Kulturwandel

Re: Kulturwandel

Beitragvon xander1 » So 17. Jan 2010, 16:45

stine hat geschrieben:Was man unter Werte anpassen überhaupt versteht, das müsst ihr mir mal erklären.

Ich habe das Gefühl, dass du etwas grundlegendes nicht verstehst. Alle Werte befinden sich ständig in einem Wandel. Wenn die Gesellschaft wie so oft einen Werteverfall kritisieren, dann ist es letztendlich ein Wertewandel. Und es gehen keine Werte verloren. Es ändert sich aber die Bedeutung der Werte in ihrer Gewichtung. Und das ist von Generation zu Generation unterschiedlich. Einen großen Einfluss auf die Werte hat u.a. das Wirtschaftssystem. So versteht man unter Besitz und/oder Eigentum etwas anderes in einem Kommunistischen Land, und wenn dann aus dem Land ein marktwirtschaftliches wird, dann müssen viele Menschen lernen anders zu denken, auch in ihren Wertevorstellungen ändert sich da viel. So etwas scheinst du noch nicht mitgemacht zu haben. Die älteren Ossis dürften dir da etwas um eine Erfahrung vorraus haben.

Ein Sklave hat vielleicht nicht in jedem Fall das Recht auf körperliche Unversehrtheit und er hat auch deutlich weniger Rechte und wir im Falle des Falles härter bestraft als sein Herr. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist eine Erfindung der Neuzeit, vielleicht auch eine Neuentdeckung. Was für uns so selbstverständlich ist und universell zu sein scheint ist einfach nur aus der Gesellschaft heraus entstanden und könnte auch anders sein.

Im Kommunismus und Faschismus werden Menschen enteignet. Da gibt es nicht so ein Eigentumsrecht. Für uns sind es Unrechtssysteme, aber auch nur deshalb weil wir mit der Brille unseres Systems darauf schauen. Unser jeweiliges System macht uns blind für andere Werte, und unser Umfeld und unser Gedankengut usw. Weil in unser globalisierten Welt so viele Wertesysteme aufeinander prallen, ist deshalb Toleranz ein moderner Geschätzer Wert. Aber das muss auch erstmal bei den Menschen ankommen.

Es gibt Nachbarschaftskämpfe, wo das Recht auf Eigentum unterschiedlich definiert wird. Wer so wie du @stine glaubt, dass Werte universell sind und sich nicht ändern hat damit ein Tor offen zum Fundamentalismus, einem unbewusstem Denk-Egoismus, zu glauben, dass die eigenen Werte auch für andere gelten müssen, das wäre wünschenswert, ist aber nicht immer möglich.

Es ist eigentlich schon ein Armutszeugnis, wenn man nicht begreift, dass man sich an Werte anpassen muss, aber nur ggf.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » So 17. Jan 2010, 17:21

xander1 hat geschrieben:So versteht man unter Besitz und/oder Eigentum etwas anderes in einem Kommunistischen Land, und wenn dann aus dem Land ein marktwirtschaftliches wird, dann müssen viele Menschen lernen anders zu denken, auch in ihren Wertevorstellungen ändert sich da viel. So etwas scheinst du noch nicht mitgemacht zu haben. Die älteren Ossis dürften dir da etwas um eine Erfahrung vorraus haben.
Ob das eine wünschenswerte Erfahrung ist, stelle ich mal in Frage.

xander1 hat geschrieben:Es ist eigentlich schon ein Armutszeugnis, wenn man nicht begreift, dass man sich an Werte anpassen muss, aber nur ggf.
Du meinst, dass Werte angepasst werden müssen, oder?

Nennen wir doch mal Werte beim Namen und du sagst mir, warum und wie du sie verändern möchtest.
Nur weil traditionell Gebote religiös unterlegt wurden und deren Befolgung nicht rein rational begründet war, sondern eine Willenslenkung durch Nachteilsfurcht und Vorteilshoffnung anstrebte, müssen sie nicht per se falsch gewesen sein. Christliche Pflichten wie Menschlichkeit, Nächstenliebe, Ehrfurcht, Dankbarkeit oder veraltet die Frömmigkeit, warum sollten sie abgschafft oder wie sollten sie verändert werden?
Lange zählten sie zum Kulturgut unserer Gesellschaft und waren, wenn auch nicht immer vorgelebt, so doch im Hinterstübchen tief verankert.

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Re: Kulturwandel

Beitragvon pluto » So 17. Jan 2010, 18:45

hmmm,
die Christlichen Pflichten von denen du sprichst sind schon ein wenig wischiwaschi, oder?
Menschlichkeit: ist es Menschlich wenn die kath. Kirche dazu aufruft keine Kondome zu benutzen oder Frauen die von Vergewaltigern schwanger sind verbietet das Kind abzutreiben?

Nächstenliebe: wie sieht es mit der 'Nächstenliebe' aus wenn in chr. Institutionen Menschen die aus der Kirche austreten nur aus diesem Grund auf die Strasse gesetzt werden (oder gar nicht erst eingestellt?) Wird jemand in seinem Job weniger 'Nächstenlieb'? Was ist mit dieser Person, der dann auf der Straße steht und vielleicht eine Familie zu ernähren hat?
Mich muss nicht jeder 'lieben', mir würde es reichen wenn mir keiner auf die Füße tritt. Ich 'liebe' auch nicht jeden, aber ich respektiere jeden Menschen, tue mein bestes keine vorschnellen Urteile zu fällen, niemanden Schaden zuzufügen, .... und 'besitze' inzwischen schon ein ansehnliches Stück Regenwald für meine Affen.

Ehrfurcht: Ehr-furcht - wovor muss ich mich fürchten? Ich kann Menschen, die sich bemühen 'ihr Bestes' zu tun achten, die 'Grosses' geleistet, z.B. 'Leid vermindert' haben, bewundern und wegen mir ehren, aber fürchten will ich die nicht.

Dankbarkeit: ich bedanke mich für Wohltaten oder wenn mir jemand das Salz reicht. Aber als 'Wert an sich' ist das doch ein völlig hohler Begriff. Natürlich soll 'Dankbarkeit' - wenn sie eine Basis hat nicht 'abgeschafft werden. Das wird von niemand gefordert.

Frömmigkeit: welcher Wert ist das denn? Obrigkeitshörigkeit? Ich habs extra mal gegockelt und wiki hat das ausgespuckt: "... bezeichnet eine respektvolle Haltung im Sinne einer Ehrfurcht vor unlösbaren Rätseln wie auch vor vorgestellten Ordnungsmustern von Leben und Kosmos. Sie ist meistens verbunden mit einem religiös eingeübten Verhalten und dieses oftmals in einer Gesinnung und Bestimmtheit zu einem Gott...."
Na ja, ich hab viel Achtung vor ' Ordnungsmustern von Leben und Kosmos' aber damit hört es auch schon auf. Das mit den 'unlösbaren Rätseln' - warum sollte man davor 'Ehrfurcht' haben? Ran an den Speck und lösen würde ich sagen.
Und wenn jemand seine 'Bestimmung zu einem Gott' sieht - nur zu - ich nicht. Das kann also auch 'kein Wert an sich sein'.
Hier müssten wir also 'unterhandeln'. Deine Freiheit deine Bestimmung in Gott zu sehen - meine Freiheit das nicht zu tun.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon Zappa » So 17. Jan 2010, 19:12

stine hat geschrieben:
xander1 hat geschrieben:Es ist eigentlich schon ein Armutszeugnis, wenn man nicht begreift, dass man sich an Werte anpassen muss, aber nur ggf.
Du meinst, dass Werte angepasst werden müssen, oder?


Ja sicher, Werte müssen den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.

stine hat geschrieben:Nur weil traditionell Gebote religiös unterlegt wurden und deren Befolgung nicht rein rational begründet war, sondern eine Willenslenkung durch Nachteilsfurcht und Vorteilshoffnung anstrebte, müssen sie nicht per se falsch gewesen sein.


Ich glaube, dass bestreiten wenige. Aber der Satz enthält einiges: Gebote wurden religiös unterlegt, d.h. sind nicht religiös begründet. So sehe ich das auch. Letztendlich sind die moralischen Werte in den unterschiedlichen Gesellschaften sehr ähnlich, nur die religiöse "Begründung" ist sehr unterschiedlich, was den Wert der religiösen Begründung doch eindrucksvoll wiederlegt, oder?

Das Ganze bedeutet für mich, dass Religion nicht der Ursprung der Werte ist, aber ein wirkungsvolles Vehikel.


stine hat geschrieben:Christliche Pflichten wie Menschlichkeit, Nächstenliebe, Ehrfurcht, Dankbarkeit oder veraltet die Frömmigkeit, warum sollten sie abgschafft oder wie sollten sie verändert werden?


Es sind keine christlichen Werte sondern menschliche, sie werden auch nicht abgeschafft, sondern anders begründet. That´s it.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » So 17. Jan 2010, 22:48

Zappa hat geschrieben:Es sind keine christlichen Werte sondern menschliche, sie werden auch nicht abgeschafft, sondern anders begründet. That´s it.
Und wer begründet sie heutzutage und wo?
Ich meine früher war das im Religionsunterricht oder am Sonntag von der Kanzel. Und wo sollte das sein, wenn all dies abgeschafft wird?

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Re: Kulturwandel

Beitragvon ujmp » So 17. Jan 2010, 23:32

Unsinniges Vollzitat entfernt. 1v6,5M
Menschliche Werte brauchen keine Begründung. Wir sind so. Sie artikulieren sich möglicherweise in der Religion, aber nicht nur und sind nicht auf Religion angewiesen. Ein ganz normaler Spielfilm kann die Menschlichkeit aussprechen und die Zustimmung der Zuschauer zeigt die Resonanz.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » Mo 18. Jan 2010, 08:24

Ach so!
Wir lernen heute unsere Verhaltensweisen übers Kintop!
Naja, dann wundert es mich nicht, dass Mädchen mehr und mehr zur Magersucht neigen und viele junge Menschen Arzt werden wollen, weil es so Spaß macht im weißen Kittel den Schwestern in den Ausschnitt zu fallen und dummes Zeug zu schwätzen.
:lachtot:

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Re: Kulturwandel

Beitragvon pluto » Mo 18. Jan 2010, 09:23

stine hat geschrieben:Ach so!
Wir lernen heute unsere Verhaltensweisen übers Kintop!
Naja, dann wundert es mich nicht, dass Mädchen mehr und mehr zur Magersucht neigen und viele junge Menschen Arzt werden wollen, weil es so Spaß macht im weißen Kittel den Schwestern in den Ausschnitt zu fallen und dummes Zeug zu schwätzen.
:lachtot:

Na ja, ich versteh deine Heiterkeit nicht so ganz, oder ist das jetzt zynisch und ich bin zu blöd dafür?

Natürlich 'lernen' wir unsere Verhaltensweisen auch über Medien aller Art. 'Positive' wie 'Negative'. Das kann man begrüßen oder ablehnen. Ich bin sehen es neutral. In früheren Zeiten waren es andere 'Vorbilder'
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Re: Kulturwandel

Beitragvon ujmp » Mo 18. Jan 2010, 10:01

stine hat geschrieben:Naja, dann wundert es mich nicht, dass Mädchen mehr und mehr zur Magersucht neigen und viele junge Menschen Arzt werden wollen, weil es so Spaß macht im weißen Kittel den Schwestern in den Ausschnitt zu fallen und dummes Zeug zu schwätzen.


Die Wahl des Programmes ist natürlich ganz deinem Geschmack überlassen, genau wie die Wahl deiner Religion. Und ich wette, dass du alles was du über Magersucht weißt, aus dem Fernsehen weißt.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » Mo 18. Jan 2010, 11:24

ujmp hat geschrieben:Und ich wette, dass du alles was du über Magersucht weißt, aus dem Fernsehen weißt.
Die Wette hast du schon mal verloren. Leider.

Um was geht es mir hier eigentlich?
Zappa hat geschrieben:Gebote wurden religiös unterlegt, d.h. sind nicht religiös begründet. So sehe ich das auch. Letztendlich sind die moralischen Werte in den unterschiedlichen Gesellschaften sehr ähnlich, nur die religiöse "Begründung" ist sehr unterschiedlich, was den Wert der religiösen Begründung doch eindrucksvoll wiederlegt, oder?

Das Ganze bedeutet für mich, dass Religion nicht der Ursprung der Werte ist, aber ein wirkungsvolles Vehikel.
Zappa hat verstanden, auf was ich raus wollte. Kultur und Werte wurden in der Vergangenheit über die Religion vermittelt und damit von vielen gelebt. Würden wir alle zu religionslosen Naturalisten, welches Vehikel nutzten wir, um Kultur und Werte zu vermitteln oder zu erhalten?

Das sogenannte Anpassen der Werte, oder nehmen wir ein altes Wort: Tugenden, würde ich als verwässern ansehen. Die Ehrlichkeit zB, früher ein Dekret der traditionellen Religionen und absolut wichtigstes Gebot hindert heute vielleicht die Nachkommenschaft noch daran, dem Nachbarn das Fahrrad zu stehlen, aber im Hinblick auf die Steuerehrlichkeit oder den gehübschten Lebenslauf bei der Arbeitssuche uä, gilt es schon nicht mehr.
Wer heute noch Tugenden sucht, sucht oft vergeblich. Das entspricht den von mir festgestellten Kulturwandel.

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Re: Kulturwandel

Beitragvon Mark » Mo 18. Jan 2010, 15:09

pluto hat geschrieben:...
Natürlich 'lernen' wir unsere Verhaltensweisen auch über Medien aller Art. 'Positive' wie 'Negative'. Das kann man begrüßen oder ablehnen. Ich bin sehen es neutral. In früheren Zeiten waren es andere 'Vorbilder'


Ja klar, früher hatte dieses Monopol eben nur..na ?
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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » Mo 18. Jan 2010, 15:22

Auch das ist Kulturwandel, dass man sich heute an den Medien orientiert.
Abschauen und alles glauben, was man sieht, was soll daran besser sein, als früher?
Und wer hat hier die Macht über die Menschen und ihre Kultur?

ujmp hat geschrieben:Die Wahl des Programmes ist natürlich ganz deinem Geschmack überlassen,...
Leider nicht meinem Geschmack überlassen, sondern jeder wählt sich, was ihm gefällt!

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Re: Kulturwandel

Beitragvon Zappa » Mo 18. Jan 2010, 18:09

stine hat geschrieben:Und wer begründet sie heutzutage und wo?
Ich meine früher war das im Religionsunterricht oder am Sonntag von der Kanzel. Und wo sollte das sein, wenn all dies abgeschafft wird?


Familie, Schule, Clique, Medien, Philosophieseminar etc.pp.

Dazu gibt es reichlich soziologische und philosophische Arbeiten.

War auch immer schon so, denn die Werte waren ja vor den jeweiligen Religionen schon da, die religiöse Begründung wurde lediglich nachgeschoben.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » Mo 18. Jan 2010, 18:16

Zappa hat geschrieben:Familie, Schule, Clique, Medien, Philosophieseminar etc.pp.
Davon taugt heutzutage schon fast nur noch das Philosophieseminar.
Viele Familien geben gar nichts mehr weiter und Schule nur dann, wenn sie noch explizit vorgibt an christlichne Werten festzuhalten. Die Clique predigt das Gebot des Stärkeren und die Medien - naja, dazu muss ich nichts sagen.
Das ist mir einfach zu wenig, vor allem deshalb, weil ein Kulturwandel bereits sprübar ist, zB in Punkto Ehrlichkeit und sittliche Werte.
Zappa hat geschrieben:War auch immer schon so, denn die Werte waren ja vor den jeweiligen Religionen schon da, die religiöse Begründung wurde lediglich nachgeschoben.
Ist es wirklich so?

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Re: Kulturwandel

Beitragvon Twilight » Mo 18. Jan 2010, 19:26

stine hat geschrieben:Würden wir alle zu religionslosen Naturalisten, welches Vehikel nutzten wir, um Kultur und Werte zu vermitteln oder zu erhalten?

Das sogenannte Anpassen der Werte, oder nehmen wir ein altes Wort: Tugenden, würde ich als verwässern ansehen. Die Ehrlichkeit zB, früher ein Dekret der traditionellen Religionen und absolut wichtigstes Gebot hindert heute vielleicht die Nachkommenschaft noch daran, dem Nachbarn das Fahrrad zu stehlen, aber im Hinblick auf die Steuerehrlichkeit oder den gehübschten Lebenslauf bei der Arbeitssuche uä, gilt es schon nicht mehr.


Nun, Feste wie Weihnachten und Ostern sind naturalistischen Ursprungs. :)
Was das Verwässern von Tugenden angeht, so ist dies meiner Meinung nach ein zeitloses und kulturunabhängiges Phänomen. (siehe Aristoteles über die respektlose, faule, luxusversessene Jugend)
Der niedrige Grad der Steuerehrlichkeit ist bei der breiten Masse reiner Selbstschutz. In der Staatskasse gähnt ein großes schwarzes Loch, welches immer größer wird. Wer möchte denn da noch drauf hoffen, dass zumindest ein erwähnenswert großer Anteil seiner bezahlten Steuern der Allgemeinheit zugute kommt?
Zugegeben, einigen Leuten ist dies egal. Sie interessieren sich tatsächlich nur für sich selbst.
Und was den geschönten Lebenslauf angeht... Arbeitgeber wissen, dass Lebensläufe geschönt sind und vermuten hinter jeder vorsichtigen Umformulierung von Wahrheiten etwas Unschönes. Oft ist das egal. Menschen sind nun einmal nicht perfekt.
Aber was wäre, wenn der Lebenslauf ehrlich ist, also auf menschliche Mängel hinweist? Ein Arbeitgeber, der einen ungeschminkten Lebenslauf sieht, wird trotzdem versteckte Geheimnisse vermuten. Eine Phase der Arbeitslosigkeit, die nicht als "arbeitssuchend", "Verwirklichung privater Projekte" oder "Pflege eines Familienangehörigen" bezeichnet wird, wird als "Faulsein" interpretiert.
Wenn eine Lüge beiden Parteien bekannt ist und beide wissen, dass der andere es weiß und sie wissen, dass der andere auch weiß dass man selbst es weiß... ist es dann noch eine Lüge?

stine hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Familie, Schule, Clique, Medien, Philosophieseminar etc.pp.
Davon taugt heutzutage schon fast nur noch das Philosophieseminar.

Ist auch wieder war. :/ Wenn ich daran denke, dass meine eigene Mutter schon die Grundlagen einer politischen oder philosophischen Diskussion mit den Worten "Hat doch keinen Sinn, darüber zu reden" niederschmettert... Traurig.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon pluto » Mo 18. Jan 2010, 23:33

stine hat geschrieben:Ich "sehe" nicht, dass die Erziehung zum Humanismus irgendwo stattfindet. .... Ich finde, da fehlt noch etwas Grundlegendes, etwas, was aus dem Tier einen Menschen macht.

Noch kurz hierzu...wie lang hatte die Kirche auch wieder Zeit ihre Stellung zu festigen....

Und zur Erinnerung: der Mensch ist ein Tier, ...das ist doch kein qualitativer sondern ein quantitativer Unterschied

stine hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Gebote wurden religiös unterlegt, d.h. sind nicht religiös begründet. ...
... Religion nicht der Ursprung der Werte ist, aber ein wirkungsvolles Vehikel.
Zappa hat verstanden, auf was ich raus wollte.

wenn das so ist, dann verstehe ich dein Problem nicht.
Da die Religionen die 'Werte' zu ihren Zwecken instrumentalisiert haben, braucht es die Religionen nicht um die Werte aufrecht zu erhalten.

stine hat geschrieben:Kultur und Werte wurden in der Vergangenheit über die Religion vermittelt und damit von vielen gelebt. Würden wir alle zu religionslosen Naturalisten, welches Vehikel nutzten wir, um Kultur und Werte zu vermitteln oder zu erhalten?

verklärst du die Vergangenheit da nicht etwas? Viel 'Kultur' war nur auf dem Rücken von vielen Leibeigenen und Ausbeutung möglich. Zum Bau von Kathedralen und zur Anhäufung unglaublicher Reichtümer wurde ohne Skrupel geraubt, gemordet und gemeuchelt. Und was die 'Werte' anbetrifft, Päpste hatten Frauen, Kinder, Lustknaben, bei Nonnenklostern wurden viele Gräber mit Säuglingen gefunden...naja usw.

Das 'Vehikel' gilt es zu entwickeln. Und so was geht nicht von heut auf morgen. Warum also so pessimistisch :yes:

Du träumst, von 'Tugenden' , 'Werten' und einer 'heilen Welt' die es nie gab.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon musicman » Di 19. Jan 2010, 01:03

Zappa hat geschrieben:Ich gebe Dir nur nicht darin Recht, dass die Areligiosität die Ursache dieser Entwicklung ist, wie Du sublim unterstellst. Vielmehr ist die Areligiosität Folge des zunehmend besseren Bildungsstandes.


Das trifft sicher auf eine intellektuelle Elite zu, wie hier im Forum vertreten - mich mal ausgenommen :( - die aber nicht repräsentativ ist.
An den Schulen stellt man eher Areligiösität gepaart mit niedrigem Bildungstand und sozialer Verwahrlosung fest.
Nicht an allen, aber tendenziell steigend und insbesondere an Schulen mit bildungsfernem Background.
Der Humanismus scheint mir - bisher jedenfalls - nicht in der Lage zu sein, das durch den Wegfall der Religion bedingte Wertevakuum ( ob Religion als Ursache, oder als Vehikel sei dahingestellt) im selben Tempo zu füllen, wie es andererseits erodiert.
Ich meine jetzt mal so ganz banale Sachen wie nachtreten, wenn einer schon am Boden ist, war früher auch bei den harten Jungs NoGo, das war Ehrensache - heute ist es Standard.
Der Humanismus hat das Problem der Wertevermittlung, bedingt durch die intellektuelle Begründung, in größerem Maße als eine auch für einfachere Gemüter verständliche, religiös begründete Moral.
Das Problem an der Sache ist mE die Zeit, die benötigt wird, das humanistische Modell flächendeckend zu etablieren.

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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » Di 19. Jan 2010, 08:29

Jetzt sind wir zusammen!
musicman hat geschrieben:An den Schulen stellt man eher Areligiösität gepaart mit niedrigem Bildungstand und sozialer Verwahrlosung fest.
Nicht an allen, aber tendenziell steigend und insbesondere an Schulen mit bildungsfernem Background.
pluto hat geschrieben:Das 'Vehikel' gilt es zu entwickeln. Und so was geht nicht von heut auf morgen. Warum also so pessimistisch :yes:

Du träumst, von 'Tugenden' , 'Werten' und einer 'heilen Welt' die es nie gab.

Die Menschheit darf von Tugenden träumen, diese sind nämlich die Wohlfühlgrundlage. Werden religiöse Moralitäten wegdiskutiert, da sie nicht mehr über einen Gott erklärbar sind, dann muss an diese Stelle etwas anderes treten.
Religiösität kann durchaus auch auf naturalistischem Boden wachsen. Der Kern wäre dann etwa die Spiritualität allein: Mensch und Natur im Einklang (zB). Auch das kann Demut und Inspiration erzeugen.

Siehe auch den Thread: Ziel der Bildung. Bildung muss ganzheitlich sein, reine Wissensvermittlung ist zu wenig.
Hier könnten aufklärerische Brights neue Ideen verwirklichen und aktiv an die Schulen herantragen.

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Re: Kulturwandel

Beitragvon Zappa » Di 19. Jan 2010, 19:21

pluto hat geschrieben:
stine hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Gebote wurden religiös unterlegt, d.h. sind nicht religiös begründet. ...
... Religion nicht der Ursprung der Werte ist, aber ein wirkungsvolles Vehikel.
Zappa hat verstanden, auf was ich raus wollte.

wenn das so ist, dann verstehe ich dein Problem nicht.
Da die Religionen die 'Werte' zu ihren Zwecken instrumentalisiert haben, braucht es die Religionen nicht um die Werte aufrecht zu erhalten.


Ich denke doch, dass das zwei unterschiedliche Dinge sind. Auch wenn die Religion nicht Ursprung der Werte ist, trägt sie doch wesentlich für ihre Vermittlung bei und prägt Ihnen den Stempel der Verbindlichkeit auf. D.h. wenn die Religion als Wertevehikel wegfällt, kann es sein, dass sich unmorlaisches Handeln besser ausbreiten kann.

Wertevermittlung geht natürlich auch - wahrscheinlich sogar wesentlich besser, weil autentischer - über moralische Autoritäten, die sind nur i.d.R. rar gesät. Wenn dazu gesellschaftliche Eliten wie die unseren derzeit moralisch so komplett versagen (Bankenkrise, Amigodenken, Bestechlichkeit und Mehrwertssteuersätze anpassen etc.) wird das ein echtes Problem.

musicmann hat geschrieben:An den Schulen stellt man eher Areligiösität gepaart mit niedrigem Bildungstand und sozialer Verwahrlosung fest.
Nicht an allen, aber tendenziell steigend und insbesondere an Schulen mit bildungsfernem Background.


OK, Punkt für Dich. Das ist in der Tat ein Problem und ein Beispiel dafür, dass die "Befreiung von der Religion" evtl. auch nach hinten losgehen kann.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon ujmp » Di 19. Jan 2010, 22:56

stine hat geschrieben:viele junge Menschen Arzt werden wollen, weil es so Spaß macht im weißen Kittel den Schwestern in den Ausschnitt zu fallen und dummes Zeug zu schwätzen.

Es ist doch ganz allein dein Problem, wenn du dir solch einen Blödsinn reinziehst. Wer sich so etwas ansieht, den kannst du mit aller Moral der Welt nicht verändern.

Es gibt aber eine Menge ausgezeichnete Filme mit einem höherem intellektuellen und moralischen Anspruch. Zwei Beispiele, die mir auf Anhieb einfallen sind "Verschollen" mit Tom Hanks (kam zu Weihnachten) oder "Drachenläufer". Wenn ich daran denke, dass solche Filme von Millionen Menschen gemocht werden, mache ich mir keine Sorgen um einen Mangel an Moral in dieser Welt. Menschliche Werte zeigen sich z.B. auch in einer Fußballweltmeisterschaft. Eigentlich in jeder Ausdrucksweise der Kultur. Meinetwegen auch in Jesus oder Scheewittchen.

Wir brauchen dazu keine Religion, sie will den Menschen nur Luft in Flaschen verkaufen.
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