Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Kurt » Do 17. Sep 2009, 22:55

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Im Moment hieße dies große Koalition und u.U. wäre Frau Merkel vielleicht sogar nicht so unlieb.


Es gibt im Moment kaum Zweifel, dass Merkel Kanzlerin bleiben wird, und das will sie natürlich mit einem möglichst schwachen Koalitionspartner, damit das eigene Gewicht höher ausfällt. Die SPD hat kaum eine Chance, ohne Schwarz in die Regierung zu kommen, da müsste schon mindestens eine 3er-Koalition her. Und selbst da sieht es nicht gut aus. Natürlich will man da das offensichtliche nicht aussprechen und hofft auf ein Wunder.

Richtig cool fände ich es, wenn es nichtmal in einer großen Koalition für eine Mehrheit reichen würde. Denkbar ist das. Wer für eine schwarz-gelbe Koalition ist, stimmt eher für gelb, damit es keine große Koalition wird. Wer rot-grün will, stimmt möglicherweise lieber für grün, aus demselben Grund. Gute Chancen, dass die "Großen" etwas schrumpfen. Die Piraten werden den "Protestparteien" Stimmen wegnehmen, die Linken der SPD.

Ich bin gespannt, was draus wird :-)
Kurt
 
Beiträge: 704
Registriert: Fr 19. Jan 2007, 16:55
Wohnort: Bayern

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon platon » Do 17. Sep 2009, 23:42

Nein, beide Links führen zur Bundeszentrale für politische Bildung BPB.
Benutzeravatar
platon
 
Beiträge: 1634
Registriert: Fr 10. Apr 2009, 21:49

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Fr 18. Sep 2009, 08:37

platon hat geschrieben:Nein, beide Links führen zur Bundeszentrale für politische Bildung BPB.

Du beziehst dich auf die erste Seite ganz unten vom 4.9.?
Ich tippe mal auf Ironie, der pfeifende Smilie riecht danach.
Benutzeravatar
1von6,5Milliarden
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 5236
Registriert: Sa 25. Nov 2006, 15:47
Wohnort: Paranoia

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon PW_ » Mo 21. Sep 2009, 00:37

Ich wähle die Piratenpartei.
Zwar ist mir der Punkt mit der Internet Überwachung im Moment noch ziemlich egal, da ich von dem Thema einfach null Ahnung habe. Aber schon allein das macht mir die Piratenpartei sympathisch: Dass sie offen zugeben können, von den meisten Themen noch (!!) keine Ahnung zu haben - und deshalb auch keine Stellung dazu. beziehen
Und der Zweite Punkt ist, dass ihr Parteiprogramm und (hoffentlich und wenn es irgendwie funktioniert) ihre Politik in einem Wiki gemacht wird, so ähnlich wie in Wikipedia. Das heisst, der äussere Anschein ist zumindest nicht so ideologisch festgefahren. Das das Ziel ist, für ein Problem gemeinsam die bestmögliche Lösung zu finden - und nicht die zum gerade genehmen Klientel oder der gerade benötigten Lobby passt, klingt zumindest - allenernstes - recht glaubwürdig.
PW_
 
Beiträge: 118
Registriert: Do 12. Mär 2009, 17:28

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon stine » Mo 21. Sep 2009, 06:46

PW_ hat geschrieben:Ich wähle die Piratenpartei.
... sie offen zugeben können, von den meisten Themen noch (!!) keine Ahnung zu haben - und deshalb auch keine Stellung dazu. beziehen
Super Begündung!
Herzlichen Glückwunsch - Wer solches zum Pfeiler einer funktionieren wollenden, Verantwortung übernehmenden, demokratischen Nation machen möchte, spielt lieber weiter in seinem Kinderzimmer Playmobil. Da kann er wenigstens niemandem schaden.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Twilight » Mo 21. Sep 2009, 08:19

stine hat geschrieben:
PW_ hat geschrieben:Ich wähle die Piratenpartei.
... sie offen zugeben können, von den meisten Themen noch (!!) keine Ahnung zu haben - und deshalb auch keine Stellung dazu. beziehen
Super Begündung!
Herzlichen Glückwunsch - Wer solches zum Pfeiler einer funktionieren wollenden, Verantwortung übernehmenden, demokratischen Nation machen möchte, spielt lieber weiter in seinem Kinderzimmer Playmobil. Da kann er wenigstens niemandem schaden.

LG stine


PW_ führt ja noch ein paar andere Gründe auf. Abgesehen davon gibt es genügend Themenbereiche von denen in den etablierten Parteien keiner eine Ahnung hat und diese, statt sich zu informieren, auf Populismus setzen. Es mag funktionieren, um an der Macht zu bleiben, aber mir ist auch jemand lieber, der ehrlich sagt "Kenne ich nicht - lass ich die Finger von."
Sogar bei Medizinern gilt (in der Regel) die Maxime "Ersteinmal nicht schaden" bevor versucht wird, irgendwo, irgendwie herumzupfuschen.
Benutzeravatar
Twilight
 
Beiträge: 663
Registriert: Do 20. Dez 2007, 15:40
Wohnort: Verstecke mich... unter deinem Bett!

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon stine » Mo 21. Sep 2009, 08:28

Klar, die Vielfalt macht die Demokratie erst zur Demokratie.
Nur bezweifle ich, dass 5% Sonstige irgendwas bewirken können. Aber vielleicht schafft es ja ein Einzelkandidat auf die Hinterbank.

Allgemein bin ich jedoch schon der Meinung, dass, wer sich zur Wahl stellt, sich doch über jedes Thema schon mal Gedanken gemacht haben sollte. So einfach ist Regieren nämlich gar nicht. Das geht nicht so leicht, wie das Dirigieren auf dem Oktoberfest, wo die Musikkapelle alleine auch weiß, wie sie spielen soll.
(Kann aber auch sein, das ich mich täusche :erschreckt: )

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Nanna » Mo 21. Sep 2009, 09:08

Ich bin in diesem Fall auch der Meinung, dass eine Partei, die weder vom politischen Prozess Ahnung hat noch sich mit wesentlich grundlegenderen Fragen als freiem Filesharing und einem in die Gegend postulierten Überwachungsstaat beschäftigt hat, nichts im Bundestag verloren hat. Ich gönne es den Piraten, wenn sie ein paar Prozent unter der Sperrklausel erhalten, dann erhalten sie Geld, werden politisch wahrgenommen und haben vier Jahre Zeit daraus was zu machen und sind nächstes Mal fitter. Vielleicht schaffen sie es zwischendurch ja auch in das ein oder andere Länderparlament und können da schonmal Erfahrung sammeln. Die Grünen hatten auch ein paar Jahre lang nur ein paar Prozent bevor sie den Sprung schafften. Ich habe nur wirklich keine Lust darauf, dass mitten in einer Wirtschaftskrise drei Piraten am Ende das Zünglein an der Waage sind, wenn es um eine neue Sozialgesetzgebung geht und die Partei davon keine Ahnung hat.
Ich finde es gut und richtig, dass die Piraten zugeben, dass sie zu bestimmten Dingen noch keine Position haben, das heißt aber auch, dass sie noch nicht reif für den Bundestag sind. Letztlich wäre es wohl auch für die Piraten nicht gut, zu schnell zu wachsen, sowas kann schnell alle Beteiligten überfordern.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Mark » Di 22. Sep 2009, 14:50

Haha, als ob man grossartig Erfahrung in der Politik brauchen würde, um genau denselben Schmuh mitzumachen, der dort schon seit Jahrzenten abgezogen wird !
Die Jungs sollen in den Bundestag und dort mal zeigen wie die Menschen der IT mit Informationen umgehen und welche Diskussionskultur sich daraus ergibt.
Ich werde sogar in die P-Partei eintreten und will mir das dann mal "von Innen" ansehen.
Benutzeravatar
Mark
 
Beiträge: 1683
Registriert: Do 30. Nov 2006, 18:19
Wohnort: München

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Kurt » Di 22. Sep 2009, 19:00

Nanna hat geschrieben:...das heißt aber auch, dass sie noch nicht reif für den Bundestag sind.


Das heißt, dass die Piraten nicht reif sind, allein zu regieren. Um ihre Themen einzubringen, sind sie reif genug. Die großen haben zwar zu jedem Thema eine Meinung, aber meistens keine Ahnung. Ist das besser?
Kurt
 
Beiträge: 704
Registriert: Fr 19. Jan 2007, 16:55
Wohnort: Bayern

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Nanna » Di 22. Sep 2009, 22:07

So sehr ich vieles an der Politik der etablierten Parteien ablehne, so sehr halte ich den Vorwurf der Inkompetenz auch für bequeme Polemik. Wenn man sich ansieht, wie komplex die Entscheidungen sind, die dort getroffen werden müssen und deren Folgen allzuoft nicht absehbar sind, sollte man in den Ansprüchen, die man an die Politiker stellt, auch etwas bescheidener werden. Wissen ist in den Fraktionen durchaus vorhanden, aber nicht jedes politische Problem lässt sich mit dem Wissen um die ideale Lösung bearbeiten, es hängt halt vieles auch an Machtfragen und Machbarkeit (Sachzwangpolitik). Ich halte die gegenwärtige Krise der Politik auch weniger für ein Kompetenz-, sondern ein Kommunikationsproblem zwischen Politikern und Wählern.

Von mir aus sollen die Piraten ihre Erfahrungen sofort auf Bundesebene machen, vielleicht sind sie auch weniger schädlich, als die Extremisten, die es in so manchen Parteien gibt.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Twilight » Mi 23. Sep 2009, 06:47

Nanna hat geschrieben:ein Kommunikationsproblem zwischen Politikern und Wählern

Das würde zumindest erklären, warum immer wieder die selben, bereits widerlegten Gründe für Programme wie Vorratsdatenspeicherung und Überwachung angegeben werden und rethorisch nach schon lange vorgeschlagenen Alternativen gefragt wird, ohne eine gute Antwort zu erwarten.
Es würde aber auch schon gut sein, wenn die Kommunikation (besonders der Teil mit dem Zuhören) zwischen den Politikern besser wird. Aber solange die Ja-Sager der anderen Fraktionen bei Bundestagssitzungen lieber ihr Gesicht in der Bildzeitung suchen (sofern sie überhaupt anwesend sind), während die Spitzenleute und deren Opponenten Reden halten, klappt das einfach nicht.
Benutzeravatar
Twilight
 
Beiträge: 663
Registriert: Do 20. Dez 2007, 15:40
Wohnort: Verstecke mich... unter deinem Bett!

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Nanna » Mi 23. Sep 2009, 11:28

Die Politiker neigen derzeit dazu, den Wähler für dumm zu verkaufen. Das liegt meiner Meinung nach aber nicht daran, dass die Politiker selbst dumm oder unfähig wären, sondern dass sie ganz genau verstanden haben, wie der mediale Prozess funktioniert. Der Mensch liebt halt letztlich doch testosterongesteuerte Alphatierchen, was dazu führt, dass nur derjenige mit medialer Rezeption bedacht wird, der die einfachsten Sätze am lautesten schreit. Mal ehrlich, der Großteil der Menschen macht sich über politische Prozesse ungefähr so viele und so sinnvolle Gedanken wie über Religion. Das führt natürlich auch dazu, dass wir die Politiker bekommen, die wir mit so einer Einstellung verdient haben. Ich denke, dass vieles auch damit zusammenhängt, dass wir immer mehr eine Dienstleistungsgesellschaft werden (da gab es neulich einen sehr guten Essay in ZEIT oder SZ dazu, mal sehen, ob ich den noch finde) und die Menschen in den Politikern auch immer mehr Dienstleister sehen, anstatt sich klarzumachen, dass sie selber etwas verändern müssen. Allgemein hat das Gemeinwohl derzeit kein gutes Image, was sicherlich auch daran liegt, dass in den letzten Jahrzehnten immer ökonomistischer und individualistischer gedacht wurde. Es wurde vergessen, dass neben den Freiheiten der Demokratie auch die Staatsbürgerpflichten wichtig sind - ein Grund, warum ich so vehement gegen das Nichtwählen bin. Aus dieser ganzen Gemengelage ergibt sich dann, dass Leute ihre demokratischen Möglichkeiten nicht oder nur sehr doppelmoralisch nutzen: Man fährt mit dem 10l-Auto zum Ökomarkt; man regt sich über Herrn Zumwinkel auf, lässt aber den Handwerker schwarz arbeiten; man regt sich über den Überwachungsstaat auf, gibt aber alle persönlichen Daten bei Facebook preis. Man stellt sich ebenda auch hemmungslos selbst dar, regt sich aber über die Selbstdarstellungssucht der Politiker auf. Solange wir (=die Mehrheit der Deutschen) uns selbst so verhalten, wie die Politiker, brauchen wir uns nicht wundern, dass wir keine besseren bekommen. Wir stellen ja auch gar nicht den Anspruch. Klar möchte jeder irgendwie bessere Politiker haben. Aber dass das heißt, SELBER aktiv zu werden, sich gesellschaftlich einzubringen, eventuell sogar selber zu kandidieren und nicht nur einfach in eben jener angesprochenen Dienstleistungsmanier die Hand aufzuhalten, das verstehen zu wenige Leute. Daraus ergibt sich das angesprochene Kommunikationsproblem: Der Politiker versucht sich anzubiedern und den Wohlfühldienstleister zu spielen, der Wähler hat aber noch genug Restintelligenz, um zu kapieren, dass das eigentlich auch nicht das ist, was er haben will. Deshalb fordert er Ehrlichkeit, ist aber dann nicht konsequent genug, diesen Anspruch restlos und zuendegedacht zu vertreten. Ich denke, wir bräuchten Politiker, die das Volk herausfordern und sich nicht dauernd anbiedern.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Mark » Do 24. Sep 2009, 13:42

Wir brauchen ein System welches Politiker überflüssig macht.
JEDER ist absolut gleich verpflichtet ein "Politiker" zu sein.
Benutzeravatar
Mark
 
Beiträge: 1683
Registriert: Do 30. Nov 2006, 18:19
Wohnort: München

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Twilight » Do 24. Sep 2009, 14:39

Mark hat geschrieben:Wir brauchen ein System welches Politiker überflüssig macht.
JEDER ist absolut gleich verpflichtet ein "Politiker" zu sein.

Hätte man dann nicht Anarchie?
Ich denke, wir brauchen eher so etwas wie ein Three-Strikes-Gesetz für Politiker, wie von Fefe vorgeschlagen: Wer dreimal wider besseren Wissens die Unwahrheit erzählt (sprich "lügt") fliegt raus.
Benutzeravatar
Twilight
 
Beiträge: 663
Registriert: Do 20. Dez 2007, 15:40
Wohnort: Verstecke mich... unter deinem Bett!

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Mark » Do 24. Sep 2009, 15:08

Direkte Demokratie ist für manche sicherlich gleichbedeutend mit Anarchie des Volkes, ja..
Benutzeravatar
Mark
 
Beiträge: 1683
Registriert: Do 30. Nov 2006, 18:19
Wohnort: München

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon Twilight » Do 24. Sep 2009, 16:48

Direkte Demokratie heißt aber nicht, dass jeder Politiker ist. Wenn alle darüber abstimmen könnten, was ein zentrales Machtorgan (oder mehrere) entscheiden soll, wäre es zwar nicht der Idealfall, aber vermutlich das Beste, was möglich wäre.
In einer wie auch immer gearteten Demokratie sollte jeder politisch sein - aber nicht Politiker.
Benutzeravatar
Twilight
 
Beiträge: 663
Registriert: Do 20. Dez 2007, 15:40
Wohnort: Verstecke mich... unter deinem Bett!

Beitragvon Nanna » Fr 25. Sep 2009, 19:13

Mark hat geschrieben:Wir brauchen ein System welches Politiker überflüssig macht.
JEDER ist absolut gleich verpflichtet ein "Politiker" zu sein.


Das haben wir jetzt bereits. Wenn du im Supermarkt einkaufst, wenn du das Auto statt das Fahrrad nimmst, wie du dich hier im Forum verhältst, welche Entscheidungen du bei Berufs- und Partnerwahl triffst, wem du Spenden gibst oder ob du es lässt, wo du Mitglied bist, welche Medien du nutzt, wem du deine Aufmerksamkeit schenkst, wie du dich als Multiplikator von Meinung verhältst, all das sind kleine demokratische, politische Akte. Du beeinflusst, wie die Gesellschaft sich entwickelt und wie die politische Kultur aussieht. Nicht umsonst sehen wir, wenn wir in der Politikwissenschaft ein politisches System analysieren, uns nicht nur die Verfassung, sondern die Verfassungsrealität und die politische Kultur eines Landes an. Diese prägt nämlich oftmals viel entscheidender, welchen Weg ein Land nimmt.
So war beispielsweise die Weimarer Verfassung vom Ansatz her sicherer und demokratischer, als die aus losen Fragmenten bestehende britische. Trotzdem haben die Briten seit Jahrhunderten eine stabile Demokratie, während wir nur 15 Jahre brauchten, um im brutalsten Totalitarismus aller Zeiten zu enden. Genau diese Erfahrung war es natürlich auch, die uns das Grundgesetz bescherte, von dem viele Politologen sagen, dass es neben der amerikanischen die beste Verfassung der Welt ist, eine Meinung, die ich persönlich teile, auch wenn meine Sachkompetenz da vergleichsweise unbedeutend ist.

Es ist ja derzeit irgendwie Lifestyle-Bestandteil, dass man nicht wählen geht und auf dem repräsentativen System herumhackt, woher aber die ganzen "Minipolitiker" Zeit, Motivation und Sachkompetenz nehmen sollen, um Probleme zu lösen, die selbst Fachpolitikern extreme Kopfschmerzen bereiten, diese unangenehme Frage scheint sich niemand zu stellen. Auch realisiert offenbar keiner, dass unser repräsentatives System schon in der derzeitigen Ausprägung unheimlich langsam arbeitet. Schnelle Reaktionen in Krisensituationen? Das bekommt keine direkte Demokratie der Welt hin und wenn, dann kann man getrost davon ausgehen, dass die Entscheidung von Massenhysterie geprägt sein wird, wogegen die meisten demokratisch gewählten Politiker unseres Landes sich bisher doch bemerkenswert immun gezeigt haben. Seltsamerweise ist Politik eines der wenigen Fachgebiete, wo jeder sich irgendwie für umfassend kompetent hält, unabhängig von Bildungsgrad und politischer Erfahrung. Die Meinungsfreiheit führt leider zu dem bizarren Missverständnis, dass nicht nur jeder gleichberechtigt seine Meinung äußern dürfte (wahr :up: ), sondern dass auch alle Meinungen gleichwertig seien (falsch :kopfklatsch: )

Nein, ich bleibe dabei, das repräsentative System ist das beste, was wir kriegen können.
Was derzeit größere Probleme bereitet, ist ein fundamentales Missverständnis zwischen Politikern, Wählern und vor allem den Medien, die ihre Rolle als vierte Gewalt spätestens seit dem Umzug nach Berlin immer mehr aufgeben und sich entweder instrumentalisieren lassen oder sich unreflektiert am derzeit so modischen Politikerbashing beteiligen, ohne dafür von einer generellen diffusen Unzufriedenheit abgesehen besonders viele oder gar gute Gründe vorweisen zu können. Das Kanzlerduell hat es sehr schön gezeigt: Zwei Politiker tun das, was von so vielen Seiten seit Jahren herbeigewünscht wird, nämlich einfach mal sachlich und ohne große Demagogie über politische Konzepte zu diskutieren. Sicher, die programmatischen Unterschiede stecken zwischen SPD und CDU heutzutage immer mehr im Detail, das heißt aber nicht, dass sie nicht vorhanden oder gar unwichtig wären. Das zu erklären haben die politischen Berichterstatter seit Jahren gründlichst versäumt, plump draufzuhauen ist ja auch viel einfacher ("Yes, wie gähn", BILD) und garantiert die besseren Quoten in einer DSDS-geschädigten Gesellschaft.
Umgekehrt führt wohl vor allem die immer stärkere Bedeutung von Dienstleistungen und dem Infotainment der Medien zum Missverständnis bei den Wählern, dass auch Politik soetwas wie eine Dienstleistung sei, am besten noch eine unterhaltsame. Wenn dann der Anbieter (der Staat) nicht den Kundenwünschen gerecht wird, wird über unfähige Manager (Politiker) und schlechte Kundenbetreuer (Beamte) gelästert, die eigene Bedeutung für den politischen Prozess aber nicht hinterfragt. Schuld sind immer "die da oben". Dieser Missstand wurde von Mark meiner Meinung nach (so oder ähnlich) richtig erkannt, wir brauchen aber nicht gleich ein komplett neues System - das würde an der Einstellung der Menschen nämlich auch noch lange nichts ändern -, sondern ein breites gesellschaftliches Bewusstsein dafür, wie sehr eigene Entscheidungen und schon bloße Meinungsäußerungen das politische Klima im Land prägen. Vielleicht würde dann der ein oder andere seine Worte mit etwas mehr Bedacht wählen. Es sind nicht immer nur die Politiker, die inhaltsleeren Schwachsinn erzählen, das hat der Wähler mindestens genausogut drauf und deshalb halte ich auch nichts von direkter Demokratie. Aus dem Ruf nach ihr spricht für mich auch eher der Glaube an großtechnische Lösungen, die auf einen Schlag alle kleinen, in sich verzahnten Probleme lösen können, der ultimative Befreiungsschlag - ein Mythos, der seit dem Anbeginn der menschlichen Gesellschaften gepflegt, nur leider nie eingelöst wurde.

Politische Entscheidungen erfordern Verantwortungsbereitschaft und wenn man sich ansieht, wie wenig Leute sich jetzt schon in den zeit-, kraft- nervenraubenden politischen Prozess einbringen wollen, dann kann man vor einer direkten Demokratie nur erschaudern, schließlich würde dadurch alles noch langsamer und ineffektiver werden. Allein eine Bundestagswahl kostet um die 200 Millionen Euro! Man stelle sich bitte die flächendeckende direkte Demokratie vor und allein die Heerschar an Beamten, die, mit der Bearbeitung aller eingehenden Vorschläge und Anträge beschäftigt wäre. Von Bürkratieabbau würde da erstmal niemand mehr sprechen können.
Das zentrale Problem wäre aber wohl: Seinen Senf dazugeben will jeder, handeln und Verantwortung übernehmen nur noch eine meinungsmachende Minderheit, die es irgendwie geschafft hat, in die großen Medien zu kommen, die auch mit der zunehmenden elektronischen Vernetzung nicht verschwinden werden. Wir tauschten am Ende eine relativ unabhängige politische Kaste ein gegen ein von niemandem kontrolliertes, von niemandem legitimiertes und intranspartentes Konglomerat aus Medien, Konzernen und populären Figuren, die es mit genügend Geld mindestens genausogut schaffen würden, den politischen Prozess in eine bestimmte Richtung zu lenken, wie es Politiker heute tun - mit dem Unterschied, dass die vorher anständig sortiert wurden. Und selbst, wenn wir uns alle über Twitter informierten: Wie schnell ist da ein hirnloses Gerücht in die Welt gesetzt? Nein, das direkte Demokratie funktioniert, das halte ich für illusionär. Ich halte sie sogar für wesentlich manipulationsanfälliger als ein repräsentatives System.

Allerdings, um zum Abschluss etwas versöhnliches zu sagen: Womit ich mich persönlich gut anfreunden könnte, wäre eine Verstärkung der Subsidiarität und direkter Demokratie, solange sie auf kommunale Entscheidungen beschränkt bleibt. Das ist näher an der Lebensrealität der Leute und das können sie eher überschauen und vielleicht sogar aufgrund der besseren Ortskenntnis auch bessere Entscheidungen treffen als eine Zentralstelle. Und zuletzt wird sich in der politischen Kultur dieses Landes einiges reformieren müssen - und das wird auch sicherlich geschehen, da bin ich überzeugt.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon JustFrank » Sa 26. Sep 2009, 20:04

Also ich werde Grün wählen. Eigentlich bin ich SPD - Wähler, die haben mir allerdings in Großen Koalition so sehr an Profil verloren, dass ich mir im Moment kein brauchbares Bild von Steinmeier's Schergen machen kann. Die Grünen deshalb, weil Sie erkannt haben, dass Deutschland durchaus in der Lage ist gemeinsam mit anderen europäischen Staaten eine führende Rolle in der Umwelttechnologie einzunehmen und das damit eine ganze Reihe neuer Berufe und somit auch Jobs auf dem Tablett liegen. Leider ist die von Liberalen und Christlichen dominierte Automobilindustrie bei uns bislang noch die Bremse in dieser Entwicklung. Das einzige Problem, das ich mit den Grünen habe, ist deren religiöse Unterwanderung. Ich denke aber, dass wir in diesem Forum bereits hundertfach festgestellt haben, wie tief dieser Mist in unserer Gesellschaft verwurzelt ist.

Weiterhin sind die Grünen für mich zurzeit die einzige Partei, die den massiven Verlust an (Aus)Bildung in diesem unserem Lande erkannt haben und willens sind, dem zu begegnen.

Für wirklich gefährlich halte ich das massive Auftreten der NPD in diesem Wahlkampf. Das ist nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich katastrophal.

Völlig dumm dagegen sind die Wahlaussagen der Linken, die sich schon bei seichtem Hinterfragen als unhaltbar erweisen und nichts als Leutefängerei sind. Leider verstehen sich Lafontaine und Gysi super auf derartigen Populismus.

Was die Union, als auch die FDP angeht, befürchte ich bei einem Wahlsieg die endgültige Auslöschung der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland. Leider zähle ich als das, was man wohl als Mittelstand bezeichnen würde, genau zu deren Opfergruppe. Die Union ist mir auch zu sehr mit christlichen Fundamentalisten aus Bayern durchsetzt.

Ich habe hier viele Symphatien für die Piratenpartei entdeckt, die ich durchaus nachempfinden kann. Ich sehr nur kaum eine Chance, dass die Piraten die 5% knacken werden.
Benutzeravatar
JustFrank
 
Beiträge: 763
Registriert: Mo 19. Nov 2007, 15:05
Wohnort: Hannover

Re: Bundestagswahl 2009 - Welche Partei wählt ihr?

Beitragvon spacetime » Sa 26. Sep 2009, 23:07

Ich wähle die Linke, weil sie die einzige Partei ist, welche einen Politikwechsel bewirken könnte.
Liberalismus kennt keinen Humanismus. Wir brauchen ein Wirtschaftssystem, in dem nicht Geld das Maß aller Dinge ist, sondern der Mensch und seine Umwelt. Wir brauchen eine neue Kultur der Menschlichkeit, keinen Überwachungs- oder Polizeistaat. Gesetze sollten Vorschriften sein, die man nicht aus Angst vor Bestrafung befolgt.

Die Finanzkrise hat uns gezeigt, dass unser Wohlstand auf sehr wackligen Säulen steht. Diese Krise ist ein Symptom des kranken Systems, in welchem wir leben und wer glaubt, sie sei vorbei, der wird nach der Wahl eines Besseren belehrt. Die Linke macht Hoffnung, dass es eine echte Alternative gibt. Klar ist das zum größten Teil Populismus, was Gysi da von sich gibt, aber mir geht es auch vorrangig darum, dass sich hier etwas ändert. Das ist mit den anderen Parteien leider unmöglich.
Benutzeravatar
spacetime
 
Beiträge: 288
Registriert: Di 29. Mai 2007, 20:11
Wohnort: Frankfurt

VorherigeNächste

Zurück zu Gesellschaft & Politik

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste