Missionierung in deutschen Kindergärten

Re: Missionierung in deutschen Kindergärten

Beitragvon laie » So 12. Feb 2012, 14:04

@Nanna

Ich möchte gerne den thread unter dem Thema "wer bin ich, was soll ich tun" weiterführen. Daß die überragende geistesgeschichtliche Bedeutung des Trinitätskonzeptes für den theologischen Personenbegriff einen Naturalisten überraschen, ja erschüttern kann, verwundert mich nicht.

Die damit konkurrierende Sichtweise von Person, die dem Naturalismus zugrunde liegt, ist es die, daß es sich bei einer Person um eine einzelne, isolierte Entität handelt. Diese Entitäten erschaffen sich durch Monolog: Alles, was eine Person ist, schafft sie letztendlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten ausschließlich aus sich selbst. Die Naturwissenschaften haben diese Möglichkeiten mit der genetischen Anlage des Menschen identifiziert. Damit ich ich zu mir sagen kann, braucht es eigentlich keinen anderen. Jeder ist schon einzigartig aufgrund seines Genoms. Der Andere selbst ist nicht konstituierend für meine Persönlichkeit. Natürlich kann und werde ich von anderen Leuten geprägt werden, dann verändert sich meine Persönlichkeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Aber gäbe es nur mich allein, wäre ich auch ich.

Es ist genau dieser letzte Satz, dieses naturalistische Credo, der aus christlicher Perspektive nicht wahr ist. Ich bin nur ich, weil es andere gibt. Allein wäre ich nicht. Um mich als Person zu erschaffen und zu erhalten, muss ich mit anderen in Dialog treten. Das Wort der anderen und mein Wort ist kein nachträglicher Luxus, sondern der Anfang von mir selbst. Am Anfang war das Wort ....

Warum jemand ethisch handeln solle, erschließt sich aus der ersten, der Monologtheorie der Persönlichkeit nicht so sehr aus einem inhärenten Sinn, der dem Menschen nach christlicher Perspektive eingepflanzt ist, sondern zugespitzt aus einer Ethik der Schadensvermeidung oder Schadensbegrenzung. "Was du nicht willst, was man dir tut...".

Aus der Dialogtheorie folgt dagegen, daß ethisches Verhalten in der Persönlichkeit des Menschen selbst angelegt ist: "Es gibt dich gar nicht, wenn du den anderen nicht als freien Dialogpartner anstrebst."
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: Missionierung in deutschen Kindergärten

Beitragvon Tpzlol » Di 3. Apr 2012, 11:11

Ich denke ich kann dich beruhigen. Ich selbst bin in einer katholischen Grundschule gewesen (mit kirchengang jeden mittwoch morgen und essgebet). In den klassenzimmern hingen männer an Kreuzen...das rundum programm halt.

Mein restliches umfeld war jedoch nicht religiös. Im nachhinein betrachtet, war der einfluss durch meine eltern und meine freunde unverhältnissmäßig stärker als der durch die Schule. Meine Eltern haben mit mir nie über religion geredet, was in der tat durchdacht war, denn privat absolut fern von den geschichten zu sein, die man jeden tag von der schule indoktriniert bekam, ließ mich meine emotionale distanz zur religion wahren. Aus interesse an guten Geschichten belegte ich Ev. Religion von der 5. bis zur 13. Klasse auf dem Gymnasium, ohne mich jemals emotional darauf einzulassen.
So bin ich nun was die christliche religion angeht, besser gebildet, als die meisten anhänger des christentums und kann durch die kombination aus 13 jahren religionsunterricht und dem verständnis der natur, welches ich im physikstudium erlange, jede diskussion zum thema religion bis zu dem punkt führen an dem mein gesprächspartner das sprichwörtliche handtuch wirft und mit einem einer argumentation die ebenso unwiderlegbar wie an den haaren herbeigezogen ist von dannen zieht.
Tpzlol
 
Beiträge: 7
Registriert: Di 3. Apr 2012, 09:54

Re: Missionierung in deutschen Kindergärten

Beitragvon turm » Sa 7. Apr 2012, 16:59

Gortsk hat geschrieben:Hallo,

mein Sohn (3 Jahre) geht seit Jahresanfang in einen evangelischen Kindergarten. Meine Frau und besonders ich sind unreligiös und möchten auch, dass unsere Kinder entsprechend unbeeinflusst aufwachsen. Leider gibt es auf dem Dorfe nur evangelische Kindergärten. Da bleibt natürlich die ein oder andere Geschichte vom lieben Gott nicht aus. Ist auch kein Problem, ich möchte nur nicht, dass mein Sohn dort missioniert bzw. bekehrt wird.

Ich mache mir nun Gedanken, was ich tolerieren soll und was nicht. Bei der Anmeldung hieß es, dass nicht "missioniert" wird und wir uns diesbezüglich keine Sorgen machen müßten. Heute erzählte mir mein Sohn, dass er vor jedem Essen betet und öfters ein alter Mann kommt und von Gott singt. Besonders, dass mein kleiner Junge da betet macht mir echt Bauchschmerzen. Warum können die nicht einfach "Piep Piep Piep, wir ham uns alle lieb, guten Appetit" singen? In den Unterlagen habe ich nun gelesen, dass eine evangelische Lebensweise vorgelebt wird-das kann ja echt alles bedeuten.

Ich habe demnächst ein Gespräch mit der Leiterin und möchte mir vorher über meinen eigenen Standpunkt klar werden. Was sollte ich tolerieren, was geht zu weit? Wie beeinflussbar ist so ein 3-jähriger und wie stark wird er durch etwas Beten und die Gott-Lieder geprägt? ich möchte schließlich auch nicht, dass mein Junge ausgegrenzt wird in der Gruppe.

Wäre für jede Meinung oder Tipps dankbar.

Soenke


Hi Soenke,
aus meiner Sicht ist die Lage sehr einfach:

Das Alter deines Sohnes:
Unternemen, Firmen und Vereine versuchen aus guten Grund, bereits Kinder zu indoktrinieren, da diese extrem empfänglich für kindliche Weltbilder (= Religion sind) Dies ist vermutlich auch der einzige Grund, warum es überhaupt religiöse Kindergärten gibt. Aus dem gleichen Grund gibbt es Milch in der Schule (Landwirtschaftliche Industrie) Zuckerbomben als Joghurt verpackt (Lebensmittelindustrie).

Ausgrenzung in der Gruppe
Es ist ein klassisches Instrument von religiösen Organisationen und Institutionen (auch Kindergärten), andersdenkende auszugerenzen. Nicht umsonst gibt es "Tendenzbetreibe", denen es erlaubt ist, nur Mitarbeiter der gleichen Konfession einzustellen (Kliniken und Kindergärten). Ein Kindergarten, der ausgrenzt, hat pädagogisch maximal versagt und Du solltest diesen Kindergarten aus Eurem Lebenslauf streichen. Oder anders gefragt: Gäbe es nur Kindergärten von Nationalsozialisten in euerer Gegend, würdest Du dein Kind dort hinschicken, weil es keine anderen gibt?

Zum Weinachtsmann
Den Weinachtsmann gibt es nicht ohne Grund. Auch wenn er erst durch CocaCola populär wurde, dient er als Vorstufe zu Gott: Alter Mann mit Bart, Liebe Kinder beschenkt er, böse Kinder missachtet er.

Wenn Du nicht möchtest, dass dein Kind religiös geprägt wird - musst Du es leider vom Kindergarten nehmen.

Ich mache es mir nicht leicht mit dieser Antwort, denn ich habe ähnlich Erfahrungen gemacht. Ich wurd von vom Kindergarten gefragt, wie mein Kind getauft sei.
Ich sagte: "gar nicht". Die Antwort wurde noch nicht einmal verstanden. In der Realität der Kindergärtnerinnen existierte die Möglichkeit nicht, sein Kind nicht zu taufen.

Noch eine Bitte: Versuche bitte, deine Fähigkeit, selbst zu denken, nicht in "verneindende Worte" zu verpacken. Die Gesellschaft spricht sehr gewollt vom nichtglauben, von unreligiösität, von Atheismus usw. Sag Dir einfach: Du bist frei von Religion. Klingt vieeeeel besser und fühlt sich besser an.

Dir alles Gute

Turm
turm
 
Beiträge: 4
Registriert: Sa 7. Apr 2012, 16:36

Vorherige

Zurück zu Gesellschaft & Politik

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste

cron