Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 29. Nov 2012, 10:21

"Der Islam" ist aber nicht in Europa eingezogen und hat ein Visum beantragt, sondern Menschen haben dies getan. Die Religion ist ein Vorwand für Xenophobie. Ein Mensch kann sich entscheiden, wie er lebt, wie konsequent er mit seinem Glauben ist. Wären alle mit ihrer Religion konsequent müssten wir ebensolche Angst vor dem Christen- und Judentum haben, aber es gibt relativierte, zivilisierte, gemäßigte Gruppen, die in Europa eine ausreichend große Gruppe darstellen. Mit ein wenig Assimilierung ist dies auch bei islamischen Mitbürgern nur eine Frage der Zeit.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Do 29. Nov 2012, 11:16

Lasst uns die Hoffnung nie aufgeben!
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 29. Nov 2012, 16:56

Das ist nicht nur Hoffnung, selbst wenn im Prekariat eine Häufung vorhanden ist, sollte man die Menschen nicht alle als gleich betrachten. Wenn man so viel auf die angeblich "westlichen" Werte legt, sollte man auch nicht vergessen, dass Toleranz dazugehört und eine Unvoreingenommenheit gegenüber andersartigen ebenso. Wenn jemand gleich gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe hetzt, kann derjenige mir nicht ernsthaft etwas von "westlichen Werten" verkaufen. Der westlichste Wert, den ich kenne, ist Verlogenheit. Diverse Sachen werden gepredigt und eingefordert, aber selten gewährt, bis sie nicht auch von anderen gefordert werden.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Do 29. Nov 2012, 22:27

stine hat geschrieben:Der Islam passt auch nicht zu den "westlichen Werten", solange er an der Einhaltung der Scharia festhält. Es ist doch kein Geheimnis mehr, dass die Scharia längst ein Schattengesetz innerhalb Deutschlands und Westeuropas geworden ist. Da ist der Tatbestand der Körperverletzung an kleinen Kindern ja noch das kleinere Übel.

Nein. Einfach nein. Das ist sachlich falsch, kontextuell verbogen und der Vergleich mit der Körperverletzung aber sowas unangebracht.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Fr 30. Nov 2012, 10:00

Du hast ja schon mehrmals durchsickern lassen, dass du längere Zeit in arabischen Ländern gelebt und gearbeitet hast, @Nanna, und dein Verständnis gegenüber dem Islam deswegen ein gänzlich anderes ist. Die Wenigsten hierzulande können da Schritt halten und sehen in einer schleichenden Islamisierung immer noch eine Gefahr für westliche Grundrechte. Dass die Scharia längst ein Schattengesetz in westlichen Ländern ist und auch angewandt wird, ist doch kein Geheimnis mehr.

Mich würde mal interessieren, ob du die Beschneidung von Mädchen, die ja ebenfalls in vielen islamischen Ländern Afrikas kulturell immer noch durchgeführt wird, auch unterstützen möchtest?

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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Fr 30. Nov 2012, 13:21

Schau, das ist das, was ich nicht verstehe: Du weißt ganz genau, dass deine Kenntnisse zum Thema Islam im Allgemeinen und Scharia im Speziellen im Grunde relativ dürftig sind, maßt dir aber an, noch dazu ohne die geringste Relativierung, festzustellen, "wie es eigentlich wirklich ist". Da kommt dann sowas hier raus:

stine hat geschrieben:Dass die Scharia längst ein Schattengesetz in westlichen Ländern ist und auch angewandt wird, ist doch kein Geheimnis mehr.

Das Problem ist nicht, dass es sachlich falsch ist, dass Teile der Scharia in westlichen Ländern Anwendung finden. Das Problem ist der tendentiöse Unterton, der suggeriert, dass da eine bedrohliche Schattenmacht längst unseren Alltag bestimmt. Das ist Angesichts der sehr überschaubaren Fälle und der starken thematischen Einschränkung, wo in Europa überhaupt Scharia-Recht angewendet wird, aber eine vollkommen lächerliche Aussage.

stine hat geschrieben:Mich würde mal interessieren, ob du die Beschneidung von Mädchen, die ja ebenfalls in vielen islamischen Ländern Afrikas kulturell immer noch durchgeführt wird, auch unterstützen möchtest?

Dachtest du, dass das jetzt ein schlagendes Argument sei? Ich zitiere mal aus dem Standardwerk "Der Islam in der Gegenwart" von Werner Ende und Udo Steinbach:

Wiebke Walter (in Ende/Steinbach; S. 665 f.) hat geschrieben:Weder die besonders in Ägypten und dem Sudan trotz Verboten vor alle bei den unteren Schichten weiterhin übliche Mädchenbeschneidung noch für den auch in anderen Mittelmeerländern verbreiteten Jungfräulichkeitskult läßt sich eine Satzung oder Empfehlung im Koran oder der frühen Ḥādīth-Literatur finden.

[...]

Hier handelt es sich also nicht um religiös, sondern um regional verwurzelte Traditionen, für die später religiöse Begründungen ge- oder besser: erfunden wurden.

Also anders gesagt, die Genitalverstümmelung in den Zusammenhang zur Scharia zu bringen, ist eines der sichersten Zeichen, mit denen man feststellen kann, dass man jemandem gegenübersitzt, der schlicht nichts über Thema weiß.

Wie der Erlanger Jurist (und Richter am OLG a.D., also jemand mit Theoriekenntnissen UND Praxiserfahrung) Mathias Rohe, bei dem ich übrigens auch selbst die Grundzüge Islamischen Rechts lerne, dazu sagt:

Mathias Rohe hat geschrieben:Auch wer vom islamischen Recht kaum etwas weiß, hat nicht selten eine präzise Vorstellung davon.

Der ganze Artikel aus der FAZ wäre vielleicht ein Anfang für dich, ein paar Misskonzeptionen gerade zu biegen. Und bitte nicht selektiv lesen und nur das rauspicken, was dir an Schreckensaussagen gefällt. Selektiv lesen ist das, was Fundamentalisten mit heiligen Schriften tun, eine aufgeklärte Kulturchristin sollte einen abgewogeneren Einblick ins Gesamtbild hinkriegen.

Es gibt Teile der Scharia, die tatsächlich menschenrechtstechnisch hochproblematisch sind, insbesondere was die Ungleichheit der Geschlechter und die untergeordnete Stellung von Nichtmuslimen angeht. Und da muss auch Kritik geübt werden, nur bitte treffend und mit konstruktiver, lösungsorientierter Grundhaltung, nicht mit dem mantraartigen Herunterbeten von Horrorszenarien.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Fr 30. Nov 2012, 14:08

Nanna hat geschrieben:Schau, das ist das, was ich nicht verstehe: Du weißt ganz genau, dass deine Kenntnisse zum Thema Islam im Allgemeinen und Scharia im Speziellen im Grunde relativ dürftig sind, maßt dir aber an, noch dazu ohne die geringste Relativierung, festzustellen, "wie es eigentlich wirklich ist".
Selbstverständlich macht man sich ein Bild, auch wenn die Kenntnisse NUR aus Medien und Literatur zusammengestöpselt sind. Ich hoffe mal, dass die Journalisten und sonstigen Schreiberlinge ordentliche Arbeit machen und mir damit, die ich ihre Beiträge nur lese, nicht aber detektivhaft kontrolliere, einen brauchbaren Überblick verschaffen.
Ich nehme an, auch wenn ich in den entsprechenden Ländern einige Zeit leben würde, so würde ich auch nicht alles erfahren. So lebe ich zB in D und kenne viele (Miss)Verhältnisse ebenso nur aus den Medien. Es ist mir unmöglich, alles selbst zu erleben.

Nanna hat geschrieben:Das Problem ist der tendentiöse Unterton, der suggeriert, dass da eine bedrohliche Schattenmacht längst unseren Alltag bestimmt. Das ist Angesichts der sehr überschaubaren Fälle und der starken thematischen Einschränkung, wo in Europa überhaupt Scharia-Recht angewendet wird, aber eine vollkommen lächerliche Aussage.
Auch wenn NUR Teile der Scharia hier Anwendung finden, dann ist das keineswegs lächerlich. Wenn auch nur ein einziges Mädchen sterben muss, weil es Schande über seine Familie gebracht hat, dann ist das ein Mädchen zuviel und ein Beweis dafür, dass diese Gesetze nicht hierher passen.

Wiebke Walter hat geschrieben:Hier handelt es sich also nicht um religiös, sondern um regional verwurzelte Traditionen, für die später religiöse Begründungen ge- oder besser: erfunden wurden.
Ist letztlich egal, woher das kommt. Es geschieht unter dem Deckmantel der Religiösität und es ist Kindesmisshandlung.

Nanna hat geschrieben:Also anders gesagt, die Genitalverstümmelung in den Zusammenhang zur Scharia zu bringen, ist eines der sichersten Zeichen, mit denen man feststellen kann, dass man jemandem gegenübersitzt, der schlicht nichts über Thema weiß.
Klar, es sind zweierlei Themen. Aber in diesem Forum passen beide, finde ich. Ich schrieb auch schon:
stine hat geschrieben:Das sollte im Übrigen für alle Beschneidungsfreunde auf der ganzen Welt gelten, egal ob es Knaben oder Mädchen an die Genitalien geht.
Ich mache da keinen Unterschied, wer, aus welchem Grund, an Kindern Hand anlegt. Ich würde mich aber schämen, wenn ich das eine ablehnte und das andere zuließe, weil meine islamischen Freunde mich mal zum Essen eingeladen haben. Solcherlei billiger Bestechung bin nicht zugänglich.

Nanna hat geschrieben:Es gibt Teile der Scharia, die tatsächlich menschenrechtstechnisch hochproblematisch sind, insbesondere was die Ungleichheit der Geschlechter und die untergeordnete Stellung von Nichtmuslimen angeht. Und da muss auch Kritik geübt werden, nur bitte treffend und mit konstruktiver, lösungsorientierter Grundhaltung, nicht mit dem mantraartigen Herunterbeten von Horrorszenarien.
Auf den Threadtitel bezogen, möchte ich weiterhin antworten: Nein, der Islam passt aus verschiedenen Gründen NICHT zu den "westlichen Werten". Auch wenn du nur Teile davon als wirklich bedrohlich einstufen kannst.
Keine Religion, die einen Regierungsanspruch erhebt, passt mehr zu "westlichen Werten". Wie fändest du es denn, wenn der Papst jetzt Kanzler werden und einen katholischen Absolutismus einführen wollte? Der Islam ist nun mal eine politische Religion und das hat nichts damit zu tun, dass betende Muslime hier nicht willkommen wären.

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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Fr 30. Nov 2012, 15:58

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Schau, das ist das, was ich nicht verstehe: Du weißt ganz genau, dass deine Kenntnisse zum Thema Islam im Allgemeinen und Scharia im Speziellen im Grunde relativ dürftig sind, maßt dir aber an, noch dazu ohne die geringste Relativierung, festzustellen, "wie es eigentlich wirklich ist".
Selbstverständlich macht man sich ein Bild, auch wenn die Kenntnisse NUR aus Medien und Literatur zusammengestöpselt sind. Ich hoffe mal, dass die Journalisten und sonstigen Schreiberlinge ordentliche Arbeit machen und mir damit, die ich ihre Beiträge nur lese, nicht aber detektivhaft kontrolliere, einen brauchbaren Überblick verschaffen.

Was in aller Welt hast du dann gelesen, um ein so simplifiziertes und in weiten Teilen sachlich schlicht falsches Bild zu erhalten?

stine hat geschrieben:Auch wenn NUR Teile der Scharia hier Anwendung finden, dann ist das keineswegs lächerlich. Wenn auch nur ein einziges Mädchen sterben muss, weil es Schande über seine Familie gebracht hat, dann ist das ein Mädchen zuviel und ein Beweis dafür, dass diese Gesetze nicht hierher passen.

Schön, wenn ich dir den gesamten Ende/Steinbach vorlesen muss, dann bitte. Aber zieh dich warm an, das Ding hat 847 Seiten ohne Anhang.

Sind wir also beim Ehrenmord angelangt:
Wiebke Walter hat geschrieben:Gegen den "Ehrenmord" gehen Vertreter und Vertreterinnen der modernen Literaturen des Vorderen Orients seit den 30er Jahren des 20. Jahrhundets in Erzählungen, Romanen und Gedichten an. Er ist nicht mit dem Islam begründbar, sondern beruht auf jahrhundertealten Keuschheitsbegriffen, denen Frauen zu folgen haben und für deren Wahrung ihre männlichen Angehörigen verantwortlich gemacht werden. Bis heute versucht die Umgebung, die männlichen "Hüter der Familienehre" zu decken. [...] Die Situation der Diaspora kann konservative muslimische (Unterschichts-)Familien in Europa in kulturellen Identitätskomplexen bestärken.

Weder Ehrenmord noch Genitalverstümmelung sind also vom islamischen Recht gedeckt. Sie sind patriarchalisches Gewohnheitsrecht, das als solches benannt und bekämpft werden muss. Es unter die Scharia zu subsummieren, ist sachlich falsch und hat lediglich zur Folge, dass man die falschen Leute für die falschen Haltungen kritisiert.

stine hat geschrieben:
Wiebke Walter hat geschrieben:Hier handelt es sich also nicht um religiös, sondern um regional verwurzelte Traditionen, für die später religiöse Begründungen ge- oder besser: erfunden wurden.
Ist letztlich egal, woher das kommt. Es geschieht unter dem Deckmantel der Religiösität und es ist Kindesmisshandlung.

Nein, es ist überhaupt kein bisschen egal, woher das kommt. Sorry, wenn ich dich jetzt ein bisschen grob angehe, aber du bist doch diejenige, die immer ganz empfindlich darauf reagiert, wenn Lumen und Co. die Kirche in die Nähe von Massenmördern rücken, weil Massenmord im alten Testament literarisch und in der Kirchengeschichte historisch vorkommt. Da regst du dich doch auch laufend auf, dass da zwei lose miteinander in Beziehung stehende Dinge in einen Topf geworfen werden. Was ja verständlich ist, aber eben nicht ein für dich und das Christentum reserviertes Sonderrecht.

Der Massenmord der Kirche hat einen starken imperialistischen Hintergrund und die Kindesmisshandlung einen patriarchalischen. Dass beides in Bezug zur jeweiligen Religion, heißt nicht, dass diese Entwicklungen von der Religion ausgegangen sind oder noch ausgehen. Du musst dich kundig machen und dann da den Finger hinlegen, wo es berechtigterweise weh tut, nicht pauschal mit grober Kenntnis der Begrifflichkeiten irgendwo draufhauen und sämtliche Muslime in Sippenhaft nehmen.

stine hat geschrieben:Ich mache da keinen Unterschied, wer, aus welchem Grund, an Kindern Hand anlegt. Ich würde mich aber schämen, wenn ich das eine ablehnte und das andere zuließe, weil meine islamischen Freunde mich mal zum Essen eingeladen haben. Solcherlei billiger Bestechung bin nicht zugänglich.

Du machst nicht nur keinen Unterschied, du entscheidest selbstgerecht, dass dein minimales Wissen über das Thema bereits ausreichend ist, um dir ein Urteil zu bilden. Das ist Moralismus und hat weder etwas mit Prinzipientreue noch mit einem Verteidigen des Kindeswohls zu tun. Wer sich für das Kindeswohl interessiert, MUSS ein Interesse daran haben, so viel wie möglich über die Gefahren für Kinder herauszufinden, d.h. sich eine differenzierte, detailreiche Meinung zu bilden. Wenn dir das zu anstrengend ist, dann halt dich zurück mit Verurteilungen von Personen und Gruppen, über die du nichts weißt. Ich finde die Lautstärke, in der du deine Vorurteile bekräftigst, gerade echt heftig. Es bräche dir doch kein Zacken aus der Krone, wenn du die Genitalverstümmelung verdammen und trotzdem nicht sämtliche Menschen auf der Welt, zu deren Identität auch der Islam gehört, als Kinderschänder im Geiste brandmarken würdest. Wenn du jedoch tatsächlich der Meinung bist, dass das ein redliches Verhalten ist, dann geh besser nicht mehr in die Nähe eines katholischen Priesters. Ist dann auch egal welcher, sind schließlich alles Kinderschänder und jede freundliche Geste billige Bestechung, nicht wahr?

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Es gibt Teile der Scharia, die tatsächlich menschenrechtstechnisch hochproblematisch sind, insbesondere was die Ungleichheit der Geschlechter und die untergeordnete Stellung von Nichtmuslimen angeht. Und da muss auch Kritik geübt werden, nur bitte treffend und mit konstruktiver, lösungsorientierter Grundhaltung, nicht mit dem mantraartigen Herunterbeten von Horrorszenarien.
Auf den Threadtitel bezogen, möchte ich weiterhin antworten: Nein, der Islam passt aus verschiedenen Gründen NICHT zu den "westlichen Werten". Auch wenn du nur Teile davon als wirklich bedrohlich einstufen kannst.
Keine Religion, die einen Regierungsanspruch erhebt, passt mehr zu "westlichen Werten". Wie fändest du es denn, wenn der Papst jetzt Kanzler werden und einen katholischen Absolutismus einführen wollte? Der Islam ist nun mal eine politische Religion und das hat nichts damit zu tun, dass betende Muslime hier nicht willkommen wären.

Schön, dass auch du dafür bist, dem Vatikan seinen Staatsstatus abzuerkennen.
Ob der Islam einen Regierungsanspruch erhebt, ist ein vor allem (!) in der islamischen Welt heutzutage heftig umstrittenes Thema. Es gibt tiefgläubige Muslime, gerade in Ländern mit starker religiöser Durchdringung des Regierungssystems, die sich vehement für eine Trennung von Religion und Staat aussprechen, weil beide sich gegenseitig ersticken. Exemplarisch kann man das in Iran beobachten, wo das theokratische System die religionsabgewandteste Generation der persischen Geschichte hervorgebracht hat. Polit- und religionstheoretisch ist das ein riesiges Fass, dass ich jetzt hier nicht aufmachen werde. Es gibt keine klare Antwort auf diese Frage und auch keine ausreichend eindeutigen Stellen in Koran und Hadith. Generell ist der Regierungsanspruch mancher Muslime vor allem wegen des kollektivistischen Menschenrechtsverständnis (Betonung von Gruppen- gegenüber Individualrechten, wobei die UDHR überhaupt keine Gruppenrechte im emphatischen Sinne kennt) und wegen des ungleichen Status von Gläubigen und Ungläubigen problematisch. Auch hier wogen die Diskussionen aber heftig und es gibt selbst in den Reihen der Muslimbrüder Protagonisten, wenn auch sicherlich eine Minderheit, die für ein gleichberechtigtes Staatsbürgermodell nach westlichem Vorbild sind. Das ist vielleicht überraschend, aber wenn man sich nur auf selbstzentrierte Weise um seine liebgewonnen Vorurteile kreist, verliert man halt den Blick für das, was dort in der Realität passiert.

Falls du daran was ändern möchtest, kauf dir zum Einstieg "Der Islam - Eine kurze Einführung" (192 Seiten) von Malise Ruthven, gibts bei Reclam für 5,40€. Das ist ein mehr als ziviler Preis dafür, dass man hinterher eine tatsächlich brachbare Vorstellung davon hat, über was man redet.
Ebenfalls empfehlenswert: "Mohammed" und "Der Koran" von Hartmut Bobzin, als Hintergrundlektüre ggf. von Klaus Kienzler "Der religiöse Fundamentalismus", alle drei erschienen in der beck'schen Reihe, also kurze Büchlein, nichts, woran man drei Wochen am Stück liest und mit 9,90€ bezahlbar.
Bezüglich der Debatte um den Islam in Europa kann ich, mal wieder, die Debatte um Ayaan Hirsi Ali von 2007 empfehlen, die wichtigsten Beiträge sind von suhrkamp als "Islam in Europa - eine internationale Debatte" herausgegeben worden. Ist vor allem deshalb lesenswert, weil unheimlich viele verschiedene Ansichten aufeinanderprallen, man also nicht nur die Perspektive eines Autors zu sehen bekommt.

Sonstige Leseempfehlung für Kulturchristen, die ihre kulturellen Wurzeln so betonen: Mt 7, 1-5
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon provinzler » Fr 30. Nov 2012, 16:28

Ich dachte eigentlich es hätte sich langsam rumgesprochen, dass vieles sich einfach aus regionalen Traditionen herleitet und nicht aus dem Koran und somit auch von Gegend zu Gegend unterschiedlich gehandhabt wird. Über die unterschiedliche Strenge bei der SChleierpflicht für Frauen in verschiedenen Gegenden ließ sich beispielsweise ein Karl May schon vor über 100 Jahren aus...
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Fr 30. Nov 2012, 17:23

Nanna hat geschrieben:Sonstige Leseempfehlung für Kulturchristen, die ihre kulturellen Wurzeln so betonen: Mt 7, 1-5
Danke, ich finde die Fortsetzung, Mt 7,6 auch interessant zu dem Thema.

Es gibt islamistische Gruppierungen, die im Zeichen ihrer Religion Angst und Schrecken verbreiten, auch, und zur Zeit vor allem, in ihren eigenen Ländern. Vielleicht solltest du sie mal in den Religionsunterricht stecken, damit sie lernen, was der Koran wirklich aussagt. Nicht ich muss das nochmal lesen, sondern die eigenen Vertreter ihrer Zunft.
Da Beschneidungen auch von anderen Religionen gefordert wurden, hat man hier ein großes Tuch drübergestülpt und hat auf die "Würde" des Menschen in diesem speziellen Fall verzichtet. Ich halte das für einen Fehler. Wo will man denn da eine Grenze ziehen? Könnte doch jeder kommen und seine verqueren Kulturhandlungen legalisieren lassen. Sind ja nur Kinder.

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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Fr 30. Nov 2012, 18:04

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Sonstige Leseempfehlung für Kulturchristen, die ihre kulturellen Wurzeln so betonen: Mt 7, 1-5
Danke, ich finde die Fortsetzung, Mt 7,6 auch interessant zu dem Thema.

Inwiefern? Also, was sind die Perlen und wer sind die Säue?

stine hat geschrieben:Es gibt islamistische Gruppierungen, die im Zeichen ihrer Religion Angst und Schrecken verbreiten, auch, und zur Zeit vor allem, in ihren eigenen Ländern. Vielleicht solltest du sie mal in den Religionsunterricht stecken, damit sie lernen, was der Koran wirklich aussagt. Nicht ich muss das nochmal lesen, sondern die eigenen Vertreter ihrer Zunft.

Vielleicht würde es euch auch beiden schaden, wenn auch aus anderen Gründen. Bedeutet, dass es islamistische Gruppen mit einem türspaltengen Verständnis von Islam gibt, dass jegliches islamische bzw. islamisch orientierte Normensystem mit den "westlichen Werten" (was auch immer es nun genau sei, mich interessieren nur die Menschenrechte, und die sind zwar im Westen entwickelt worden, aber nicht im eigentlichen Sinne westlich) inkompatibel sind? Wo ist da der Zusammenhang? Kann man da nicht differenzieren?

stine hat geschrieben:Da Beschneidungen auch von anderen Religionen gefordert wurden, hat man hier ein großes Tuch drübergestülpt und hat auf die "Würde" des Menschen in diesem speziellen Fall verzichtet. Ich halte das für einen Fehler. Wo will man denn da eine Grenze ziehen? Könnte doch jeder kommen und seine verqueren Kulturhandlungen legalisieren lassen. Sind ja nur Kinder.

Ich bin auch gegen eine Legalisierung der Beschneidung. Aber ich sage nicht, dass das Judentum oder der Islam wegen eines Elements (und im Falle von Ehrenmord und muslimischer Beschneidung sogar nur lose assoziierten Elements) bereits unvereinbar mit der aufgeklärten Kultur sind. Dann müsste ich auch Kant's universalistische Philosophie deshalb verdammen, weil er ein übler Rassist war, oder dürfte fast nichts mehr kaufen, was ich im Supermarkt finde, weil bei fast jedem Produkt irgendwo ein Bestandteil im Laufe der Lieferkette und Herstellung irgendwo durchgelaufen ist, wo menschenrechtliche Standards nicht eingehalten werden. Aber zu sagen, dass McDonalds mit den westlichen Werten nicht vereinbar ist, klingt natürlich etwas lächerlich, insbesondere weil "McDonalds" und "westlich" in manchen Ohren beinahe als Synonyme fungieren.

Wut und Empörung über empörenswerte Praktiken hin oder her, aber gerade wenn man diskursive und kulturelle Überlegenheit für sich behauptet, muss man auch höhere Standards an die eigene Argumentation anlegen.

provinzler hat geschrieben:Ich dachte eigentlich es hätte sich langsam rumgesprochen, dass vieles sich einfach aus regionalen Traditionen herleitet und nicht aus dem Koran und somit auch von Gegend zu Gegend unterschiedlich gehandhabt wird. Über die unterschiedliche Strenge bei der SChleierpflicht für Frauen in verschiedenen Gegenden ließ sich beispielsweise ein Karl May schon vor über 100 Jahren aus...

Der Witz ist, dass das auch andersrum funktioniert. In vielen Ländern werden nicht nur lokale Traditionen dem Koran zugeschrieben, sondern umgekehrt koranische Regelungen zugunsten lokaler Traditionen ignoriert. So mag man es aus westlicher Sicht ungerecht finden, dass Frauen beim Erbrecht nur die Hälfte eines für einen Mann vorgesehenen Erbteils zugesprochen bekommen, allerdings erben in vielen muslimisch geprägten Ländern, v.a. in den armen und ländlich geprägten Gebieten, die Frauen gar nichts. Für die wäre es ein immenser Fortschritt, wenn sie wenigstens ihre koranisch zugesicherte Hälfte tatsächlich ausbezahlt bekämen. Nicht, dass die Regelung dadurch schon gut würde, aber man muss es dem Koran an der Stelle zugute halten, dass er nicht in allen Belangen eine drakonische Praxis vorschreibt, sondern in nicht wenigen Fällen fortschrittlichere Regelungen beinhaltet, als die lokalen Traditionen es vorsehen.

Was übrigens sehr auffällig ist, ist, dass bei konfligierenden Normen sich die patriarchalisch-traditionelle (Ehrenmorde, Genitalverstümmelungen, Erbverweigerung gegenüber Frauen, Zwangsverheiratung) fast immer gegen die koranische Norm durchsetzt. Das sagt meines Erachtens sehr viel darüber aus, wie stark der Islam tatsächlich ist und wie dick die Schicht Patriarchat ist, die sich seit Jahrhunderten auf dieser Religion abgelagert hat. Nun plädiere ich ja immer dafür, die derzeitige Praxis gegenüber idealisierten reinen Lehren bevorzugt zu berücksichtigen, aber auch da haben wir eben starke Diskrepanzen zwischen fortschrittlichen urbanen Muslimen und den rückständigen Lehren, für die vor allem die armen und ländlich-traditionell geprägten Muslime anfällig sind. Die Salafiyya ist nochmal ein eigenständiges Thema, da gibt es viele gebildete, aber perspektivlose junge Leute, die sich aus Verzweiflung an einem idealistisch krass überzeichneten Bild der muslimischen Frühzeit hochzuziehen versuchen.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Lumen » Fr 30. Nov 2012, 21:22

Pat Condell zum Thema "Islamophobia Awareness Month"

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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Fr 30. Nov 2012, 23:18

Pat... between you and me: Old white men raging self-righteous about other cultures is just... what do you call it... yeah, right, a "sick joke".
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Zappa » Fr 30. Nov 2012, 23:28

Pat Condell fand ich vor 1-2 Jahren ganz inspirierend, aber mittlerweile hat er sich so in seiner ideologischen Ecke eingegraben, dass es mühsam wird den - rhetorisch meist sehr guten - Beiträgen bis zum Ende zu folgen.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Fr 30. Nov 2012, 23:50

Mir ist vor allem nicht ganz klar, wie ich jemanden unterhaltsam finden soll, der mir seine Enttäuschung über die Welt derart ins Gesicht schaufelt, noch dazu mit diesem oberlehrerhaften "Ich erklär euch jetzt mal, wie es wirklich ist, liebe Kinder." Komm ey... meine arme Lebenszeit.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Lumen » Sa 1. Dez 2012, 01:58

Ad Hominem ist doch zu leicht und irgendwie leider auch zu typisch. Er wiederholt sich auch ziemlich und so weiter, aber leider ändert sich der Umstand ja nicht. Da gehen sie auf die Straße wenn jemand ihren Propheten irgendwie krumm gemalt hat, oder ein Filmchen gemacht hat. Dann fehlt natürlich die Energie, bei anderen Themen mal Flagge zu zeigen, wie bei der Ermordung der 14 jährigen Malala Yousufzai. Die hatte sich für die Eröffnung ihrer Schule eingesetzt und wollte Ärztin werden, was die Taliban aber nicht ganz so gut fanden. Der Aufschrei der Arabischen Welt, als sie erschossen wurde, war natürlich in allen Medien deutlich zu vernehmen...
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Sa 1. Dez 2012, 03:55

So empörenswert das ist, so wenig gibt das irgendjemandem das Recht, Sachverhalte zu simplifizieren und pauschale Feindbilder hochzuziehen. Die in vielen Fragen offensichtliche Rückständigkeit der nah- und mittelöstlichen Gesellschaften stellt ja keiner in Frage, aber die wüste Melange aus Hörensagen und abgrenzungssüchtiger Feindbildkonstruktion ist halt doch des Guten einiges zu viel.

...und Pat Condell ist einfach nicht lustig.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Sa 1. Dez 2012, 09:47

Nanna hat geschrieben:Inwiefern? Also, was sind die Perlen und wer sind die Säue?
Als Perlen würde ich die Demokratie und die Selbstbestimmung bezeichnen und die Verächter sind sicherlich islamistische Rädelsführer, die für ihren Machterhalt über Leichen gehen. Im Islam gilt das Prinzip der Unterwerfung und es wird höchstwahrscheinlich immer wieder Diktatoren geben, die dieses Gebot für sich einfordern.

Nanna hat geschrieben:Die in vielen Fragen offensichtliche Rückständigkeit der nah- und mittelöstlichen Gesellschaften stellt ja keiner in Frage, aber die wüste Melange aus Hörensagen und abgrenzungssüchtiger Feindbildkonstruktion ist halt doch des Guten einiges zu viel.
Das magst du so sehen, aber leider ist es eben noch ein langer Weg, bis zur Gleichschaltung und ich sehe derzeit noch kein friedliches Miteinander in Sicht.
Ich bin überhaupt ziemlich enttäuscht, dass jede, dem Forum eigenen Mainstream, kontroverse Anschauung, sogleich mit einer Phobie in Zusammenhang gebracht wird. Sofort ist man homophob, wenn man eine anderslautende Meinung zum Thema hat und islamophob, wenn man kriegerische Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der fortschreitenden Islamisierung der östlichen Länder anprangert. Wahrscheinlich bin ich auch noch Antisemit, weil ich gegen die Beschneidung bin.
Ihr könnt das sehen, wie ihr wollt und euer Fortschrittsdenken in allen Ehren. Man muss aber auch nicht alles glorifizieren und im Gegenzug mit weit geöffneten Armen ins Messer laufen.

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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Zappa » Sa 1. Dez 2012, 11:38

Nanna hat geschrieben:...und Pat Condell ist einfach nicht lustig.


Ich finde er zeigt diesbezüglich hier und da Talent:

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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Sa 1. Dez 2012, 17:20

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Inwiefern? Also, was sind die Perlen und wer sind die Säue?
Als Perlen würde ich die Demokratie und die Selbstbestimmung bezeichnen und die Verächter sind sicherlich islamistische Rädelsführer, die für ihren Machterhalt über Leichen gehen. Im Islam gilt das Prinzip der Unterwerfung und es wird höchstwahrscheinlich immer wieder Diktatoren geben, die dieses Gebot für sich einfordern.

Die Diktatoren der arabischen Welt waren in den letzten 60 Jahren fast ausnahmslos krass säkular. In Syrien waren bis vor einer Weile sogar Kopftücher an den Unis verboten. Die Perspektivlosigkeit unter den Diktaturen hat maßgeblich zum Aufkommen der islamistischen Strömungen beigetragen. Der Witz ist ja, dass es bei den Islamisten (man kann deren Schriften zur Abwechslung auch mal lesen, anstatt nur altklug darüber zu reden...) sehr stark um Selbstbestimmung geht, Selbstbestimmung der Menschen gegenüber der Regierung und Selbstbestimmung des Landes gegenüber dem Westen. Dieses Verständnis von Selbstbestimmung ist (noch) nicht dasselbe wie das auf individuelle Rechte fokussierte Denken im klassischen Liberalismus, aber es ist genuin antiautoritär. Das mag dir jetzt extrem seltsam vorkommen, aber gerade die Salafisten sind eine Graswurzelbewegung, die großen Wert darauf legt, dass es zwischen Gott und dem Gläubigen keine zwischengeschaltete Instanz gibt. Bei Sayyid Qutb geht es auch erstmal seitenweise darum, dass das Individuum befreit werden muss, um wirklich zu Gott zu finden. Seine These war, dass die Befreiung der Gesellschaften die Menschen automatisch zu Gott führen würde, weil jeder freie Mensch ja nur die beste Religion, also den Islam, annehmen könne. Da ist natürlich die Realitätswahrnehmung ordentlich verschoben, aber der Punkt ist, dass von den theoretischen Grundlagen her der Islamismus kein Autoritarismus ist. Das heißt nicht, dass diese Gedankenwelt deshalb unproblematisch ist, sie ist alles andere als das, aber diese Satzbrocken à la "im Islam geht es um Unterwerfung" sind, insbesondere in den Kontext der nationalistischen Diktaturen des Nahen Ostens, sachlich falsch und einem Verständnis des Geschehens auch nicht zuträglich.

Ich werde dein Eindruck nicht los, dass dir das Beharren auf deinem Weltbild hier wichtiger ist als ein tatsächliches Verständnis der islamischen Kultur zu gewinnen.

stine hat geschrieben:Das magst du so sehen, aber leider ist es eben noch ein langer Weg, bis zur Gleichschaltung und ich sehe derzeit noch kein friedliches Miteinander in Sicht.

Ja, und das liegt nicht nur an den bösen Muslimen, sondern auch an selbstgerechten Mitteleuropäern, die sich zu gut dafür sind, mal ihre Nase in ein paar Bücher zu stecken und sich ein genaueres Bild von der Lage zu machen.

stine hat geschrieben:Ich bin überhaupt ziemlich enttäuscht, dass jede, dem Forum eigenen Mainstream, kontroverse Anschauung, sogleich mit einer Phobie in Zusammenhang gebracht wird. Sofort ist man homophob, wenn man eine anderslautende Meinung zum Thema hat und islamophob, wenn man kriegerische Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der fortschreitenden Islamisierung der östlichen Länder anprangert. Wahrscheinlich bin ich auch noch Antisemit, weil ich gegen die Beschneidung bin.
Ihr könnt das sehen, wie ihr wollt und euer Fortschrittsdenken in allen Ehren. Man muss aber auch nicht alles glorifizieren und im Gegenzug mit weit geöffneten Armen ins Messer laufen.

Es geht überhaupt nicht darum, irgendetwas zu glorifizieren, und dein Hang dazu, dich im Fall von Homosexualität und Islam mit extrem dünnen Argumenten auf einer Position festzusetzen, die für jeden, der auch nur ein wenig mehr Ahnung vom Thema hat, als äußerst inkohärent zu erkennen ist, ist einfach auffällig. Was soll man denn deiner Meinung nach vermuten, wenn jemand sich aggressiv weigert, sich in Ruhe mit Fakten und Betrachtungen von Fachleuten auseinanderzusetzen und stattdessen immer wieder dieselben, längst wort- und argumentenreich widerlegten Allgemeinplätze wiederholt?

Das Problem ist hier nicht, dass du eine anderslautende Meinung zum Thema hast, sondern dass du sie nicht begründen kannst und dass du Widerlegungen deiner Ansichten überliest und einfach wieder von vorne mit dem Aufzählen deiner Meinungen beginnst, ohne aber die Gegenargumente in irgendeiner Form aufzugreifen. Was soll ein Außenstehender da anderes annehmen, als dass du dich innerlich und aus emotionalen Gründen dagegen sperrst, dich im Detail mit den Gegenargumenten auseinanderzusetzen?

Zappa hat geschrieben:Ich finde er zeigt diesbezüglich hier und da Talent:


Ich finde, dass er in erster Linie wie jemand klingt, der sich gerne reden hört. Sorry, aber solche "Pointen" wie der Bananenvergleich ist jetzt nicht gerade rhetorische Hochkunst - da machen manche meiner Professoren in ihren Vorlesungen weit bessere Witze - und im Grunde wiederholt er nur zigmal in anderen Worten, dass er Gläubige dumm und irrational findet. Das hab ich auch nach dem ersten Mal verstanden und es wird fast zehn Jahre nach Dawkins auch langsam etwas langweilig und einseitig. Aggressivität und fehlende Lockerheit/Selbstironie sind darüberhinaus der Tod jeder gelungenen Comedy.
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