Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 5. Jan 2013, 15:25

Vollbreit hat geschrieben:Der Begriff des Egoismus wird von Dir so wachsweich und austauschbar benutzt, dass er am Ende keinerlei Bedeutung mehr hat, da er alle beliebigen annehmen kann.

Er nimmt nicht alle Bedeutungen an, sondern kann, wie so ziemlich alles, unterschiedlichst interpretiert werden. Es ist ein Unterschied, ob ich dem Wort eine eindeutige Bedeutung zuschreibe (Selbstbezogenheit, negativ: Selbstsucht; dem Utilitarismus nahestehend, Urtrieb) und ob ich erkenne, dass diese Bedeutung nicht festschreibt, wie die Selbstbezogenheit ausgelebt wird. Ein Beispiel, um es zu verdeutlichen: Wir werden sicherlich nicht darüber streiten, was ein Auto ist, wir kennen die Bedeutung. Mancher stellt sich einen Audi als Archäetyp vor, andere einen BMW oder so. Trotzdem kann ersterer auch erkennen, dass ein BMW ein Auto ist. Dann gibt es noch obskure Autos, die vielleicht einen neuartigen Antrieb besitzen, eine von der 4 abweichende Anzahl an Rädern hat, usw. Trotzdem bezeichnen wir diese Gefährte als Auto, weil der Begriff Spielraum für variationen offen lässt, die die Ausführung betreffen. So ist es mit dem Begriff Egoismus.
Vollbreit hat geschrieben:Frisst der Löwe das Gnu, klar Egoismus.
Kooperieren Tiere, die das sonst nicht tun, in harten Wintern, Egoismus.
Quäl ich einen anderen aus Spaß an der Freude, Egoismus.
Befreie ich einen Gequälten aus den Händen des Sadisten, Egoismus.
...

Na, da machst du es dir einfach. Du kommst mir wie ein Schulkind vor, das aufgefordert wird, etwas wie Evolution zu erläutern und dann nur ein Wort rausbringt. Es kommt nicht auf ein möglicherweise richtiges Stichwort an, sondern auf den Kontext, die Erklärung, den Zusammenhang. Du willst du Unrecht meine Ausführungen ins Lächerliche ziehen, wobei du unterschlägst, dass ich Erklärungen liefere und nicht nur ein Wort immer wieder erwähne. Dadurch, dass du so einsilbig wirst bei deinem Hohn, bin ich es nicht. Ich erkläre nicht das Fressen eines Gnus mit "Egoismus.", sondern, dass der Löwe Hunger hat, er ein Carnivor ist, sein Hunger als Motiv durch natürliche Selektion gefördert wurde, da nur diejenigen, die sich erhielten, die Eigenschaft des Hungers auch weitergeben konnten. Dieser Hunger basiert auf der Selbsterhaltung, die eine Weitergabe bei der Fortpflanzung ermöglicht. Die Selbsterhaltung ist durch Motive und Triebe im Verhalten als Egoismus erkennbar, da es die Selbstsucht, Ich-Bezogenheit zum eigenen Vorteil bezeichnet. Für deine restlichen Beispiele ließe sich eine ähnliche Erklärungskette finden.
Vollbreit hat geschrieben:(Obwohl dieses Verhalten in keine der vorgesehenen Kategorien passt: Man sonnt sich nicht öffentlich als Gönner, es muss kein Verwandter sein, dem man spendet und Ruhm und Gegengefallen bekommt man auch nicht – würde mich mal interessieren, wie man da auch noch den Egoismus reinpresst. Denn wir erinnern uns, dass es lediglich vier Gründe für Kooperation gibt:
Richard Dawkins hat geschrieben:Damit haben wir nun vier stichhaltige darwinistische Gründe, warum Individuen untereinander altruistisch, großzügig oder „moralisch“ handeln. Der erste betrifft den Sonderfall der Verwandtschaft. Der zweite ist die Gegenseitigkeit: Gefälligkeiten werden vergolten und in „Erwartung“ eines solchen Gegengefallens erwiesen. Darauf folgt sofort der dritte: der darwinistische Vorteil, den es bedeutet, wenn man sich de Rufe der Großzügigkeit und Freundlichkeit erwirbt. Und wenn Zahavi recht hat, gibt es viertens den speziellen, unmittelbaren Nutzen der zur Schau gestellten Großzügigkeit als Mittel, um für sich selbst authentische, unverfälschte Reklame zu machen.
(Dawkins, Der Gotteswahn, 2006, dt. Ullstein-TB, 2008, S.304)

Und ich kann ehrlich gesagt nicht erkennen, in welche der vier Kategorien der anonyme Spender fällt.
Du? Damit wäre das wohl widerlegt, oder?)

Gar nichts ist damit widerlegt. Triebe, Gefühle, Motive können auch eine sogenannte Leerlauffunktion erfüllen. Sie haben keinen unmittelbaren Nutzen in seltenen Situationen bei der Auslebung. Es ist wie ein Computerprogramm, das eine unschädliche Fehlfunktion haben kann, wenn es nicht nur das eigene Geld, sondern auch die Rechenschritte oder sowas zählt. Solange diese Tätigkeit nicht schädlich ist, kann sie weitergegeben werden. Ganz spitzfindige Biologen bezeichnen diese Tätigkeit als "Übung" für künftige Situationen, in der dieses Verhalten vorteilhaft sein kann (und damit hat die Übung selbst einen Nutzen), aber das scheint mir nicht grundsätzlich zutreffend zu sein. Hinter einem Trieb, der sich in 99 % der Fälle bewehrt, steht nicht immer eine klare Interpretation der Situation, sondern auch mal nur ein Gefühl.
Dass meist nützliche Triebe nicht grundsätzlich zum Nutzen sind, kann das Zusammenrollen des Igels belegen. bei einem Hund, einem Wolf oder sowas ist das ganz nützlich, bei einem Auto weniger. Deswegen reicht es nicht bei biologischen Systemen ein Gegenbeispiel zur Widerlegung zu nennen, da biologische Systeme (anders als mathematische) Fehler zulassen, solange sie nicht zu groß werden.
Vollbreit hat geschrieben:Mal ist Egoismus einfach nur Selbsterhalt (warum ist das Egoismus?), mal die kluge, gerissene Strategie der Strategen, mal ist es das Verhalten von allem was lebt, mal ist es egoistischer (unkooperativer) Egoismus mal kooperativer.

Selbsterhalt ist egoistisch, da der Zweck des Selbsterhalts die Erhaltung des ichs ist. Qui bonum? Natürlich dem Ego. Ergo ist Selbsterhaltung egoistisch, ichbezogen, sebstsüchtig. Vielleicht überfordert dich diesmal nicht nur die Biologie, sondern auch das Latein, aber du kannst mich vielleicht noch überraschen.
Vollbreit hat geschrieben:Warum muss auch ganz offenkundig altruistisches Verhalten unter den Begriff „Egoismus“ gebracht werden, ohne Not? Es zwingt die Biologen doch keiner genau einen Urtrieb zu finden, es könnte zwei, drei oder fünf geben.

Als Biologe erkennt man, dass ein unbelebtes Prinzip wie die Evolution nur durch Veränderung bereits bestehender Systeme funktioniert. Hat das Tier Schuppen, braucht aber Haare zur Isolation, "entwickeln" sich die Schuppen zu Haaren. Muss das Tier viel klettern und auch mal springen, kann es nützlich sein, gleiten zu können. Schon können die Schuppen zu Federn werden. Aber all diese Ausprägungen gehen auf ein Modell zurück. Dieses reduktive Denken bewehrt sich nicht nur in der Biologie, sondern grundsätzlich in den Wissenschaften, da es das Nachvollziehen der Kausalität bedeutet. Bei den meisten (guten) Stammbäumen wirst du immer ein Tier unten sehen, bei vielen diversen Proteinen, Organen oder genen kann man einen Ursprung erkennen. Deswegen wird nach einem, nicht nach 2, 3, 4, 5 Sachen gesucht, um es platt zusammenzufassen.
Vollbreit hat geschrieben:Dann: Warum gibt man sich nicht mit biologisch Triebhaftem zufrieden, sondern weitet das Modell soziobiologisch dann noch auf den Menschen aus, ohne sich um die offenkundige Relevanz der Kultur zu kümmern?

Als stünde die Kultur außerhalb der Erklärungsmöglicheiten der Biologie, als würde ein Trieb wegen der Eigenart einer Spezies nicht mehr rechtfertigen lassen, als würde Triebhaftigkeit der Kultur widersprechen oder umgekehrt! Der Mensch ist ein Lebewesen, also folgt es auch Prinzipien seiner Verwandten. Im Spielraum der Interpretation dieser Prinzipien ist die Kultur zu finden. Für die große Fragestellung, wie und warum wir handeln, ist es nicht relevant, warum die Russen Zwiebeltürme für ihre Kirchen verwendeten und die Römer Kuppeln. Um ein menschenübergreifendes Prinzip zu finden, empfiehlt es sich, nach Gemeinsamkeiten zu suchen.
Vollbreit hat geschrieben:Nein, Darth, hättest Du im Biounterricht besser aufgepasst, dann wüsstest Du, dass nicht erst der Mensch den kooperierenden Egoismus für sich entdeckt hat

(Unterstrichen von mir) Wer hat gesagt, dass der Mensch dies als Erstes tat? Ich nicht:
Darth Nefarius hat geschrieben:Was den Egoismus für uns interessant macht bei all seinen Ausprägungen ist diejenige, die der Mensch für sich entdeckt hat: der kooperative Egoismus.

Das ist vielleicht missverständlich ausgedrückt, aber keinesfalls so, dass nur der Mensch für sich dies entdeckt hat. Wieso zitierst du eigentlich nicht die unzähligen Stellen, in denen ich auch andere Tiere erwähnte, die kooperativ handeln? Allein dass es Mehrzeller gibt, reicht für einen Amateur aus, um zu verstehen, dass Kooperation vielfälgist aussehen kann und gewiss nicht mit dem Menschen "erfunden" wurde. Dein Diskussionsstil zielt nur darauf ab, das Gegenüber zu diffarmieren, du suchst dir eine möglicherweise zweideutige Textsstelle aus, wobei du alle anderen redundanten, aber leider eindeutigen ignorierst, unterschlägst. Das ist armselig.
Vollbreit hat geschrieben:...und auch, dass es um egoistische Gene und nicht egoistische Individuen geht

Nur weil es Dawkins so sieht oder formuliert, ist es nicht in Stein gemeißelt und die absolute Wahrheit. Abgesehen davon hat Dawkins den Begriff Egoismus nicht erfunden oder geprägt, es gibt genug Beispiele unter Philosophen, die meiner Einschätzung entsprechen. Du brauchst also nicht so zu tun, als hinge meine Argumentation nur davon ab, was die Autorität, auf die ich mich vermeindlich berufe (was ich aber nicht tat, du hast ihn permanent zitiert), dazu sagt. Ich persönlich unterstelle Molekülen keine Absicht, keinen Egoismus. Es ist vielmehr eine Kettenfortpflanzungsreaktion der besonderen Art. Aber bei anderen Beispielen (für synthetische Polymere, z.Bsp.) benötigen wir auch nicht das Wort "Egoismus" für Polystyrol. Dass ich jetzt Polystyrol mit DNA vergleiche, bedeutet nicht, dass ich die Reaktionen nicht auseinanderhalten kann. Würde ich nicht darauf hinweisen, würdest du dies wahrscheinlich aufnehmen. Mich wundert ernsthaft, wie dich überhaupt jemand ertragen kann, wenn du immer so diskutierst.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Sa 5. Jan 2013, 16:48

Darth Nefarius hat geschrieben:Ein Beispiel, um es zu verdeutlichen: Wir werden sicherlich nicht darüber streiten, was ein Auto ist, wir kennen die Bedeutung. Mancher stellt sich einen Audi als Archäetyp vor, andere einen BMW oder so. Trotzdem kann ersterer auch erkennen, dass ein BMW ein Auto ist. Dann gibt es noch obskure Autos, die vielleicht einen neuartigen Antrieb besitzen, eine von der 4 abweichende Anzahl an Rädern hat, usw. Trotzdem bezeichnen wir diese Gefährte als Auto, weil der Begriff Spielraum für variationen offen lässt, die die Ausführung betreffen. So ist es mit dem Begriff Egoismus.


Ja, nur gibt es auch noch – um bei der Analogie zu bleiben – Flugzeuge, Scheren und Bäume und das sind keine Autos. Ich habe das ansonsten mit den Spielarten bestens verstanden.
Es ist ja nicht meine Behauptung, dass alles Leben egoistisch ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Frisst der Löwe das Gnu, klar Egoismus.
Kooperieren Tiere, die das sonst nicht tun, in harten Wintern, Egoismus.
Quäl ich einen anderen aus Spaß an der Freude, Egoismus.
Befreie ich einen Gequälten aus den Händen des Sadisten, Egoismus.
...

Na, da machst du es dir einfach. Du kommst mir wie ein Schulkind vor, das aufgefordert wird, etwas wie Evolution zu erläutern und dann nur ein Wort rausbringt. Es kommt nicht auf ein möglicherweise richtiges Stichwort an, sondern auf den Kontext, die Erklärung, den Zusammenhang. Du willst du Unrecht meine Ausführungen ins Lächerliche ziehen, wobei du unterschlägst, dass ich Erklärungen liefere und nicht nur ein Wort immer wieder erwähne.


Darth, auch wenn das in Deiner Welt unvorstellbar ist, es geht mir gar nicht um Dich.
Es geht mir um diese Idee, dass alle biologischen Regungen letztlich (und erstlich) egoistisch genannt werden sollen. Wenn die Interpretationsbreite so groß ist, warum soll dieses unterschiedliche Verhalten denn dann egoistisch (oder durch Egoismus motiviert) genannt werden?
Erspar uns langatmige Erklärungen über kooperativen Egoismus oder reziproken Altruismus, ich kenne das besser als Du.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich erkläre nicht das Fressen eines Gnus mit "Egoismus."


Dawkins aber.
Und das Egoismus nicht gleich böse meint, ist mir überbekannt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und ich kann ehrlich gesagt nicht erkennen, in welche der vier Kategorien der anonyme Spender fällt.
Du? Damit wäre das wohl widerlegt, oder?)

Gar nichts ist damit widerlegt. Triebe, Gefühle, Motive können auch eine sogenannte Leerlauffunktion erfüllen. Sie haben keinen unmittelbaren Nutzen in seltenen Situationen bei der Auslebung. Es ist wie ein Computerprogramm, das eine unschädliche Fehlfunktion haben kann, wenn es nicht nur das eigene Geld, sondern auch die Rechenschritte oder sowas zählt. Solange diese Tätigkeit nicht schädlich ist, kann sie weitergegeben werden. Ganz spitzfindige Biologen bezeichnen diese Tätigkeit als "Übung" für künftige Situationen, in der dieses Verhalten vorteilhaft sein kann (und damit hat die Übung selbst einen Nutzen), aber das scheint mir nicht grundsätzlich zutreffend zu sein.


Also ein nutzloses Verhalten, das weder egoistisch ist, noch unter eine der behaupteten Kategorien für reziproken Altruismus fällt und insofern dar schwarze Schwan wäre, der die Theorie widerlegt, widerlegt sie nicht, weil Spenden ja eine biologische Fehlfunktion ist und vielleicht später mal nützlich sein kann.
Da bleibe ich doch lieber dabei, dass der anonyme Spender die Theorie widerlegt, bevor das hier theologische Dimensionen annimmt.

Bin mal gespannt, was die anderen sagen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Hinter einem Trieb, der sich in 99 % der Fälle bewehrt, steht nicht immer eine klare Interpretation der Situation, sondern auch mal nur ein Gefühl.


Den Satz habe ich nicht verstanden.

Darth Nefarius hat geschrieben:Dass meist nützliche Triebe nicht grundsätzlich zum Nutzen sind, kann das Zusammenrollen des Igels belegen. bei einem Hund, einem Wolf oder sowas ist das ganz nützlich, bei einem Auto weniger. Deswegen reicht es nicht bei biologischen Systemen ein Gegenbeispiel zur Widerlegung zu nennen, da biologische Systeme (anders als mathematische) Fehler zulassen, solange sie nicht zu groß werden.


Es geht doch gar nicht darum zu behaupten, dass Triebe falsch seien.
Es geht darum, dass eine immens große Spannbreite (wie Du selbst sagst) von sehr unterschiedlichem Verhalten, unter den Begriff „Egoismus“ gequält wird. Und ich kann nicht einsehen, was das soll.
Es wäre doch überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn man behauptet, dass es mal mehr, mal weniger Egoismus gibt, der Sadist ist Egoistischer als der anonyme Spender.
Ich kann auch locker anerkennen, wie Agent und Nanna sicher auch, dass es Zwischenstufen gibt, bei denen mal helfen will und selbst auch von der Hilfe profitiert, warum auch nicht.
Wie Nanna sagte, Altruismus zeichnet sich nicht dadurch aus, dass man selbst Qualen leidet, wieso auch?
Warum nicht ein Kontinuum, wie Agent sagt, von ausgeprägtem Egoismus zu ausgeprägtem Altruismus und sämtlichen Zwischenstufen?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Mal ist Egoismus einfach nur Selbsterhalt (warum ist das Egoismus?), mal die kluge, gerissene Strategie der Strategen, mal ist es das Verhalten von allem was lebt, mal ist es egoistischer (unkooperativer) Egoismus mal kooperativer.

Selbsterhalt ist egoistisch, da der Zweck des Selbsterhalts die Erhaltung des ichs ist. Qui bonum?


Aber schon hier würde ich widersprechen. Selbsterhalt ist doch nicht egoistisch. Egoistisch bin ich, wenn ich meinen Vorteil gegenüber einem anderen durchsetzen will, der dasselbe will. Atmen dient dem Selbsterhalt, aber ist es egoistisch? Hat doch niemand ein Nachteil von. Egoistisch wird es dann, wenn ich in einer defekten Tiefseekapsel bin und es nur ein Sauerstoffgerät und drei Atmer gibt und ich derjenige bin, der die anderen tötet, um länger Luft zu haben.

Darth Nefarius hat geschrieben:Natürlich dem Ego. Ergo ist Selbsterhaltung egoistisch, ichbezogen, sebstsüchtig.


Nö. Gerade ein wertender Begriff wie Selbstsucht passt hier überhaupt nicht und zwar in einer Vielzahl von Fällen nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Warum muss auch ganz offenkundig altruistisches Verhalten unter den Begriff „Egoismus“ gebracht werden, ohne Not? Es zwingt die Biologen doch keiner genau einen Urtrieb zu finden, es könnte zwei, drei oder fünf geben.

… Dieses reduktive Denken bewehrt sich nicht nur in der Biologie, sondern grundsätzlich in den Wissenschaften, da es das Nachvollziehen der Kausalität bedeutet. Bei den meisten (guten) Stammbäumen wirst du immer ein Tier unten sehen, bei vielen diversen Proteinen, Organen oder genen kann man einen Ursprung erkennen. Deswegen wird nach einem, nicht nach 2, 3, 4, 5 Sachen gesucht, um es platt zusammenzufassen.


Und warum sollte es nun genau einen Trieb geben? Oder was soll Egoismus jetzt eigentlich sein, Trieb, Instinkt? Kausalität ist das Prinzip von Ursache und Wirkung und besagt nirgends, dass es nur eine Ursache geben muss.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dann: Warum gibt man sich nicht mit biologisch Triebhaftem zufrieden, sondern weitet das Modell soziobiologisch dann noch auf den Menschen aus, ohne sich um die offenkundige Relevanz der Kultur zu kümmern?

Als stünde die Kultur außerhalb der Erklärungsmöglicheiten der Biologie, als würde ein Trieb wegen der Eigenart einer Spezies nicht mehr rechtfertigen lassen, als würde Triebhaftigkeit der Kultur widersprechen oder umgekehrt!


Natürlich steht Kultur zu einem ganz erheblichen Maße außerhalb der Biologie. Manche sehen sie sogar als Antithese des Biologischen, Natürlichen.
Klar ist jedes Kulturwesen auch lebendig aber das war es dann auch erst mal.
Ich würde eine Durchdringung beider Bereiche sehen, aber wiederum kann ich nicht sehen was der Leitartikel im Feuilleton mit Biologie zu tun hat, so wenig wie ich sehen kann, was Zellteilung mit Kultur zu tun hat.

Darth Nefarius hat geschrieben:Der Mensch ist ein Lebewesen, also folgt es auch Prinzipien seiner Verwandten.


Den biologischen oder den kulturellen?

Darth Nefarius hat geschrieben:Im Spielraum der Interpretation dieser Prinzipien ist die Kultur zu finden. Für die große Fragestellung, wie und warum wir handeln, ist es nicht relevant, warum die Russen Zwiebeltürme für ihre Kirchen verwendeten und die Römer Kuppeln. Um ein menschenübergreifendes Prinzip zu finden, empfiehlt es sich, nach Gemeinsamkeiten zu suchen.


Da bist Du aber ein nachlässiger Forscher, wenn Du meinst die Bauweise sei immer nur eine willkürliche Spielart. Ist sie nicht. Aber meinst Du denn, dass die Allzweckerklärung, weil wir Egoisten sind uns da irgendwie weiter bringt, bei der Antwort?


Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nein, Darth, hättest Du im Biounterricht besser aufgepasst, dann wüsstest Du, dass nicht erst der Mensch den kooperierenden Egoismus für sich entdeckt hat

(Unterstrichen von mir) Wer hat gesagt, dass der Mensch dies als Erstes tat? Ich nicht:
Darth Nefarius hat geschrieben:Was den Egoismus für uns interessant macht bei all seinen Ausprägungen ist diejenige, die der Mensch für sich entdeckt hat: der kooperative Egoismus.

Das ist vielleicht missverständlich ausgedrückt, aber keinesfalls so, dass nur der Mensch für sich dies entdeckt hat. Wieso zitierst du eigentlich nicht die unzähligen Stellen, in denen ich auch andere Tiere erwähnte, die kooperativ handeln?


Ja, es ist missverständlich ausgedrückt.
Mir ist ja gar nicht klar, welche Ansicht Du hast, weil sie sich ständig verändert.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:...und auch, dass es um egoistische Gene und nicht egoistische Individuen geht

Nur weil es Dawkins so sieht oder formuliert, ist es nicht in Stein gemeißelt und die absolute Wahrheit.


Das ist wohl wahr.
Ich hatte nur den Eindruck, dass Du dieser Theorie anhängst, aber inzwischen meine ich, dass Du sie nicht verstanden hast.

Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon hat Dawkins den Begriff Egoismus nicht erfunden oder geprägt, es gibt genug Beispiele unter Philosophen, die meiner Einschätzung entsprechen.
[/quote]

Es ist vollkommen unwichtig, wer auf wessen Seite steht oder nicht, es geht darum, zu klären, ob der allumfassende Egoismus ein vernünftiger Begriff ist. Ich meine nein.
Da Du Dawkins Idee der egoistischen Gene nicht vertrittst, welche vertrittst Du denn dann, das wird mir immer unklarer.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 5. Jan 2013, 20:29

Vollbreit hat geschrieben:Ja, nur gibt es auch noch – um bei der Analogie zu bleiben – Flugzeuge, Scheren und Bäume und das sind keine Autos. Ich habe das ansonsten mit den Spielarten bestens verstanden.
Es ist ja nicht meine Behauptung, dass alles Leben egoistisch ist.

Die Analogie hast du wohl nicht verstanden, oder du stellst dich verzweifelt dumm, um mich zu entnerven. Du kannst klar unterscheiden, was ein Auto ist und was nicht, trotzdem ist das, was ein auto ist, sehr variabel. Und der Egoismus kann auch vom Altruismus unterschieden werden (wobei er dennoch variabel bleibt, wie das, was wir als Auto verstehen), nicht alles, was uns umgibt, ist lebendig, also hat der Begriff seine Einschränkungen (auf das, was lebt und fit ist).
Vollbreit hat geschrieben:Darth, auch wenn das in Deiner Welt unvorstellbar ist, es geht mir gar nicht um Dich.
Es geht mir um diese Idee, dass alle biologischen Regungen letztlich (und erstlich) egoistisch genannt werden sollen. Wenn die Interpretationsbreite so groß ist, warum soll dieses unterschiedliche Verhalten denn dann egoistisch (oder durch Egoismus motiviert) genannt werden?

Nenn es meinetwegen "Alles-ist-schön-ismus", damit würden aber die wenigsten etwas anfangen können. Das Verständnis um das, was wir bei Lebewesen beobachten und das, was den Begriff Egoismus im Kern definiert, ist nunmal deckungsgleich genug (es gibt nichts, was dem näher kommt) und deswegen hat der Begriff seine Berechtigung, auch wenn du mit Egoismus den schwarzen Mann oder den Banker, der dein Sparschwein ausgebeutet hat, in naiver Assoziation verbindest. Was in der Naturwissenschaft so vorteilhaft ist, ist die wesentlich Unvoreingenommenheit gegenüber Ideen, Vorstellungen, Konzepte als bei anderen Bereichen.
Vollbreit hat geschrieben:Erspar uns langatmige Erklärungen über kooperativen Egoismus oder reziproken Altruismus, ich kenne das besser als Du.

Na, das würde mich überraschen. Wenn du mal zugegeben hast, dass dir was nicht klar ist, indem du wohl ernstgemeinte Fragen gestellt hast, oder einfach behauptet hast, dass dies nicht bewiesen sei, konnte schon Oberstufenschulwissen reichen, um dir etwas zu erklären. Wenn du dich auf Außenseiterpsychologen beziehst, kannst du mit der Logik eines Verhaltensbiologen nicht mithalten.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich erkläre nicht das Fressen eines Gnus mit "Egoismus."


Dawkins aber.
Und das Egoismus nicht gleich böse meint, ist mir überbekannt.

Ich bin nicht Dawkins Anwalt. Abgesehen davon erklärt er es nicht so knapp, wie du es dargestellt hast, mit einem Wort, auch wenn er sich letztlich auf den egoistischen Antrieb beim Fressen beruft (und das zurecht). Zu schreiben, dass das Tier fressen will, weil es leben will (also sein eigenes Leben gegenüber dem einer potetiellen Nahrungsquelle wie dem Gnu bevorzugt), und das es deswegen als egoistisch zu bezeichnen ist, ist etwas anderes als "Egoismus." zu schreiben.
Vollbreit hat geschrieben:Also ein nutzloses Verhalten, das weder egoistisch ist, noch unter eine der behaupteten Kategorien für reziproken Altruismus fällt und insofern dar schwarze Schwan wäre, der die Theorie widerlegt, widerlegt sie nicht, weil Spenden ja eine biologische Fehlfunktion ist und vielleicht später mal nützlich sein kann.
Da bleibe ich doch lieber dabei, dass der anonyme Spender die Theorie widerlegt, bevor das hier theologische Dimensionen annimmt.

Ich habe nicht gesagt, dass es nicht egoistisch ist. Du kannst nicht widerlegen, dass das Verhalten nicht egoistisch ist, wenn du festlegst, dass es egoistisch ist, anstatt zu erklären, warum es altruistisch ist. Der Egoismus ist ein Verhalten, das den eigenen Nutzen anstrebt (ob nun bewusst oder nicht, wenn es ein Instinkt bei sozialen Tieren ist), ob dies dann auch eintrifft, bedingt nicht den Mechanismus der Handlung. Bei der Anklage "Versuchter Mord" spielt es keine Rolle, ob der Versuch gelungen ist, oder nicht (naja, für den Zusatz "versuchter" schon, aber nicht für "Mord"), der Mechanismus der Handlung spielt die Rolle.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Hinter einem Trieb, der sich in 99 % der Fälle bewehrt, steht nicht immer eine klare Interpretation der Situation, sondern auch mal nur ein Gefühl.


Den Satz habe ich nicht verstanden.

Ganz einfach: Es bist nicht du, der entscheidet, ob er atmet, sondern unbewusste Systeme deines Gehirns, Parasympathicus, Sympathicus beim Stress. Der Mensch (und wohl Tiere in noch größerem Maße) entscheidet instinktiv in vielen Situationen. Ein Reiz löst einen Trieb aus, der befriedigt werden will. Das ist keine klare Planung wie "ich sehe einen Kuchen, der mir wohl schmeckt, gewiss xyz-Inhaltsstoffe und bla Kalorien hat, weswegen es in meinem körperlichen Zustand sich empfiehlt, in zu verzehren, den ich auch noch genau genug kenne, von Blutzuckerspiegel bis Cholesterinwerte". Wenn dabei jemand auf einen Plastikkuchen reinfällt, hat sich der Hunger nicht bewehrt, aber meist tut er das, ohne konkrete Reflexion und Planung.
Vollbreit hat geschrieben:Es geht doch gar nicht darum zu behaupten, dass Triebe falsch seien.
Es geht darum, dass eine immens große Spannbreite (wie Du selbst sagst) von sehr unterschiedlichem Verhalten, unter den Begriff „Egoismus“ gequält wird. Und ich kann nicht einsehen, was das soll.

Warum sollte man sich extra Begriffe ausdenken, wenn es stimmt? Es reichen völlig die Zusätze "kooperativ", "aggressiv", "schädlich". Sprachen haben da sowas wie Attribute, ganz nützlich.
Vollbreit hat geschrieben:Es wäre doch überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn man behauptet, dass es mal mehr, mal weniger Egoismus gibt, der Sadist ist Egoistischer als der anonyme Spender.

Wieso soll der Sadist egoistischer sein als der Spender? Weil er schadet? Dann empfiehlt sich doch die treffendere Behauptung, dass er unempathischer, grausamer, schädlicher ist. Wieso assoziierst du das mit Egoismus? Als ob Sadisten grundsätzlich etwas von ihrer Neigung hätten, oder einen eigenen Nutzen außer Triebbefriedigung anstrebten. Wenn ein Sadist gerade aus dem Gefängins ausgebrochen ist und ihm klar ist, dass er bald wieder lebenslänglich sitzen muss, kann er trotzdem aus seinem Willen heraus ohne absehbaren Nutzen außer der Triebbefriedigung sich ein Opfer suchen. Der Spender hat ebenso ohne absehbaren Nutzen außer der Triebbefriedigung (durch ein gutes Gewissen oder sowas) völlig anders gehandelt. Für mich scheinen beide gleichviel von ihrer Handlung zu haben, gleichviel Nutzen.
Vollbreit hat geschrieben:Ich kann auch locker anerkennen, wie Agent und Nanna sicher auch, dass es Zwischenstufen gibt, bei denen mal helfen will und selbst auch von der Hilfe profitiert, warum auch nicht.
Wie Nanna sagte, Altruismus zeichnet sich nicht dadurch aus, dass man selbst Qualen leidet, wieso auch?

Die Qualen sind gar nicht Bedingung dafür, nur die Abwesenheit von Eigennutz. Schon die Triebbefriedigung, etwas scheinbar gutes getan zu haben, ist ein Eigennutz. Kant hat es richtig formuliert, auch wenn er zu dämlich war zu erkennen, dass Triebhaftigket und Eigennutz in jeder Motivation steckt und somit eine Handlung nur aus Pflicht nicht möglich ist.
Vollbreit hat geschrieben:Warum nicht ein Kontinuum, wie Agent sagt, von ausgeprägtem Egoismus zu ausgeprägtem Altruismus und sämtlichen Zwischenstufen?

Weil diese Begriffe unvereinbar sind. Sie stellen Gegensätze wie "Leben" und "Tod" dar.
Vollbreit hat geschrieben:Aber schon hier würde ich widersprechen. Selbsterhalt ist doch nicht egoistisch. Egoistisch bin ich, wenn ich meinen Vorteil gegenüber einem anderen durchsetzen will, der dasselbe will.

Die anderen wollen gewiss auch leben. Aber das ist eine unzureichende Bedingung. Ein Beispiel: Du hast einen Idioten vor dir, den du absolut ausnutzen kannst, weil er es nicht versteht und andere Bedürfnisse hat. Du setzt deinen Willen durch, in vollem Bewusstsein, dass er nichts davon hat und du alles. Warst du deswegen, weil er nicht seinen Vorteil wollte (also ein Altruist) etwa nicht egoistisch?? Die einzig sinnvolle Definition für den Egoismus ist die Suche nach dem eigenen Vorteil, ohne eine Umgebungskomponente miteinzubeziehen.
Vollbreit hat geschrieben:Atmen dient dem Selbsterhalt, aber ist es egoistisch? Hat doch niemand ein Nachteil von. Egoistisch wird es dann, wenn ich in einer defekten Tiefseekapsel bin und es nur ein Sauerstoffgerät und drei Atmer gibt und ich derjenige bin, der die anderen tötet, um länger Luft zu haben.

Aber tötest du sie nicht schon dadurch, dass du atmest in deinem Szenario? Wenn wir zu deinem Sadisten kommen, der ein willenloses Opfer findet, welches keinen Willen zur Unversehrtheit hat, ist dieses Paradebeispiel von Egoismus für dich etwa weniger egoistisch?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Natürlich dem Ego. Ergo ist Selbsterhaltung egoistisch, ichbezogen, sebstsüchtig.


Nö. Gerade ein wertender Begriff wie Selbstsucht passt hier überhaupt nicht und zwar in einer Vielzahl von Fällen nicht.

Die Selbstsucht war der stilistische superlativ, deswegen provokant wertend. Aber dass ich Begriffe benutze, die gewertet werden, bedeutet nicht, dass ich sie nicht verwenden dürfte. Du wertest ja auch schon "Egoismus", wie du an dem Beispiel mit Spender und Sadist gezeigt hast. Dennoch hast du das Problem angesprochen: Die Wertung. Auch wenn du das Übel in den bewerteten Begriffen siehst, so sehe ich es in den Wertungen, die in einer rationalen Analyse oder einem logischen Gedankengang nichts zu suchen haben. Deine Ablehnung basiert letztlich nur auf deiner Wertung.
Vollbreit hat geschrieben:Und warum sollte es nun genau einen Trieb geben? Oder was soll Egoismus jetzt eigentlich sein, Trieb, Instinkt? Kausalität ist das Prinzip von Ursache und Wirkung und besagt nirgends, dass es nur eine Ursache geben muss.
Naja, wenn du konsequent deterministisch denkst, kann alles auf eine Ursache, auch ein Ereignis zurückgeführt werden. Alles hat eine Wirkung, also steigen die Wirkungen immer weiter an, werden selbst zu Ursachen. Die Anzahl der Ereignisse nimmt zu, die Anzahl an Wechselwirkungen, an Unordnung, Entropie. Aber das bedeutet im Umkehrschluss, dass es vorher weniger Ereignisse, weniger Ursachen gab. Ergo reduziert man beim Betrachten der Ursachen einer gemeinsamen Eigenscahft vieler Wirkungen das meiste auf einer Ursache.
Vollbreit hat geschrieben:Natürlich steht Kultur zu einem ganz erheblichen Maße außerhalb der Biologie. Manche sehen sie sogar als Antithese des Biologischen, Natürlichen.

Das tun nur diejenigen, die die Biologie nicht verstehen. Woher soll sonst die Kultur herkommen? Soll sie vom Himmel gefallen sein? Soll sie ein Ergebnis der physikalischen Naturgesetze sein? Sie ist nur ein Auswuchs eines komplexen biologischen Systems. Aus einer Rezension im Feulleton kann man viele verhaltensbiologische Schlussfolgerungen ziehen, die Motivation des Kritikers, des Kritisierten, herauslesen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Der Mensch ist ein Lebewesen, also folgt es auch Prinzipien seiner Verwandten.


Den biologischen oder den kulturellen?

Seiner weiter gefassten Verwandten wie Affe, Elch, Fisch, Colibakterien. Laut Evolution sind wir auch mehr oder weniger mit ihnen verwandt, und du beist gewiss der letzte, der diesen eine Kultur unterstellt, oder?
Vollbreit hat geschrieben: Aber meinst Du denn, dass die Allzweckerklärung, weil wir Egoisten sind uns da irgendwie weiter bringt, bei der Antwort?

Ja, das meine ich. Hast du schonmal was von Chromatographie gehört? Es bedient sich eines abstrakten Prinzips, das unterschiedlichst angewandt werden kann. Diverse Trennverfahren funktionieren nach dem selben Prinzip, auch wenn sie bis auf dieses schon gar nichts mehr gemein haben. Eine Idee wie der Southern Blot kann modifiziert zum Western Blot, zum Northern Blot werden. Sie werden alle für etwas unterschiedliches verwendet, haben gewisse Unterschiede, aber die Idee, die ihnen allen zugrunde liegt, hat den Stein ins Rollen gebracht.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:...und auch, dass es um egoistische Gene und nicht egoistische Individuen geht

Nur weil es Dawkins so sieht oder formuliert, ist es nicht in Stein gemeißelt und die absolute Wahrheit.


Das ist wohl wahr.
Ich hatte nur den Eindruck, dass Du dieser Theorie anhängst, aber inzwischen meine ich, dass Du sie nicht verstanden hast.

Ich habe sie verstanden. Ich habe verstanden, dass Dawkins den gleichen Fehler wie du begeht und im Egoismus etwas negatives sieht, eine Wertung reinbringt. Wähernd er den Genen eine Kooperationsbereitschaft zum gegenseitigen Vorteil zugesteht, wobei über allem der eigene steht, schein ihm der Begriff für die nächste Ebene zu hart, er empfiehlt sogar die Ablehnung dieser Prinzipien der Natur, die Abwendung. Das ist Schwachsinn.
Ich muss mich nicht auf ihn in letzter Konsequenz beziehen, weder auf ihn, noch auf Nietzsche, Feuerbach, Kant, Schopenhauer oder sonstwen. Ich kann mir wie sie alle selbst zuvor etwas an den Ideen der Vorgänger teilen, übernehmen, muss aber nicht zu 100 % zustimmen, kann auch was eigenes einfließen lassen, wenn mir ein Widerspruch auffällt. Oder bist du geistiger Klon derjenigen, auf die du dich beziehst?
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 5. Jan 2013, 21:23

Da ich mich mit dem in den letzten Beiträgen angesprochenen Thema schon ein bisschen beschäftigt habe, mal ein paar Anmerkungen dazu. Es gibt einen Begriff für die These, dass Handlungen von Menschen immer auf ihr Eigeninteresse zurückzuführen sei, nämlich "Psychologischer Egoismus". Die Gegenthese dazu - "nicht alle Handlungen von Menschen sind auf das Eigeninteresse zurückzuführen" - nennt man "Psychologischer Altruismus". (Siehe dazu z.B. den Eintrag in der IEP.)

Wichtig ist vorab, dass damit, anders als oft im landläufigen Gebrauch des Begriffes "Egoismus", keine Wertung verbunden ist. Was diese Diskussion erfahrungsgemäß oft ziemlich erschwert.

Ob die These des PE nun stimmt oder nicht, ist erstens eine Definitions- und zweitens, wenn man sich über die Definitionen einig ist, eine empirische Frage.

Würde man nun so definieren: "Egoistisch ist eine Handlung (oder eine Entscheidung oder ein Wunsch) immer dann, wenn daraus ein Nutzen für den Handelnden (Entscheidenden, Wünschenden) erwächst", dann wäre das mE eine uninteressante Definition. "Altruismus" müsste dann folgerichtig so definiert werden: "Altruistisch ist eine Handlung (oder eine Entscheidung oder ein Wunsch) immer dann, wenn daraus überhaupt kein Nutzen für den Handelnden (Entscheidenden, Wünschenden) erwächst, jedoch ein Nutzen für Dritte". Betrachtet man nun noch das, was "Nutzen" sein solle und sagte, Nutzen sei etwas rein subjektives, das sich daraus ergäbe, wie jemand handelte (entschiede), dann würde das Ganze ziemlich zirkulär und deswegen uninteressant. (Denn das könnte man dann auch nicht redundant so ausdrücken: "jeder handelt (entscheidet) immer so, wie er handelt (entscheidet)." Was zwar tautologisch wahr ist, aber doch wohl eher wenig nutzbringend.)

Nun gibt es einen Wissenschaftler namens C. Daniel Batson, der sich dieses Themas mithilfe diverser empirischer Studien näher angenommen hat. Seine Definitionen lauten wie folgt:

Altruism is a motivational state with the ultimate goal of increasing another's welfare.
Egoism is a motivational state with the ultimate goal of increasing one's own welfare.


Seine These ist: der Psychologische Egoismus ist falsch, es gibt einen von ihm sogenannten "Empathie-basierenden Altruismus". Er hat diverse Einwände des Psychologischen Egoismus gegen diese These berücksichtigt und diese empirisch untersucht. Und die Ergebnisse seiner Studien geben anscheinend seiner These recht. (Siehe auch den Link oben, falls das näher interessiert.)
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » So 6. Jan 2013, 10:35

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Also ein nutzloses Verhalten, das weder egoistisch ist, noch unter eine der behaupteten Kategorien für reziproken Altruismus fällt und insofern dar schwarze Schwan wäre, der die Theorie widerlegt, widerlegt sie nicht, weil Spenden ja eine biologische Fehlfunktion ist und vielleicht später mal nützlich sein kann.
Da bleibe ich doch lieber dabei, dass der anonyme Spender die Theorie widerlegt, bevor das hier theologische Dimensionen annimmt.

Ich habe nicht gesagt, dass es nicht egoistisch ist.


Darf ich daraus schließen, dass Du meinst, dass es egoistisch ist?


Darth Nefarius hat geschrieben:Du kannst nicht widerlegen, dass das Verhalten nicht egoistisch ist, wenn du festlegst, dass es egoistisch ist, anstatt zu erklären, warum es altruistisch ist.


Zunächst einmal: Ich brauche das auch nicht erklären zu können, ich wiederhole nur ein Experiment und komme zu einem anderen Ergebnis.
Wenn jemand sagt, ich vertrete die und die Idee, hier ist ein Bauplan, bauen sie das nach und dann wird am Ende des Experiments eine Lampe rot aufleuchten. Entweder die Lampe brennt oder nicht.
Da gibt es nun zwei Möglichkeiten, entweder ich habe falsch gebastelt oder die Bauanteilung stimmt nicht.
Ich glaube, dass die Bauanleitung nicht stimmt.

Dawkins Idee der egoistischen Gene besagt folgendes:
Es sind die Gene um deren Erhalt es primär geht.
Es ist nicht die Art (die Idee von Lorenz, Eibl-Eibesfeldt und anderen) und auch nicht das Individuum, um dessen Erhalt es geht.

Die egoistischen Gene, die sich einfach nur replizieren „wollen“ (in Gänsefüßchen, weil es keine bewussten Wesen sind die in unserem Sinne etwas wollen können), benutzen Lebewesen sozusagen als Wirtstiere.
Damit sich die Gene erfolgreich reproduzieren können ihre Wirtstiere nun (nach Dawkins) fünf verschiedene Verhaltensweise an den Tag legen.

Erste Kategorie:

1. Die Lebewesen sind offen egoistisch. Nach Dakwins ist das die häufigste Variante. Offen egoistisch heißt hier nicht böse im wertenden Sinne, da zum böse sein, das Bewusstsein einer normativen Verfehlung gehört, was ein rudelführender Löwe, der erst mal alle Jungen seines Vorgängers tötet, so weit wir das sehen können, nicht hat.
Beim Menschen allerdings fällt offen egoistisches Verhalten, sie es nur die Parklücke dem anderen wegzuschnappen, mit dem Bewusstsein dieser Verfehlung zusammen, das müssten man noch klären.

Ende, erste Kategorie.

Zweite Kategorie: Die Wirtstiere der egoistischen Gene, also die Individuen, kooperieren. Aber sie kooperieren nicht aus altruistischen Motiven, sondern ihre Kooperation gilt einzig und allein dem Fortbestand der Gene, die sollen etwas von dieser kooperativen Verhaltensweise haben (nämlich die Reproduktion). Die Kooperation wird deshalb auch kooperativer Egoismus oder reziproker Altruismus genannt. Sie hat (nach Dawkins) folgende Ausprägungen:

2. Die Lebewesen sind mit einander verwandt und kooperieren deshalb.

3. Die Lebewesen erweisen Gefälligkeiten in der (unbewussten) Absicht später Gefälligkeiten zu erhalten.
(Das impliziert m.E. schon, dass es ein Bewusstsein einer Verpflichtung – ein Gewissen – vorhanden sein muss. Man muss sich erinnern, dass der andere einem mal geholfen hat und man muss daraus noch die Verpflichtung ableiten, auch ihm zu helfen. Ob dies bewusst oder unbewusst – evtl. angeboren – geschieht, kann man daraus nicht ableiten.)

4. Das Lebewesen erwirbt den „Ruf“ der Großzügigkeit und Freundlichkeit, der als darwinistischer Vorteil gilt.

5. Die Großzügigkeit wird demonstrativ zur Schau gestellt und auch das ist ein Vorteil.
(Mir ist nicht ganz klar worin den Unterschied zwischen 4. und 5. liegt, da man sich den „Ruf“ (Dawkins' Formulierung) der Großzügigkeit und Freundlichkeit ja ohnehin nur erwerben kann, wenn es Zeugen gibt.

Ende zweite Kategorie.

Das sind die möglichen Verhaltensweisen, anhand derer egoistische Gene ihre Reproduktion sichern wollen. Eine offen egoistische, die aber zahlenmäßig die anderen, kooperativen (und verdeckt egoistischen) auch in der Summe überragt.

Das ist Dawkins' Vorstellung von den egoistischen Genen, so wie ich sie verstanden habe.
Dawkins behauptet weiter, dass jedes Lebewesen und alle Verhaltensweisen anhand dieses Kategorien zu erklären sind. Abgesehen davon, dass ich es für entsetzlich reduktionistisch halte, differenzierte Motive und Verhaltensweisen derart grob übers Knie zu brechen, glaube ich, dass es bestimmte Verhaltensweisen gibt, die anhand dieser 5 Punkte nicht nur grausam reduziert wären, sondern schlicht nicht darunter fallen.

Ein Beispiel ist das des anonymen Spenders.
Ist der offen egoistisch? (1.) Nein, das kann man nicht sagen.
Ist er verwandt? (2.) Es könnte es sein, aber in der Mehrzahl der Fälle ist er es wohl nicht, wenn man etwas Geld für Kinder in der dritten Welt spendet und Deutscher ist.
Spendet er in der Absicht, einen Gegengefallen zu bekommen, also eventuell selbst mal eine Spende oder Zuwendung, wenn er ihrer bedarf? (3.) Nein, denn der andere weiß ja nicht, wer ihm da gespendet hat, da die Spende anonym war.
Demzufolge kann der anonyme Spender auch nicht den „Ruf“ erwerben freundlich und großzügig zu sein (4), noch sich in diesem Ruf sonnen (5).

Mit anderen Worten der anonyme Spender ist das rote Lämpchen, was am Ende nicht blinkt.
Wenn ich den Versuchsaufbau richtig zusammengebastelt habe (Dawkins' Theorie richtig wiedergegeben habe), dann müsste der anonyme Spender nun erkennbar in eine der Kategorien passen, was er m.E. nicht tut. Vielleicht habe ich Dawkins auch nicht richtig verstanden, dann bitte ich um Kritik.
(Am ehesten würde der anonyme Spender unter Punkt 3 fallen, aber nur mit Augen zu, bergab und Rückenwind.) M.E. hat Dawkins diese Unwuchten durchaus erkannt und deshalb – weil ein Rest bleibt, den die Theorie der egositischen Gene nicht abdeckt – die Idee der Meme eingeführt.

Was aber die Theorie der egoistischen Gene angeht, und damit auch die eines umfassenden Egoismus, als erster und letzter Motivation, so halte ich sie damit für widerlegt.


Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Hinter einem Trieb, der sich in 99 % der Fälle bewehrt, steht nicht immer eine klare Interpretation der Situation, sondern auch mal nur ein Gefühl.

Den Satz habe ich nicht verstanden.

Ganz einfach: Es bist nicht du, der entscheidet, ob er atmet, sondern unbewusste Systeme deines Gehirns, Parasympathicus, Sympathicus beim Stress. Der Mensch (und wohl Tiere in noch größerem Maße) entscheidet instinktiv in vielen Situationen. Ein Reiz löst einen Trieb aus, der befriedigt werden will. Das ist keine klare Planung wie "ich sehe einen Kuchen, der mir wohl schmeckt, gewiss xyz-Inhaltsstoffe und bla Kalorien hat, weswegen es in meinem körperlichen Zustand sich empfiehlt, in zu verzehren, den ich auch noch genau genug kenne, von Blutzuckerspiegel bis Cholesterinwerte". Wenn dabei jemand auf einen Plastikkuchen reinfällt, hat sich der Hunger nicht bewehrt, aber meist tut er das, ohne konkrete Reflexion und Planung.


Dem stimme ich zu, aber bedingt.
Mit hat von Beginn an die Formulierung der „Vetofunktion“ des Willens, von Libet, gut gefallen.
Viele unserer Handlungen laufen automatisiert ab, aber wir sind in der Lage einige von ihnen auch ins Bewusstsein zu heben. Z.B. der angesprochene Atem. Wenn ich hier sitze und schreibe, achte ich nicht auf meinen Atem, aber wenn ich durchs Schwimmbecken tauchen möchte oder meditiere sehr wohl.
Das kann man mit anderen Körperfunktionen auch machen, auch wenn man nicht alle unter die Kontrolle des Bewusstseins bekommt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es geht doch gar nicht darum zu behaupten, dass Triebe falsch seien.
Es geht darum, dass eine immens große Spannbreite (wie Du selbst sagst) von sehr unterschiedlichem Verhalten, unter den Begriff „Egoismus“ gequält wird. Und ich kann nicht einsehen, was das soll.

Warum sollte man sich extra Begriffe ausdenken, wenn es stimmt?


Bevor man behauptet, dass etwas stimmt, sollte man zunächst belegen, dass das tatsächlich der Fall ist.
Manche Setzungen sind einfach willkürlich und das muss man untersuchen. Warum kritiklos alles übernehmen? Glaubst Du an den lieben Gott oder die Überlegenheit der arischen Rasse? Siehste.
Es gab aber Zeiten, da hat man sich gefragt, wieso man ernsthaft drüber diskutieren soll, sieht doch jeder, dass es Gott geben muss und die arische Rasse überlegen ist. Drum prüfe, wer sich ewig bindet.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es wäre doch überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn man behauptet, dass es mal mehr, mal weniger Egoismus gibt, der Sadist ist Egoistischer als der anonyme Spender.

Wieso soll der Sadist egoistischer sein als der Spender? Weil er schadet? Dann empfiehlt sich doch die treffendere Behauptung, dass er unempathischer, grausamer, schädlicher ist. Wieso assoziierst du das mit Egoismus?


Dazu gleich mehr.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die einzig sinnvolle Definition für den Egoismus ist die Suche nach dem eigenen Vorteil, ohne eine Umgebungskomponente miteinzubeziehen.


Das ein Konstrukt, was es nicht gibt, denn Leben ist immer Leben in Abhängigkeit.
Obendrein ein rücksichtsloses Konstrukt, was man spätestens im Zusammenleben der Menschen zurückweisen würde.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn wir zu deinem Sadisten kommen, der ein willenloses Opfer findet, welches keinen Willen zur Unversehrtheit hat, ist dieses Paradebeispiel von Egoismus für dich etwa weniger egoistisch?


Nein mehr. Egoismus in einem menschlichen Kontext besteht für mich darin, dass man die Umwelt – speziell die Mitmenschen - mehr und mehr ausblendet. D.h. ein weitgehend normaler Mensch (psychologisch gesehen) erkennt sich als ein Wesen mit eigenen Antrieben, Bedürfnissen, Wünsche und Gedanken und er erkennt andere Menschen als ebensolche Wesen. Ein kranker Mensch (psychologisch gesehen) neigt dazu sich selbst, vor allem aber andere nicht so genau zu kennen. Er kennt eventuell seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse, aber die der anderen nimmt er nicht wahr. Die anderen Menschen, bewusste, denkende, fühlende Wesen dienen ihm als Figuren in einem Spiel, was nur sein eigenes ist. Sie werden in die Kategorien nützlich und unnütz eingeteilt und es gibt so gut wie keine Grauzone dazwischen. Technisch heißt das, die anderen sind die Verlängerung des eigenen Selbst. Sie werden degradiert zu Wesen, die Funktionen für den Kranken zu erfüllen haben und der Kranke kann die Eigenständigkeit der anderen Menschen nicht sehen, weil er es nicht ertragen kann.
Diese Achse der Erkrankungen beginnt mit einem leichten Größenwahn, geht über in die Neigung zu antisozialem Verhalten, was immer ausgeprägter wird, je ausgeprägter die Pathologie ist. Am Ende des Spektrums steht die sogenannte antisoziale Persönlichkeitsstörung, die einen Vollblutegoisten markiert, dessen Radikalität sogar Du, Darth, Dir nicht vorstellen kannst.
Er ist das nächste Rädchen in dem System – allerdings in dem von Dir skizzierten – was klemmt.
Nein, es kooperiert nicht jeder.

Aber um bei der Frage zu bleiben, psychologisch betrachtet, gibt es ein klares Kontinuum von zunehmendem Egoismus, der auch Länge mal Breite begründet ist. Ich finde an der psychologischen Darstellung wenig auszusetzen.


Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und warum sollte es nun genau einen Trieb geben? Oder was soll Egoismus jetzt eigentlich sein, Trieb, Instinkt? Kausalität ist das Prinzip von Ursache und Wirkung und besagt nirgends, dass es nur eine Ursache geben muss.
Naja, wenn du konsequent deterministisch denkst, kann alles auf eine Ursache, auch ein Ereignis zurückgeführt werden. Alles hat eine Wirkung, also steigen die Wirkungen immer weiter an, werden selbst zu Ursachen. Die Anzahl der Ereignisse nimmt zu, die Anzahl an Wechselwirkungen, an Unordnung, Entropie. Aber das bedeutet im Umkehrschluss, dass es vorher weniger Ereignisse, weniger Ursachen gab. Ergo reduziert man beim Betrachten der Ursachen einer gemeinsamen Eigenscahft vieler Wirkungen das meiste auf einer Ursache.


Konsequent (reduktionistisch und bottom up) gedacht führt das zu der absolut nichtssagenden Formulierung, dass die Ursache für Halsschmerzen, Fahrräder, Löwen, Tageszeitungen, Nebensätze, Kirche, Kostüme und Albträume der Urknall ist. So richtig das (wenn man dem reduktionistischen bottom up Mythos anhängt) sein mag, es ist zu nichts zu gebrauchen.
Über den ersten Moment des Knalls hinaus kann man aber – wenn man es möchte – immer schon eine Polarität finden, z.B. Materie/Antimaterie. Auch kommt jedes neugeborene Kind mit der dualistischen Fähigkeit auf die Welt, aversive und zuträgliche Reize zu unterscheiden und unterschiedlich auf sie zu reagieren. Ich sehe keinen Grund warum da notwendigerweise genau ein Trieb der Ausgang sein muss.


Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich hatte nur den Eindruck, dass Du dieser Theorie anhängst, aber inzwischen meine ich, dass Du sie nicht verstanden hast.

Ich habe sie verstanden. Ich habe verstanden, dass Dawkins den gleichen Fehler wie du begeht und im Egoismus etwas negatives sieht, eine Wertung reinbringt. Wähernd er den Genen eine Kooperationsbereitschaft zum gegenseitigen Vorteil zugesteht, wobei über allem der eigene steht, schein ihm der Begriff für die nächste Ebene zu hart, er empfiehlt sogar die Ablehnung dieser Prinzipien der Natur, die Abwendung. Das ist Schwachsinn.


Das ist zu sehr durcheinander. Um es zu ordnen.
Ich bin überhaupt nicht auf Dawkins Linie, aber Du hast einen wichtigen Punkt gefunden, den man an Dawkins' Ausfürhungen kritisieren kann und den kritisiere auch ich.
Unabhängig davon, ob nun der anonyme Spender in einen von Dawkins' Aufzählungen passt oder nicht, erkennst Du richtig, dass Dawkins inkonsequent ist und widersprüchlich argumentiert.
Das tut er aus gutem Grund, aber eben nicht konsistent.
Dawkins erkennt immerhin, dass wir nicht komplette Sklaven unserer Gene sind und ihm ist unwohl bei dem Gedanken, was passieren würde, wenn wir es wären. Auch wenn er sich vielleicht nie mit Moral- oder Entwicklunsgspsychologie oder der Psychopathologie beschäftigt hat, so erkennt er doch, dass das egoistische Potential unserer Gene – das sich, wir erinnern uns, nach Dawkins Auffassung zum überwiegenden Teil in egoistischem unkooperativem Verhalten äußert – nichts ist, was im menschlichen Zusammenleben wünschenswert erscheint.
Daher sein honoriger aber etwas merkwürdiger und letztlich selbstwidersprüchlicher Appell in den „selfisch genes“, man möge von den eigenen Genen auf der Hut sein:
Richard Dawkins hat geschrieben:Ich selbst bin der Meinung, daß eine menschliche Gesellschaft, die lediglich
auf dem Gesetz des universellen, rücksichtslosen Gen-
Egoismus beruhte, eine Gesellschaft wäre, in der es sich sehr
unangenehm lebte. Unglücklicherweise jedoch hört etwas, das
wir beklagen, und sei es auch noch so sehr, deshalb nicht auf,
wahr zu sein. Dieses Buch soll vor allem interessant sein. Wenn
der Leser jedoch eine Moral aus ihm ableiten möchte, möge
er es als Warnung lesen: Wenn er – wie ich – eine Gesellschaft
aufbauen möchte, in der die einzelnen großzügig und selbstlos
zugunsten eines gemeinsamen Wohlergehens zusammenarbeiten,
kann er wenig Hilfe von der biologischen Natur erwarten.
Laßt uns versuchen, Großzügigkeit und Selbstlosigkeit zu
lehren, denn wir sind egoistisch geboren. Laßt uns verstehen
lernen, was unsere eigenen egoistischen Gene vorhaben, denn
dann haben wir vielleicht die Chance, ihre Pläne zu durchkreuzen
– etwas, das keine andere Art bisher jemals angestrebt
hat.
(S.23)
Quelle: (Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1989,1994 by Richard Dawkins, dt. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Mai 1996, S.22)


Die vernehmbare Botschaft „Hüte dich vor deinen Genen“, macht überhaupt nur dann Sinn, wenn man das auch kann. Wenn die Gene uns in dem Sinne determinieren, dass wir daran nichts ändern können ist die Aufforderung völlig sinnlos, wie: „Passen sie auf, dass ihre Nägel nicht wachsen“ oder „Hüten sie sich vor der Zellteilung.“

Wenn Dawkins Ansicht ist, dass unsere Gene uns doch nicht so weitreichend determinieren, dass wir ihnen, also unserer Biologie nichts entgegensetzen können (aber hier äußert es sich mal so, mal so), macht seine Aufforderung überhaupt Sinn. Sie würde dann lauten, wie die lautet: Seid gut und anständig, oder wie Dawkins eben schreibt: „Laßt uns versuchen, Großzügigkeit und Selbstlosigkeit zu lehren, denn wir sind egoistisch geboren.“ In diesem Satz steckt eigentlich das ganze Dilemma drin.
Seid tugendhaft und moralisch, aber erwartet keine Hilfe von der Natur.
Honorig, wie gesagt, aber, wissen wir das nicht schon seit einigen 1000 Jahren?
Ist Kultur nicht genau das Projekt, sein nur Biologischsein, sein Kreatürlichsein zu überwinden oder ihm Grenzen zu setzen. „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“ ;-) sagt Goethe schon.
Und mal so ganz im Vertrauen... ist nicht auch Religion ein Projekt, das Dawkins, nähme man ihn ernst (keine Sorge, ich tue das nicht) begeistert beklatschen müsste?

Man kann sich aussuchen, ob Dawkins hier selbstwidersprüchlich oder im höchsten banal schreibt, ich überlasse die Wahl dem Leser.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich muss mich nicht auf ihn in letzter Konsequenz beziehen, weder auf ihn, noch auf Nietzsche, Feuerbach, Kant, Schopenhauer oder sonstwen. Ich kann mir wie sie alle selbst zuvor etwas an den Ideen der Vorgänger teilen, übernehmen, muss aber nicht zu 100 % zustimmen, kann auch was eigenes einfließen lassen, wenn mir ein Widerspruch auffällt. Oder bist du geistiger Klon derjenigen, auf die du dich beziehst?


Niemand ist verpflichtet, die Ideen anderer vollständig zu übernehmen, da hat Du völlig Recht. Aber bei der flotten Mixtur sollte man sich schon dann und wann ein wenig Sorge um die eigenen Selbstwidersprüche machen und von denen bietest auch Du reichlich an. Nun, Du hast noch Zeit das zu sortieren, vielleicht gelingt es Dir ja.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » So 6. Jan 2013, 11:18

@ AgentProvocateur:

Ich kann mich Batsons Definiton und auch Deinen Ausführungen weitgehend anschließen.

Selbst beziehe ich mich in der Psychologie gerne auf Otto Kernberg, der als bedeutender Forscher im Bereich der schweren Persönlichkeitsstörungen gilt. Innerhalb dieses Spektrums von Erkrankungen spielen auch die Faktoren: Egoismus, Altruismus, Empathie und so weiter eine entscheidende Rolle, kurz habe ich das schon angedeutet.

Wie in allen Diskussionen über Taten und ihre Auswirkungen, sei es in unserem Strafrecht, in der Psychopathologie, aber auch in der Philosophie oder im tibetischen Buddhismus spielt die Motivation für die Tat eine wesentliche Rolle.

Es kann ja durchaus sein, dass durch eine unbeabsichtigte Tat mehrere Menschen ums Leben kommen, was aber nicht gewollt und allenfalls fahrlässig gewesen sein kann.
Das ist sicher anders zu bewerten (und so wird es ja auch gemacht), als wenn ich jemanden in vollster Absicht quäle, nur um ihm zu demonstrieren, dass ich mächtiger bin als er, obwohl der quantitative „Schaden“, wenn man so will, im zweiten Fall geringer ist.

Kernbergs Darstellungen zeigen sehr detailliert auf, wie der Zusammenhang vor allem zwischen einem Über-Ich (der psychoanalytische Ausdruck für Gewissen), das sich nie richtig bilden konnte und einer Degradierung anderer zu Funktionsgehilfen der eigene Affekte und Wünsche funktioniert.

Daraus ergibt sich eine geringe Differenz zu der Definition von Batson, denn es kann sein, das ich das Empfinden habe, jemandem etwas Gutes tun zu wollen, aber nicht die Fähigkeit habe, den anderen überhaupt als eigenständiges Wesen (mit eigenen Absichten, Wünschen, Emotionen, Weltbildern ...) zu erkennen.

Konkret könnte das z.B. dazu führen jemandem eine teure Flasche Wein zu schenken und sich dabei großartig zu fühlen, der überhaupt keinen Alkohol trinkt, was man bei einem geringen Maß an Aufmerksamkeit hätte wissen können.
Solche Szenen geschehen bei Menschen mit den angedeuteten Pathologien immer wieder.

Ich würde die Fähigkeit andere als (psychisch, nicht körperlich) eigenständige Wesen erkennen zu können als grundlegender ansehen, allerdings meine ich, dass es Überschneidungen zur Definition von Batson gibt, da der Wunsch anderen Wohl zu bereiten bei Menschen mit schwerer Persönlichkeitsstörung oft keine überragende Rolle spielt oder ebenfalls egozentrisch interpretiert/verzerrt ist.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » So 6. Jan 2013, 11:50

AgentProvocateur hat geschrieben:Würde man nun so definieren: "Egoistisch ist eine Handlung (oder eine Entscheidung oder ein Wunsch) immer dann, wenn daraus ein Nutzen für den Handelnden (Entscheidenden, Wünschenden) erwächst", dann wäre das mE eine uninteressante Definition.

Der Nutzen muss nichtmal erwachsen, die Handlung kann in Absicht einer nutzenbringenden Handlung geschehen, das habe ich Vollbreit zuletzt versucht deutlich zu machen. Es gibt auch Reflexhandlungen, die nichts bringen, aber durch bestimmte Reize eine egoistisch motivierte Handlung hervorrufen. Und dann habe ich an Vollbreit geschrieben, wieso der Bezug zur Umgebung und ihrem Nutzen irrelevant, bzw. irritierend für die Bestimmung der Motivation ist (sowohl für die Definition des Egoismus, wie des Altruismus).
Warum wäre aber nun diese Definition uninteressant? Ich sehe nicht, wie sie zu einer zirkelschlüssigen Argumentation führt. Genausowenig führt die Aussage, dass jedes Lebewesen der Evolution unterworfen ist, zum Zirkelschluss.
AgentProvocateur hat geschrieben:Nun gibt es einen Wissenschaftler namens C. Daniel Batson, der sich dieses Themas mithilfe diverser empirischer Studien näher angenommen hat. Seine Definitionen lauten wie folgt:

Altruism is a motivational state with the ultimate goal of increasing another's welfare.
Egoism is a motivational state with the ultimate goal of increasing one's own welfare.


Wenn er schreibt, dass der Egoismus nur den eigenen Nutzen zum Ziel haben darf (und nicht nur primär), schließt er unsinnigerweise kooperative Formen aus. Die Thesen und "Beweise" werde ich mir durchlesen.
Vollbreit hat geschrieben:Darf ich daraus schließen, dass Du meinst, dass es egoistisch ist?

Ja, und warum habe ich im Zusammenhang mit Leerlaufverhalten und Reflexen erklärt.
Vollbreit hat geschrieben:Zunächst einmal: Ich brauche das auch nicht erklären zu können, ich wiederhole nur ein Experiment und komme zu einem anderen Ergebnis.

Welches Experiment hast du bitte wiederholt? Du ignorierst schlichtweg bei der Interpretation bereits wissenschaftlich anerkannte Konzepte wie das Leerlaufverhalten.
Deine Zusammenfassungen von Dawkins kannst du dir sparen, ich verstehe von Genen, ihren Funktionen und Wechselwirkungen mehr als du je wirst.
Vollbreit hat geschrieben:Zweite Kategorie: Die Wirtstiere der egoistischen Gene, also die Individuen, kooperieren. Aber sie kooperieren nicht aus altruistischen Motiven, sondern ihre Kooperation gilt einzig und allein dem Fortbestand der Gene, die sollen etwas von dieser kooperativen Verhaltensweise haben (nämlich die Reproduktion). Die Kooperation wird deshalb auch kooperativer Egoismus oder reziproker Altruismus genannt. Sie hat (nach Dawkins) folgende Ausprägungen:

2. Die Lebewesen sind mit einander verwandt und kooperieren deshalb.

3. Die Lebewesen erweisen Gefälligkeiten in der (unbewussten) Absicht später Gefälligkeiten zu erhalten.
(Das impliziert m.E. schon, dass es ein Bewusstsein einer Verpflichtung – ein Gewissen – vorhanden sein muss. Man muss sich erinnern, dass der andere einem mal geholfen hat und man muss daraus noch die Verpflichtung ableiten, auch ihm zu helfen. Ob dies bewusst oder unbewusst – evtl. angeboren – geschieht, kann man daraus nicht ableiten.)

Ich sehe da nicht die Notwendigkeit eines Gewissens. Wenn ich meine Schulden begleiche, will ich ledinglich nicht in jemandes Schuld stehen, sodass ich möglichst schnell wieder jemanden habe, der in meiner Schuld steht und gleichzeitig die kürzeste Zeit jemandem nutzen muss. Das ist eine Erwägung aus Eigennutz, nicht aus einem Gewissen heraus. Schulden der anderen sind quasi auch eine Währung.
Vollbreit hat geschrieben:Das ist Dawkins' Vorstellung von den egoistischen Genen, so wie ich sie verstanden habe.
Dawkins behauptet weiter, dass jedes Lebewesen und alle Verhaltensweisen anhand dieses Kategorien zu erklären sind. Abgesehen davon, dass ich es für entsetzlich reduktionistisch halte, differenzierte Motive und Verhaltensweisen derart grob übers Knie zu brechen, glaube ich, dass es bestimmte Verhaltensweisen gibt, die anhand dieser 5 Punkte nicht nur grausam reduziert wären, sondern schlicht nicht darunter fallen.

Ein Beispiel ist das des anonymen Spenders.

Das reicht auch für diejenigen, die ein Buch lesen und sich nicht eines Studiums widmen. Wie gesagt, gibt es noch das Leerlaufverhalten, das ich abermals erwähnt habe. Aber da du wohl annimmst, ich hätte es mir ausgedacht, hier kannst du es kurz nachlesen:
http://www.imedo.de/medizinlexikon/leerlaufverhalten, oder unter Leerlaufhandlung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Leerlaufhandlung
Bücher für die Massen werden bestimmte, kritische Sonderfälle natürlich nicht übernehmen, um den Durchschnittsleser nicht zu verwirren. Zugunsten der Übersichtlichkeit hat der diese Ausnahme, die ebenso spekulativ wie das Gähnen erklärt wird, ausgelassen.
Vollbreit hat geschrieben:Spendet er in der Absicht, einen Gegengefallen zu bekommen, also eventuell selbst mal eine Spende oder Zuwendung, wenn er ihrer bedarf? (3.) Nein, denn der andere weiß ja nicht, wer ihm da gespendet hat, da die Spende anonym war.

Nun, am ehesten könnte man es dennoch dieser Kategorie zuordnen, wenn man wollte (wie du auch zugibst), da die Hoffnung eines reziproken Verhaltens nicht realistisch eingeschätzt werden muss, um vorhanden zu sein. Soweit ich mich erinnere, ist diese Argumentation ("wenn niemand mehr spenden würde, könnte man mir auch nicht helfen, würde ich mal ein Organ benötigen) die häufigste pro Organspende. Es ist wie das Verhalten an der Wahlurne (so in etwa), wenn es darum geht, sich und der Gesellschaft gegenüber Wohltätigkeit zu beweisen, eine Art Ritus wie beim Opfern im Tempel damals. Die Handlung muss nichtmal absehbar zu einer Gegenseitigkeit führen, sie geschieht in der Hoffnung, dass es so passieren könnte, da oft von einer universellen Gerechtigkeit ausgegangen wird.
Vollbreit hat geschrieben:Dem stimme ich zu, aber bedingt.
Mit hat von Beginn an die Formulierung der „Vetofunktion“ des Willens, von Libet, gut gefallen.
Viele unserer Handlungen laufen automatisiert ab, aber wir sind in der Lage einige von ihnen auch ins Bewusstsein zu heben. Z.B. der angesprochene Atem. Wenn ich hier sitze und schreibe, achte ich nicht auf meinen Atem, aber wenn ich durchs Schwimmbecken tauchen möchte oder meditiere sehr wohl.
Das kann man mit anderen Körperfunktionen auch machen, auch wenn man nicht alle unter die Kontrolle des Bewusstseins bekommt.
Dass wir diese Möglichkeit haben, ist richtig, allerdings hat sie selten einen Nutzen, wenn man die Luft anhält oder sich entschließt, nicht mehr zu Essen.
Vollbreit hat geschrieben:Das ein Konstrukt, was es nicht gibt, denn Leben ist immer Leben in Abhängigkeit.

Das ist richtig, bezogen auf die Definition. Aber wenn du mal überlegst, so sind die seltensten Definitionen von Folgen auf die Umgebung abhängig. Und bei Handlungen (egal wie sie nun motiviert sind), kann es diverse Ergebnisse für die Umwelt geben, die oft nicht absehbar sind. Dennoch veränderte sich die zeitlich immer vor den Resultaten für die Umgebung liegende Motivation nicht durch das Resultat. Deswegen ist der Bezug zur Umgebung bei der Definition unsinnig.
Vollbreit hat geschrieben:Obendrein ein rücksichtsloses Konstrukt, was man spätestens im Zusammenleben der Menschen zurückweisen würde.

Das stimmt nicht, siehe mein Beispiel des versuchten Mordes. Es ist die Absicht entscheidend, nicht die tatsächlichen Resultate für die Ergründung der Motivation.
Vollbreit hat geschrieben: Egoismus in einem menschlichen Kontext besteht für mich darin, dass man die Umwelt – speziell die Mitmenschen - mehr und mehr ausblendet.

Das ist Unsinn. Es bedeutet lediglich Kurzsichtigkeit, nicht mehr Egoismus.
Vollbreit hat geschrieben:
Nein, es kooperiert nicht jeder.

Natürlich nicht, und ich habe selbst auf Ausnahmen hingewiesen, die zu einer Krankheit gehören. Aber das Vorhandensein einer krankhaften Ausprägung eliminiert nicht die Sinnhaftigkeit einer Definition oder Theorie. Ich will von dir auch immer wieder wissen, wann denn die Moral oder Ethik solche Fälle unter Kontrolle bringen kann.
Vollbreit hat geschrieben:Konsequent (reduktionistisch und bottom up) gedacht führt das zu der absolut nichtssagenden Formulierung, dass die Ursache für Halsschmerzen, Fahrräder, Löwen, Tageszeitungen, Nebensätze, Kirche, Kostüme und Albträume der Urknall ist.

Das ist richtig, aber es gibt noch Ereignisse davor, die mehr Aussagekraft haben und dennoch in Anzahl der Ereignisse gering sein kann.
Vollbreit hat geschrieben:So richtig das (wenn man dem reduktionistischen bottom up Mythos anhängt) sein mag, es ist zu nichts zu gebrauchen.
Über den ersten Moment des Knalls hinaus kann man aber – wenn man es möchte – immer schon eine Polarität finden, z.B. Materie/Antimaterie. Auch kommt jedes neugeborene Kind mit der dualistischen Fähigkeit auf die Welt, aversive und zuträgliche Reize zu unterscheiden und unterschiedlich auf sie zu reagieren. Ich sehe keinen Grund warum da notwendigerweise genau ein Trieb der Ausgang sein muss.

Aha, also bist du Anhänger eines wie auch immer gearteten Trieb-Dualismus? Es scheint mir nicht schlüssig von dem Dualismus der Materie-Anitmterie auf einen Triebdualismus zu schließen.
Vollbreit hat geschrieben:Dawkins erkennt immerhin, dass wir nicht komplette Sklaven unserer Gene sind und ihm ist unwohl bei dem Gedanken, was passieren würde, wenn wir es wären. Auch wenn er sich vielleicht nie mit Moral- oder Entwicklunsgspsychologie oder der Psychopathologie beschäftigt hat, so erkennt er doch, dass das egoistische Potential unserer Gene – das sich, wir erinnern uns, nach Dawkins Auffassung zum überwiegenden Teil in egoistischem unkooperativem Verhalten äußert – nichts ist, was im menschlichen Zusammenleben wünschenswert erscheint.

Das ist keine lobende Erkenntnis, sondern ein wertender (und auch noch undurchdachter, feiger) Ansatz, der in den Naturwissenschaften nichts zu suchen hat. Nur ein Idiot handelt sinngemäß so:"Aha, das hast du dir also dabei gedacht, Evolution. Nein, das kann ich besser."
Vollbreit hat geschrieben:Daher sein honoriger aber etwas merkwürdiger und letztlich selbstwidersprüchlicher Appell in den „selfisch genes“, man möge von den eigenen Genen auf der Hut sein...

Den Appell kenne ich und habe ihn auch erwähnt (nicht zitiert), ich halte ihn für absolut unsinnig und kontraproduktiv.
Vollbreit hat geschrieben:Die vernehmbare Botschaft „Hüte dich vor deinen Genen“, macht überhaupt nur dann Sinn, wenn man das auch kann. Wenn die Gene uns in dem Sinne determinieren, dass wir daran nichts ändern können ist die Aufforderung völlig sinnlos, wie: „Passen sie auf, dass ihre Nägel nicht wachsen“ oder „Hüten sie sich vor der Zellteilung.“

So ist es auch, das will er nicht einsehen, auch wenn er es versteht. Er hat auch keineswegs begründet, wieso eine bewusst egoistische Welt so unglücklich wäre. Er hat lediglich geschrieben, dass es dem Konzept des Altruismus und Naivlingen (auch wenn sie Goethe heißen), die diesen wünschen, widerspricht. Aber das ist kein Argument, den Egoismus abzulehnen.
Zusatz:
Ich hab mir jetzt grob die "Beweise", die Agent ansprach, durchgelesen. Zusammengefasst sind es entweder Theorien, wie man Altruismus begründen könnte, oder abstruse Interpretationen. Besonders der neurowissenschaftliche Absatz hat mich gewundert. Wieso ist es denn ein Argument pro Altruismus, wenn die Belohnung eines reziproken Verhaltens im Gehirn groß ausfällt? Solange eine Belohnung existiert, bedeutet es, dass das Lebewesen dies anstreben wird. Aber nicht der Reaktionen oder Ergebnisse wegen, sondern wegen der Belohnung, der Triebbefriedigung. Das ist eindeutig egoistisch.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » So 6. Jan 2013, 15:31

Darth Nefarius hat geschrieben:Deine Zusammenfassungen von Dawkins kannst du dir sparen, ich verstehe von Genen, ihren Funktionen und Wechselwirkungen mehr als du je wirst.


Schau, es ist ja nicht jeder so blitzgescheit und allwissend wie Du. Und da vielleicht von dem dusseligen Fußvolk der eine oder die andere auch noch mitliest, habe ich mir untertänigst erlaubt, ohne Euer Hochwohlgeboren damit diskreditieren zu wollen, eine flotte Zusammenfassung zu schreiben, halten zu Gnaden.

Nun aber weiter im Text, also Blutdruck wieder regulieren, Schultern runter, durchatmen, ist nur ein Forum:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:3. Die Lebewesen erweisen Gefälligkeiten in der (unbewussten) Absicht später Gefälligkeiten zu erhalten.
(Das impliziert m.E. schon, dass es ein Bewusstsein einer Verpflichtung – ein Gewissen – vorhanden sein muss. Man muss sich erinnern, dass der andere einem mal geholfen hat und man muss daraus noch die Verpflichtung ableiten, auch ihm zu helfen. Ob dies bewusst oder unbewusst – evtl. angeboren – geschieht, kann man daraus nicht ableiten.)

Ich sehe da nicht die Notwendigkeit eines Gewissens. Wenn ich meine Schulden begleiche, will ich ledinglich nicht in jemandes Schuld stehen, sodass ich möglichst schnell wieder jemanden habe, der in meiner Schuld steht und gleichzeitig die kürzeste Zeit jemandem nutzen muss.


Du musst doch erst mal das Empfinden haben, in der Schuld zu sein.
Ein radikaler Egoist wird es als völlig selbstverständlich ansehen, dass andere ihm helfen (wem denn sonst?), wann immer er Hilfe braucht und es als völlig selbstverständlich ansehen, dass er anderen nicht hilft, wie käme er denn dazu.
Das große 1x1 des Egoismus hast Du nicht wirklich drauf, was aber für Dich spricht.


Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das ist Dawkins' Vorstellung von den egoistischen Genen, so wie ich sie verstanden habe.
Dawkins behauptet weiter, dass jedes Lebewesen und alle Verhaltensweisen anhand dieses Kategorien zu erklären sind. Abgesehen davon, dass ich es für entsetzlich reduktionistisch halte, differenzierte Motive und Verhaltensweisen derart grob übers Knie zu brechen, glaube ich, dass es bestimmte Verhaltensweisen gibt, die anhand dieser 5 Punkte nicht nur grausam reduziert wären, sondern schlicht nicht darunter fallen.

Ein Beispiel ist das des anonymen Spenders.

Das reicht auch für diejenigen, die ein Buch lesen und sich nicht eines Studiums widmen. Wie gesagt, gibt es noch das Leerlaufverhalten, das ich abermals erwähnt habe. Aber da du wohl annimmst, ich hätte es mir ausgedacht, hier kannst du es kurz nachlesen:
http://www.imedo.de/medizinlexikon/leerlaufverhalten, oder unter Leerlaufhandlung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Leerlaufhandlung
Bücher für die Massen werden bestimmte, kritische Sonderfälle natürlich nicht übernehmen, um den Durchschnittsleser nicht zu verwirren. Zugunsten der Übersichtlichkeit hat der diese Ausnahme, die ebenso spekulativ wie das Gähnen erklärt wird, ausgelassen.


Nein, ich habe mir nicht gedacht, dass Du Dir das ausgedacht hast, ich finde sie nur vollkommen unbeeindruckend. Ich kann auch nicht erkennen, was daran schwer zu verstehen sein soll.
Was nur schwer zu verstehen ist, ist, dass der anonyme Spender nun unter diese Kategorie fällt.
Man stelle sich das mal vor, da hat jemand Triebstau, weiß auch nicht so genau warum, geht zur Bank und spendet – biologisch völlig sinnloser Weise – 200 Euro an ein S.O.S. Kinderdorf und danach geht es ihm wieder gut. Wer das als ultimative Erklärung rausholt, der muss schon in größerer Not sein. Spenden als unbewusste Triebabfuhr. Nee, lass mal.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Spendet er in der Absicht, einen Gegengefallen zu bekommen, also eventuell selbst mal eine Spende oder Zuwendung, wenn er ihrer bedarf? (3.) Nein, denn der andere weiß ja nicht, wer ihm da gespendet hat, da die Spende anonym war.

Nun, am ehesten könnte man es dennoch dieser Kategorie zuordnen, wenn man wollte (wie du auch zugibst), da die Hoffnung eines reziproken Verhaltens nicht realistisch eingeschätzt werden muss, um vorhanden zu sein.


Ja, am ehesten, aber wirklich überzeugend ist das auch nicht.
Und nur wenn man vorher die Biokröte geschluckt hat, dass alles Verhalten egoistisch motiviert sein muss.
Es gibt aber eine noch viel passendere Kategorie: bewusster Altruismus. Ich helfe, weil ich helfen will, weil ich etwas abgeben will und ich erwarte nicht, dass die arme Sau aus Burkina Faso mir dafür irgendwann mein Treppenhaus schrubbt oder später meinen Rollstuhl schiebt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das ein Konstrukt, was es nicht gibt, denn Leben ist immer Leben in Abhängigkeit.

Das ist richtig, bezogen auf die Definition. Aber wenn du mal überlegst, so sind die seltensten Definitionen von Folgen auf die Umgebung abhängig. Und bei Handlungen (egal wie sie nun motiviert sind), kann es diverse Ergebnisse für die Umwelt geben, die oft nicht absehbar sind. Dennoch veränderte sich die zeitlich immer vor den Resultaten für die Umgebung liegende Motivation nicht durch das Resultat. Deswegen ist der Bezug zur Umgebung bei der Definition unsinnig.


Auch Motive sind niemals unabhängig von anderen.
Du willst doch an die Wurzeln, was ich ja durchaus auch interessant finde, nur sind die Wurzeln menschlichen Verhaltens nicht rein biologisch. Und auch reine Biologie ist Leben in Abhängigkeit, bring Dich mal selbst zur Welt. Es ist immer eine Frage der Betonung und der Methode wie weit man ein Einzelphänomen aus dem Hintergrund hervorholt oder den Hintergrund betont. Systemiker betonen eher den Hintergrund, ich würde, da bin ich Dir ähnlich, eher das Subjekt betonen, aber letztlich ist es eine Frage pragmatischer Orientierung, die sich an der Fragestellung ausrichtet, was man gerade betrachten will.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Obendrein ein rücksichtsloses Konstrukt, was man spätestens im Zusammenleben der Menschen zurückweisen würde.

Das stimmt nicht, siehe mein Beispiel des versuchten Mordes. Es ist die Absicht entscheidend, nicht die tatsächlichen Resultate für die Ergründung der Motivation.


Klar ist die Absicht entscheidend, aber was hat das damit zu tun, das man das Konstrukt als rücksichtslos zurückweisen müsste?

Dazu zwei Anmerkungen:


Wann immer Biologen oder Neurologen (die sogenannten Hirnforscher) sich in Diskurse darüber wie der Mensch so ist einmischen (was ihr gutes recht ist) kommen eigenartige Zerrbilder des Menschen raus.

Als vor allem Wolf Singer und Gerhard Roth kurz nach der Jahrtausendwende die Hirnforschung der Öffentlichkeit zugänglich machten, zeichneten sie ein Bild des Menschen, der mehr oder minder willenlos von seinem Gehirn ferngesteuert wir. Diese Menschen konnten nicht anders, als ihr Gehirn ihnen befahl und waren den auf sie einprasselnden Reizen willenlos ausgeliefert. (In der Form nimmt das wohl heute kaum noch jemand ernst, aber so begann die Debatte.)

Dawkins und andere Sozio- und Evolutionsbiologen zeichnen ein ähnliches Bild. Menschen, die im Grunde reine Triebwesen sind, programmiert um ihren Vorteil (bzw. den der Gene, aber eben oft auch ihrer) zu maximieren. Nach simplen Strategien, wie „Hilf' damit dir geholfen wird“ und „Tue Gutes und rede drüber.“
Nicht nur für Psychologen, Philosophen und Soziologen ist das eher ein naives Zerrbild des Menschen, mit dem man vielleicht im Krieg, Dschungel oder Leistungssport weiter kommt oder eben auch in totalitären Regimen, aber wo es einigermaßen gesittet zugeht, wirkt dieses Verhalten doch eher deplaziert. Und zwar wie ich meine, für den im besten Sinne ganz normalen Durchschnittsbürger.

Die Charaktere die von Biologen als Normalfall, wie das Leben eben so ist, dargestellt werden, haben für mich eine hohe Ähnlichkeit mit den recht extremen Ausprägungen narzisstischer Pathologien.
Am nächsten kommt die Beschreibung narzisstische Persönlichkeitstruktur mit knackigen antisozialen Zügen, aber die findet man nicht beschrieben, also vermutlich ist der maligne Narzissmus am nächsten dran:

Wikipedia hat geschrieben:Narzisstische Personen sind gekennzeichnet durch einen Mangel an Einfühlungsvermögen und Überempfindlichkeit gegenüber Kritik, was sie mit einem großartigen äußeren Erscheinungsbild zu kompensieren versuchen[12]. Häufig hängt das mit ihrem brüchigen Selbstwertgefühl zusammen. Die Goldene Regel „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu“ ist Narzissten fremd. Sie behandeln Mitmenschen so, wie sie selbst nicht behandelt werden möchten. Sie besitzen einen Blick für das Besondere, können leistungsstark (in Schule, Beruf, Hobby) sein und haben oft gepflegte und statusbewusste Umgangsformen. Neben Prädispositionierung ist das Elternhaus ein entscheidender Faktor für narzisstische Persönlichkeiten. Es finden sich überwiegend sehr unempathische, wenig akzeptierende Eltern, die das Kind nicht selten schon früh überfordern. So findet in der kindlichen Erziehung vor allem ein Verhalten Beachtung und Verstärkung, das – in gewisser Intoleranz gegenüber anderen – die eigenen Fähigkeiten und Wertigkeit betont und sie nach außen hin gut darstellt. Dabei muss das tatsächlich gezeigte Verhalten der Selbstpräsentation nicht annähernd entsprechen. Narzissten überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten und zerstören aus Neid, was begabtere Menschen aufgebaut haben. Wenn Narzissten eine leitende Funktion ausüben, leiden die Betroffenen sehr. Wenn möglich, entziehen sich Mitbetroffene ihrem Einfluss.

Maligner (bösartiger) Narzissmus kann als Zwischenstufe von narzisstischer und antisozialer Persönlichkeitsstörung angesehen werden. Als maligner Narzissmus wird die Kombination von narzisstischer Persönlichkeitsstruktur, antisozialen Verhaltensweisen mit intensiven krankhaften Aggressionen und eventuellen paranoiden Neigungen bezeichnet. Kennzeichnend sind krankhafte Grandiosität (Entwicklung eines nicht der Realität angemessenen Größenselbst oder Realitätsverlust) mit Herrschaftsanspruch innerhalb einer Gruppe, bis hin zu Sadismus und Hass. Im Unterschied zur antisozialen Persönlichkeitsstörung, die sich durch das völlige Fehlen von Verantwortungsgefühl, Gewissen und Sorge/Mitgefühl sich selbst und andere Menschen betreffend auszeichnet, sind beim malignen Narzissmus gemäß den Lehren der Psychoanalyse noch Anteile des sogenannten Über-Ichs (Gewissen) funktionsfähig, und es existiert auch ein Gefühl für Mitmenschen, wenn auch oft in ausbeuterischem Interesse.
http://de.wikipedia.org/wiki/Narzissmus ... pathologie


Also pathologische Egoroboter, die nur an sich denken und allein, um den eigenen Nutzen zu vergrößern kooperieren, die auch nicht anders können, weil wir ja – in Notfall unbewusst – alle so funktionieren, die die anderen aggressiv wegbeißen, aber schlau genug sind, um zu wissen, wo sie buckeln und sind anpassen müssen, bis sie beim anderen eine Schwäche entdecken, dann können sie auch den ausbooten.

In der Psychologie gilt dieses Verhalten, des die eigenen Triebe nicht beherrschen Könnens, der groben Verzerrung realistischer (nichtausbeuterischer) Beziehungen, als schwere Erkrankung und ich habe immer den Verdacht, Biologen wollen uns das als Normalfall verkaufen. So sei der Mensch eigentlich.
Würd mich dann auch besorgen, aber die Realität zeigt, dass das doch eher die Ausnahmen sind. In der harten Form weit unter 5% (allerdings mit steigender Tendenz).

Damit schreiben die Soziobiologen, Evolutionsbiologen und Hirnforscher einfach an der weiter Mehrheit der Bevölkerung vorbei, beharren aber mitunter biestig darauf, dass ihre Sicht die einzig ernstzunehmende sei, was die Sache irgendwie noch grotesker macht.

Und, wieder zurück zum Ausgang, die meisten stinknormalen Europäer wurden das Konstrukt der Biologen ohnehin zurückweisen.



Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: Egoismus in einem menschlichen Kontext besteht für mich darin, dass man die Umwelt – speziell die Mitmenschen - mehr und mehr ausblendet.

Das ist Unsinn. Es bedeutet lediglich Kurzsichtigkeit, nicht mehr Egoismus.


Hm. Egoismus und Kurzichtigkeit könnten ja durchaus nahe bei einander liegen, oder?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Nein, es kooperiert nicht jeder.

Natürlich nicht, und ich habe selbst auf Ausnahmen hingewiesen, die zu einer Krankheit gehören. Aber das Vorhandensein einer krankhaften Ausprägung eliminiert nicht die Sinnhaftigkeit einer Definition oder Theorie. Ich will von dir auch immer wieder wissen, wann denn die Moral oder Ethik solche Fälle unter Kontrolle bringen kann.


Wie gesagt ich halte die Unterstellung der Mensch sei so, schon für falsch.
Moral bekommt die verschiedenen Ausprägungen von Psychopathologien unterschiedlich gut in den Griff.
Die extremen Formen bekommt Moral überhaupt nicht in den Griff, weil z.B. maligne Narzissten und erst recht antisoziale Persönlichkeiten sich um Moral, Normen und Gesetze keinen Deut kümmern.
Aber das ist auch nicht so entscheidend, weil für das Funktionieren einer Gesellschaft zählt, was die Mehrheit dazu denkt. Sieht sie krankhafte Außenseiter als solche an oder ist sie von deren Charisma fasziniert? Da gibt es bestimmte – übrigens hochinteressante - Zusammenhänge, die auszuführen hier zu weit führt, aber es endet in der mehr oder minder bestürzenden Erkenntnis, dass es ein letzte Sicherheit nicht gibt. Man kennt recht exakt die Mechanismen die da greifen, weiß aber auch, dass sie nicht außer Kraft zu setzen sind. Dennoch kann man versuchen das beste zu tun, was man machen kann und im Grunde ist eine demokratische Bevölkerung, dort wo die Demokratie den Namen verdient, der beste Schutz.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Konsequent (reduktionistisch und bottom up) gedacht führt das zu der absolut nichtssagenden Formulierung, dass die Ursache für Halsschmerzen, Fahrräder, Löwen, Tageszeitungen, Nebensätze, Kirche, Kostüme und Albträume der Urknall ist.

Das ist richtig, aber es gibt noch Ereignisse davor, die mehr Aussagekraft haben und dennoch in Anzahl der Ereignisse gering sein kann.


Ja. Drei ist auch eine geringe Zahl.

Darth Nefarius hat geschrieben:Aha, also bist du Anhänger eines wie auch immer gearteten Trieb-Dualismus?


Es gibt diese Beobachtungen bei Säuglingen, dass sie von Geburt an bestimmte Reaktionen zeigen und dann kommt es auf dem Boden gemachten Erfahrungen zur Bündelung von Affekten (zu „guten“ und „schlechten“ Reizen, die eine Verinnerlichung dieser Erlebnisse zufolge haben, aus denen resultiert dass der Säugling bestimmte Reizte zukünftig vermeiden und anderen wiederholen will. Aus den Affektbündeln sind auf diesem Weg dann Triebe geworden, dass ist der Standard gängiger Affekttheorie.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist keine lobende Erkenntnis, sondern ein wertender (und auch noch undurchdachter, feiger) Ansatz, der in den Naturwissenschaften nichts zu suchen hat. Nur ein Idiot handelt sinngemäß so:"Aha, das hast du dir also dabei gedacht, Evolution. Nein, das kann ich besser."


Ich dachte Du wärst nicht gläubig.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Daher sein honoriger aber etwas merkwürdiger und letztlich selbstwidersprüchlicher Appell in den „selfisch genes“, man möge von den eigenen Genen auf der Hut sein...

Den Appell kenne ich und habe ihn auch erwähnt (nicht zitiert), ich halte ihn für absolut unsinnig und kontraproduktiv.


Widersprüchlich eben.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Die vernehmbare Botschaft „Hüte dich vor deinen Genen“, macht überhaupt nur dann Sinn, wenn man das auch kann. Wenn die Gene uns in dem Sinne determinieren, dass wir daran nichts ändern können ist die Aufforderung völlig sinnlos, wie: „Passen sie auf, dass ihre Nägel nicht wachsen“ oder „Hüten sie sich vor der Zellteilung.“

So ist es auch, das will er nicht einsehen, auch wenn er es versteht. Er hat auch keineswegs begründet, wieso eine bewusst egoistische Welt so unglücklich wäre. Er hat lediglich geschrieben, dass es dem Konzept des Altruismus und Naivlingen (auch wenn sie Goethe heißen), die diesen wünschen, widerspricht. Aber das ist kein Argument, den Egoismus abzulehnen.


Für Dich nicht, für Dawkins schon.
Sparen wir uns die Hintergründe.

Darth Nefarius hat geschrieben:Zusatz:
Ich hab mir jetzt grob die "Beweise", die Agent ansprach, durchgelesen. Zusammengefasst sind es entweder Theorien, wie man Altruismus begründen könnte, oder abstruse Interpretationen. Besonders der neurowissenschaftliche Absatz hat mich gewundert. Wieso ist es denn ein Argument pro Altruismus, wenn die Belohnung eines reziproken Verhaltens im Gehirn groß ausfällt? Solange eine Belohnung existiert, bedeutet es, dass das Lebewesen dies anstreben wird. Aber nicht der Reaktionen oder Ergebnisse wegen, sondern wegen der Belohnung, der Triebbefriedigung. Das ist eindeutig egoistisch.


Wenn die Belohnung im Gehirn groß ausfällt und das ein Argument für den Altruismus sein soll, liegst Du mit Deiner Kritik richtig. Grundsätzlich falsch liegst Du aber, da Du nicht erkennst, dass dieses Konzept komplett unwiderlegbar ist und die Unwiderlegbarkeit nur zementiert wird.
Wissenschaftlich wäre das zumindest nicht.
(Man kann die Geschichte natürlich insofern zuspitzen, indem man der Frage nachgeht, inwiefern die theoretischen Selbstansprüche der Naturwissenschaften (sofern bekannt) mit der Praxis der Naturwissenschaften übereinstimmen. Von mir aus, nur zu. Das ist allerdings kein Angriff auf die Naturwissenschaften – wunderbare Disziplinen – nur auf ihr Selbstbild von dem m.E. höchstens die Hälfte stimmt. Aber das ist ein anderes Thema.)
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon AgentProvocateur » So 6. Jan 2013, 15:58

Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Nun gibt es einen Wissenschaftler namens C. Daniel Batson, der sich dieses Themas mithilfe diverser empirischer Studien näher angenommen hat. Seine Definitionen lauten wie folgt:

Altruism is a motivational state with the ultimate goal of increasing another's welfare.
Egoism is a motivational state with the ultimate goal of increasing one's own welfare.

Wenn er schreibt, dass der Egoismus nur den eigenen Nutzen zum Ziel haben darf (und nicht nur primär), schließt er unsinnigerweise kooperative Formen aus.

Wenn er das schreiben würde, dann ja, tut er aber doch wohl offensichtlich nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich hab mir jetzt grob die "Beweise", die Agent ansprach, durchgelesen. Zusammengefasst sind es entweder Theorien, wie man Altruismus begründen könnte, oder abstruse Interpretationen. Besonders der neurowissenschaftliche Absatz hat mich gewundert. Wieso ist es denn ein Argument pro Altruismus, wenn die Belohnung eines reziproken Verhaltens im Gehirn groß ausfällt? Solange eine Belohnung existiert, bedeutet es, dass das Lebewesen dies anstreben wird. Aber nicht der Reaktionen oder Ergebnisse wegen, sondern wegen der Belohnung, der Triebbefriedigung. Das ist eindeutig egoistisch.

Haben wir denselben Text gelesen? Wo steht da, es sei ein Argument pro Altruismus, wenn die Belohnung im Gehirn groß ausfällt? Welche abstrusen Interpretationen meinst Du z.B.?

Zu dem zweiten Teil: stimmt, wenn jemand eine Handlung mit dem primären Ziel ausführt, entweder eine Belohung im Gehirn (oder auch durch Dritte) dafür zu erhalten, bzw. eine Bestrafung im Gehirn (oder auch durch Dritte) abzuwenden, dann ist das nach Batsons Definition egoistisch. Verstehe bloß den Einwand nicht recht, denn diese Fälle werden doch gerade von Batson erörtert. Anders als Vollbreit meint, ist das jedoch sehr wohl empirisch überprüfbar und dazu hat Batson sich mehrere Experimente ausgedacht. Deren Ergebnisse darauf hinauslaufen, dass das primäre Ziel einer Handlung oft eben nicht lediglich die Belohnung (intern oder extern) bzw. die Abwendung der Bestrafung (intern [z.B. schlechtes Gewissen] oder extern) ist.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon fopa » So 6. Jan 2013, 17:26

Anderthalb Tage nicht da, schon muss man hier ganze Bücher durchlesen. :book:

Vollbreit hat geschrieben:Ein Beispiel ist das des anonymen Spenders.
Ist der offen egoistisch? (1.) Nein, das kann man nicht sagen.
Ist er verwandt? (2.) Es könnte es sein, aber in der Mehrzahl der Fälle ist er es wohl nicht, wenn man etwas Geld für Kinder in der dritten Welt spendet und Deutscher ist.
Spendet er in der Absicht, einen Gegengefallen zu bekommen, also eventuell selbst mal eine Spende oder Zuwendung, wenn er ihrer bedarf? (3.) Nein, denn der andere weiß ja nicht, wer ihm da gespendet hat, da die Spende anonym war.
Demzufolge kann der anonyme Spender auch nicht den „Ruf“ erwerben freundlich und großzügig zu sein (4), noch sich in diesem Ruf sonnen (5).

Mit anderen Worten der anonyme Spender ist das rote Lämpchen, was am Ende nicht blinkt.
Dawkins hat den Überblick in seiner eigenen Theorie nicht. Ich hatte das Prinzip oben zwar schon erklärt, aber es ist anscheinend noch nicht richtig angekommen.

Altruismus (wie der des anonymen Spenders) kann dadurch erklärt werden, dass es sich für das Fortbestehen einer Population als nützlich erwiesen hat, wenn ein solcher Altruismus praktiziert wird. Das kann im genetischen Erbe begründet sein oder in der Kultur/Religion oder in einer Mischung davon. Es kann sich als gesellschaftliche Erwartung / sozialer Druck oder inneres Bedürfnis oder moralische Wertvorstellung oder in welcher Form auch immer äußern.
Eine altruistische Handlung eines Individuums muss also keineswegs in irgendeiner Form nützlich für das Individuum selbst sein, sondern nützlich für ein überindividuelles Muster, beispielsweise für den Altruismus (als Verhaltensmuster) selbst oder irgendein damit verknüpftes oder einhergehendes Muster.

Wenn man noch einen Schritt zurückgeht, lässt sich Altruismus sogar selbst dann noch erklären, wenn er für eine Population insgesamt schädlich ist. Ein Beispiel: Individuum A verhält sich altruistisch, sodass seine Artgenossen daraus (auf Kosten von A) Nutzen ziehen. A geht zugrunde ohne sich reproduziert zu haben. Die Idee des Altruismus ist jedoch bei seinen Artgenossen angekommen, woraufhin sozialer Druck aufgebaut wird, andere mögen sich altruistisch verhalten. Um nicht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, verhalten sich also auch B und C usw. altruistisch und gehen ebenfalls zugrunde. In der Bilanz wäre es durchaus denkbar, dass sich Altruismus für die Population nicht auszahlt, nämlich wenn der Verlust des Potenzials der altruistischen Individuen größer ist als der Nutzen, den sie über altruistisches Verhalten am Rest der Population verrichtet haben. Dennoch hat sich die Population mit dem Altruismus "angesteckt": er reproduziert sich innerhalb der Population selbst und dezimiert sie - ähnlich wie ein Virus, das den Wirt zu einem Verhalten zwingt, das die Verbreitung des Virus fördert (z.B. Niesen).

Wie Altruismus (beim Menschen) nun tatsächlich zu erklären ist, wissen wir eben noch nicht. Um es herauszufinden sollte man sich aber von der (wertenden) Vorstellung lösen, er entstünde aus irgendwelchen hehren Motiven. Erklären kann man nur, wenn man nüchtern an die Sache herangeht. Bewerten kann man hinterher auf einer anderen Ebene, nämlich der der eigenen Wertvorstellungen.

---
Noch einmal kurz zum Logikproblem:
Vollbreit hat geschrieben:Hier reden wir etwas aneinander vorbei.
Die Allaussage ist sozusagen ein Untergebiet der Existenzaussage.
Ich gehe von meinen mathematisch-logischen Begriffen aus. Eine Allaussage ist z.B. "Für alle Elemente x aus der Menge X gilt: x ist ein y aus der Menge Y zugeordnet". Das ist noch keine Existenzaussage, denn wenn die Menge X leer ist, existiert kein x aus X, und die Allaussage ist dennoch wahr.
Die Allaussage wäre dann als falsch bewiesen, wenn man folgende Existenzaussage tätigte: "Es gibt ein Element z aus der Menge X so, dass z kein Element aus Y zugeordnet ist".

Vollbreit hat geschrieben:
fopa hat geschrieben:Bezogen auf die Allaussage der systemischen Evolutionstheorie habe ich eine hypothetische, widerlegende Existenzaussage formuliert. Die Menge solcher hypothetischen, widerlegenden Existenzaussagen ist unendlich - die Frage ist doch bloß, ob es Überschneidungen mit tatsächlichen (beobachtbaren) Geschehnissen gibt, denn nur mit solchen lässt sich die Allaussage widerlegen. Das Problem ist nicht die Formulierung der Falsifikation, sondern ihre Beobachtung.

Du hattest geschrieben:
fopa hat geschrieben:Ein Beispiel wäre vielleicht die dauerhafte Existenz einer Art Lebewesen, die sich nicht selbst reproduzieren kann, sondern deren Vertreter stets an unterschiedlichen Stellen neu hervorgebracht werden.
Das geht nicht, da zum Begriff des Lebens schon die Reproduktion gezählt wird.
Ein Lebewesen, was sich nicht reproduzieren kann, wäre keines. Die kleinste Einheit des Lebens ist gewöhnlich die Zelle und für die gelten 5 bis 8 Faktoren, desjenigen was Leben definiert, Fortpflanzung gehört zwingend dazu und ist im Begriff leben analystisch enthalten.
Natürlich "geht es nicht", denn sonst hätte ich ja gerade meine eigene Theorie widerlegt. Es war bloß ein hypothetisches Beispiel einer widerlegenden Existenzaussage - deshalb natürlich realitätsfremd.
Wobei... so realitätsfremd ist es gar nicht, denn komplexere Organismen bringen ja tatsächlich lebendes Material (Zellen) hervor, die sich selbst nicht reproduzieren können, sondern irgendwann abgestoßen werden (Haare, Hautzellen, Blätter). Selbstredend muss aber das System auf der richtigen Ebene betrachtet werden. Der Baumart "nützt" es sehr wohl, dass ihre Vertreter ihre Blätter im Herbst abwerfen.

---

Zusammenfassend: Um ein bestimmtes Phänomen (z.B. Altruismus) erklären zu können, müssen wir das richtige System betrachten. Altruismus lässt sich nicht anhand eines Individuums erklären, möglicherweise nicht einmal anhand einer genetisch verwandten Population. Das macht es so schwierig, einzelne Phänomene konkret zu beschreiben. Theorien zu den grundlegenden Mechanismen kann man jedoch aufstellen (Allaussage), die sich selbstverständlich auch als falsch herausstellen können, wenn man eindeutig widersprechende oder unerklärliche Beobachtungen macht.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » So 6. Jan 2013, 21:58

@ AgentProvocateur:

AgentProvocateur hat geschrieben:Anders als Vollbreit meint, ist das jedoch sehr wohl empirisch überprüfbar und dazu hat Batson sich mehrere Experimente ausgedacht. Deren Ergebnisse darauf hinauslaufen, dass das primäre Ziel einer Handlung oft eben nicht lediglich die Belohnung (intern oder extern) bzw. die Abwendung der Bestrafung (intern [z.B. schlechtes Gewissen] oder extern) ist.


Nein, ich meine nicht, dass man das nicht empirisch überprüfen kann, die Bemerkung von mir bezog sich auf die Idee eines allumfassenden Egoismus, dem man scheinbar nicht entrinnen kann.

Oder meintest Du, dass man diese Behauptung des umfassenden Egoismus empirisch widerlegen kann? Den Text von Batson habe ich noch nicht gelesen, werde das aber noch tun, falls sich die Antwort dort verbirgt.

@ fopa:

Ich kann Deinen Ausführungen zum Altruismus zustimmen, was mir aber noch nicht ganz klar ist: Bist Du der Meinung, dass der Altruismus auf einen Egoismus zurückzuführen ist oder stellt er Deiner Meinung nach eine unabhängige Größe dar?

Ich kann mir vorstellen, dass der Altruismus und auch der Egoismus beide „von selbst“ entstanden sind, damit will ich sagen, der Altruismus nicht auf hehren Motiven beruht.
Frans de Waal hat in seinen Experimenten mit Primaten recht überzeugende Hinweise für altruistisches Verhalten gefunden.

Allerdings bin ich der Auffassung, dass der Altruismus bewusster und reflexiver Menschen sehr wohl auf eigenständigen Überlegungen – und wenn Du willst, auch auf hehren Motiven – beruhen kann. Kannst Du Dich dem anschließen?

fopa hat geschrieben:Zusammenfassend: Um ein bestimmtes Phänomen (z.B. Altruismus) erklären zu können, müssen wir das richtige System betrachten. Altruismus lässt sich nicht anhand eines Individuums erklären, möglicherweise nicht einmal anhand einer genetisch verwandten Population.


Puh, da habe ich keine abgeschlossene Meinung zu.
Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass das stimmt, aber man auf der anderen Seite das Gesamtphänomen Altruismus auch nicht ohne Individuen, vor allem bewusste, erklären kann.
Vielleicht hat der Altruismus dadurch „nur“ einen Schub gekriegt, aber damit verhält es sich vermutlich ähnlich, wie mit dem Ich, der Zugewinn durch Sprache ist immens.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 7. Jan 2013, 00:16

Vollbreit hat geschrieben:@ AgentProvocateur:

AgentProvocateur hat geschrieben:Anders als Vollbreit meint, ist das jedoch sehr wohl empirisch überprüfbar und dazu hat Batson sich mehrere Experimente ausgedacht. Deren Ergebnisse darauf hinauslaufen, dass das primäre Ziel einer Handlung oft eben nicht lediglich die Belohnung (intern oder extern) bzw. die Abwendung der Bestrafung (intern [z.B. schlechtes Gewissen] oder extern) ist.

Nein, ich meine nicht, dass man das nicht empirisch überprüfen kann, die Bemerkung von mir bezog sich auf die Idee eines allumfassenden Egoismus, dem man scheinbar nicht entrinnen kann.

Einen allumfassenden Egoismus, der auf folgenden Definitionen beruht:

1. Egoistisch ist eine Handlung/eine Entscheidung/ein Wunsch genau dann, wenn die Handlung/die Entscheidung/der Wunsch einen persönlichen Nutzen für den Handelnden/den Entscheider/den Wünschenden ergibt
2. "Nutzen" ist eine subjektive Kategorie; was jeweils ein Nutzen für ein Individuum ist, ergibt sich daraus, wie das jeweilige Indiduum handelt/wie es entscheidet/was es wünscht, wenn z.B. I1 A wünscht, dann ist A für I1 ein Nutzen, wenn I2 NICHT[A] wünscht, dann ist NICHT[A] für I2 ein Nutzen

ist tautologisch wahr, (wahlweise kann hier auch jeweils "ultimativer Nutzen/ultimatives Ziel" eingesetzt werden, das macht keinen wesentlichen Unterschied). Und was tautologisch wahr ist, kann niemals empirisch überprüft werden, denn das ist und bleibt immer tautologisch wahr, einfach per definitionem. Aber auch völlig uninteressant und irrelevant, daraus kann man keinen weiteren Nektar ziehen. Man kann diese Argumentation auch so komprimieren: "jeder macht immer, was er jeweils macht". Und das ist zweifelsohne richtig. Aber eben auch völlig ohne Belang.

Vollbreit hat geschrieben:Oder meintest Du, dass man diese Behauptung des umfassenden Egoismus empirisch widerlegen kann? Den Text von Batson habe ich noch nicht gelesen, werde das aber noch tun, falls sich die Antwort dort verbirgt.

Ja, das meinte ich. Man muss dazu nur den o.g. Definitionen von Batson zustimmen - die insofern interessant, weil nicht lediglich tautologisch und somit empirisch überprüfbar sind.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Mo 7. Jan 2013, 09:04

AgentProvocateur hat geschrieben:Man kann diese Argumentation auch so komprimieren: "jeder macht immer, was er jeweils macht". Und das ist zweifelsohne richtig. Aber eben auch völlig ohne Belang.


Ja, es gibt kein Beispiel, was einem Individuum keinen Nutzen bringen würde. Selbst dem anonymen Spender könnte man zirkulär unterstellen, er müsse von dem was er tut einen Gewinn haben, sonst täte er es nicht.
Das läuft darauf hinaus, dass jede Handlung die man vollzieht die maximal nützlichste/egoistischste ist.

AgentProvocateur hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Oder meintest Du, dass man diese Behauptung des umfassenden Egoismus empirisch widerlegen kann? Den Text von Batson habe ich noch nicht gelesen, werde das aber noch tun, falls sich die Antwort dort verbirgt.

Ja, das meinte ich. Man muss dazu nur den o.g. Definitionen von Batson zustimmen - die insofern interessant, weil nicht lediglich tautologisch und somit empirisch überprüfbar sind.


Das ist ja weniger eine eine Widerlegung der tautologischen Definition des Egoismus aus der Ecke der Biologen, als vielmehr eine andere Definition von Egoismus.

Aber die Botschaft ist klar:

Es gibt eine tautologische Definition von Egoismus, die unentrinnbar immer wahr und eben daher belanglos ist. Eben eine Definition bei der am Ende jedes nur denkbare Verhalten immer (maximal) nützlich/egoistisch ist und die daher empirisch nicht falsifizierbar ist.
Die Definition vieler Sozio-/Evolutionsbiolgen.

Alternativ gibt es eine Definition, die den Egoismus und den Altruismus vom beabsichtigten Ziel oder Motiv des Individuums ausgehend definiert. Diese Definition ist in der Tat falsifizierbar, denn man kann, gleichgültig wie das Ergebnis ausfällt, nach der Absicht fragen.
Die Definition von Batson.

(Meine Kritik an der Definition von Batson ist die, dass es – gar nicht so wenige – Grenzfälle gibt, in denen jemand authentisch sagen könnte, er habe die Absicht einem anderen Gutes zu tun, aber es gute Indizien dafür gibt, dass dieser Mensch doch von einem unbewussten Egoismus durchdrungen ist.
Das hört sich nun an wie ein Rückfall hinter das, über was wir uns eben ausgetauscht haben, ist es aber in meinen Augen nicht.
Den Unterschied sehe ich darin, dass es einen begründeten Zweifel an der Kenntnis über die Motivlage eines Individuums geben kann und das Schlüsselwort ist hier: begründet. Es ist m.E. ein heikler Punkt, einem Individuum die Kompetenz über seine eigenen Motive abzusprechen, doch ich finde es richtig, dass man prinzipiell alles bezweifeln darf, nur muss der Zweifel begründet werden und darf nicht um seiner selbst Willen geschehen. Und man darf es nicht als Allzweckwaffe oder Trumpfkarte, wann immer es einem passt, aus dem Ärmel ziehen.
Jemand, dessen Charakter von einem starken Egoismus durchdrungen ist (was man ebenfalls empirisch testen kann), kann daher aufrichtig empfinden, seine Handlung sei altruistisch (und zwar schon aus psychologischen Gründen, da nicht jeder die Ambivalenz der großen Mehrzahl der Motive bei sich und anderen sehen und vor allem ertragen kann – als Resultat der Unfähigkeit Ambivalenzen zu ertragen kommt es zu sogenannte Idealisierungen), aber es gibt gute Gründe für den Beobachter, das zu bezweifeln, gegen das Empfinden.

In diesen Fällen wird m.E. auch die Definition von Batson unbrauchbar, aber wenn diese Klippe umschifft ist, kommt sie mir sehr brauchbar vor. Ich würde auch dem ursrprünglichen, subjektiv empfundenen Motiv bei der Frage nach Egoismus/Altruismus einen hohen Stellenwert einräumen.)
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 7. Jan 2013, 12:32

Vollbreit hat geschrieben:Schau, es ist ja nicht jeder so blitzgescheit und allwissend wie Du. Und da vielleicht von dem dusseligen Fußvolk der eine oder die andere auch noch mitliest, habe ich mir untertänigst erlaubt, ohne Euer Hochwohlgeboren damit diskreditieren zu wollen, eine flotte Zusammenfassung zu schreiben, halten zu Gnaden.

Es sei dir verziehen, nach dem Friedenskuss auf meine Kronjuwelen.
Vollbreit hat geschrieben:Du musst doch erst mal das Empfinden haben, in der Schuld zu sein.

Das habe ich nicht, ich erkenne nur, dass meine Position als "Schuldner" bedeutet, dass ich bei Pflege der Bezieung zum Bürger eine Gegenleistung erbringen müsste. Sofern ich mich nicht schnellstens bemühe, dies zu tun, habe ich weniger Einfluss auf das, was ich zu leisten habe. Andersherum kann ich diesen Zustand ausnutzen, sodass ich flexibel bei meinen Kooperationen bin.
Vollbreit hat geschrieben:Ein radikaler Egoist wird es als völlig selbstverständlich ansehen, dass andere ihm helfen (wem denn sonst?), wann immer er Hilfe braucht und es als völlig selbstverständlich ansehen, dass er anderen nicht hilft, wie käme er denn dazu.

Nein, ein Narr würde es als selbstverständlich ansehen. Es hat nichts mit Moral oder Altruismus zu tun, das Gegenüber zu verstehen. Es ist eine praktische Notwendigkeit. Umgekehrt hat die Unfähigkeit den logischen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung nichts mit Egoismus zu tun. Das eine hat etwas mit Intelligenz zu tun, das andere mit Motivation.
Vollbreit hat geschrieben:Nein, ich habe mir nicht gedacht, dass Du Dir das ausgedacht hast, ich finde sie nur vollkommen unbeeindruckend. Ich kann auch nicht erkennen, was daran schwer zu verstehen sein soll.

Ich kann es mir auch nicht vorstellen, und doch diskutiere ich mit dir. Wenn es nun verständlich ist, spricht nichts dafür, dem noch zu widersprechen.
Vollbreit hat geschrieben:Was nur schwer zu verstehen ist, ist, dass der anonyme Spender nun unter diese Kategorie fällt.
Man stelle sich das mal vor, da hat jemand Triebstau, weiß auch nicht so genau warum, geht zur Bank und spendet – biologisch völlig sinnloser Weise – 200 Euro an ein S.O.S. Kinderdorf und danach geht es ihm wieder gut. Wer das als ultimative Erklärung rausholt, der muss schon in größerer Not sein. Spenden als unbewusste Triebabfuhr. Nee, lass mal.

Das ist immer noch logischer als von Selbstlosigkeit oder dem Guten auszugehen. Wie soll das denn logisch begründbar sein? Es ist eine Sache die Plausibilität einer logischen Theorie für sich anzuzweifeln, aber wenn man sich die Alternativen anschaut, ist es etwas anderes.
Vollbreit hat geschrieben:Ja, am ehesten, aber wirklich überzeugend ist das auch nicht.
Und nur wenn man vorher die Biokröte geschluckt hat, dass alles Verhalten egoistisch motiviert sein muss.
Es gibt aber eine noch viel passendere Kategorie: bewusster Altruismus. Ich helfe, weil ich helfen will, weil ich etwas abgeben will und ich erwarte nicht, dass die arme Sau aus Burkina Faso mir dafür irgendwann mein Treppenhaus schrubbt oder später meinen Rollstuhl schiebt.

Ja, das ist die kurzsichtige Version der Altruismusvertreter. Aber wie konnte sich so ein Verhalten entwickeln? War es als die Menschheit sich entwickelte, überhaupt möglich jemandem zu nützen, ohne auf eine Gegenleistung zu hoffen? Die sozialen Interaktionen beschränkten sich auf die eigene Gruppe, damit of auf die nächsten Verwandten und Freunde oder Waffenbrüder. Dass wir jetzt der armen Sau aus Burkina Faso etwas gutes tun können, war in der Evolution nicht absehbar, wenn man es so formulieren will. Soetwas ist eine leichte Fehlfunktion eines instinktiven Verhaltens, das ursprünglich eine höhere Wahrscheinlichkeit hatte, nützlich zu sein als jetzt. Aber da es nicht schädlich ist, hat es sich gehalten.
Vollbreit hat geschrieben:Auch Motive sind niemals unabhängig von anderen.

Im Kern schon. Auch wenn du der letzte Mensch oder das letzte Lebewesen bist, hast du noch grundlegende Bedürfnisse und wirst nicht einfach aus Standby gehen. Ein einsames Tier funktioniert auch ohne Input durch Lebewesen. Es gibt noch Reize durch die unbelebte Natur, die auch grundlegender sind (was bedeuten soll, dass das erste Lebewesen wohl eher einen unbelebten Reiz empfing als den durch ein anderes Lebewesen).
Vollbreit hat geschrieben:Du willst doch an die Wurzeln, was ich ja durchaus auch interessant finde, nur sind die Wurzeln menschlichen Verhaltens nicht rein biologisch.

Ach, und was sonst? Ein göttlicher Funken? Vor Kultur und allen Zusätzen gab es schon die Logik der Evolution und die Naturgesetze, ihnen haben wir unser Sein, unsere Motivation zu verdanken.
Vollbreit hat geschrieben:Klar ist die Absicht entscheidend, aber was hat das damit zu tun, das man das Konstrukt als rücksichtslos zurückweisen müsste?

Dass man es eben dadruch nicht müsste oder tut! :kopfwand: Die Absicht besteht unabhängig vom Resultat der Handlung (also Schaden oder Nutzen der Umgebung) und deswegen ist ein versuchter Mord ein strafwürdiger Tatbestand, da die Absicht bestand, zu morden. Die Absicht zu beachten ist hier keinesfalls rücksichtslos oder zurückzuweisen.
Vollbreit hat geschrieben:Wann immer Biologen oder Neurologen (die sogenannten Hirnforscher) sich in Diskurse darüber wie der Mensch so ist einmischen (was ihr gutes recht ist) kommen eigenartige Zerrbilder des Menschen raus.

Naja, es reicht eben manchmal nicht aus, nur zu wissen, dass das Gehirn im Kopf ist, um sie zu verstehen. Ich sehe das naturgegeben anders als du.
Vollbreit hat geschrieben:Als vor allem Wolf Singer und Gerhard Roth kurz nach der Jahrtausendwende die Hirnforschung der Öffentlichkeit zugänglich machten, zeichneten sie ein Bild des Menschen, der mehr oder minder willenlos von seinem Gehirn ferngesteuert wir. Diese Menschen konnten nicht anders, als ihr Gehirn ihnen befahl und waren den auf sie einprasselnden Reizen willenlos ausgeliefert. (In der Form nimmt das wohl heute kaum noch jemand ernst, aber so begann die Debatte.)

Absurd, nicht wahr? Wo wir doch wissen, dass der Sitz der Seele im Herzen ist und die Körpersäfte, das Chi usw. über unseren Charakter entscheiden! Mich wundert es immer noch, dass manche meinen, ihr Gehirn sei eine Partei in ihrem Körper, nicht sie selbst ohne Körper. Es ist schon ein Widerspruch in sich, dass jemand meint, das Gehirn würde uns (also eigentlich sich selbst) etwas befehlen, und wir (also das Gehirn mit der Versorgung durch die unbewussten Organe) seien willenlos. Da hast du etwas nicht verstanden.
Vollbreit hat geschrieben:Dawkins und andere Sozio- und Evolutionsbiologen zeichnen ein ähnliches Bild. Menschen, die im Grunde reine Triebwesen sind, programmiert um ihren Vorteil (bzw. den der Gene, aber eben oft auch ihrer) zu maximieren. Nach simplen Strategien, wie „Hilf' damit dir geholfen wird“ und „Tue Gutes und rede drüber.“
Nicht nur für Psychologen, Philosophen und Soziologen ist das eher ein naives Zerrbild des Menschen, mit dem man vielleicht im Krieg, Dschungel oder Leistungssport weiter kommt oder eben auch in totalitären Regimen, aber wo es einigermaßen gesittet zugeht, wirkt dieses Verhalten doch eher deplaziert. Und zwar wie ich meine, für den im besten Sinne ganz normalen Durchschnittsbürger.

Nö, der Durchschnittsbürger würde am Verständnis um diese Konzepte gewinnen, da er die Hierarchie der Gesellschaft (egal welcher Staatsform) verstünde, seine Befehle nicht mehr als bindend erführe, sondern nur als Option und Information. Das würde jeden auffordern, einen Nutzen für sein Gegenüber auszuarbeiten, um es zu motivieren. Damit würden die Menschen einander weniger ausnutzen, als vielmehr nutzen und nützen. Die Kooperation und Analyse des Gegenübers zum eigenen Vorteil mit malignem Narzissmus gleichzusetzen, ist Unfug und nicht haltbar. Warum soll für dich immer nur der eigene Vorteil ausschließlich bedeuten, andere wegzubeißen?
Vollbreit hat geschrieben:Und, wieder zurück zum Ausgang, die meisten stinknormalen Europäer wurden das Konstrukt der Biologen ohnehin zurückweisen.

Die meisten Europäer glauben auch an einen Gott, ein Großteil der Regierungen europäischer Länder ist seit der Schuldenkrise nach rechts gerutscht, Merkel wird als Hitler verkauft. Spricht das für sie?
Vollbreit hat geschrieben:Hm. Egoismus und Kurzichtigkeit könnten ja durchaus nahe bei einander liegen, oder?

Nein, das eine hat mit Motivation, das andere mit der Ausführung zu tun, die u.a. durch die eigenen Fähigkeiten begrenzt ist (dazu zählt die Intelligenz). Ein Beispiel: 2 Männer haben es auf die selbe Frau abgesehen, der eine schenkt ihr Blumen und lädt sie zum Essen ein, der andere baggert sie auf Mallorca-Tour an. Sie haben die selbe Motivation, aber einer von beiden hat eher Erfolg als der andere.
Vollbreit hat geschrieben:Aber das ist auch nicht so entscheidend, weil für das Funktionieren einer Gesellschaft zählt, was die Mehrheit dazu denkt.
Nein, das war nie der Fall. Die Mehrheit lässt sich leicht an der Nase herumführen. Für eine kleine Elite ist der Glaube an Moral, Ethik und Altruismus das beste Werkzeug, um die eigene Macht zu sichern.
Vollbreit hat geschrieben:Es gibt diese Beobachtungen bei Säuglingen, dass sie von Geburt an bestimmte Reaktionen zeigen und dann kommt es auf dem Boden gemachten Erfahrungen zur Bündelung von Affekten (zu „guten“ und „schlechten“ Reizen, die eine Verinnerlichung dieser Erlebnisse zufolge haben, aus denen resultiert dass der Säugling bestimmte Reizte zukünftig vermeiden und anderen wiederholen will. Aus den Affektbündeln sind auf diesem Weg dann Triebe geworden, dass ist der Standard gängiger Affekttheorie.

"Gute" und "schlechte" Reize können auch als erwünscht/nützlich oder unerwünscht/schädlich bezeichnet werden. Diese Bewertungen sind vom eigenen Ich abhängig und auf es bezogen, nicht auf die arme Sau in Burkina Faso.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist keine lobende Erkenntnis, sondern ein wertender (und auch noch undurchdachter, feiger) Ansatz, der in den Naturwissenschaften nichts zu suchen hat. Nur ein Idiot handelt sinngemäß so:"Aha, das hast du dir also dabei gedacht, Evolution. Nein, das kann ich besser."


Ich dachte Du wärst nicht gläubig.

Bin ich auch nicht, aber die Evolution ist auch keine Gottheit, die ich anzubeten habe, deren Moral ich lernen muss oder der ich opfern muss, oder mir irgendeinen Sinn, eine Aufgabe aufträgt. Es ist ein Phänomen wie die Sonne, die mich teilweise ausmacht und mein Sein erst ermöglichte. Evolution ist eine Erklärung, die beste, die wir haben. Ich bezeichne Dawkins Aussage auch nicht als Blasphemie und will ihn auf dem scheiterhaufen sehen, sondern denke nur, dass sich das schlichtweg nicht durchsetzen wird oder zu grausamen Fehlern führen kann. Das scheint mir vergleichbar mit dem Zölibat zu sein, völlig wider die Natur.
Dein letztes Argument der Unwiderlegbarkeit habe ich schon in älteren Diskussionen entkräftet. Der Altruismus bietet keine so weitgehende Interpretation wie der Egoismus, ohne selbst unwiderlegbar zu werden. Der Egoismus hingegen ist mit einem fitten Altruisten widerlegbar, der keinen Funkten Eigennutz in sich trägt. Demnach wäre unser Universum ein Schlaraffenland, in dem keiner mehr um sich Sorgen machen müsste, da alle Ressourcen im Überfluss vorhanden und auch noch zugänglich sind. Nur dann könne sich Altruismus ergeben.
Agent antworte ich später noch.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon fopa » Mo 7. Jan 2013, 14:55

Vollbreit hat geschrieben:Bist Du der Meinung, dass der Altruismus auf einen Egoismus zurückzuführen ist oder stellt er Deiner Meinung nach eine unabhängige Größe dar?
Kommt natürlich auf die Definition(en) an. Batson's Definition sind ja beispielsweise nicht mit meinen Ausführungen kongruent.
Definiert man Egoismus als "eigennütziges Handeln", muss man auch festhalten, wer oder was das Subjekt ist. Beim "Egoismus der Gene" sind es die entsprechenden genetischen Muster, bei individuellem Egoismus ist es eben das Individuum. Von dieser Definition ausgehend kann man Altruismus als eine Form des Egoismus auffassen, wenn man das Subjekt entsprechend wählt. Individuell-altruistisches Verhalten von Arbeiterinnen in einem Ameisenstaat lässt sich als egoistisches (eigennütziges) Verhalten des gesamten Staates oder der Ameisenart auffassen.


Vollbreit hat geschrieben:Allerdings bin ich der Auffassung, dass der Altruismus bewusster und reflexiver Menschen sehr wohl auf eigenständigen Überlegungen – und wenn Du willst, auch auf hehren Motiven – beruhen kann. Kannst Du Dich dem anschließen?
Aus subjektivem Empfinden: ja. Objektiv betrachtet: nein.
Ich schätze, die meisten altruistisch handelnden Menschen denken tatsächlich auch altruistisch. Entweder entscheiden sie sich bewusst zu altruistischen Handlungen oder sie machen sich altruistische Handlungen im Nachhinein bewusst und sind zufrieden mit sich. In solchen Fällen kann man nicht von "altruistischem Egoismus" sprechen, zumindest nicht in Bezug auf das Individuum. In menschlichen Gesellschaften wird eine solche Denkweise dann vielleicht mit "hehren Motiven" betitelt, was wiederum eine intersubjektive Bewertung ist.
Bei objektiver Betrachtung gibt es eben keine (wertbehafteten) hehren Motive, schon gar nicht als Erklärungsgrund für bestimmte Verhaltensweisen. Die Existenz der Empfindung hehrer Motive hat selbst eine Ursache, die erklärt werden muss. Dawkins hat ja eine Theorie dazu vorgestellt, die allerdings zumindest unvollständig zu sein scheint (Stichwort: anonymer Spender).

Vollbreit hat geschrieben:Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass das stimmt, aber man auf der anderen Seite das Gesamtphänomen Altruismus auch nicht ohne Individuen, vor allem bewusste, erklären kann.
Vielleicht hat der Altruismus dadurch „nur“ einen Schub gekriegt, aber damit verhält es sich vermutlich ähnlich, wie mit dem Ich, der Zugewinn durch Sprache ist immens.
Bewusstsein sehe ich nicht als Voraussetzung für altruistisches Verhalten (sofern man Altruismus nicht als bewusste Handlung definiert) - siehe Insektenstaaten. Auch ein "Ich-Erkennen" ist nicht zwingend notwendig.
Aber um Altruismus definieren zu können, braucht man natürlich Einheiten, denn anders kann man Interaktionen ja gar nicht beschreiben. Eine Einheit könnte aber auch beispielsweise eine Gruppe von Individuen sein, die sich gegenüber einer anderen Gruppe altruistisch verhält. Auch hier halte ich Bewusstsein nicht für eine notwendige Voraussetzung.
Interessant wäre allerdings die Frage, ob eine Gruppe sich altruistisch verhalten kann, ohne dass die Individuen es einzeln tun.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 7. Jan 2013, 15:21

Vollbreit hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Man kann diese Argumentation auch so komprimieren: "jeder macht immer, was er jeweils macht". Und das ist zweifelsohne richtig. Aber eben auch völlig ohne Belang.

Ja, es gibt kein Beispiel, was einem Individuum keinen Nutzen bringen würde. Selbst dem anonymen Spender könnte man zirkulär unterstellen, er müsse von dem was er tut einen Gewinn haben, sonst täte er es nicht.
Das läuft darauf hinaus, dass jede Handlung die man vollzieht die maximal nützlichste/egoistischste ist.

Eine rationale Handlung ist eine solche, bei der (mehr oder weniger bewusst) eine Kosten-Nutzen-Rechnung vorgenommen wird. Und nur rationale Handlungen werden hier betrachtet. Die Frage kann daher nicht sein, ob man die als maximal nützlichst und als möglich angesehene rationale Handlung durchführt (das wird wohl immer der Fall sein), sondern sie muss sein, wem die Handlung nutzen soll. Ist es - nach Batsons Definition - das ultimative Ziel, dem anderen den Nutzen zu verschaffen, dann ist sie altruistisch; ist es das ultimative Ziel, sich selber einen Nutzen zu verschaffen, dann ist die Handlung egoistisch.

Nehmen wir mal ein Beispiel (Kooperation, mit beiderseitigem Nutzen): ich schließe mit einem Dritten einen Vertrag ab. Dabei ist es mein ultimatives Ziel, einen Nutzen für mich zu erlangen. Der Dritte hat auch einen Nutzen (sonst würde er den Vertrag nicht abschließen), aber da unsere Motive dabei jeweils vorrangig auf unsere eigenen Nutzen abheben, sind unsere beiden Handlungen egoistisch.

Wichtig hierbei ist es auch immer, im Auge zu behalten, dass Egoismus und Altruismus hier nicht moralisch bewertet werden, d.h. Egoismus ist nicht per se schlecht und Altruismus nicht per se gut oder umgekehrt.

Vollbreit hat geschrieben:Meine Kritik an der Definition von Batson ist die, dass es – gar nicht so wenige – Grenzfälle gibt, in denen jemand authentisch sagen könnte, er habe die Absicht einem anderen Gutes zu tun, aber es gute Indizien dafür gibt, dass dieser Mensch doch von einem unbewussten Egoismus durchdrungen ist.

Würde Batsons Definition beinhalten, dass nur explizit geäußerte (und selbst als richtig angenommene) Motive zu berücksichtigen seien, dann wäre das in der Tat ein Fehler. Aber das beinhaltet sie ja nicht.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 8. Jan 2013, 13:08

fopa hat geschrieben:[...]Von dieser Definition ausgehend kann man Altruismus als eine Form des Egoismus auffassen, wenn man das Subjekt entsprechend wählt. Individuell-altruistisches Verhalten von Arbeiterinnen in einem Ameisenstaat lässt sich als egoistisches (eigennütziges) Verhalten des gesamten Staates oder der Ameisenart auffassen.

Nicht nur des Ameisenstaates (ich würde das aber nicht tun, da der Staat kein Organismus ist) sondern auch die der einzelnen Arbeiterin. Der Witz ist nämlich, dass sie nicht furchtbar sind, was bedeutet, dass die eigenen Gene weiterzugeben und zu erhalten (ein egoistisches Motiv) bedeutet, dass man primär die Königin schützt, da sie mit ihr verwandter ist als die Arbeiterinnen.
fopa hat geschrieben:Ich schätze, die meisten altruistisch handelnden Menschen denken tatsächlich auch altruistisch. Entweder entscheiden sie sich bewusst zu altruistischen Handlungen oder sie machen sich altruistische Handlungen im Nachhinein bewusst und sind zufrieden mit sich. In solchen Fällen kann man nicht von "altruistischem Egoismus" sprechen, zumindest nicht in Bezug auf das Individuum.

Wie kommst du auf diese Idee? Was soll denn altruistisch Denken" überhaupt bedeuten? Etwa: "Heute bringe ich meinem Nachbarn ein Brötchen mit?" Diese Oberflächlichkeit der Interpretation wird keinem Menschen gerecht, selbst wenn dies ein Teil des Gedanken ist. Der Zusatz könnte sein ", damit er mir beim Umzug hilft.", was schon eine logische Dimension hätte, da diese Art Gedanken sich irgendwie evolutionär begründen lassen muss. Zum Denken gehört auch Motivation, aber diese ist mindestens das eigene gute Gefühl, eine Triebbefriedigung und die ist immer auf einen selbst bezogen. Für jede Handlung eines Organismus ist die eigene Belohnung wichtig, nicht primär die der anderen.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 8. Jan 2013, 13:52

Zu Agent:
Ich habe Batson wohl unrecht getan, indem ich den Text nur überflog. Immerhin hat er eingesehen, dass es eindeutig egoistische Motive gibt, dass alle Motivation egoistisch erklärt werden können. Vielleicht ist auch mein englisch zu schlecht, aber ich bedürfte nich ein paar Erklärungen, bezüglich des starken und schwachen Hedonismus und der Möglichkeit, dass die Egoismus ausschließen und damit Altruismus ausschließlich beweisen würden. Dann habe ich die vierte Schlussfolgerung (von 8) nich verstanden. Wie soll das möglich sein, ohne Ziel zu handeln? Die siebte schlussfolgerung war interessant, da sie Befriedigung oder den Nutzen erwähnt, in Kombination mit den ultimativen oder nachrangigen Zielen, wobei mir nicht klar wurde, wie jeweils zugeordnet werden soll, was das ultimative und welches das nachrangige Ziel ist (so wie ich das sehe, kann man das letztlich nur über logische Schlussfolgerung im Zusammenhang mit der Evolution, was immer zum Egoismus führen würde, da es auf die Fitness des einzelnen Wesens ankommt, also auch auf seine Eigenschaften).
AgentProvocateur hat geschrieben:Anders als Vollbreit meint, ist das jedoch sehr wohl empirisch überprüfbar und dazu hat Batson sich mehrere Experimente ausgedacht. Deren Ergebnisse darauf hinauslaufen, dass das primäre Ziel einer Handlung oft eben nicht lediglich die Belohnung (intern oder extern) bzw. die Abwendung der Bestrafung (intern [z.B. schlechtes Gewissen] oder extern) ist.

Was dann (schon klar, der Altruismus, aber wie begründet)? Auch wenn ich noch nicht überzeugt bin, scheint mir deine Erwähnung sehr hilfreich zu sein, um das Thema zu klären. In jedem Fall hat er noch die sinnvollere Position zum Altruismus formuliert als Vollbreit.
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Beitragvon AgentProvocateur » Di 8. Jan 2013, 15:36

Darth Nefarius hat geschrieben:Vielleicht ist auch mein englisch zu schlecht, aber ich bedürfte nich ein paar Erklärungen, bezüglich des starken und schwachen Hedonismus und der Möglichkeit, dass die Egoismus ausschließen und damit Altruismus ausschließlich beweisen würden.

Starker Hedonismus (mein ultimatives Ziel ist immer mein eigenes Wohl und nicht das anderer) schließt Altruismus definitionsgemäß aus. Schwacher Hedonismus (ich tue nie etwas, das mein Wohl zu stark beeinträchtigen würde) ist mit Altruismus vereinbar, denn dann kann das Wohl von Dritten durchaus das ultimative Ziel einer Handlung sein.

Darth Nefarius hat geschrieben:Dann habe ich die vierte Schlussfolgerung (von 8) nich verstanden. Wie soll das möglich sein, ohne Ziel zu handeln?

Dabei geht es um Reflex- oder sonstiges unabsichtliches Verhalten. Ich niese, der Arzt hat mit dem Hämmerchen auf mein Knie, ich stolpere und falle etc. All dieses Verhalten ist laut Definition weder egoistisch noch altruistisch.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die siebte schlussfolgerung war interessant, da sie Befriedigung oder den Nutzen erwähnt, in Kombination mit den ultimativen oder nachrangigen Zielen, wobei mir nicht klar wurde, wie jeweils zugeordnet werden soll, was das ultimative und welches das nachrangige Ziel ist

Das erklärt Batson meiner Ansicht nach ziemlich gut. Was das ultimative Ziel ist, kann man indirekt aus dem Verhalten schließen. Dazu nimmt er das Beispiel von Suzie und Frank. Suzie mag Musik, Frank mag Suzie, Frank hat zwei schwer zu bekommende Konzertkarten für ein Konzert, das Suzie gerne sehen möchte. Suzie macht Frank schöne Augen und Frank fragt sich, warum sie das tut. Ob das wegen ihm ist, weil sie ihn auch mag oder wegen des Konzertes. Angenommen, Suzie findet in ihrer Post zwei Konzertkarten, die ihr ihr Vater geschickt hat. Daraufhin ignoriert sie Frank und geht mit John auf das Konzert. Daraus kann Frank ziemlich zuverlässig schließen, was das ultimative Ziel von Suzie war, als sie ihm schöne Augen gemacht hatte.

Darth Nefarius hat geschrieben:(so wie ich das sehe, kann man das letztlich nur über logische Schlussfolgerung im Zusammenhang mit der Evolution, was immer zum Egoismus führen würde, da es auf die Fitness des einzelnen Wesens ankommt, also auch auf seine Eigenschaften).

Wie sähe eine logische Schlussfolgerung von der Evolution auf eine einzelne Handlung aus?

Darth Nefarius hat geschrieben:Was dann (schon klar, der Altruismus, aber wie begründet)?

Seine These ist, dass es altruistische Handlungen gibt, die von Empathie abhängen, er nennt es die "Empathie-Altruismus-These". Seine Vorgehensweise ist die: er testet die These empirisch anhand von diversen möglichen egoistischen Erklärungen. Wenn sich all diese nicht bewahrheiten, sondern jeweils seine These besser ist, dann bleibt seine These als beste Erklärung übrig.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon fopa » Di 8. Jan 2013, 16:15

Darth Nefarius hat geschrieben:Zum Denken gehört auch Motivation, aber diese ist mindestens das eigene gute Gefühl, eine Triebbefriedigung und die ist immer auf einen selbst bezogen. Für jede Handlung eines Organismus ist die eigene Belohnung wichtig, nicht primär die der anderen.
Das ist schon richtig, aber kann man das dann noch als Egoismus bezeichnen? Wenn ich Schnupfen habe und niesen muss, niese ich aus Egoismus, weil mir das Niesen Erleichterung verschafft? :irre3:

Natürlich treibt den Altruisten irgendetwas zu seinem altruistischen Handeln an. Es kann ein versteckter Egoismus sein ("damit er mir beim Umzug hilft"), muss es aber nicht. Es gibt auch Altruismus ohne Egoismus. Jedenfalls sofern man es nicht als egoistische Triebbefriedigung auslegt, wenn jemand dem Antrieb zum Altruismus (bzw. seinem Gewissen) nachkommt.
Dieser Altruismus bzw. dessen Antrieb ("anonymer Spender") lässt sich, wie dargelegt, sehr wohl evolutionär erklären.

Bei dem ganzen Gerede von der Evolution sollte man auch nicht vergessen, dass sich der Gesamtzustand niemals an einem Optimum befindet. Die allermeisten evolutionären Versuche/Mutationen sind Schüsse in den Ofen. Dazu kommt, dass sich die Rahmenbedingungen auch ständig ändern. Was gestern erfolgreich war, kann morgen zum Scheitern verurteilt sein.
Man kann sich zwar viele Verhaltensweisen plausibel machen, indem man in der evolutionären Geschichte zurückblickt und in diesem extrem komplexen System einen roten Faden zu erkennen meint. Aber es gibt eben auch Verhaltensweisen, die evolutionär keinen Sinn machen oder bei denen man (noch) keinen Sinn erkennen kann.
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