Kulturtechniken

Re: Kulturtechniken

Beitragvon Darth Nefarius » Do 19. Jan 2012, 15:32

Arathas hat geschrieben:Anscheinend bist du allerdings alt genug, um eine dahingekleckste blöde Bemerkung ernst zu nehmen. ;-)

Nein, ich habe ja 2 Möglichkeiten in Betracht gezogen:
Darth Nefarius hat geschrieben:Entweder bist du auch :grandpa: oder weisst selbst nicht, was so toll an der mentalen Abhängigkeit von alten, unnützen Dingen sein soll.

Du bist anscheindend alt genug, um Sachen zu überlesen, macht nichts.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Arathas » Do 19. Jan 2012, 15:41

Ich habe es nicht überlesen; deine Ausführungen ließen mich aber darauf schließen, dass du wirklich daran, dass Leute sich über nostalgisches Computerzeug austauschen, zu erkennen meinst, wie geistig flexibel und lernbereit diese Menschen sind. Ich sehe darin einfach nur einen kleinen Spaß-Thread, der eben denen Spaß macht, die alt genug sind, das Zeug zu (er)kennen. Lass doch auch mal Spaß zu. :up:
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Darth Nefarius » Do 19. Jan 2012, 18:48

Na gut, wenn das soetwas ist wie "was hörst du gerade?" ,dann ist das wohl ok. Aber ich habe deswegen auch gefragt, ob man hier diskutieren oder in Nostalgie schwelgen will. Wenn letzteres der Fall ist, klinke ich mich aus. Über Musikgeschmack streite ich auch nicht, das ist sinnlos.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon mat-in » Do 19. Jan 2012, 19:03

Darth Nefarius hat geschrieben:Man müsste mal die hormonelle Zusammensetzung erforschen, die dazu führt, vielleicht kennst du dich da aus, mat-in?
Ich kann dazu nur sagen, das früher alles besser war:
Sokrates hat geschrieben:Die Jugend liebt heute den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte. Sie widerspricht den Eltern und tyrannisiert die Lehrer.

Ich denke mal das hat mit dem üblichen "zu den erwachsenen aufschau", dann "rebellisch sein", dann "die welt besser machen wollen (und zu glauben es zu können)", dann "absturz in den sarkasmus, alles war früher besser" zu tun. Das scheint ganz normale "hirnentwicklung" zu sein und mit der Grund, warum ich vorher gesagt habe, das du in 10 Jahren auch auf einem bestimmten Standpunkt sein wirst und vielleicht militanter(er) Atheist.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Darth Nefarius » Do 19. Jan 2012, 19:31

Weisst du, ich habe natürlich auch darüber nachgedacht, warum das immer und wirklich immer wieder passiert. Ich denke es hat mit dem immer weiteren Bewusstwerden der Sterblichkeit zu tun. Irgendwann wird einen das Leben und das, was einen zu dem gemacht, was man heute ist, zuwider. Man denkt an Sinn, sucht ihn und, wenn man naiv genug ist, findet man ihn auch (in Gott, z.Bsp.), weil man einen braucht. Ich habe mir vorgenommen so zu leben, dass ich mir möglichst wenig vorzuwerfen habe, ich lebe meine Philosophie. Diese ist, dass ich das Zentrum unseres Lebens betrachte: Das Leben, die einzige Konstante, die wir wahrnehmen. Jeden Organismus treibt die Erhaltung des einzigen an, was man wirklich hat. Im Menschen hat es sich schließlich als Angst vor dem Tod, dem Bewusstsein der Sterblichkeit manifestiert. Folglich arbeite ich daran, möglichst lange zu leben, über alle Grenzen hinaus, bis jetzt habe ich mir nichts vorzuwerfen. Dir sind bestimmt die einzelnen Projekte bekannt, die SIR-Gene, Telomerasen, Stammzellen erforschen. Sehr interessant, serh vielversprechend. Wenn man es wenigstens versucht, hat man die Zeit ein wenig weniger verschwendet, es ist letztlich egal, was man mit ihr anfängt, solange man damit umgehen kann. In diesem leichten Aktionismus habe ich meine Zuversicht erhalten, ich habe bis jetzt schon viele widrige Situationen erlebt, ich versuche an ihnen zu wachsen. Deshalb denke ich nicht, dass ich in diesen resignierenden Zustand verfallen werde, ich habe gar nicht die Zeit dazu.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Zappa » Do 19. Jan 2012, 19:43

Darth Nefarius hat geschrieben: Weisheit ist für mich eher ein Unwort, damit assoziiere ich Konservativismus, geistige Lahmheit, die Arroganz gegenüber der jugendlichen Energie und Leistungsstärke. Es kommt auf die Intelligenz und Anpassungsfähigkeit an.


Anpassungsfähigkeit passt ja nun mal gar nicht so recht in die Liste der Tugenden. Weisheit hat in der Tat etwas mit Konservatismus zu tun, denn Konservatismus ist ja nicht - wie Du vielleicht unterstellen magst - per se etwas Schlechtes. So wie radikales Umstürzlertum nicht automatisch etwas Gutes ist. Wenn jemand auf hohem intellektuellen Niveau begründen kann, warum man gewisse Dinge besser nicht ändert und wie man rückblickend (!!) und erfolgreiche (!!) ein gutes Leben führt, dann ist das ein wertvoller Beitrag und für mich sowas wie Weisheit. Und das nehme ich erst mal ernst.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nostalgie zeigt sich über die Anhänglichkeit an alte Objekte, die aber letztlich an verklärte Erinnerungen geknüpft sind, nach dem Motto: "Früher war alles besser." :grandpa:


Es gibt natürlich hoffnungslose Nostalgiker, aber auf den anderen Seite ist natürlich die Frage erlaubt: Brauch ich jeden neuen Scheiß, muss ich jedem Trend hinterherlaufen, muss ich mich z.B. unbedingt an dem Verballern seltener Erden beteiligen um jedes Jahr die neueste Smartphone- und Readergeneration zu haben?

Nein ich muss nicht. Festnetz tut es auch und Bücher sind voll geil :ja:

Ältere Leute müssen sich im Übrigen nicht mehr so in Ihrem Umfeld beweisen, nicht unbedingt cool und angesagt sein, dass macht einen in gewisser Weise intellektuell freier und innovativer - selbst wenn das Gehirnkästle nicht mehr so foudroyant schalten und walten kann.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Darth Nefarius » Do 19. Jan 2012, 20:18

Vielleicht wird es dich überraschen, aber ich besitze auch nur ein normales Handy, seit einigen Jahren das selbe. Ich halte auch nichts von Trends und dem "Hauptstrom". Meine Einstellung ist, dass Effizienz mit Ressourcen, ihre Notwendigkeit und Technik das Maß sein sollte, dabei habe ich schlichtweg keinen Bedarf für "Aps". Wenn ich mir aber irgendein Lochen von irgendwelchen Speichermedien ersparen kann, dann tue ich das auch, ohne einem Locher nachzuweinen. Wenn es kostengünstige Plasmafernseher mit sehr guter Qualität gibt, der aber schon einige Jahre auf dem Buckel hat, dann ziehe ich ihn dem kleinen Röhrenfernseher vor, der noch bei mir stünde. Wenn ich einen Laptop mit Internetanschluss habe, dann brauche ich kaum noch Bücher oder Bibliotheken. Es muss nicht das Neueste sein, aber man muss sich das Leben auch nicht aus Sentimentalität schwierig machen.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon mat-in » Do 19. Jan 2012, 23:11

Darth Nefarius hat geschrieben:Deshalb denke ich nicht, dass ich in diesen resignierenden Zustand verfallen werde, ich habe gar nicht die Zeit dazu.

Man muß ja nicht gleich Fisch, das Universum und den ganzen Rest auf einen Hopp aufgeben. Es reicht zu einer solchen Einstellung völlig, der Meinung zu sein, daß die meisten Leute... nein, das sag ich jetzt nicht laut. Dafür ist es dann irrelevant, ob wir darauf hoffen in 50 Jahren biologisch unsterblich zu werden oder darauf warten in 30 von Klimaerwärmungsflüchtlingen für die zwei, drei Konservendosen die wir im Keller haben totgeschlagen zu werden. Man kann durchaus unterschiedliche Einstellungen zu unterschiedlichen Teilen des Lebens haben :)
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon stine » Fr 20. Jan 2012, 19:11

Zappa hat geschrieben:Wenn jemand auf hohem intellektuellen Niveau begründen kann, warum man gewisse Dinge besser nicht ändert und wie man rückblickend (!!) und erfolgreiche (!!) ein gutes Leben führt, dann ist das ein wertvoller Beitrag und für mich sowas wie Weisheit. Und das nehme ich erst mal ernst.


Eventuell bleibt der Elektronik-Hype ein ganz kurzer Intervall in der Menschheitsgeschichte. Ob sich die Kulturtechnik des SMSens solange hält, wie seinerzeit und heute noch hie und da das Briefeschreiben, ist sicherlich eine Frage der Ressourcen.
Selbst eine "klassische" eMail zählt ja heute schon zu den vergangenen Langtexten. Die Kulturtechnik des Schreibens, um beim Titel zu bleiben, wird immer kürzer und banaler.

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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 21. Jan 2012, 12:58

mat-in hat geschrieben:Man muß ja nicht gleich Fisch, das Universum und den ganzen Rest auf einen Hopp aufgeben. Es reicht zu einer solchen Einstellung völlig, der Meinung zu sein, daß die meisten Leute... nein, das sag ich jetzt nicht laut. Dafür ist es dann irrelevant, ob wir darauf hoffen in 50 Jahren biologisch unsterblich zu werden oder darauf warten in 30 von Klimaerwärmungsflüchtlingen für die zwei, drei Konservendosen die wir im Keller haben totgeschlagen zu werden. Man kann durchaus unterschiedliche Einstellungen zu unterschiedlichen Teilen des Lebens haben :)

Man kann wenigstens den Versuch wagen, dann hat man sich weniger vorzuwerfen, wenn man nichts mehr hat. Ich bereue die wenigen Momente, in denen ich bestimmte Sachen nicht riskiert habe, aber das sind nur wenige. Ich bin ja auch kein Menschenfreund, aber man hat wenigstens noch sich. Ganz so alleine fühle ich mich im übrigen auch nicht, auch wenn es wenige sind, so gibt es welche, die meiner Ansichten sind. Man braucht nicht viele Leute, um weit zu kommen, sondern vor Allem kompetente. Ich denke, dass man schon schwierigere Sachen geschaukelt hat, als die aktuellen Fragen.
stine hat geschrieben:Eventuell bleibt der Elektronik-Hype ein ganz kurzer Intervall in der Menschheitsgeschichte. Ob sich die Kulturtechnik des SMSens solange hält, wie seinerzeit und heute noch hie und da das Briefeschreiben, ist sicherlich eine Frage der Ressourcen.
Selbst eine "klassische" eMail zählt ja heute schon zu den vergangenen Langtexten. Die Kulturtechnik des Schreibens, um beim Titel zu bleiben, wird immer kürzer und banaler.

Was lässt dich das bitte glauben? Ich nehme an, dass du dir das auch noch wunscht! Warum? Das ist doch nun wirklich extremste Nostalgie, es war nicht nur früher alles besser, sondern jetzt wird es auch noch immer schlechter, was? Soetwas ist doch nun wirklcih Ignoranz und die Betrachtung der Geschichte mit der rosaroten Brille. Briefeschreiben ist wesentlich ineffizienter zur Informationsübermittlung und auch noch teurer. es gibt keinen Anhaltspunkt, das man die Fortschritte auf geben wird oder will.
Statistisch mag es sein, dass Informationsübermittlungen immer oberflächlicher werden, aber auch nur, weil es wesentlich einfacher wird. Das ist nur ein statistisches Phänomen, E-mails und gehaltvolle Informationen sterben deswegen nicht aus, unsinn. Wenn es wesentlich einfacher ist, Informationen zu vermitteln, dann verleitet es auch dazu, es zu tun. Das Vervielfältigen der Übertragungsmöglichkeiten verdummt deswegen noch lange nicht die Nutzer. Dass es jetzt Twitter gibt, bedeutet nicht, dass ich diese Möglcihkeit zur Sinnlosigkeit auch nutze, ich habe gar keinen Grund dazu. Ebensowenig beeinträchtigt allein die Existenz von SMS und co den Informationsgehalt meiner Nachrichten.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon stine » Sa 21. Jan 2012, 18:09

Darth Nefarius hat geschrieben:Dass es jetzt Twitter gibt, bedeutet nicht, dass ich diese Möglcihkeit zur Sinnlosigkeit auch nutze, ich habe gar keinen Grund dazu. Ebensowenig beeinträchtigt allein die Existenz von SMS und co den Informationsgehalt meiner Nachrichten.
Wieso nutzt du Twitter nicht?
Wie verbreitest DU denn deine gehaltvoll informativen Nachrichten?

:winkgrin: stine
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Darth Nefarius » So 22. Jan 2012, 18:41

Mit dem Mund, mit diesem Forum. Hohe Frequenz von Kommunikation bedeutet nicht, dass sie Qualität hat. :2thumbs:
Ebenso verdrängt die Möglichkeit zur Kommunikation mit hoher Frequenz nicht die Kommunikation mit Gehalt, das sind 2 unterschiedliche Nieschen, die koexistieren können und es auch tun.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Nanna » So 5. Feb 2012, 20:54

Kurz zur Digitalisierung des Geschriebenen: Ich stehe dem, mal ganz auf einer Linie mit Darth Nefarius, völlig offen gegenüber und habe das Glück, eine Freundin zu haben, die ähnlich papierfeindlich ist, wie ich. Der Anschaffung von Tabletcomputer stehen eigentlich nur noch die finanziellen Engpässe des Studentendaseins gegenüber, aber im Prinzip arbeiten wir mit Hochdruck am papierfreien Haushalt. Die Zeitung kann ich als E-Paper empfangen, Bücher zunehmend als E-Books anschaffen, das ist doch alles wunderbar. Vielleicht habt ihr das Glück, nicht mitten in der Stadt zu wohnen, aber allein, wenn ich mir überlege, was es jeden Monat an Mietkosten verursacht, quadratmeterweise Platz für kiloweise Bücher und Ordner bereitzuhalten... ne, sobald die Technik für uns bezahlbar ist, jagen wir unsere Ordner durch den Dokumentenscanner an der Uni, machen da hübsche dünne PDFs draus und haben daheim wieder ein paar Quadratmeter mehr Fläche, die sinnvollere Einrichtungsgegenstände beherbergen können.

So generell entdecke ich in der Diskussion einige Allgemeinplätze wieder, die von Kathrin Passig jüngst unter dem Titel Standardsituationen der Technologiekritik zusammengefasst wurden - und natürlich habe ich im Laufe der Jahre auch ein paar davon wiedergegeben, wie ich selbstkritisch anmerken muss. ;-)
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon stine » Mo 6. Feb 2012, 09:01

Kulturtechnik ist die Technik der jeweiligen Kultur. Die heutige Technik ist eben derzeit die Papier und somit Gewicht sparende. Die aufgewendete Energie ist eine andere, aber nicht weniger und vor allem keine Strom sparendere.
Vielleicht ist die Halbwertszeit, die wir unserem Wissen zuordnen, das Verfallsdatum der Fakten auf Platte, zum jeweiligen Wissensstand äquivalent. Die Bücher, in denen wir scheinbar überholtes Wissen nachlesen können, stehen zwar oft nur noch ungenutzt im Schrank, bleiben aber vielfach noch Grundlage. Wissen verbreitet sich so schnell, wie die jeweilige Technik es zulässt.

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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Nanna » Mo 6. Feb 2012, 12:17

Ja, wobei sich auf die Form des Buches wahrscheinlich schon langsam überlebt hat. Apple hat ja mit iBooks gerade eben die Grundlage für Lehrbücher geschaffen, die völlig am Computer erstellt werden und in die multimediale Inhalte eingebunden werden können. Das Buch im Sinne eines langen Fließtextes wird in seiner Bedeutung rapide abnehmen und selbst da, wo es als solches noch existiert, wird es von vernetzten Systemen wie dem Rhizomsystem, auf dem z.B. Wikipedia basiert, abgelöst werden. Das bedeutet, dass weite Teile der akademischen Literatur inklusive von Schulbüchern in den nächsten Jahren eine radikale Formänderung durchmachen werden. Der lange Fließtext wird sicherlich als Roman oder auch als akademische Monografie überleben, aber quantitativ nicht mehr die Rolle spielen, die er hatte, als es kaum technische Möglichkeiten gab, das Wissen anders darzustellen.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Celtic » Mo 6. Feb 2012, 13:14

Totgesagte leben bekanntlich ziemlich lange. Ich persönlich glaube nicht, daß das Buch ausgedient hat. Schließlich gehen wir trotz Fernsehen immer noch ins Kino und hören Radio. E-Books sind nur ein neues Medium - aber nicht das Ende des gedruckten Buches.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon stine » Mo 6. Feb 2012, 13:17

Gebündeltes Wissen auf Server ausgelagert und durch andauerndes Ergänzen auf Expertenniveau gebracht, für jedermann jederzeit abrufbar, ist natürlich der ultimative Menschheitstraum wissbegieriger Zweibeiner im Bildungszeitalter. Früher hatte man gerne mal eingeflochten, ich weiß das nicht, aber ich weiß, wo ich das nachschlagen kann. Wer heute was nicht mehr weiß ist ganz offenbar selber schuld.
Meine Sorge bleibt: Was machen wir, wenn der Strom ausfällt?
Einmal im Supermarkt live erlebt: Die Tiefkühltruhen verschlossen noch schnell ihre empfindliche Ware vor dem Erwärmen, aber dann ging nichts mehr, Notbeleuchtung, keine Kasse, keine Türe, keine Schranke. Später wiederkommen war nicht, weil man den Supermarkt nicht einmal mehr verlassen konnte. Eine Tür konnte man früher von Hand öffen und ein Buch kann man auch bei Kerzenlicht lesen. Der 300bändige Brockhaus wäre zwar veraltet, aber er könnte doch immer noch darüber Auskunft geben, wer Konrad Zuse war.

:wink: stine

Übrigens als Themenergänzung:
Wir finden im Netz durchaus auch Informationen, die wir lieber nicht hätten. Voran die medizinische Aufklärung bei Beschwerden jeglicher Art. Der Arzt von heute muss froh sein, wenn ihm der Patient noch Spielraum für seine hausärztliche Diagnose lässt. Oft ist die "gefundene" Krankheit um einiges interessanter, als das, was der Arzt feststellt.

:mg:
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Celtic » Mo 6. Feb 2012, 13:31

Stimmt: Wenn die alten Ägypter oder die Sumererer ihr Wissen elektronisch gespeichert hätten, wüßten wir heute nichts mehr über sie.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon Nanna » Mo 6. Feb 2012, 13:53

stine hat geschrieben:Meine Sorge bleibt: Was machen wir, wenn der Strom ausfällt?

Mir ist gestern die Wasserleitung eingefroren, das war auch ein Spaß: Ein Sonntag ohne fließendes Wasser. Kaum vorstellbar, dass das vor 70 Jahren in vielen Dörfern noch normal war. Und als ich vorletztes Jahr den Sommer in Damaskus verbracht habe, ist jeden Mittag pünktlich um 13:00 oder 14:00 der Strom abgestellt worden, weil die absurderweise als Wüstenstaat ihre Energie großteils durch Wasserkraft aus dem Euphrat gewinnen. Dann gehen die Dieselgeneratoren auf den Straßen an und es stinkt zum Himmel. Mir ist also schon klar, was du meinst.
Wenn der Strom ausfällt, dann schauen wir halt doof aus der Wäsche, aber nicht so sehr, weil wir bei Wikipedia nicht mehr nachschlagen können, wie lange ein Ameisenbär lebt, sondern weil unsere gesamte Infrastruktur in irgendeiner Form auf Elektrizität basiert. Normalerweise ist so ein Stromausfall aber nicht von Dauer und je mehr sich Akkumulatoren durch Mobiltelefone, Tabletcomputer, Laptops und Elektroautos verbreiten und je kleinteiliger und dezentraler unser Stromnetz wird, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit großflächiger Stromausfälle. Mobilfunkmasten haben heute schon eine unabhängige Stromversorgung, deshalb kann man auch noch telefonieren, wenn man daheim im Dunkeln sitzt. Die Batterie eines Elektroautos würde sogar bis zu zwei Tage einen Haushalt mit Strom versorgen können (ein Grund, warum nach Fukushima in Japan das Interesse an Elektroautos rapide gestiegen ist).
Wenn du also mit Stromausfällen gegen die Elektrifizierung von Büchern argumentierst, solltest du dabei auch die anderen Änderungen, die mit dieser Epoche einhergehen, berücksichtigen, nicht nur Bezug auf den Kohlestromzentralismus des 20. Jahrhunderts nehmen.

stine hat geschrieben:Einmal im Supermarkt live erlebt: Die Tiefkühltruhen verschlossen noch schnell ihre empfindliche Ware vor dem Erwärmen, aber dann ging nichts mehr, Notbeleuchtung, keine Kasse, keine Türe, keine Schranke. Später wiederkommen war nicht, weil man den Supermarkt nicht einmal mehr verlassen konnte. Eine Tür konnte man früher von Hand öffen und ein Buch kann man auch bei Kerzenlicht lesen. Der 300bändige Brockhaus wäre zwar veraltet, aber er könnte doch immer noch darüber Auskunft geben, wer Konrad Zuse war.

Wenn ich mit zweihundert auftauenden Brathähnchen in einem dunklen Supermarkt gefangen bin - warum zur Hölle will ich dann wissen, wer Konrad Zuse war? :o0:

Celtic hat geschrieben:Stimmt: Wenn die alten Ägypter oder die Sumererer ihr Wissen elektronisch gespeichert hätten, wüßten wir heute nichts mehr über sie.

Das ist jetzt halt auch so ein Argument... wenn die alten Ägypter und Sumerer Elektrizität gehabt hätten, wären sie nicht die alten Ägypter und Sumerer gewesen. Man kann nicht einfach in völlig anachronistischer Weise bestimmte Einzelmerkmale einer Ära verbindungslos in eine andere transferieren und sich dann was-wäre-gewesen-wenn fragen. Übrigens, was heute das iPad ist, war im alten Rom die Wachstafel - von deren Inhalten ist heute auch nichts mehr übrig. Die meisten antiken Schriften wurden durch fortlaufende Umkopierungen auf neuere Datenträger ("Abschreiben") erhalten, das macht man heute mit Festplatten ja ganz ähnlich.
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Re: Kulturtechniken

Beitragvon stine » Mo 6. Feb 2012, 14:19

Nanna hat geschrieben:Wenn ich mit zweihundert auftauenden Brathähnchen in einem dunklen Supermarkt gefangen bin - warum zur Hölle will ich dann wissen, wer Konrad Zuse war? :o0:
Oh, da hatte ich wohl zu gängig durchgeschrieben.

:mg: stine
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