Zarathustra hat geschrieben:Super Sache, Gandalf, die Gesellschaft vom Staat befreien! Ich hab das in einem anderen Thread schon kurz erläutert und bin auf heftigsten Widerstand gestossen.
Nanna hat geschrieben:"Die autarke Blutsgemeinschaft" - na wenn das kein Ort von Abhängigkeiten und rigorosen Zwängen sein würde. Aber man kann ja mal schwärmen, nicht wahr?
provinzler hat geschrieben:Volle Zustimmung.
provinzler hat geschrieben:Was es braucht, ist ein echter Rechtsstaat, indem Recht und Gesetz allgemeinverbindlich sind, also insbesondere auch für Spitzenfunktionäre, Politiker und Zentralbanker gelten. Allein im Zuge der "Eurorettung" leben wir seit fast drei Jahren mit einem knappen halben dutzend permanenter Rechtsbrüche, die im Namen des "Endsiegs" des Euro gerechtfertigt werden.
Nanna hat geschrieben:Ich bin zwar für mehr Europa und den Euro, aber ich sehe das in dem Fall ebenfalls wie du: Die Rechtssicherheit ist wichtiger als der Euro.
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Ich bin zwar für mehr Europa und den Euro, aber ich sehe das in dem Fall ebenfalls wie du: Die Rechtssicherheit ist wichtiger als der Euro.
Ich bin für ein friedliches Europa und genau deswegen gegen diese Organisation EUdSSR.
Zarathustra hat geschrieben:Ja, die Mutter steht in der Natur hierarchisch 'über' dem Kind. Wie man derlei Natürlichkeit aber als Argument pro Verstaatlichung der Menschen ins Feld führen kann, ist mir schleierhaft.
Zarathustra hat geschrieben:Mit der Mutter oder dem Mutterbruder als Teil eines Organismus will jeder normale Mensch als Individuum von Natur aus etwas zu tun haben.
Zarathustra hat geschrieben:Diese Fernsten gehen mich von Natur aus null und nichts an. Ist mir schleierhaft, wie man solche Offensichtlichkeiten leugnen kann.
Zarathustra hat geschrieben:Das dient doch nur der Rechtfertigung einer Lebenslüge, zu der man nicht stehen will, im Sinne von: "ja, mein Dasein als alles zermalmender Vernichtungskollektivist ist nicht nur sinnlos, sondern schlicht pervers und leid-maximierend." Das wären Bekenntnisse, die es bräuchte, wenn es jemals besser werden soll. Wieviele Zivilisationen und Arten müssen denn noch untergehen, bis man den Wahnsinn als Wahnsinn begreift?
Ich meinte auch Hierarchien innerhalb von Gruppen, also die Existenz von Führungspersönlichkeiten, die anderen Befehle erteilen. Ich führe das nicht als Argument für die Staatlichkeit an (naturalistischer Fehlschluss!), sondern als Widerlegung der Behauptung, Hierarchien wären "widernatürlich". Mit dem Begriff kann ich als Ablehnender von Naturrechtsphilosophien aber sowieso nichts anfangen.
Das heißt aber nicht, dass diese Menschen gut für jemanden sein müssen, wie die Existenz von Kindesmisshandlung belegt.
Erfolgreicher Geschlechtsverkehr macht einen halt noch lange nicht zu erfolgreichen Eltern und guten Menschen, was die mystische Überhöhung der Blutsgemeinschaft meines Erachtens dann doch wieder ziemlich erdet.
Wenn man in einer Gesellschaft als komplexem System lebt (und Gesellschaft ist hier ein deskriptiver Begriff, kein normativer, der zu deiner "Gemeinschaft" entgegengestellt ist), beeinflussen einen die Handlungen der Anderen, deshalb ist es unerlässlich sich dafür zu interessieren, was die Anderen (und das heißt gerade: die einflussreichen Anderen) tun. Deshalb geht es einen schon etwas an, was diese "Fernsten" tun, auch wenn es nicht dasselbe ist wie es einen etwas angeht, was mit engen Freunden oder der Familie geschieht.
Ich kann keinen "Vernichtungskollektivismus" erkennen, im Gegenteil, ich behaupte, dass es kaum eine Episode der Menschheitsgeschichte mit einem derartigen Maß an Individualismus und persönlicher Freiheit gab. Ich sehe nichts genuin Sinnloses, Perverses oder Leid-Maximierendes am Staat. Ich habe auch nicht das Gefühl, mir da in die Tasche zu lügen. Mir scheint, dass du da einen sehr emotionalen Zugang pflegst, den ich nicht teilen kann und auch für relativ arbiträr halte, insbesondere in Ermangelung gangbarer Alternativen.
Zarathustra hat geschrieben:Ja, bei dieser Weltsicht gibt es offenbar überhaupt nichts widernatürliches, egal wie man sich aufführt.
Zarathustra hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Das heißt aber nicht, dass diese Menschen gut für jemanden sein müssen, wie die Existenz von Kindesmisshandlung belegt.
Ich wüsste nicht, wer die Existenz von Kindesmisshandlungen in vorpatriarchalen Gemeinschaften belegen können soll.
Zarathustra hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Erfolgreicher Geschlechtsverkehr macht einen halt noch lange nicht zu erfolgreichen Eltern und guten Menschen, was die mystische Überhöhung der Blutsgemeinschaft meines Erachtens dann doch wieder ziemlich erdet.
Die Bevorzugung vor-theokratischer und vor-kollektivistischer Gemeinschaften gegenüber dem artenvernichtenden Hyperkollektivismus hat nichts Mystisches, sondern etwas durch und durch nüchternes, empirisches, reales.
Zarathustra hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Wenn man in einer Gesellschaft als komplexem System lebt (und Gesellschaft ist hier ein deskriptiver Begriff, kein normativer, der zu deiner "Gemeinschaft" entgegengestellt ist), beeinflussen einen die Handlungen der Anderen, deshalb ist es unerlässlich sich dafür zu interessieren, was die Anderen (und das heißt gerade: die einflussreichen Anderen) tun. Deshalb geht es einen schon etwas an, was diese "Fernsten" tun, auch wenn es nicht dasselbe ist wie es einen etwas angeht, was mit engen Freunden oder der Familie geschieht.
Politik, Klerus und deren Wähler gehen mich eben deshalb etwas an, weil sei einem aufgezwungen werden. Gerade dies gälte es ja zu beseitigen.
Zarathustra hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Ich kann keinen "Vernichtungskollektivismus" erkennen, im Gegenteil, ich behaupte, dass es kaum eine Episode der Menschheitsgeschichte mit einem derartigen Maß an Individualismus und persönlicher Freiheit gab. Ich sehe nichts genuin Sinnloses, Perverses oder Leid-Maximierendes am Staat. Ich habe auch nicht das Gefühl, mir da in die Tasche zu lügen. Mir scheint, dass du da einen sehr emotionalen Zugang pflegst, den ich nicht teilen kann und auch für relativ arbiträr halte, insbesondere in Ermangelung gangbarer Alternativen.
Unglaublich so etwas. Und dies, nachdem wir die Arten auf diesem Planeten in immer schnellerem Tempo dem definitiven Untergang zuführten und zuführen.
Da bleibt mir die Spucke weg ob solcher Ignoranz.
Richtig. Es gibt aber dennoch Richtig und Falsch bzw. Gut und Böse, wobei dies in einem relationalen Prozess von der Diskursgemeinschaft bestimmt werden muss, wobei hier strukturelle Anforderungen an einen funktionierenden Diskurs bestehen (siehe linguistische und kulturelle Wende in den Sozialwissenschaften). Man kann sich also nicht aufführen, wie man will.
Niemand kann das. Genausowenig kann aber jemand belegen, dass es den Menschen dort besser gegangen ist als uns heute.
Noch weniger haben wir die Option, dahin zurückzukehren.
Na, dann kannst du doch sicher eine stringente Argumentation für die Vorteile dieser Gesellschaften vorlegen wie auch zumindest eine Skizze, wie man dahin von heutigen Bedingungen aus kommen soll, anstatt nur Behauptungen aufzustellen und möglichst furchterregende Begriffe dabei zu benutzen.
Das ist aber keine Option - nicht weil ich das so will, sondern weil wir in einer physischen Welt mit komplexen, ineinander laufenden Prozessen und Mechanismen leben.
Du scheinst mir eine Sehnsucht nach maximaler Unabhängigkeit kombiniert mit maximaler Harmonie zu haben, aber sorry, dafür bist du leider im falschen Universum.
Als ob der Staat dafür etwas könnte. Das sind schon wir alle zusammen und wenn ich mal so in die USA sehe, sind diejenigen, denen die Umwelt am wenigsten am Herzen liegt häufig gleichzeitig die größten Staatsgegner.
Im Prinzip ist doch der Staat das einzige Werkzeug, mit dem wir kollektiv handeln können und das wiederum ist genau das, was wir tun müssen, wenn wir innerhalb dieses Jahrhunderts nochmal die Kurve kriegen wollen um unser Habitat zu retten.
Du scheinst mir mehr gegen die Gesellschaft und Zivilisation als solche zu sein als gegen den Staat.
Ich für meinen Teil halte nichts von Primitivismus, ein "Zurück zur Natur" kann und wird es nicht geben.
Die Erde hat übrigens schlimmere Sachen durchgemacht als uns.
Wir rotten ein paar Arten aus, ja gut, das ist früher auch schon passiert und gestorben wird generell viel auf unserer kleinen blauen Kugel. Die wachsen nach in den nächsten paar Millionen Jahren, keine Sorge (wie George Carlin mal korrekterweise angemerkt hat: "The planet is fine - the people are fucked." ["Dem Planeten geht's gut, die Menschen sind am Arsch."]). Viel mehr sollte uns daher interessieren wie WIR gut miteinander auskommen und unsere Umwelt für uns lebenswert erhalten, so lange wir da sind, und da sehe ich den Staat als wichtigen Mechanismus, um das Zusammenleben innerhalb großer Gesellschaften zu regeln und übrigens auch im besagte bedrohte Arten zu schützen.
Wenn es jemand geschafft hat, die Umweltzerstörung zu bremsen, dann der moderne westliche Staat.
Wenn deine Motivation ein so weites Unwohlsein gegenüber der menschlichen Existenz ist, solltest du dich vielleicht @ganimed anschließen und für das allgemeine Aussterben plädieren.
Mach dir keine Illusionen, aber die menschliche Existenz war im vorpatriarchischen Zustand schon nicht harmonisch und wird es auch nie werden.
Zarathustra hat geschrieben:
Wo der Staat aufgelöst oder noch nicht angekommen ist, da ist keine Gesellschaft, sondern die autarke (Bluts-) Gemeinschaft, wo es keine Wirtschaft, keine Schulen, keine Schulden, keine Kirchen, keine Unternehmen, keine Lohnarbeiter, keine Pfaffen, keine Lehrer, keine Politiker, keine Militaristen und keine CEO's gibt. Um die Freiheit vor dem Staat in seiner ganzen Tragweite erfassen zu können, müssten Atheisten und Libertäre ihre Position noch gründlich hinterfragen und vervollständigen, denn wer der Wirtschaft und dem sogenannten Fortschritt huldigt, der huldigt damit immer auch dem Staat, dem 'Neuen Götzen'.
Nanna hat geschrieben:provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Ich bin zwar für mehr Europa und den Euro, aber ich sehe das in dem Fall ebenfalls wie du: Die Rechtssicherheit ist wichtiger als der Euro.
Ich bin für ein friedliches Europa und genau deswegen gegen diese Organisation EUdSSR.
Ich bin aus demselben Grund FÜR die EU. Dass ich den Vergleich mit der Sovjetunion unpassend und geschmacklos finde, habe ich wohl schon öfter klar gemacht.
Das bestreie ich.
Nicht nur das ich in mehreren 'anarchisch organisierten' Strukturen (Vereine) "unterwegs" bin, die gehörig was auf die Beine gestellt haben, ohne dass eine "Blutsgemeinschaft" zwingend nötig war.
'Als Basis' und 'Motivationsgrund' hingegen durchaus nützlich sein kann, da sich auf dieser 'informellen Schiene' viele Dinge per Multiplikation wie von selbst erledigen, über die sonst oftmals noch zusätzliche Absprachen getroffen werden müssten.
... auch das was "nanna" schon mehrmals bemerkte: Es macht keinen Sinn, das Wort "Fortschritt" in den Mund zu nehmen, wenn man nicht vorher ein Ziel festgestellt hat!? Diffusitäten sind kein Ziel, sondern Nebelbänke in denen man sich verirrt.
Was ist das Ziel? Gibt es überhaupt eines?
(M)ein Vorschlag: Ich orientiere mich am Universum und der zunehmenden Entropie, die man empirisch feststr inkonsistent bin und hier induktivistisch vorgehe - es ist trotzdem eine vorläufige Annahme und ich bin mir einer möglichen und sogar wahrscheinlichen Fehlinterpretation bewusst . Dennoch ist es derzeit "Status Quo" in der Wissenschaft)
Es scheint also eine klare Richtung auf eine Ziel vorzuliegen:
max Negentropie ----> max Entropie ...
Für das Leben im Universum gilt demnach die (Ziel-) Richtung:
Einfalt ---> Vielfalt (wir nennen das auch zusammenfassend: "Evolution")
man kann das dann auch so beschreiben:
(Leben ist...)Kollektivismus --> Individualismus
"Fortschritt" bedeutet somit eine Entwicklung hin zum Individualismus - was damit völlig konform geht mit libertären, staatsfernen Lehren.
(Und ich bin auch der Überzeugung, das eine libertäre, anarchische Gesellschaft, sowas wie "Raumfahrt" betreiben kann, also sich nicht zur "Agrargesllschaft" (zurück)entwickeln muss)
Zarathustra hat geschrieben:Und was hat's gebracht, der hyperkollektivistische Diskurs, seit der Geburt der Tragödie, der Kollektivisierung, Theokratisierung, Verstaatlichung und Verhausschweinung der Menschen?
Man studiere auf Wikipedia die Liste der Schlachten und Kriege.
Zarathustra hat geschrieben:Niemand kann das. Genausowenig kann aber jemand belegen, dass es den Menschen dort besser gegangen ist als uns heute.
Doch, das ist archäologisch und anthropologisch ziemlich gut belegt. Es gab keine vorstaatlichen Kriege (warfare). Ich habe das alles schon einmal ausführlich dargelegt und begründet.
Zarathustra hat geschrieben:Noch weniger haben wir die Option, dahin zurückzukehren.
Optionen hat man immer und nicht nur Alternativlosigkeit. Man hat die Wahl, ob man Unterwerfung akzeptieren will oder nicht. Du willst es, und ich will es nicht.
Zarathustra hat geschrieben:In die Herrschaftsfreiheit kommt man, indem man Fremdherrschaft und Unterwerfung ablehnt.
In Unterwerfung bleibt man, indem man sie sklavisch als alternativlos postuliert.
Zarathustra hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Das ist aber keine Option - nicht weil ich das so will, sondern weil wir in einer physischen Welt mit komplexen, ineinander laufenden Prozessen und Mechanismen leben.
Wir leben in einer komplexen, dem Untergang geweihten 'problem-solving-society' (Tainter), seit wir Herrschaft und Unterwerfung akzeptieren. Wo man das nicht akzeptiert, so wie dies auch heute noch der Fall ist in einigen nichtmissionierten Territorien, hat man keine komplexen, wuchernden, alles zermalmenden Komplexitätsgesellschaften.
Zarathustra hat geschrieben:Die maximale Disharmonie ist die staatlich-theokratische Gesellschaft, in der man fremdbestimmt ist. Jedes zweite monogame Tribut- und Paarungsfamilienkonstrukt scheitert offiziell, und ein guter Teil der restlichen 50 Prozent scheitert inoffiziell. Schon von daher ist klar, dass dies ein zutiefst dysfunktionales System ist.
Zarathustra hat geschrieben:Staatslose Gemeinschaften interagieren nirgends in komplexen, supragemeinschaftlichen Gebilden und Konstrukten. Gemeinschaften sorgen nur für sich selber. Alle anderen gehen sie nichts an, abgesehen von der sexuellen Exogamie.
Zarathustra hat geschrieben:Im Prinzip ist doch der Staat das einzige Werkzeug, mit dem wir kollektiv handeln können und das wiederum ist genau das, was wir tun müssen, wenn wir innerhalb dieses Jahrhunderts nochmal die Kurve kriegen wollen um unser Habitat zu retten.
Du postulierst ausgerechnet das Problem als Lösung. Dabei hat Joseph Tainter lang und breit erklärt, dass und warum problem-solving-societies samt und sonders in sich selber scheitern (müssen).
Zarathustra hat geschrieben:Du scheinst mir mehr gegen die Gesellschaft und Zivilisation als solche zu sein als gegen den Staat.
Die Gesellschaft ist ein Staatsbastard. Ohne Staat keine Gesellschaft.
Zarathustra hat geschrieben:Ich für meinen Teil halte nichts von Primitivismus, ein "Zurück zur Natur" kann und wird es nicht geben.
Das gibt es immer wieder, weil jede Zivilisation untergeht (siehe auch Spengler). Je höher die Fallhöhe, desto gründlicher der Untergang und desto gründlicher das 'Zurück zur Natur'. Man denke nur an die AKW, die niemand mehr kühlen kann, wenn die Gesellschaft wieder mal am Ende ist.
Zarathustra hat geschrieben:Die Erde hat übrigens schlimmere Sachen durchgemacht als uns.
Nein, hat sie nicht. Staat und Gesellschaft ist die Maximierung des Leidens. Nirgends sonst in der Natur gibt es Konzentrationslager für Mensch und Tier (Holokaustos), wo sie lebenslänglich in Käfigen gehalten werden. Zivilisation und Gesellschaft ist, was die Grausamkeit betrifft, ein singuläres Ereignis.
Zarathustra hat geschrieben:Ausgerechnet. Als ob ausgerechnet Staatsgesellschaften bedrohte Arten schützen könnten, nachdem sie nur durch sie systematisch vernichtet werden. Die Kälber können auf ihre Metzger gut und gerne verzichten. Ein Hohn, so etwas.
Zarathustra hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Wenn es jemand geschafft hat, die Umweltzerstörung zu bremsen, dann der moderne westliche Staat.
Indem wir Produktion und Vernichtung exportieren und dadurch nocht mehr Ressourcen und Energie verbrauchen.
Zarathustra hat geschrieben:Wenn deine Motivation ein so weites Unwohlsein gegenüber der menschlichen Existenz ist, solltest du dich vielleicht @ganimed anschließen und für das allgemeine Aussterben plädieren.
Also, ich weiss nicht, ob Du liest, was ich schreibe. Ich schreibe zugunsten einer Rückkehr zum Menschen in der Gemeinschaft, indem wir den alles zermalmenden Verbraucher in der Gesellschaft hinter uns lassen.
Zarathustra hat geschrieben:Mach dir keine Illusionen, aber die menschliche Existenz war im vorpatriarchischen Zustand schon nicht harmonisch und wird es auch nie werden.
Das ist doch lächerlich. Das ist etwa so, wie wenn jemand schreibt, Ratten und Wildschweine lebten nicht in Harmonie. Dabei weiss bald jedes Kind, dass sie sich erst die Schwänze gegenseitig fressen, wenn sie in ein Konzentrationslagern der Zivilisation gelangen. Zivilisation macht nicht nur Menschen irre, sondern auch Tiere, wo sie in die Fänge der Zivilisierten gelangen.
Er hat für Verständigung gesorgt, für gemeinsame Narrative (siehe Andersons "imagined communities"), aber auch für die zunehmende Akzeptanz gegenüber Pluralismus. Gesellschaften sind heute in sich insgesamt friedlicher, da wo über entwickelte mediale und demokratische Diskurssysteme Austausch stattfindet, finden wir kaum noch gewaltsame Auseinandersetzungen.
Ansonsten würde ich es auch nicht so normativ betrachten. Es ist nicht so, dass irgendwo bei den Sumerern oder alten Chinesen sich ein paar Leute hingesetzt hätten und gemeint haben, dass sie jetzt mal 10.000 Jahre lang den Staat ausprobieren würden.
Da wo sich urbane Zentren gebildet haben, entstand Regelungsbedarf und daraus hat sich der Staat in seiner ursprünglichsten Form entwickelt
(wobei ich da erstmal nur von organisierter Herrschaft sprechen würde, Staatlichkeit im modernen Sinne ist nochmal eine ganz andere Nummer). Niemand hat sich am Anfang die Frage gestellt, ob es das auf Dauer "bringen" würde. Es ist halt passiert, die Menschheit ist zahlenmäßig gewachsen, hat wirtschaftlich und technologisch zugelegt und die Strukturen interner Organisation sind die Evolution mitgegangen.
Weißt du noch wo? Ich meine nämlich, u.a. auf die Affenkriege eingegangen zu sein, die logischerweise keine Zivilisationsfolge sein können. Und generell ist das Bild des Edlen Wilden in den letzten Jahrzehnten in der Anthropologie meines Wissens ziemlich auseinandergenommen worden.
Nein, gewisse Optionen stehen uns tatsächlich nicht offen. Eine vorzivilisierte Welt KANN es per definitionem nicht geben. Theoretisch könnte es eine nachzivilisatorische geben, die sich am Ideal der vorzivilisatorischen orientiert, aber das ist bei weitem nicht dasselbe. Alle Ideen der zivilisatorischen Welt, nicht nur die offensichtlichen, sondern auch die Traditionen und eingeübten Kulturpraktiken würden bei uns bleiben.
Ihr Anarcho-Primitivisten seid ja nicht die Einzigen, die solche rückwärtsgewandten Utopien pflegen. Die Salafisten beispielsweise geben sich auch der Illusion hin, zur urislamischen Gemeinschaft zurückkehren zu können.
Das geht aber nicht, weil man simplerweise nicht in der Zeit rückwärts reisen kann. Es gibt keine Möglichkeit, einen früheren Zustand originalgetreu herzustellen, die Rekonstruktion trägt immer die Spuren des Späteren.
Eine Quote, die damit zu tun hat, dass wir uns seit kurzem vom Patriarchat wegbewegen und noch nicht so ganz sicher sind, wo wir eigentlich hin wollen.
Vor zweihundert Jahren, als die Liebesheirat die Ausnahme war, ist das alles nicht passiert, keine Ahnung, ob die Menschen glücklicher waren, wahrscheinlich nicht unbedingt.
Der Punkt ist: Systeme evolvieren. Sie bauen auf dem auf, was schon da ist und nutzen altes für neue Zwecke. Dass wir soziale Probleme haben, ist unbestritten, aber ich denke, dass sich Wege finden lassen werden, diese Komplexität zu einem zufriedenstellenden Maß zu beherrschen.
Tainter ist niemand, der mir bislang über den Weg gelaufen ist, also habe ich jetzt mal nur eben den Wikipediaartikel gelesen. Wenn der Tainters Position korrekt wiedergibt, sind zwei Möglichkeiten, dem Kollaps zu entgehen, nämlich fortgesetzte technologische Entwicklung und stabilisierende Gesellschaften in der Nachbarschaft, die den Absturz auffangen können.
Ich denke, dass gerade die Computertechnologie etwas ist, dessen Folgen wir noch überhaupt nicht abschätzen können. Wir haben unheimliche Zuwächse an Produktivität und vor allem Automatisation dadurch erreicht und vieles ist dadurch an Bürokratie einfacher geworden. Die Forschungen bei der Analyse von Big Data haben überhaupt erst begonnen und es kann gut sein, dass wir darüber erstmal in der Geschichte Werkzeuge entwickeln, die derartige Komplexitäten ein Stück weit beherrschbar machen.
Der andere Punkt ist der, dass es heute keine isolierten Gesellschaften mehr gibt, sondern eine beginnende Weltökonomie, die punktuelle Krisen auffangen kann, aber natürlich auch als Gesamtsystem anfälliger dadurch geworden ist. In welche Richtung wir da gehen werden, weiß keiner, auch Tainter nicht. Er mag stringente Erklärungen anzubieten haben, das weiß ich nicht, hab ihn nicht gelesen, aber er kann sein Modell auch nicht empirisch auf Allgemeingültigkeit prüfen.
Ja, das hat uns einiges gebracht, aber wir werden auch gleichzeitig effizienter in unserem Ressourcenverbrauch und Gedanken wie das craddle-to-craddle-Prinzip (wie im Regenwald: hoher Verbrauch bei vollständiger Wiederverwertung; verursacht einen extremen Energiedurchsatz, ist aber ansonsten komplett neutral für die Umwelt) setzen sich allmählich durch.
Ja, da haben wir ironischerweise ähnliche Ziele. Aber ich bin von allen Kritikern unserer Lebensumstände in diesem Forum meines Erachtens einer derer, die die realistischsten Gedanken zu dem Thema haben. Radikale Systemumwälzungen sind auch im Falle eines kulturellen Niedergangs eher nicht zu erwarten, höchstens in die Richtung autoritärer Systeme, die wir alle nicht haben wollen.
Also müssen wir versuchen, das jetzige System zu verbessern und den Grad an Freiheit, den wir bereits haben, nicht mit riskanten Systemänderungen zu gefährden.
Ich glaube, die Motive von Kampf und Konkurrenz sind älter als die Zivilisation. Irgendwas gibt es immer, was man dem anderen neiden kann und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Motive nicht in vorzivilisatorischen Gesellschaften vorhanden waren, wenn bereits Affen oder Wölfe entsprechende Verhaltensweisen an den Tag legen.
Ach Zarathustra, das ist doch bestenfalls gut gemeint.
Klingt ein bisschen nach den Amish, in Einklang mit der Natur, bei Verzicht auf moderne Verwirrungen wie Internet – findest Du aber offenbar gar nicht so schlecht, oder? - und dergleichen.
Statistisch haben die die höchste Lebenserwartung, weil sie wirklich konsequent auf alles Verderbte verzichten, wirkt also. Aber Du willst es konsequent atheistisch, habe ich schon verstanden.
Allerdings hat man überall in expliziten Blutsgemeinschaften, schneller als einem lieb sein kann, eine Inzuchtproblematik. Folge ist eine Merkmalverstärkung, seltener zum Guten, öfter zum Schlechten.
Was das Widernatürliche angeht: Nein, gibt es nicht, was sollte denn widernatürlich sein?
Alles was vorkommt, ist natürlich, es kommt doch vor.
Konzentrationslager und Käfige sind wider die menschliche oder die schweinische Natur. Das kann doch nicht so schwer sein, oder?
Was Du mit widernatürlich meinst, ist eigentlich sowas wie pervertiert oder ungesund. Aber das Füllwort „widernatürlich“ wird zur pseudolegitimierenden Floskel für alles was einem nicht in den Kram passt: Fast-food, Homosexualität, Fernsehen, Sozialversicherungen, U-Bahnen, Kriege, Behinderte. Benutzt wird es gerne von Leuten, deren Argumente es nicht immer so ganz leicht haben, zu überzeugen: Oft ist das faschistisch und pathologisch hierarchisch konnotiert.
Du meinst es jetzt gerade mal anders herum, was es aber nicht besser macht.
Dass es auch eine pathologische Heterarchie gibt, wird dabei auch gerne mal übersehen: Es klingt so nett, apathisch, vorm gemeinsamen Feuer singend zu verenden und sich gegenseitig zu umarmen und zu trösten, weil doch alles so schwer, so traurig und so ungerecht ist.
Doch dass und warum die Natur zu Unrecht verherrlicht wird, hat Freud schon sehr klar durchschaut, vielleicht interessiert es Dich ja:
Ein Problem wird sein, dass, wenn Du mit Deiner Wahl- oder Großverwandtschaft irgendwo in Ruhe und Frieden lebst, es jemanden geben könnte, der Euch einfach die Vorräte wegnimmt, weil er doch noch etwas aggressiver ist.
Blöd, wenn dann kein Staat da ist.
Und wo hast Du mehr Möglichkeiten „auszusteigen“ als hier und heute? Mach doch einfach, wenn Du wirklich willst.
Und hast Du Dich mal drum gekümmert, wie es Aussteigern aus der Stressgesellschaft dann zumeist nach kurzer Zeit geht? Komischerweise werden so gut wie alle von den alten Mustern wieder eingeholt.
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