Zappa hat geschrieben:Gandalf hat geschrieben:3 Leute - Hans, Fritz und Max - wollen ein Haus bauen und vereinbaren gegenseitige Hilfe beim Hausbau. Wenn es funktioniert (- und das tut es regelmäßig in einer selbstbewussten Gesellschaft) Wo brauche ich hier eine übergeordnete Instanz, die das regelt?
Da es hier um existentiell hohe Summen geht, ist grade dieses Beispiel gut geeignet, warum so was ohne eine übergeordnete Instanz nicht funktionieren kann. Die allermeisten Leute müssen mit hohen Verschuldungen in Vorleistung gehen, damit sie sich ein Haus bauen können (selbst bei perfekter Nachbarschaftshilfe sind die Kosten für Grund und Boden sowie Material hoch, es sei denn wir reden über eine Blechhütte). Hier muss nur einer betrügen wollen, krank werden oder sich finanziell übernehmen und aus dem Hausbesitzer in spe wirst schnell einer der in die Privatinsolvenz gehen muss. Und grade deshalb ist dieser Bereich besonders streng reguliert. Ohne Notar geht das z.B. gar nichts und dass ist auch gut so.
Es kann auch deshalb nicht so funktionieren, weil niemand über alle notwendigen Informationen verfügen kann um das Risiko vollkommen zu analysieren auch wenn Du penetrant das Gegenteil behauptest. Ich will nicht sagen, dass die übergeordneten Instanzen nicht auch Ihre Probleme verursachen, aber ganz ohne sie geht es auch nicht. Die Frage ist immer was sinnvoll und notwendig ist. Das wir zuviel Instanzen und Bürokratie haben, davon bin ich auch überzeugt, aber Anarchie (auch wenn die sich freie Marktwirtschaft nennt) ist für mich kein Gegenmodell. Es gibt da leider keine klare Grenze zwischen richtig und falsch, gut und böse, schwarz oder weiß, sondern muss gesellschaftlich ausgehandelt werden.
Zappa hat geschrieben:Ein Klan-Bänkster ist eine hübsche Idee
Zappa hat geschrieben:Du wirst doch nicht im Ernst behaupten wollen, dass die Lehren aus der anthropologischen Erforschung afrikanischer (Früh?)Kulturen uns bei der Rettung unser aus dem Ruder gelaufenen Finanzindustrie hilft, oder?
Zappa hat geschrieben:Auch die Ideen von Gesell sind ja ganz nett, aber Sie funktionieren wenn überhaupt nur auf lokaler/beschränkter Ebene. Ich habe nichts gegen solche Experimente, aber die Probleme die wir hier diskutieren sind halt ein paar Ebenen höher lokalisiert.
Zappa hat geschrieben: Ich bin überzeugt davon, dass eine Weltbevölkerung von 7 Milliarden, auf allen Ebenen fraktal nach einem solchen Prinzip organisiert, nicht funktionieren kann. Ich bin demgegenüber der Meinung, dass man so ab 20 Personen nicht ganz ohne Zwang auskommt, ich denke unser Menschenbild differiert da etwas.
stine hat geschrieben:@Gandalf: Was hältst du davon eine eigene Partei zu gründen?
Etwas völlig Neues zwischen extrem Sozialismus und sozialisiertem Kapitalismus.
Vielleicht eine soziale Marktwirtschaft?
Dieses Konzept ist zwar nicht wirklich neu, aber irgendwie in Vergessenheit geraten und wartet auf Neuentdeckung. Ich wäre auf alle Fälle dabei
Gandalf hat geschrieben:Die "soziale Marktwirtschaft" gründete tatsächlich im wesentlichen auf libertäre Ideen, die ein Gegenentwurf zur Kommandowirtschaft der nationalen Sozialisten und der Planwirtschaft der Internationalen. Walter Eucken und F.A. Hayek: http://books.google.de/books?id=xx8lxh7 ... es&f=false
Zappa hat geschrieben:"Ohne Regeln kein Markt."
Guter Artikel über die die Liberalen und der Staat, oder warum der Markt alleingelassen nicht funktionieren kann: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ideengeschichte-die-liberalen-und-der-staat-11715508.html
Der Staat muss den Wettbewerb und das Prinzip Haftung durchsetzen - nicht kollabierende Banken auffangen.
Vor allem zur Frage der Rolle des Staates gibt es weitreichende Unterschiede zwischen dem klassischen Liberalismus und den „neoliberalen“ Schulen in Freiburg, Wien und Chicago im zwanzigsten Jahrhundert.
Eine Gruppe deutscher Ökonomen und Juristen, die bald „Neoliberale“ oder „Ordoliberale“ genannt werden, sieht die Ursachen der Wirtschaftskrise anders als die Kapitalismuskritiker - nicht in inhärenten Defekten der Marktwirtschaft und des Wettbewerbs, sondern in ihrer Degenerierung durch staatliche Eingriffe und einen falschen Ordnungsrahmen.
Die Freiburger Schule bildet sich um den Ökonomen Walter Eucken (1891 bis 1950) und den Juristen Franz Böhm (1895 bis 1977), zuvor Referent für Kartellfragen im Reichswirtschaftsministerium. Ihre Forschung zielt darauf, das Problem wirtschaftlicher und politischer Macht zu erfassen und sie zu minimieren, da sie Gefahren für eine freiheitliche Gesellschaft darstellen.
In einem Aufsatz 1932 beschreibt Eucken, ein tiefer und protestantisch-ernster Denker, den resultierenden „Verflechtungsprozess“ von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Indem der postliberale Staat punktuell in den Wirtschaftsablauf interveniert, Preise kontrolliert, Subventionen verteilt, Schutzzölle errichtet, ruft er politischen Lobbyismus der betroffenen Gruppen hervor. Es gelingt ihnen, ihre Sonderinteressen durchzusetzen. Der intervenierende Staat wird zur Beute der Interessengruppen. Er verliert an ordnender Potenz und gerät schließlich mit der Wirtschaft in die Krise.
Eine staatlich garantierte Wettbewerbsordnung zu schaffen, ist für die Freiburger nicht nur ein ökonomischer Imperativ, sondern auch eine ethische Notwendigkeit.
Dabei können die Liberalen zu Recht darauf verweisen, dass zum großen Teil[b] Staatsversagen die Krise mitverursacht hat. [/b]Erst die über Jahre zu expansive Geldpolitik, die auf jede Konjunkturabschwächung mit einer Welle billigen Geldes reagierte, hat zum Aufblähen der Schuldenblase geführt. Nach dem Platzen der Blase spielen die Brandstifter Feuerwehr. Man darf auch den verfehlten sozialpolitischen Impetus nicht vergessen, der hinter dem amerikanischen Hypotheken-Programm stand, das aus Geringverdienern Eigenheimbesitzer machen wollte.
Nachdem Banken über Jahre sehr große Gewinne machten und Renditen erzielten, die weit über denen anderer Branchen liegen, konnten sie in der Krise ihre Verluste auf die Allgemeinheit abwälzen und wurden mit Steuergeld aufgefangen. Hier liegt ein eklatantes Versagen der Ordnungspolitik vor, ein Verstoß gegen das Haftungsgebot.
Walter Eucken formulierte in seinem Lehrbuch „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“: „Investitionen werden um so sorgfältiger gemacht, je mehr der Verantwortliche für diese Investitionen haftet.“ Weiter schrieb er: „Die Haftung wirkt insofern also prophylaktisch gegen eine Verschleuderung von Kapital und zwingt dazu, die Märkte vorsichtig abzutasten. Nur bei fehlender Haftung kommt es zu Exzessen und Zügellosigkeit.“ Und letztlich löse das Aushebeln der Haftungspflicht eine Tendenz zur „Zentralverwaltungswirtschaft“ aus. Zugespitzt kann man von einem situativen Banken-Sozialismus sprechen, der zu Lasten der Allgemeinheit existiert.
Das alles erinnert an Euckens Warnung vor der Verflechtung von Staat und Kapitalismus. Eucken hätte vielleicht von einem Kartell aus Staaten, Zentralbanken und Banken gesprochen, das zu Lasten der Realwirtschaft und der Steuerzahler geht. Mit den eigentlichen Prinzipien der Marktwirtschaft hat dies nichts zu tun, vielmehr erhält es die Privilegien einer exorbitant gut verdienenden Einzelbranche zu Lasten der Allgemeinheit. Den hochkonzentrierten und hochgehebelten Finanzsektor wieder den Regeln der Marktwirtschaft zu unterwerfen, also das Haftungsprinzip durch mehr Eigenkapital und eine Insolvenzordnung wiederherzustellen, wird die entscheidende Aufgabe nach der Krise sein. Den Neoliberalen kann man den Vorwurf machen, dass sie vor der Krise ihre eigenen Prinzipien nicht ernst genommen haben.
Der ökonomische Putsch
oder: Was hinter den Finanzkrisen steckt
Von Roman Herzog
Gezielte Spekulationsattacken auf ganze Volkswirtschaften, unantastbare Finanzagenturen, die Regierungen in die Knie zwingen, und ohnmächtige Politiker, die gebetsmühlenartig wiederholen, es gäbe keine Alternative: Europa befindet sich im Wirtschaftskrieg.
Seit Jahrzehnten befinden sich Politiker im Bann neoliberaler Heilsverkünder. Wie entstand dieses heute unumstößlich scheinende System? Das Experimentierfeld Lateinamerika und die Analysen des Philosophen Michel Foucault aus den 70er- und 80er-Jahren machen Dynamik und Reichweite der neoliberalen Umstrukturierungen unserer Gesellschaften deutlich und erhellen die heutigen Finanzkrisen. Zum Vorschein kommt dabei ein Machtergreifungsmodell, das Politik, Gesellschaft und Individuen seit Jahrzehnten formt und konditioniert, ein ökonomischer Putsch, der heute den militärischen coup d'état abgelöst und eine globale Disziplinierung geschaffen hat.
Gandalf hat geschrieben:... wie bitte? - Du scheinst Deine eigenen Artikeln nicht gelesen zu haben ...
Zappa hat geschrieben:Gandalf hat geschrieben:... wie bitte? - Du scheinst Deine eigenen Artikeln nicht gelesen zu haben ...
Lies Ihn Dir unvoreingenommen durch, denk ein bisschen drüber nach, kritisiere ihn substantiell und ausgewogen (versuche nicht nur deine eigene Position darin bestätigt zu sehen) - dann können wir uns gerne darüber unterhalten. Natürlich sehe ich die Argumente für deine Position (wobei es aber keine Sinn macht nur diese zu zitieren und dann feixend zu behaupten man habe doch in allen Punkten Recht) , aber auch die Argument dagegen, die Du geflissentlich ignorierst.
Zappa hat geschrieben:Das Fazit "Ohne Regeln kein Markt" ist nicht von mir, sondern vom Autor des Artikels oder von der Redaktion. Der oder Die sehen den Inhalt also diametral anders als es dein Zitatpicking vorgaukeln möchte.
Denk mal drüber nach
Gandalf hat geschrieben: Ach - das "oder warum der Markt alleingelassen nicht funktionieren kann:" - ist also auch nicht von Dir?
Gandalf hat geschrieben: (so und jetzt Denk Du erst ma' - und dann benenn ein Zitat aus dem Artikel, die Deine Interpreation stützt)
Der Liberalismus ist nicht unschuldig an seiner misslichen Lage. Zu viele seiner Anhänger haben in den vergangenen Jahrzehnten die Theorie von Markt simplifiziert und zu einer Apologie verflacht.
Der neue Liberalismus jedenfalls, der heute vertretbar ist und den ich mit meinen Freunden vertrete, fordert einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da, wo er hingehört. - Alexander Rüstow
Eine staatlich garantierte Wettbewerbsordnung zu schaffen, ist für die Freiburger nicht nur ein ökonomischer Imperativ, sondern auch eine ethische Notwendigkeit.
Den frühen Neoliberalen ging es gerade nicht um einen regellosen Markt, wie heute oft behauptet wird; dezidiert nahmen sie Abstand zum „Laissez-faire“. Der Markt brauche Regeln, um den Wettbewerb vor Versuchen zur Ausschaltung zu schützen.
Das von den deutschen Neo- oder Ordoliberalen in den dreißiger und vierziger Jahren entworfene Programm hat im Vergleich zum klassischen Liberalismus einen konstruktivistischen Zug. Der Staat entwirft und setzt den Rahmen. Gar vom „Wettbewerb als staatlicher Veranstaltung“ spricht Leonhard Misch ...
Gleichwohl erklärt auch Hayek 1947 bei der Gründung der Mont Pèlerin Society, der internationalen Vereinigung der Liberalen nach dem Krieg, „es ist die erste allgemeine These, die wir zu prüfen haben werden, dass der Wettbewerb durch bestimmte staatliche Maßnahmen wirksamer und erfolgreicher gemacht werden kann, als er ohne sie wäre“. Vom „übersimplifizierten Liberalismus“ habe man sich zu verabschieden.
Überraschend ist, wie nahe sich die Freiburger Schule und die alte Chicagoer Schule mit ihrem Vordenker Henry Simons (1899 bis 1946) stehen. ... Wie die Freiburger warnt er in den dreißiger Jahren in dramatischer Weise vor Monopolen und fordert eine rigorose Wettbewerbspolitik. „Der große Feind der Demokratie ist das Monopol, in all seinen Formen“, wozu er Großkonzerne ebenso wie Gewerkschaften zählte. Was Simons als „Positives Programm für Laissez-faire“ anpreist, ist im Grunde ein staatlicher Ordnungsrahmen. Wo wirksamer Wettbewerb unmöglich ist, bei „natürlichen Monopolen“, ruft er sogar nach Verstaatlichung, während die Freiburger dann eher für staatliche Regulierung plädieren.
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