: ab einem gewissen Einkommen enscheidest du, wo du deine Steuern zahlen willst, es bleibt nur die Mitte.


Ich behaupte, das trifft für 99% der Gutverdiener nicht zu. Das restliche Prozent sind Formel-1-Fahrer, Tennsispieler usw., die überall in der Welt unterwegs sind und nirgends daheim. Die übrigen wohnen und arbeiten in Deutschland und können auch nur hier ihr hohes Einkommen erzielen.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon mat-in » Sa 30. Apr 2011, 12:14

Kurt hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Da werden gut laufende Unternehmen gekauft, dann Forschung zusammengestrichen, ... und man sucht sich das nächste unternehmen.
Wer auf diese Weise Unternehmen herunterwirtschaftet, wird damit nichts verdienen.

Ich habe unternehmen mit ansehen können, kenne Angestellte aus Unternehmen in denen genau das passiert ist. Die mußten alle nach 3-5 Jahren dicht machen oder wurden als Rest irgend wo hin verscherbelt. Natürlich sehen langfristige Investitionen anders aus, aber schnelles Geld ist so zu machen und es wird leider auch so gemacht.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » So 1. Mai 2011, 23:17

musicman hat geschrieben:Ich will jetzt nicht ein Jammerlied anstimmen, aber die Stoßrichtung ist eindeutig, es findet in D eine Verteilung von Oben nach Unten statt (ich weiß die linke Doktrin besagt es anders) oder genau genommen von der Mitte nach unten, weil die oben ihr Geld in Sicherheit haben.


Nein, die (ständig zunehmende) Umverteilung von unten nach oben besagt nicht eine "linke Doktrin", sondern das statistische Bundesamt: http://www.bpb.de/files/JYRIHO.pdf (Zusammenfassung auf den letzten Seiten). 10% der erwachsenen Bevölkerung halten mittlerweile über 61% des Gesamtvermögens! In "echt" dürfte diese Quote aber noch weitaus höher liegen, da selbst lt destatis, die "Auskunftsbereitschaft der Vermögenden" regelmäßig in dem Maße abnimmt, je vermögender sie sind.... Bei den Statistiken sind also nur die angegeben Vermögen erfasst. (und wer nichts hat, kann naturgemäß wenig verschleiern).

Weitere interessante Zahlen hier: http://www.meudalismus.dr-wo.de/html/meudalismus.htm

Die von Dir angesprochene "gefühlte Umverteilung von oben nach unten" liegt wohl eher an der überproportional erfolgreichen 'medialen Präsenz' der oberen 10%, die es geschickt verstehen, die Umverteilung des (Sozial-)Staates von oben nach unten in den Vordergrund zu rücken, anstatt die 'Geldsystem immanente (und stärkere) Verteilung von unten nach oben., von der sie fortdauernd selbst profitieren. Das Wichtigste bei beiden Formen der Umverteilung: Die Verteilung erfolgt stets zu Lasten der Leister zu Gunsten der Nicht-Leistern.

Zudem gibt es viele gemeinsame Interessen, zwischen den "Herren des Finanzwesens", linken Intellektuellen und dem von Linkspopulisten aufgehetzten Mob. Als aktuelles Beispiel kann mal wieder der SPD-Maschmeyer-Skandal angeführt werden. Wobei es tatsächlich nicht (nur) um eine "lapidare Parteispende" geht, sondern darum, dass der mehr oder weniger gut funktionierende Generationenvertrag bei der Rente von Finanzinteressen und Sozis nach Strich und Faden regelrecht "verraten" wurde. Beide machen dabei Profit: Maschmeyer, indem er Gelder, die für die Rente bestimmt waren auf den interntaionalen Finanzmärkten verzockt hat - nicht ohne sich 'vorher' Boni zu genehmigen und die Internationalsozialisten, die sich als "gute Menschen" fühlen dürfen, da sie die 'Leister', diesem Pyramidenspiel mehr oder weniger zwangsweise zugeführt hat.- ALLE sind bei einem Schneeballsystem 'scheinbar reich'. - Nicht diejenigen sind "die Bösen", die dises Spiel in der Vergangenheit initiiert haben, sondern diejenigen, die dieses Spiel nicht merh mitmachen wollen, und aktuell aussteigen (d.h. ihr Vermögen "sehen wollen")


musicman hat geschrieben:Einerseits dünnt man die Mittelschicht aus, andererseits baut man hohe Hürden auf für Zuwanderer dieser Schicht, wäre man bösartig könnte man sagen, die Sozis holen sich lieber die ins Land die sie später auch wählen, langfristig kann das aber unschöne Folgen haben.
Ok war jetzt OT kann aber auch zur Systemkrise führen.

.. uups - machst Du hier "den Sarrazin"? ;-) Hast aber imho wohl recht. Es kann doch keine Lösung, sein, dass wir den "Entwicklungsländern" die Fachkräfte 'wegkaufen', die sie selbst unter hohem Aufwand ausgebildet haben!? Anstatt der unsäglichen "Zuwanderungsdebatte" solle man vlt. auch mal seinen Blick darauf werfen, wieviele hochbebildete Fachkräfte aus Deutschland auswandern - und warum!? Die Beantwortung dieser Frage bringt wohl keine Wähler für die "fünf Blockparteien" im Bundestag - und deswegen wird sie auch nicht gestellt.

Nanna hat geschrieben:- Gesetzt den Fall, dass eine Umverteilung stattfindet, impliziert dies, dass diese verwerflich sein muss? Impliziert dies, dass es überhaupt ungünstig sein muss? Die skandinavischen Länder, beliebte Einwanderungsländer nicht nur für Habenichtse aus Kenia, verteilen noch viel brutaler um und haben damit offensichtlich Erfolg oder zumindest keinen sichtbaren Misserfolg.

Na - ich weis nicht. Das klingt für micht nicht sehr aktuell. Abgesehen davon, das ich aus Schweden auch schon mal was gegenteiliges gehölrt habe, haben die "wahren Finnen" ganz schön Zulauf und in Dänemark wird offen gefragt: [urlhttp://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,759463,00.html]"Was kostet uns ein Ausländer"[/url]


Nanna hat geschrieben:Um diesen Misstand zu beheben muss Umverteilung von Oben nach Unten stattfinden, aber man könnte natürlich mal darüber reden, ob man dies unter Auslassung der Mitte tun könnte.

Genau... an diesem Punkt kochen Finanzadel und die Linke ihr gemeinsames Süppchen, das dann der Rest (die "Leister" in unserer Gesellschaft) auslöffeln dürfen: "Die Umverteilung muss von der Politik genau geregelt und darf nicht dem Markt überlassen werden". Nicht umsonst hat die Umverteilung von unten nach oben unter der rot-grünen Regierung an Dynamik gewonnen. (entgegen der geballten "gut-menschlichen Absicht").

musicman hat geschrieben:Eine Verteilung von oben nach unten unter Umgehung der Mitte wird schwierig sein, ab einem gewissen Einkommen enscheidest du, wo du deine Steuern zahlen willst, es bleibt nur die Mitte. Ideal wäre es die Unterschicht in die Mitte zu hieven, ich habe aber meine Zweifel, dass die Umstände alleine entscheidend sind, ich hätte es auch gerne so, mußte aber leider konstatieren, dass es sehr oft anders ist.


Eine Umverteilung von den Nichtleistern zu den Leistern wäre ganz einfach möglich. Zur Hofübergabe im landwirtschaftlichen Bereich gibt es einen sinnigen Spruch (ich glaube schwedischen Ursprungs) , der auch heute noch in so manchem "konservativ geprägten Haushalt" hängt: "Was Du ererbt von Deinen Vätern - erwirb es um es zu besitzen"... Was heißt: Ein Erbe ist ein Geschenk, das eine Aufforderung mit sich bringt, die Leistung einzubringen, die ich bereits durch das Erbe erhalten habe. Bei einem großen Vermögen, dürfte das für den Erben äußerst schwer sein. (Ich kann mir nicht vorstellen, das der Sohn/die Tochter z.B. von Bill Gates soviel Leistung erbringen kann, um das Vermögen zu erwerben.)

Wieso macht man also nicht das, was man früher (zur bürgerlichen Revolution) auch mit Königen, Fürsten und Junkern gemacht hat: Das ererbte Vermögen von Fürsten(söhnen) , das weniger durch 'Raubritterei' zu Stande gekommen ist, wurde Gemeineigentum - und denjenigen zur Verfügung gestellt, die damit was anfangen konnten (aus Leibeigenen der Fürsten wurden freie Bauern, die für eigene Rechnung wirtschafteten)
---> ergo: Schafft nicht die Erbschaftssteuer ab (diese Bestrebungen Richtung neo-Feudalismus gibt es ja leider), sondern macht das Gegenteil, indem ihr das Erbe denjenigen gebt, die es 'erwerben wollen, um es zu besitzen'!

Kurt hat geschrieben:Jetzt schießt du aber ein bisschen übers Ziel hinaus. Wer auf diese Weise Unternehmen herunterwirtschaftet, wird damit nichts verdienen. Richtig macht mans umgekehrt. Man sucht sich einen Rohdiamanten, der (noch) unrentabel arbeitet, installiert einen guten Innovationsprozess, eine Wachstumskultur und bringt das Unternehmen in einen Zustand, dass Gewinne und Umsatz wachsen können. Dann kann man die Kiste weiterverkaufen. Da "passiert" auch Arbeit, im Gegensatz zum Kauf von Staatsanleihen oder Gold.

Sorry, Du siehst es imho etwas "reichlich weltfremd". So wie du es beschreibst, - so 'sollte es sein' - nach der betriebwirtschaftlichen Lehre. - Ist es aber regelmäßig nicht (mehr). Was heute für einen Finanzinvestor zählt ist nur das 'schnelle' Geld und nicht das organsiche Wachstum (wie bei einem Familienunternehmen). Leider werden Familienunternehmen aus verrschiedenen Gründen aber regelmäßig von solchen Finanzinvestoren aufgekauft, die niemand anderem Rechenschaft schuldig sind als den Renditeerwartungen ihrer Klientel und Kapitalgeber. Und unser Staat hilft auch noch dazu, da er solche Übernahmen und 'Ausschlachtung der in jahrzehnten aufgebauten Reserven' steuerlich begünstigt.

Die Geschichte der Fa. Hans Grohe löste nicht umsonst die "Heuschreckendebatte" aus: http://www.tagesspiegel.de/zeitung/heus ... 13454.html

Kurt hat geschrieben:Es gibt auch innerhalb des Euroraums große Unterschiede beim Preisniveau, da brauchen die Griechen nicht (unbedingt) ihre eigene Währung. Es wird aber wohl nicht ausbleiben, dass in Griechenland die Preise purzeln und sich die Griechen beim Lebensstandard eine Etage tiefer einordnen müssen.


Das wäre das erste mal, das durch bloses wünschen "Preise purzeln" -lol- (und das die GR auf Deinen blosen Rat hin, sich "tiefer einordnen" werden, halte ich für einen -bedenklich- frommen Wunsch..)

Mal eine Umfrage. Da es sich bei 'Bier' um einen "Stoff" handelt, der in ganz Europa aus den gleichen (einfachen und jederzeit verfügbaren) Grundbestandteilen zusammengesetzt ist, kann er als guter Vergleichsmaßstab für das allgemeine Preisniveau herhalten.

Daher: was kostet bei euch 'die Halbe' in der Gastwirtschaft? (und zweite Frage: Warum gibt es diese Preisunterschiede in einem einheitlichen Währungsraum, - woran liegt es)

Ich fang an und lege imho schon mal eine "Benchmark", die nach meiner "einschlägigen Erfahrung als Pilsliebhaber" nur schwer zu toppen sein dürfte.
Ganz in meiner Nähe die 1/2 für 1,90€ hier
- und eine Ortschaft weiter für 1,80€ hier
(und das sind in mindestens 30 km Umkreis keine Ausnahmen! - aber nur Richtung Süden. Für die "Schnitzel" und "Schäufelepreise" gilt ähnliches)
..Prost
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Nanna » Mo 2. Mai 2011, 00:32

Gandalf hat geschrieben:Zur Hofübergabe im landwirtschaftlichen Bereich gibt es einen sinnigen Spruch (ich glaube schwedischen Ursprungs) , der auch heute noch in so manchem "konservativ geprägten Haushalt" hängt: "Was Du ererbt von Deinen Vätern - erwirb es um es zu besitzen"... Was heißt: Ein Erbe ist ein Geschenk, das eine Aufforderung mit sich bringt, die Leistung einzubringen, die ich bereits durch das Erbe erhalten habe. Bei einem großen Vermögen, dürfte das für den Erben äußerst schwer sein. (Ich kann mir nicht vorstellen, das der Sohn/die Tochter z.B. von Bill Gates soviel Leistung erbringen kann, um das Vermögen zu erwerben.)

Da scheint unter der Oberfläche des knallharten Aufklärers mal wieder der sozialromantische Idealist durch, der du nicht sein willst und dem du doch nicht entkommst. ;-)

Was ich aber eigentlich sagen wollte: Goethe, Faust I, nicht Schweden.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon musicman » Mo 2. Mai 2011, 08:40

Nanna hat geschrieben:Was ich aber eigentlich sagen wollte: Goethe, Faust I, nicht Schweden.


Jetzt warst Du schneller als ich, :wink: der Grundgedanke dahinter ist mE auch vernünftig, aber jetzt kommt zum tragen was ich mit dem Problem der von mir viel zitierten Mitte meine, möchte nun aber auch einmal diese Mitte definieren.
Was ich meine ist nicht eine imaginäre Gruppe, die ausserhalb der Statistik verschwindend gering ist, sondern konkret Personen die egal ob angestellt oder selbstständig, auf ein Brutto von ca.2300-3500/pM kommen.
Das sind die Leute, die mir mehrheitlich auf der Straße begegnen und die werden schrittweise geschröpft. Einkommensmäßig sind die in der Statistik vielleicht nicht die Mitte sonder darunter, aber ich nenne sie so im Hinblick auf ihre Funktion als Bindeglieder in einer Kette die wir Gesellschaft nennen. Diese Leute findet man in Vereinen, Parteien, Kirchengemeinden, Gewerkschaften ect. Wenn die mehr und mehr den Eindruck bekommen, daß ihr Engagement nicht wertgeschätzt wird, sondern ihr finanzieller Spielraum, der so groß nicht ist immer mehr eingeschränkt wird, dann haben die irgendwann die Schn... voll und sagen sich, mach ich doch gleich auf Harzer oder aber sie wandern aus, pA momentan ca.100.000 offiziell, geschätzt bis zu 250.000 (Quelle Wikipedia)
Die werden andererseits aber nicht adäquat aufgefüllt, es hat sich langsam auch bei unseren Nachbarn herungesprochen, dass die goldenen Zeiten bei uns vorbei sind für diese Gruppe. Wer auf die polnischen Facharbeiter hofft, könnte eine derbe Enttäuschung erleben, die sind schon in GB, Skandinavien und sonst wo, die späte Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für dies Gruppe könnste sich somit als Rohrkrepierer erweisen.
Wenn sich die Politik nicht endlich für verbindliche Mindestlöhne (ich war bis vor nicht allzu langer Zeit ein Gegner) auf einem Niveau entscheidet, mit dem man von seiner Arbeit ohne staatliche Zuschüsse leben kann, verkommt D zum Billiglohnland. Es kann nicht sein, dass der Billigste auf dem Arbeitsmarkt gewinnt, am Ende dieser Entwicklung stünde die Kinderarbeit.
Was bestimmte Interessengruppen, vertreten durch FDP und Konsorten hier einzufädeln versuchen, sehe ich als Anschlag auf unsere Gesellschaftsordnung, in Ihrer Auswirkung und Dimension durchaus zu vergleichen mit den Anschlägen der RAF - mit anderen Mitteln und ich frage mich wie lange sich die Leute noch wehrlos wie ein Schwein in den Schlachthof führen lassen.
Ich frage mich auch, warum nicht endlich richtig Geld in die Hand genommen wird, um Zuwanderer zu integrieren und für die Ausbildung deren Kinder Sorge getragen wird, was momentan passiert ist lediglich ein rumgeflicke, dabei wäre man genau auf die Leute angewiesen. Manchmal habe ich den Eindruck es besteht von welcher Seite auch immer Interesse daran, D zu einem Land des Subproletariats vekommen zu lassen.

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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Mo 2. Mai 2011, 19:41

Nanna hat geschrieben:Da scheint unter der Oberfläche des knallharten Aufklärers mal wieder der sozialromantische Idealist durch, der du nicht sein willst und dem du doch nicht entkommst. ;-).


Mist, - jetzt hast Du mich doch erwischt... :kg:

Nanna hat geschrieben:Was ich aber eigentlich sagen wollte: Goethe, Faust I, nicht Schweden.

.. das letzte Staffelberger, war dann wohl doch eines zuviel :coffee3:
(grummelgrummel)

musicman hat geschrieben:Ich frage mich auch, warum nicht endlich richtig Geld in die Hand genommen wird, um Zuwanderer zu integrieren und für die Ausbildung deren Kinder Sorge getragen wird, was momentan passiert ist lediglich ein rumgeflicke, dabei wäre man genau auf die Leute angewiesen. Manchmal habe ich den Eindruck es besteht von welcher Seite auch immer Interesse daran, D zu einem Land des Subproletariats vekommen zu lassen.


Willkommen in der Welt der Verschwörungstheorien
:pssst:
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon musicman » Di 3. Mai 2011, 19:00

Gandalf hat geschrieben:Willkommen in der Welt der Verschwörungstheorien
:pssst:


Dafür braucht es keine Verschwörungstheorie das ist offensichtlich, es gibt Strömungen in der Wirtschaft, die wollen die Reste der Sozialen Marktwirtschaft schleifen und Typen wie Naujocks sind ihre Nutten. Ich bin übrigens mit dieser Ansicht nicht alleine sondern in guter Gesellschaft konservativer Politiker wie Blüm und Geissler.

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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Nanna » Mi 4. Mai 2011, 23:43

Ich kann mir vorstellen, dass euch dieser Artikel aus der FAZ interessieren könnte: http://www.faz.net/s/RubCEB3712D41B64C3 ... ntent.html

Im Verlaufe des Artikels kommt die Rede auch auf die Kluft zwischen den Superreichen und den Armen und die systemischen Probleme der effizienzanbetenden Wirtschaftsform, die immer mehr am Rand des gerade noch Machbaren agiert, aber kaum Reserven mehr für Krisen hat und deshalb konsequent kollapsgefährdet ist, was die Herrschenden auch wissen, aber aus Eigeninteresse und einem Mangel an aufrechter Entschlossenheit auch nicht ändern wollen/können/werden.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Fr 6. Mai 2011, 18:02

Nanna hat geschrieben:Im Verlaufe des Artikels kommt die Rede auch auf die Kluft zwischen den Superreichen und den Armen und die systemischen Probleme der effizienzanbetenden Wirtschaftsform, die immer mehr am Rand des gerade noch Machbaren agiert, aber kaum Reserven mehr für Krisen hat und deshalb konsequent kollapsgefährdet ist, was die Herrschenden auch wissen, aber aus Eigeninteresse und einem Mangel an aufrechter Entschlossenheit auch nicht ändern wollen/können/werden.


Danke für den link.

Es scheint mir ein grundlegendes Prinzip (der Kypernetik?) zu sein: Ein maiximal auf Effizienz getrimmtes System kann nicht fehlertolerant sein. Ein Fehlertolerantes (also stabiles) System ist nie maximal effizient.

Ich betrachte dies daher als weiters Argument dafür, das (auf finanzwirtschaftliche Effizienz basierende) Geldsystem den Plutokraten (wieder) zu entreißen und unter demokratische Kontrolle - der Bürger/n - (mit all seinen möglichen Fehlern) zu stellen.

Übrigens: Griechenland tritt möglicherweise schon bald aus der Euro-Zone aus: http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 36,00.html

Richtig clever dieses Völkchen. Wesentlich cleverer als der Michel und seine großmannssüchtigen Politiker. Erst hatten sie sich mit Hilfe des designierten EZB-Präsidenten (und ehmelaigen GS-Banker) hineingemogelt - und jetzt kommen sie mit ein paar (deutschen) Steuemilliarden fein raus ;-)
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon musicman » Sa 7. Mai 2011, 22:08

Nanna hat geschrieben:Ich kann mir vorstellen, dass euch dieser Artikel aus der FAZ interessieren könnte: http://www.faz.net/s/RubCEB3712D41B64C3 ... ntent.html


Danke, ein sehr interessanter Artikel in dem ebenfalls thematisiert wird, was ich weiter oben schon angesprochen habe, das Ausdünnen der Mittelschicht durch Vernichtung der entprechenden Jobs, was zu einer totalen Veränderung unserer Gesellschaft führen wird. Wie ich schon sagte, betrachte ich das als Anschlag einer Gang im Nadelstreifen auf unsere Gesellschaftsordnung, der wie auch im Artikel beschrieben eine Aufkündigung des Sozialvertrages zwischen AG und AN zur Folge haben wird. Bezeichnenderweise sind es konservative Politiker wie Blüm und Geissler die sich dagegen auflehen, ich habe mir Schriften von ihnen angeschaut, die sie vor ca 25 Jahren formulierten und interessanterweise sind nicht sie es, die ihre Position grundlegend verändert haben, sondern es ist in der Tat so, dass soziale Standarts und Übereinkünfte geschleift werden sollen, die Grundlagen unseres Systems sind.
ME liegt dem entweder eine pathologische Struktur führender Persönlichkeiten zu Grunde, oder wir sind schon ein Stück weiter auf dem im Artikel beschriebenen Weg und die ganze Sache hat eine Eigendynamik erreicht, die ein Gegenlenken schier unmöglich macht. Ein Kollaps wäre dann wie beschrieben nur eine Frage der Zeit.

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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Fr 20. Mai 2011, 18:39

Man kann nicht ewig Politk 'gegen die Menschen' machen.

Das (dicke) Ende für die "EUliten" rückt immer näher: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 23,00.html
"Sie nennen es Demokratie, aber es ist keine", skandierten die Demonstranten in Madrid.


"Der Westen" hat schon länger ein Problem. Es wird langsam Zeit sich zu entscheiden:
-für (direkte) Demokratie und (Vertrags-)Freiheit
oder
- für die chinesische Lösung: Ein (sozialistisches) Zentralkomitee , das unaufhörliche Wirtschaftswunder mittels Propaganda produziert und gleichzeitig - zum Wohle der Gesllschaft - für Ruhe im Karton sorgt.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Nanna » Fr 20. Mai 2011, 23:45

Das ist doch Quatsch, bastel dir dich nicht immer solche Dichotomien. Weder gibt es einen ausschließlichen Gegensatz zwischen dem freiheitsheischenden Volk und den herrschaftssüchtigen EU-Bürokraten, noch zwischen Radikaldemokratie und Marktleninismus. Diese jeweiligen Paare sind nichtmal echte (konträre) Gegensätze, sondern subjektive Antagonismen und es gibt jede Menge denkbare wie auch real mögliche sonstige Spieler (im Falle Volk vs. Eliten) bzw. Systemalternativen (im Falle Demokratie vs. Leninismus).

Ich habe dir schonmal gesagt, ich halte einen Teil deiner ökonomischen Expertise für möglich und bedenkenswert, aber ich habe auch das Gefühl, dass du manchmal bestimmte Entwicklungen einfach gerne sehen möchtest. Alles, was wir in Madrid und anderen spanischen Städten haben, ist ein Teil der Bevölkerung, der handfeste Eigeninteressen hat und diese versucht durchzusetzen - das ist Demokratie, ja, aber deshalb noch lange nicht repräsentativ für die Meinung und/oder substantiellen Interessen des gesamten Volkes (ich bin sowieso kein Freund von Theorien, die irgendeine Art von Volkswillen beinhalten, soetwas gibt es schlichtweg nicht. Demokratie ist immer und ausschließlich eine endlose Aneinanderreihung von Verhandlungen, Kompromissen und enttäuschten Hoffnungen für Personen und Gruppen, es gibt schlichtweg kein "ich/wir gegen die da oben", es gibt nur ein "ich/wir gegen die anderen" und dabei bastelt sich jede gesellschaftliche Gruppe ihr eigenes heroisches Narrativ zusammen wie es ihr gerade passt, egal ob die Manager sich einreden, dass sie für das Tragen von Verantwortung hoch bezahlt werden oder ob Sozialhilfeempfänger ihre Hilfsbedürftigkeit mit kapitalistischer Ausbeutung begründen - was nicht ausschließt, dass solche Begründungen auch Wahrheit enthalten können.).
Mag sein, dass es viele Menschen sind, aber bis ein Herrschaftssystem tatsächlich in seinen Grundfesten gefährdet ist, braucht es viel viel mehr als ein paar Leute, die mit vergleichsweisen Detailfragen unzufrieden sind. Ein echter Volksaufstand gegen ein undemokratisches System ist das nicht und wird es auch nicht werden. Die Leute haben Angst vor der Krise, das ist alles. Ähnliche Slogans hört man in Deutschland auf Demonstrationen seit Jahrzehnten, nichts davon hat die Demokratie hierzulande bislang ernsthaft gefährdet.

Ich halte übrigens auch nichts von der Forderung nach umfassender direkter Demokratie, ich halte die meisten Menschen für - ganz offen - schlichtweg zu beschränkt (in intellektueller, kognitiver und auch zeittechnischer Hinsicht), als dass sie Weltpolitik per Mehrheitsbeschluss machen könnten. Detailfragen sollen Volksvertreter lösen, die in kleiner, fachlich versierter Runde effektiv Themen bearbeiten können, keine Volksmassen, die für private Propaganda, Demagogie und Polemik genauso anfällig ist wie für die von Staatsvertretern, nur dass diese wesentlich mehr Angst vor dummen Entscheidungen haben müssen, als das Volk. Man kann einen Minister für schlechte Entscheidungen feuern, ein ganzes Volk nicht. Das Volk sollte ein Korrektiv sein, kein direkter Entscheider, außer vielleicht in lokalen und regionalen Fragen, wo die Leute tatsächlich Entscheidungen über ihr unmittelbares Habitat treffen und nicht nur von Boulevardblättern über ferne Entwicklungen unterrichtet werden (solchen Schund lesen nämlich die meisten Leute, nicht ökonomische Fachbücher so wie du vielleicht).

Glaubst du wirklich, dass ein Zerbrechen der EU ein Ende der Eliten bedeutet? Eliten überleben meist so ziemlich alles, selten und nur nach blutigsten Revolutionen werden ganze Eliten ausgetauscht. Die Eliten in Deutschland haben mehrere Systemwechsel überlebt (außer der jüdische Teil), die im ehemaligen Ostblock haben die Wende überlebt, die Eliten in der arabischen Welt werden die Demokratie überleben und die chinesischen Kader werden auch in China nach einem Systemwechsel an der Macht bleiben. Auch wählen manche Völker in Europa aus freien Stücken die dümmsten Idioten auf der Wahlkarte, siehe Berlusconi in Italien, Wilders in den Niederlanden oder Jobbik in Ungarn. Die Heilserwartungen, die du an direkte Demokratie und Vertragsfreiheit richtest, ähneln in ihren Erlösungszuschreibungen denen, die man früher von Kommunisten und anderen Utopisten gehört hat, bis diese knallhart auf der Realität der Geschichte aufgeschlagen sind. Ich frage mich, wann solche Utopien endlich mal zugunsten pragmatischer Kompromisslösungen in den Wind geschossen werden.
Man kann nicht alles auf einmal haben, Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit, Wohlstand... man kann kein einfaches und zugleich gerechtes Wirtschaftssystem haben, keine Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit gleichzeitig, keine breite Partizipation und effektive Regierung gleichzeitig, keine Sicherheit vor Kriminalität und Terrorismus einerseits und ausufernde Rechte gegenüber Sicherheitskräften andererseits, man kann nicht Freizügigkeit und Schutz vor Überfremdung auf einmal haben undsoweiterundsofort. Freiheit erfordert Verantwortung, was Libertäre gerne verschweigen (vor allem warum sich Leute ohne Not freiwillig zurückhalten sollten, was in ökonomischen kulturellen Exzessen wie in den USA gipfelt), Wohlstand erfordert freiheitliches Wirtschaften, was die Kollektivisten gerne ignorieren (weil der Fokus auf das eigene Fortkommen in diesem Milieu nunmal verpönt ist). Zusammenleben erfordert Regeln die durchgesetzt werden müssen, was alle Utopisten gerne verdrängen, weil jeder so inbrünstig an sein Heilskonzept glaubt, dass er davon ausgeht, dass alle Menschen auf einmal wahre Anhänger des einen überlegenen Systems werden und die Konflikte der widersprüchlichen Realität sich über Nacht in Wohlgefallen auflösen. In Wahrheit gibt es immer verdammt viele Leute, die man in ein System zwingen muss, sei es durch direkte Unterdrückung oder indirekte Abhängigkeiten.
Unterliegende Machtstrukturen bleiben über sehr lange Zeiträume bestehen oder es bilden sich neue Strukturen von Dominanz und Abhängigkeit, weil die Realität nunmal hässlich war, ist und sein wird. Ich meine das nicht fatalistisch, ich stelle ein Faktum fest: es gibt immer Gewinner und Verlierer und Gewinner sind (annähernd) immer arrogant, kurzsichtig und unbescheiden und Verlierer (annähernd) immer schlechte Verlierer voller Neid, Missgunst und Abwälzung ihrer persönlichen Verantwortung für ihr Scheitern. Das alles heißt nicht, dass es nicht besser ginge, es ist nur sehr unwahrscheinlich, dass es perfektes System gesellschaftlicher Organisation gibt und noch viel viel unwahrscheinlicher, dass es demnächst hier eingeführt wird, am allerletzten nach einem spektakulären Systemcrash. Schon gar nicht ist dieses perfekte System direkte Demokratie plus Vertragsfreiheit, denn das hieße, dass ich keine theoretischen Einwände formulieren könnte, und glaub mir, meine Einwände würden selbst stichpunktartig Seiten füllen.

Ich halte dich für keineswegs derart naiv, aber ich habe das Gefühl, hier mal wieder ein paar revolutionsromantische Erwartungen dämpfen zu müssen. Geh nicht davon aus, dass die EU und das westliche Wirtschaftssystem kollabieren werden und danach wahlweise die Endzeit oder das Paradies der Vertragsfreiheit anbrechen werden. Die Wirtschaft crasht im schlimmsten Fall, es gibt ein paar Tote, das System justiert sich neu und das Spiel beginnt von vorn, so wie in den letzten 10000 Jahren der Zivilisation auch schon. Wenn wir richtig viel Glück haben kriegen wir eine demokratischere vereinte EU oder zumindest ein friedliches Europa kooperierender Nationalstaaten ohne EU (und ohne globale Relevanz) und so etwas in der Richtugn einer ökologisch vertretbaren Kreislaufwirtschaft - und wenn wir richtig Pech haben erledigt uns der Klimawandel sowieso lange bevor der dritte Weltkrieg ausbricht.
In keinem Fall sehe ich die bisherigen Eliten fallen, und sollte tatsächlich die direkte Demokratie kommen, dann wird eben das direkte Regieren genauso schmutzig, unfair, berechnend, egoistisch und fehlerhaft, wie das bisherige Lavieren der Volksvertreter - nur dass wir dann keine Ausrede für unsere menschliche Unzulänglichkeit mehr haben. Bei allem Verständnis über deine geistige Solidarität mit den Demonstranten in Madrid, vergiss bitte nicht, dass es "das Gute" weder in der Politik noch in der Wirtschaft gibt und dass kaum jemand ein ehrliches Interesse an einem wahrhaft fairen System hätte, selbst wenn dieses theoretisch denkbar wäre.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon musicman » Sa 21. Mai 2011, 20:20

Nanna hat geschrieben: Detailfragen sollen Volksvertreter lösen, die in kleiner, fachlich versierter Runde effektiv Themen bearbeiten können


So fachlich versiert scheint das nicht zu sein was sie erarbeiten, man denke an die EU Finanzpolitik, wo innerhalb von Stunden das Gegenteil von dem richtig war, was kurz zuvor als oberster Grundsatz galt. Man komme jetzt nicht mit notwendiger Reaktion auf unvorhersehbare Ereignisse, denn das waren sie nicht, das war genauso absehbar wie die Immobilienkrise, die selbst Laien wie ich am Horizont heranziehen sahen und entsprechend reagierten. Dein Argument verliert daher leider etwas an Substanz, wenngleich ich die Idee dahinter nicht schlecht finde.
Der Punkt war mE der, dass hätte man von Anfang an die Karten auf denTisch gelegt (man wusste im Detail um die finanzielle Situation der Wackelkandidaten), es eher unwahrscheilich gewesen wäre, die jetzigen Zahler ins Boot zu bekommen.
An diesem, nennen wir es mal Kunstgriff, um nicht einen Begriff zu verwenden der mit L beginnt, leidet nun die ganze Idee eines vereinten Europa, was an sich schade ist, denn der Kerngedanke ist gut. Das ganze Projekt leidet unter mangelnder Transparenz und das von Beginn an. Es wäre zielführender gewesen, nicht der monetären Einigung das Primat einzuräumen, sonder vielmehr eine Politik der Annäherung auf menschlicher und kultureller Ebene anzustreben.

Nanna hat geschrieben:
Man kann einen Minister für schlechte Entscheidungen feuern, ein ganzes Volk nicht.

Das wäre zumindest ein besserer Ansatz als ihn in Brüssel zu entsorgen.

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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Zappa » Sa 21. Mai 2011, 21:01

Nanna hat geschrieben:Freiheit erfordert Verantwortung, was Libertäre gerne verschweigen (vor allem warum sich Leute ohne Not freiwillig zurückhalten sollten, was in ökonomischen kulturellen Exzessen wie in den USA gipfelt), Wohlstand erfordert freiheitliches Wirtschaften, was die Kollektivisten gerne ignorieren (weil der Fokus auf das eigene Fortkommen in diesem Milieu nunmal verpönt ist). Zusammenleben erfordert Regeln die durchgesetzt werden müssen, was alle Utopisten gerne verdrängen ...


Da steckt viel Wahre drin und dann noch so fokussiert formuliert. Ich bin - ironiefrei - beeindruckt!
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Nanna » Sa 21. Mai 2011, 23:02

musicman hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: Detailfragen sollen Volksvertreter lösen, die in kleiner, fachlich versierter Runde effektiv Themen bearbeiten können


So fachlich versiert scheint das nicht zu sein was sie erarbeiten, man denke an die EU Finanzpolitik, wo innerhalb von Stunden das Gegenteil von dem richtig war, was kurz zuvor als oberster Grundsatz galt.

In dem Fall ist meiner Meinung nach die Ursache vor allem in den zahlreichen Konstruktionsfehlern der EU zu suchen. Ich habe im Studium nur randständig mit Europapolitik zu tun gehabt, aber genug, um mir darüber klar zu werden, dass die EU mit Abstand das komplexeste politische System des Planeten ist und ich meine das als Liebhaber des KISS-Prinzips ("keep it simple, stupid") nicht gerade als Lob. Ich glaube nicht, dass es nicht eine Menge Leute in Nationalregierungen und den EU-Direktionen gäbe, die durchaus sehr viel Ahnung davon haben, was zu tun wäre, aber das System ist derart unübersichtlich und von nationalen Eitelkeiten und Egoismen geprägt, dass es unheimlich kompliziert ist, dort bodenständige Politik zu machen. Krisenzeiten tendieren leider eher dazu, solche strukturellen Fehler zu potenzieren als zu verdecken.

Die Frage ist nur, ob mein Argument damit widerlegt werden kann. Ich behaupte mal, dass ein wohlgeformtes repräsentatives politisches System (also ganz sicher nicht die derzeitige EU) in einer Art benchmark-Test ein wohlgeformtes Rätesystem in Sachen Leistungsfähigkeit locker aussticht, weil basisdemokratische Systeme eine irre Reaktionszeit und eine üble Tendenz zum Konservatismus haben. Fortschritt ist meist ein Elitenprojekt und daran ist auch nichts falsch, es muss nur eine funktionierende Kommunikation zwischen den Schichten geben und da ist zwischen der EU und der Bevölkerung in den letzten Jahren gehörig die Bindung aufgegangen. Da schreien die Tatsachen nach mehr als oberflächlichen Reparaturen. Meine persönliche Vision wäre ein vereintes Europa mit einer EU-Regierung und einem EU-Parlament, die Außen-, Verteidigungs, Rahmenwirtschaftspolitik und alle sonstigen regionenübergreifenden Fragen lösen, wohingegen die Regionen und Kommunen basisdemokratischer als jetzt organisiert werden sollten und eigene Wege beschreiten dürfen sollten, zentral in Brüssel gesetzte Standards umzusetzen: das große Ganze repräsentativ und von Leuten mit genug Zeit und Expertise bearbeiten lassen, die konkrete vor-Ort-Politik dagegen kollektiv von denen bestimmen lassen, die tatsächlich dort mit den jeweiligen konkreten Beschlüssen leben müssen. Das hätte den Vorteil, dass die Repräsentanten, die den globalen Überblick haben, fortschrittliche Standards bestimmen könnten, die Bürger aber Handlungsfreiheit besäßen, die Vorgaben an die lokalen Gegebenheiten anzupassen (à la "Brüssel will, dass wir 20% Ökostrom in der Kommune beziehen, bauen wir ein Windrad, ein Wasserkraftwerk oder kaufen wir das Zeug vom nächsten Solarpark und teilen uns die Kosten für die Stromleitung mit der Nachbargemeinde?"). Es ist ja nicht nur wichtig für die Menschen, dass das System funktioniert, sondern dass auch der eigene Anteil und Einfluss sichtbar wird und von ihren lokalen Bedingungen verstehen die Anwohner eben meist doch mehr als von Wirtschaftskooperationen mit der Mongolei. Ich finde, das schlüge eine ganze Reihe von Fliegen mit einer Klappe.

musicman hat geschrieben:An diesem, nennen wir es mal Kunstgriff, um nicht einen Begriff zu verwenden der mit L beginnt, leidet nun die ganze Idee eines vereinten Europa, was an sich schade ist, denn der Kerngedanke ist gut. Das ganze Projekt leidet unter mangelnder Transparenz und das von Beginn an. Es wäre zielführender gewesen, nicht der monetären Einigung das Primat einzuräumen, sonder vielmehr eine Politik der Annäherung auf menschlicher und kultureller Ebene anzustreben.

Ich bin kein Verteidiger der jetzigen Organisationsform der EU, insofern gehe ich mal nicht im Detail darauf ein, was du sonst noch so über das Heraufziehen der Finanzkrise gesagt hast, weil ich da auch nichts zu widersprechen habe.

Die Einigung Europas ist ein altes Projekt, das nicht einem Masterplan folgend begonnen wurde. In den 1950ern hätte keiner für eine Art Vereinigte Staaten von Europa gestimmt, also hat man erstmal mit pragmatischer Zusammenarbeit angefangen, wo es harmlos aussah und auch eingefleischte Konservative den Nutzen erkennen konnten. Das hat einen Kreislauf in Gang gesetzt, der zu einer immer stärkeren Integration geführt hat (sagt zumindest die Theorie des Funktionalismus, eine der drei Großtheorien zur europäischen Integration). Man hat, teilweise bewusst, teilweise auch unbewusst, das geeinte Europa Schritt für Schritt durch die Hintertür eingeführt, ohne sich um den nächsten Schritt allzuviele Gedanken zu machen. Politik ist nunmal vor allem die Kunst des Möglichen.
Ich stimme dir zu, dass die EU dringenden Nachholbedarf hat, eine den ganzen Kontinent umfassende politische und kulturelle Vision zu finden, eine, die Europas Stärken eint und die kulturelle Vielfalt respektiert (daher meine Idee, die Leute lokal ihr eigenes Ding machen zu lassen, aber zentral zu regulierende Fragen endlich komplett an Brüssel zu übergeben, anstatt 27 kleinstaaterische Regierungsapparate, diplomatische Dienste, Armeen und egomanische Staatsoberhäupter zu finanzieren, die im Zweifel weniger die Zukunft der Union als den nächsten Wahlsieg vor Augen haben (was auf nationaler Ebene dank robusterer Verfassungssysteme noch eher funktioniert, die EU in ihrer Fragilität aber ungleich schneller in gefährliche Fahrwasser bringt)).

Zappa hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Freiheit erfordert Verantwortung, was Libertäre gerne verschweigen (vor allem warum sich Leute ohne Not freiwillig zurückhalten sollten, was in ökonomischen kulturellen Exzessen wie in den USA gipfelt), Wohlstand erfordert freiheitliches Wirtschaften, was die Kollektivisten gerne ignorieren (weil der Fokus auf das eigene Fortkommen in diesem Milieu nunmal verpönt ist). Zusammenleben erfordert Regeln die durchgesetzt werden müssen, was alle Utopisten gerne verdrängen ...


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Dankeschön! Ich habe einen gewissen Ehrgeiz, Dinge möglichst auf den Punkt zu bringen und ich freue mich immer sehr, wenn mir jemand sagt, dass es mir einmal gelungen ist.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon xander1 » Di 23. Aug 2011, 07:29

@Gandalf und CO:

Mich würde mal interessieren, was der Währungskritiker hier im Forum zum Konzept der Bitcoins meint, mal abgesehen von der aktuellen Umsetzung, die wohl noch nicht 100% fertig ist.
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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon stine » Di 23. Aug 2011, 08:07

Zappa hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: (...)

Da steckt viel Wahre drin und dann noch so fokussiert formuliert. Ich bin - ironiefrei - beeindruckt!
Mir geht das genauso. Ich finde Nannas Beiträge perfekt formuliert, inhaltlich stimmig und überzeugend.


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Re: (Geld-)Systemkrise

Beitragvon Gandalf » Di 23. Aug 2011, 22:28

Nanna hat geschrieben:Freiheit erfordert Verantwortung, was Libertäre gerne verschweigen (vor allem warum sich Leute ohne Not freiwillig zurückhalten sollten, was in ökonomischen kulturellen Exzessen wie in den USA gipfelt), Wohlstand erfordert freiheitliches Wirtschaften, was die Kollektivisten gerne ignorieren (weil der Fokus auf das eigene Fortkommen in diesem Milieu nunmal verpönt ist). Zusammenleben erfordert Regeln die durchgesetzt werden müssen, was alle Utopisten gerne verdrängen ...


So ein Unsinn!

Libertäre sind nicht gegen Regeln (im Gegenteil!), sie sind nur dagegen, das derjenige der die Regeln bestimmt, 'selbst Partei' ist!

So hat z.B. der Staat (im Prinzip) nichts in der Wirtschaft verloren, sondern bestimmt die 'Regeln des freien Wirtschaftens'! (Ordoliberalismus im Sinne von Ludwig Ehrhard)

So wie uns die Trennung von Kirche und Staat als selbstverständlich erscheint (und manchmal doch nicht ist), sollte es eine Trennung von Demokratie und Wirtschaft geben (und niemals eine 'Wirtschaftsregierung', wie jetzt von unseren "E(U)liten" angedacht)
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