ganimed hat geschrieben:dann können extremen Rachegelüste, die dem Lebenswillen eines einzelnen entgegen stehen, nicht entsprochen werden (a man's life is all he has - d.h. ich bewerte dieses Interesse weiter zu leben weit höher als das Racheinteresse
Der Begriff "exteme Rachegelüste" scheint mir hier doch ein wenig überzogen.
Ja, ich finde es extrem, jemandem das Recht auf sein Leben - ist nun mal die Grundvoraussetzung für alles weitere seiner Existenz - zugunsten eines leicht zurücksteckbaren Interesses absprechen zu wollen.
ganimed hat geschrieben:Wenn Stine, ich und viele andere Menschen in manchen Fällen eine Gewalttat als so schwer empfinden, dass uns lebenslange Haft nicht als adäquat, nicht als gerecht erscheint, dann ist das sicher kein billiger Racheinstinkt. Dann ist das ein Gerechtigkeitsempfinden.
Nun, aber es gibt nun mal die Einigung in unserer Gesellschaft, dass diesem Rachebedürfnis nicht entsprochen wird. Das ist eine Vereinbarung. Es mag ja auch Leute geben, die andere ("böse Menschen") über einen langen Zeitraum zu Tode quälen wollen. Auch diese Bedürfnisse müssen in unserer Gesellschaft zurückstecken. Egal, ob diese Leute meinen, das sei ein Gerechtigkeitsempfinden oder nicht.
ganimed hat geschrieben:Je schwerer die Tat desto schwerer die Strafe.
Es gibt notwendigerweise immer eine Obergrenze für Strafen. Aber keine Obergrenze für Schrecklichkeiten von Verbrechen.
ganimed hat geschrieben:Du bewertest das Leben des Delinquenten höher als dieses Gerechtigkeitsempfinden. Nichts dagegen einzuwenden. Aber es erscheint mir eben nur eine Bewertung zu sein. Ein Ausdruck der inneren Werte und ihrer Abwägung gegeneinander. Geschmacksnuance aber kein Grundsatz.
Doch, letztlich schon, letztlich beruht alles auf Vereinbarungen und die wiederum auf persönlichen Einstellungen und die wiederum auf Geschmacksnuancen.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Nö, die Gefahr ist nicht unvermeidbar, denn es ist ja nicht richtig, dass, wie Du zu behaupten scheinst, es keine Alternative zwischen Todesstrafe und (wieso eigentlich "vorzeitigen"?) Freilassen eines als sehr rückfallgefährdeten angesehenen Menschen gibt
Was ist mit dem Freilassen von nicht rückfallgefährdet angesehenen Menschen, die dann aber doch rückfällig werden?
Wenn man verschiedene Rechte abwägt, dann ist das nun mal unausweichlich und kann nicht vermieden werden, denn wir können nicht in die Zukunft schauen.
Bzw., naja, eine einzige Möglichkeit gibt es natürlich schon, dies zu vermeiden: man tötet einfach alle Menschen. Dann kann logischerweise kein Mensch mehr eine Straftat begehen.
ganimed hat geschrieben:Willst du wirklich behaupten, dass das Rechtssystem ohne die Todesstrafe sicher ist?
Ich meine, dass eine Gesellschaft ohne Todesstrafe zivilisierter, menschlicher, humaner ist als eine mit Todesstrafe. Und ich glaube nicht, dass mit Todesstrafe eine höhere Sicherheit gewonnen werden kann. Angeblich höhere Sicherheit kann also kein Grund pro Todesstrafe sein. Und absolute Sicherheit kann es in einem freiheitlichen Staat nicht geben, das liegt in der Natur der Sache.
ganimed hat geschrieben:Dass also keine unschuldig Verurteilten leiden und dass es keine entlassenen Exhäftlinge gibt, die wieder neue Gewalttaten begehen?
Nö, habe ich wohl auch kaum irgendwo mal so gesagt. Strohmann.
ganimed hat geschrieben:Wenn also im jetzigen System ebenfalls Unschuldige leiden und sterben, wieso sprechen die gleichen Übel dann plötzlich gegen die Todesstrafe? Mir scheint vielmehr, die genannten Nachteile sind eine inhäränte Eigenschaft jeglicher menschlicher, fehlerbehafteter Justiz.
Es wäre wirklich ganz wundervoll und herzig, wenn Du mein Argument mal zur Kenntnis nehmen könntest: wenn jemand hingerichtet wird, dann ist das vollkommen irreversibel. Wenn jemand zu lebensläglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt wird, dann wäre diese Maßnahme zumindest teilweise reversibel (bei neuer Erkenntnislage). Und das ist ein prinzipieller Unterschied, den Du nicht wegargumentieren kannst.
Letztlich ist es doch so, und da beißt die Maus keinen Faden ab: wer für Todesstrafe ist, sieht in Verbrechern Monster und keine Menschen mehr. Monster, die es einfach verdient haben, ihr Licht ausgeblasen zu bekommen. Weil sie böse sind. Und nicht zu bessern, weil in jeder Faser böse. Einmal böse, immer böse. Und das ist mE irgendwie eine religiöse Sichtweise und damit kann ich nun absolut gar nichts anfangen. Ist mir völlig fremd. Ich verstehe das einfach nicht.