@Dissidenkt:
Genau deswegen sollte man sich an einer Synthese bemühen zwischen den leninistischen Revolutionen, die zwar erfolgreich waren, aber extrem autoritär und in Diktatur endeten, und andererseits den anarchistischen, die extrem antiautoritär waren, aber wohl auch deswegen militärisch unterlagen.
Ausgehend vom Staatsverständnis hab ich hier schonmal skizziert, wie man das Dilemma lösen könnte:
"Der Staat ist weder unmittelbares Instrument einer Klasse (ML), noch Staat im Kapitalismus (Sozialdemokratie) oder der Hauptfeind jeder Emanzipation (Anarchisten), sondern mit der Neuen Marx-Lektüre als integraler Bestandteil des Kapitalismus zu begreifen. Insofern hat er im Sozialismus nix zu suchen und kann nicht der Akteur der Transformation sein. Er kann jedoch Freiräume schaffen, um die Selbstorganisation und das Entwickeln neuer Vermittlungsformen von unten zu ermöglichen und zu unterstützen. Ein ähnliches Verständnis des Staates hat sich auch in Venezuela in den letzten Jahren entwickelt. Bei aller berechtigten Kritik an Chavez & co ist die Rätebewegung dort mit den zig Tausenden kommunalen Räten und zunehmend auch höheren Ebenen weltweit einmalig."Die Zapatistischen autonomen Gemeinden in Mexiko ähneln dagegen eher den anarchistischen Versuchen und sind entsprechend regional begrenzt. Wobei ich gelesen habe, dass sie nicht prinzipiell die Übernahme des Staates ablehnen, sondern sich zumindest mal ansehen wie das in Venezuela so weitergeht usw. :>
Zappa hat geschrieben:Warum soll der Faule gleich wie der Fleissige behandelt werden? Jeder nach seinen Fähigkeiten und seinem Engagement.
Das kritisier ich ja gerade am Kapitalismus, nämlich dass er durch strukturelle Mehrwertabschöpfung systematisch gegen das Leistungsprinzip verstößt! Selbst bei Anne Will letztens musste ein Unternehmen zugeben, dass die eigentliche Arbeit ja seine Mitarbeiter machen und NICHT er.
Zappa hat geschrieben:Ist sicher ein Problem, aber IMHO prinzipiell beherrschbar. Aber noch einmal: In jedem politischen System gibt es Herrschaft und Macht![...] Mir ist der korrupte "Demokrat" allemal lieber als der korrupte Kommunist oder Anarchist, weil letztere leider nicht abwählbar sind.
Macht gibt es tatsächlich überall und diese ist prinzipiell auch nicht abzuschaffen. Problematisch wirds wenn sich Machtstrukturen verfestigen und zu Illegitimer Herrschaft werden. Die parlamentarische Demokratie ist an sich ja kein Wirtschaftssystem, sondern die passende politische Form des Kapitalismus, welche Rahmenbedingungen setzt, in denen sich das Kapital dann austoben kann und wo man für die Zumutungen der Ausbeutung etc. immer wieder die jeweilige Regierung verantwortlich machen kann und so ein lustiges wechselndes Machtspiel zwischen den jeweiligen Parteien zustande kommt ohne die Probleme wirklich dauerhaft zu lösen.
Das Modell der Räte im libertären Kommunismus/Anarchismus zeichnete sich seit Anfang der Tradition, welchen ich auf die Zeit der Pariser Kommune datieren würde, über die anarchistischen Revolutionen bishin zur aktuellen Entwicklung in Venezuela durch das
imperative Mandat aus, was Marx hiermit beschreibt:
"Beseitigung der Staatshierarchie überhaupt und Ersetzung der hochfahrenden Beherrscher des Volkes durch jederzeit absetzbare Diener, der Scheinverantwortlichkeit durch wirkliche Verantwortlichkeit, da sie dauernd unter öffentlicher Kontrolle arbeiten."(MEW 17, S.544)Zappa hat geschrieben:Falsche Voraussetzung: Der Kapitalismus - insbesondere in seiner Form als soziale Marktwirtschaft - ist unter modernen Bedingungen die am wenigsten krisenanfällige Gesellschaftsform.
Es ist überhaupt die einzige Wirtschaftsform, welche durch die chaotische Privatproduktion zyklische Krisen
kennt. Selbst im Realsozialismus gab es dies nicht. Dort gabs selbstverständlich genug andere Zumutungen.
Zappa hat geschrieben:Marx bezog sich auf andere Verhältnisse. [...]Stört dich daran, dass hier ein Privatmensch investiert, soll das lieber ein Kollektiv machen und macht dieses es dann besser?
Es ging auch nicht um absoluten Lebensstandard, sondern um die Ungleichheit resultierend aus der Ausbeutung des Kapitalismus, die Marx schon damals recht präzise eingeschätzt hat und was im Vergleich zu heute allen Reformismus-Vorstellungen zu denken geben sollte.
Zappa hat geschrieben:Das genau erklärt Hayek in meinem eingangs empfohlenen Buch ganz gut ...
Kann jetzt auch auf x-Bücher verweisen, das macht aber für ne Argumentation wenig Sinn. Wie gesagt ist die These eigentlich schon durch die Realität widerlegt, nämlich einmal durch die Studien von Elinor Ostrom und andererseits durch die historischen anarchistischen Versuche.