Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon platon » Mi 11. Nov 2009, 20:51

spacetime hat geschrieben:Das mag zwar alles richtig sein, was du da erzählst, aber es geht doch in dieser Diskussion primär um den Gedanken dahinter.

Spacetime,
es ging darum, ob man Menschen mit einem Stoffwechseldefekt, der sie sehr belastet, weil sie ihn natürlich selbst hautnah spüren, nicht medikamentös helfen darf, weil es sich 1. um Kinder handelt und es 2. Menschen gibt, die diese Medikamente missbrauchen. AD(H)S ist ein Stoffwechseldefekt des Dopaminhaushaltes im Gehirn. Das ist eine Krankheit, die glücklicherweise bei den meisten (beileibe nicht bei allen) Betroffenen im Erwachsenenalter spontan ausheilt oder wenigstens stark in den Hintergrund tritt. Das heißt aber nicht, dass man warten kann, "bis sich das auswächst". So etwas wäre fahrlässig!
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon spacetime » Mi 11. Nov 2009, 21:05

platon hat geschrieben:Das heißt aber nicht, dass man warten kann, "bis sich das auswächst". So etwas wäre fahrlässig!

Und ich finde es fahrlässig, Kinder mit Ritalin zu betäuben. Das verändert ihre Persönlichkeit für immer, von den körperlichen Langzeitwirkungen ganz abgesehen.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon platon » Mi 11. Nov 2009, 21:37

spacetime hat geschrieben:Und ich finde es fahrlässig, Kinder mit Ritalin zu betäuben. Das verändert ihre Persönlichkeit für immer, von den körperlichen Langzeitwirkungen ganz abgesehen.

Nein, das ist definitiv falsch. Du hast keine Ahnung! Niemand, der Methylphenidat braucht, wird davon oder damit betäubt.
Wenn Du allerdings mit Persönlichkeitsveränderung meinst, dass man aufhört, ein todunglücklicher herumzappelnder Freak wider Willen zu sein, dann allerdings hast Du Recht. Und ich weiß, wovon ich rede.
Das Medikament ist seit über 60 Jahren verfügbar. Keiner der Unkenrufe wegen Langzeitschäden, Parkinson und ähnlichem Unsinn konnte bestätigt werden, obwohl bereits Millionen Kinder dieses Mittel genommen haben und immer noch nehmen. Aber es gibt, wie beim Gottesglauben immer Leute, die ihre Augen vor der Realität verschließen, weil sie das glauben, was sie glauben wollen.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon stine » Do 12. Nov 2009, 07:30

platon hat geschrieben:Aber es gibt, wie beim Gottesglauben immer Leute, die ihre Augen vor der Realität verschließen, weil sie das glauben, was sie glauben wollen.
Das trifft doch auf jeden zu, auch auf dich, Platon!
Ich finde, dass heute schon viel zu viele Knder unter regelmäßigen Medikamenten stehen. Nicht alle werden diese wirklich brauchen, aber es ist eben praktisch. Für die Eltern, für die Schule und für die Nachbarschaft.
Die Pharmaindustrie verdient gut damit.

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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon platon » Do 12. Nov 2009, 23:36

stine hat geschrieben:Ich finde, dass heute schon viel zu viele Knder unter regelmäßigen Medikamenten stehen.

Völlig richtig! Dazu gehören auch die mittlerweile ungezählten jugendlichen Diabetiker. Die bräuchten auch keine Medikamente. Einfach hungern lassen und das Problem erledigt sich von selbst. Medikamente für Kinder sind schädlich. Für Erwachsene gilt das gleiche.
Du kannst sie ja alle in Dein Abendgebet einschließen.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon spacetime » Fr 13. Nov 2009, 00:30

Platon, wen betest du an? Die Pharmaindustrie? Niemand ist hier generell gegen medikamentöse Behandlungen, wenn die Folgen abschätzbar sind. Einen Diabetiker würde ich auch nicht in die Wüste schicken, damit er auf Insulinspritzen verzichten kann.
Kennst du "Brave New World" von Aldous Huxley? Dort nehmen die Menschen eine fiktive Droge (Soma), welche "schlechte" menschliche Gefühle (Trauer, Aggressionen, Panik, etc.) unterdrückt und sie glücklich macht. Heute sehen wir genau diesen Trend! Überall hört man: "Geht zum Arzt, wenn ihr Probleme habt, der wird euch Pillen geben, dann wird alles gut!" (wobei der letzte Teil natürlich nicht so betont wird)
Klar, jetzt kommt platon und sagt, das ist ein Stoffelwechseldefekt, da fehlen bestimmte Neurotransmitter, Hormone etc.! Das ist ja auch nicht falsch, aber diese Defekte sind oft Symptome einer tiefer liegenden Ursache.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon platon » Fr 13. Nov 2009, 00:42

spacetime hat geschrieben:aber diese Defekte sind oft Symptome einer tiefer liegenden Ursache.

Und die willst Du durch psychiatrische Beschwörungsformeln oder Handauflegen aufdecken und beseitigen?
Oder achselzuckend sagen: das ist halt mal so, da kann man nichts machen ...
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon stine » Fr 13. Nov 2009, 08:13

Manche Dinge haben mit dem Umbau unserer Gesellschaft zu tun. Soziale Isolierung und mangelnde Zukunftsperspektive.
Zu wenig Bewegung und zu wenig frische Luft, übersteigerte Erwartungen und zu wenig Anerkennung - ja und: zu wenig Liebe!
Ich weiß nicht, ob das medikementös behandelt werden kann.

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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon spacetime » Fr 13. Nov 2009, 14:41

platon hat geschrieben:Und die willst Du durch psychiatrische Beschwörungsformeln oder Handauflegen aufdecken und beseitigen?
Oder achselzuckend sagen: das ist halt mal so, da kann man nichts machen ...

Psychiatrische Beschwörungsformeln... Handauflegen...? Wie kommst du auf dieses Geschwurbel?
Man kann auch Ursachenforschung betreiben, falls dir das was sagt. Den Menschen als autonomes Wesen zu sehen, von dieser Anschauung solltest du besser Abstand nehmen, auch wenn du möglicherweise bewusst etwas Gegenteiliges behauptest.

stine hat geschrieben:Manche Dinge haben mit dem Umbau unserer Gesellschaft zu tun. Soziale Isolierung und mangelnde Zukunftsperspektive.
Zu wenig Bewegung und zu wenig frische Luft, übersteigerte Erwartungen und zu wenig Anerkennung - ja und: zu wenig Liebe!
Ich weiß nicht, ob das medikementös behandelt werden kann.

Richtig, manchmal ist eben nicht der Körper der Grund für Krankheit, sondern eine sich verändernde Umwelt und Gesellschaft.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon platon » Fr 13. Nov 2009, 19:00

stine hat geschrieben:Zu wenig Bewegung und zu wenig frische Luft, übersteigerte Erwartungen und zu wenig Anerkennung - ja und: zu wenig Liebe!

Das ist Ignoranz in Reinkultur! Wie wärs, wenn Du Dich mal ein bisschen schlau machen würdest, ehe Du diesen seichten Käse über ADHS, die mit ein bisschen Luft und Liebe zu "heilen" ist, abseilst. Dein Geschwalle ist schon fast bösartig.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon stine » Fr 13. Nov 2009, 19:13

platon hat geschrieben:Dein Geschwalle ist schon fast bösartig.
Das selbe wollte ich gerade über dich sagen.
Aber ich hab's mir schon ein paar Mal verkniffen. xD

Selbstverständlich weißt du, dass man nicht alles gleichsetzen kann. Dass heute viele Menschen Zukunftsängste haben und Sinnlosigkeit verspüren das lässt sich nicht alles auf irgendwelche drei Buchstabenkombinationen zurückführen die sich die Pharamaindustrie ausgedacht hat.
Gelle?

Ich empfehle Jörg Blech: Die Krankheitserfinder.

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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon platon » Fr 13. Nov 2009, 21:25

stine hat geschrieben:Ich empfehle Jörg Blech: Die Krankheitserfinder.

Ich empfehle, Du informierst Dich über ADHS, ehe Du mit Deinen merkwürdigen Argumenten von fehlender Liebe und Bewegung in frischer Luft Deine Unwissenheit hier plakatierst.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon Mark » Sa 14. Nov 2009, 00:27

Viele Aggressionen gegen Psycho-Meds bei Kindern rühren von verschreckter Anteilnahme und hysterisch naiven Vorstellungen von Ungerechtigkeiten und Amoral. Denn sonst würde man sie öfters in Begleitung von Sachargumenten sehen. Die empirischen Erfolge der Medikamente sind jedoch allgegenwärtig, und jeder Gegenwind in dieser Richtung sind nur aufgeblasene Einzelfälle im Vergleich zur schieren Masse der Erfolge und Leidminderungen, oft bei einer ganzen Familie. Die Existenz von Stoffwechselstörungen im Hirn und deren beobachtbarer und MESSBARER Prozesse und Effekte kann man doch nicht leugnen.
Wir sind längst eine Kultur die auf Drogen aufgebaut ist. Viele streiten sich aber trotzdem immer noch wegen der Form... und bestehen darauf, daß die Form ihrer Drogen sie zu Nicht-Drogen werden lässt, was sie selbst damit moralisch zu Superhelden mit weisser Badehose macht.
Man kann auch mal versuchen nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten, und sich auf die Kritik des Mißbrauchs beschränken ! Da gibts immer noch genug zu kritisieren.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon PW_ » Di 24. Nov 2009, 00:57

Ich bin erst heute wieder hier ins Forum gekommen, aber der Thread hat mich natürlich interessiert... Und einige Reizsätze, wie dieser, springen mich immer sofort an. Auch wenn ich dazu nicht viel Neues mehr beitragen kann, ich muss dann meinen Senf dazu geben... Ich denke, dass wird wohl auch durch mein ADS deutlich gefördert ...

spacetime hat geschrieben:Und ich finde es fahrlässig, Kinder mit Ritalin zu betäuben. Das verändert ihre Persönlichkeit für immer, von den körperlichen Langzeitwirkungen ganz abgesehen.


Ok. Solche Sätze zeigen wirklich von Null komma Null Ahnung. Ich persönlich fühle mich eher im Zustand ohne Ritalin wie betäubt. Hypoaktive ADSlerInnen - oder auch die Mischtypen, die aber am meisten unter "Unaufmerksamkeit" leiden, beschreiben ihre Wahrnehmung der Realität - sprich, der Aussenwelt häufig so: Wie wenn man einen Film sieht, der auf einer mal mehr mal weniger entfernten Leinwand abläuft. Und wo dabei noch das Bild total unscharf ist.

ADS ist nachgewiesener Maßen sehr häufig verknüpft mit diversen Wahrnehmungs- und Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen. Z.B. Auditive Wahrnehmungsstörung, visuelle Wahrnehmungsstörung, taktile Wahrnehmungsstörung oder tiefensensorische Wahrnehmungsstörung. Es ist toll, total auffällige Dinge zu sehen, aber nicht wahrnehmen zu können, sobald man nicht speziell darauf achtet. Es fühlt sich auch an, wie unter Drogen, wenn man nicht merkt, was man tut. Früher, als ich die Medikamente noch nicht hatte, haben mir andere, auch Freunde, oft gesagt, dass ich mich benehme, dass man denken könnte, ich stünde unter Drogen! Aber bestimmt nicht unter Aufputschmitteln :lachtot:. Eher unter irgendwas, wo die Wahrnehmung total verzerrt ist: "Ja - ich habe das Gerät ausgemacht.", "Ja - ich habe es nochmal überprüft." In Wahrheit: Ich hatte nur Gedanken, dass Gerät ausmachen zu wollen und bin da sicher auch hingegangen. Aber dann habe ich was anderes gemacht. Oder den Knopf nicht in Richtung "Aus", sondern auf "Max" oder so gedreht. Und als ich es kontrolliert habe, habe ich "gesehen" (sprich: wahrgenommen), woran ich gedacht habe. Was natürlich extrem häufig nicht mit der tatsächlichen Realität überein gestimmt hat.

Und die "körperlichen Langzeitwirkungen", d.h. die motorische Koordinationsstörung, die von meinen ADS-Wahrnehmungsstörungen her leitet, die finde ich ganz und gar nicht zu vernachlässigen... Ich vermute fast, dass es mir lieber wäre, mit 50 Jahren Parkinson zu bekommen, als mich mein ganzes Leben lang nie richtig bewegen zu können. Schon als Kind hatte ich davon so "nette" Folgen, wie z.B. meine Haltungsschwäche, an der auch spezielles (und für mich sehr anstrengendes) Training nichts geändert hat...

Aber zu dem was ich hauptsächlich anmerken wollte, und was wohl v.a. an stine geht:
Mir ist sehr wichtig zu betonen, dass Medikamente in den seltesten Fällen der einzige Bestandteil einer sinnvollen Behandlung von AD(H)S sind. Die Schulmedizinischen Leitlinien zur Therapie von AD(H)S sprechen ein-eindeutig von einer multi-dimensionalen Therapie. Gerade bei Kindern scheint der Trend eher darin zu gehen, AD(H)S erst zu versuchen, andersherum eindimensional zu behandeln: Möglichst z.B. "nur" Ergotherapie oder "nur Elterntraining", es möglichst auch ohne Medikamente "schaffen"...

Immer wenn ich z.B. Dinge über "ADHS-Therapien" von Hüther & Co. lese, kriege ich auch deshalb auch soooo einen Hals, weil.... ja weil es eben das Bild sogeriert, als würden wir AD(H)Sler oder eben die Eltern von AD(H)S-Kindern eben nicht noch alles mögliche andere tun.
Gerade die Websiten von Gerald Hüther lesen sich für mich als Beleidigung für all die wirklich guten (Sonder-)Pädagoginnen, die mich in der Schule und auch als junge Erwachsene unterstützt, betreut, gelehrt und gefördert haben. Nach bestem Wissen und Gewissen, mit vielen guten Mitteln, mit viel Liebe, ganz ganz Geduld und ebensoviel Herzblut. Nur leider gegen AD(H)S-Symptome nahezu wirkungslos. Ausser natürlich, dass Frau W., mal wieder :up: , gold-richtig gelegen hat, und mich erfolgreich motiveiert hat, die Abklärung von einem Experten vornehmen zu lassen.

Frau W. z.B. leitet seit vielen Jahren erfolgreich eine sozialpädagogische Einrichtung, die sowohl Freizeittreff ist, als auch Beratung und Betreuung von jungen Menschen in allen erdenklichen Problemsituationen anbietet, als auch in der Familienbetreuung tätig ist. Und sie hat mit Sicherheit auch solide Grundkenntnisse in Trauma-Therapie. Wenn Menschen wie sie nicht genug von Pädagogik, Bewegung, Therapie oder Erziehung verstehen und andwenden, dann wohl niemand.

LG, PW_

Und es ist auch beleidigend für mich, wenn z.B. meine eigenen Problem-Schilderungen so eklatant missachtet oder sogar umgedeutet und umgemünzt werden.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon platon » Di 24. Nov 2009, 20:32

Hallo PW_,
damit wirst Du leben müssen. Es gibt Leute, die haben einmal gehört, dass Ritalin bei uns nach dem Betäubungsmittelgesetz gehandhabt werden muss und schon ist es das gleiche wie Crack.
Hauptsache, sie haben keine Ahnung, aber das in konzentrierter Form.
Wie verzweifelt Kinder sein können, die merken, dass sie nicht wie alle anderen dem Unterricht folgen, ein Buch lesen oder ein Spiel zu Ende spielen können, können sich solche Ignoranten nicht einmal im Traum ausmalen. Sicher gibt es auch Kinder, die damit trotzdem klar kommen, ich kenne aber welche, die darunter sehr gelitten haben.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon spacetime » Di 24. Nov 2009, 22:02

Dass Ritalin nicht "betäubt" im neurophysiologischen Sinne, weiß ich auch. Mit diesen Medikamenten versucht man den Zustand des "normalen" zu erreichen, ohne zu hinterfragen was "normal" eigentlich ist. Da spielen Umweltfaktoren, sowie soziale Komponenten eine große Rolle. "Betäubt" war hier das falsche Wort. Viel mehr bewirkt Ritalin ein Gefühl der Dankbarkeit, wenn sich vermehrt Erfolge im normalen Leben zeigen. Dieses Gefühl der Dankbarkeit führt auch zur beleidigten Haltung der Betroffenen hier im Forum, wenn man das Ganze mal krtischer betrachtet. Und genau diese Dankbarkeit (ob bewusste oder unbewusste) unterdrückt das freie, radikale Denken). Das ist es was ich mit "betäubt" meine.

Ich hätte das nicht so leichtfertig sagen sollen, dafür möchte ich mich auch bei den Leuten hier entschuldigen.

platon hat geschrieben:Hauptsache, sie haben keine Ahnung, aber das in konzentrierter Form.
Wie verzweifelt Kinder sein können, die merken, dass sie nicht wie alle anderen dem Unterricht folgen, ein Buch lesen oder ein Spiel zu Ende spielen können, können sich solche Ignoranten nicht einmal im Traum ausmalen. Sicher gibt es auch Kinder, die damit trotzdem klar kommen, ich kenne aber welche, die darunter sehr gelitten haben.

Ich sehe ADS/ADHS als Krankheit an, die behandelt werden muss und ich kenne auch Leute in meinem Umfeld, die damit leben müssen. Trotz dieser persönlichen Erfahrungen gibt es auch kritische Punkte an einer medikamentösen Behandlung, welche über die physiologische Ebene hinaus gehen.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon platon » Di 24. Nov 2009, 23:16

spacetime hat geschrieben:Trotz dieser persönlichen Erfahrungen gibt es auch kritische Punkte an einer medikamentösen Behandlung, welche über die physiologische Ebene hinaus gehen.

Fahr mal ans KINZ nach Mainz und lass Dich informieren, wie die ihre Patienten durch die Mangel drehen, ehe sie entscheiden, ob eine medikamentöse Behandlung wirklich gerechtfertigt ist.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon Nanna » Di 24. Nov 2009, 23:41

Für mich ist AD(H)S eigentlich hier nicht der Punkt. Das ist eine Krankheit, muss behandelt werden, wenn es angezeigt ist selbstverständlich auch mit Ritalin, und gut ist.

Aber hier geht es doch letztlich um die Leute, die bei einem "normalen" Leistungspensum, das noch Zeit lässt für Entspannung und Freizeit, völlig ausgeglichen wären und die Überforderung durch Ritalin zu kompensieren zu versuchen.
Es ist meines Erachtens nicht so, dass man sich durch Ritalin einen Leistungsvorteil verschaffen möchte, sondern eher so, dass man einen gefühlten Leistungsnachteil kompensieren möchte, der aber weniger zwischen den leistungsfähigen und leistungsschwachen Teilnehmern des Wettbewerbs, sondern mehr zwischen allen Teilnehmern des Wettbewers einerseits und der als normal verkauften Überforderung andererseits entsteht. Ich halte den Schrei nach Ritalin vor allem für eine Anpassungsreaktion an übermenschliche Ansprüche und das ist das, was mir Sorge bereitet.
Es ist im Grunde ein vor allem aus der Pharmabranche beliebtes Spiel, das aber überall im Kapitalismus gespielt wird: Man erklärt jemanden künstlich für krank (hier: nicht leistungsfähig genug) und redet ihm dann ein, dass er Medikamente dagegen nehmen muss. Das lässt einerseits die Kasse klingeln und schiebt andererseits - zumindest kurzfristig, bis der Körper streikt, den man danach übrigens mit anderen teuren Medikamenten gegen Depressionen behandeln kann - die Wirtschaft an. Man quetscht aus dem Menschen an Produktionskraft heraus, was man kann, ohne zu fragen, ob es sich nicht auch einen Gang drunter ganz gut leben ließe. Richtig schlimm wird es aber dann, wenn man aus Gruppendruck heraus kaum mehr die Wahl hat, sich an diesem Irrsinn nicht zu beteiligen.

Übrigens, ich möchte einen Smily, der mit Geldscheinen wedelt.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon platon » Mi 25. Nov 2009, 01:17

Nanna hat geschrieben:Es ist im Grunde ein vor allem aus der Pharmabranche beliebtes Spiel, das aber überall im Kapitalismus gespielt wird: Man erklärt jemanden künstlich für krank (hier: nicht leistungsfähig genug) und redet ihm dann ein, dass er Medikamente dagegen nehmen muss.

Wem nützt das? Ohne Indikation zeigt Ritalin nur bei ca. 20% der Probanden eine Wirkung, es sei denn es wird stark überdosiert.
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Re: Neuro-Enhancement - Mensch wird Maschine?

Beitragvon stine » Mi 25. Nov 2009, 08:37

Nanna hat geschrieben:Aber hier geht es doch letztlich um die Leute, die bei einem "normalen" Leistungspensum, das noch Zeit lässt für Entspannung und Freizeit, völlig ausgeglichen wären und die Überforderung durch Ritalin zu kompensieren zu versuchen.
@Nanna: Du hast wie immer sooo recht :up: , aber die Sorge der an ADHS Leidenden, dass Ritalin als Droge gesehen werden kann, ist hier offensichtlich stärker, als die Diskussion darüber, ob wir Menschen uns langfristig der Wirtschaft versklaven wollen.

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