provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:"Familie" ist nicht die problematische Eigenschaft an den Zwölf Stämmen, sondern Kindesmisshandlung. Und Kindesmisshandlern darf man die Kinder nicht nur wegnehmen, sonder ist ethisch geradezu dazu verpflichtet. Es ist eben nicht Kindesentzug "nach Belieben" sondern mit Begründung.
Das war aber nicht das Thema, denn der Zwang zur physischen Anwesenheit im staatlichen Unterrichtsvollzug gilt für alle, auch für diejenigen, für die dieser Aufenthalt absoluter Folter gleichkommt.
Das war aber auch nicht das Thema.

Es ging ursprünglich um den Fall eines Mädchens, wo der Vater, ein sehr christlich-konservativer Mann, dem Mädchen je nach Darstellung erlaubt oder auch sie dazu, sagen wir mal: sehr ermutigt, haben soll, dem Sexualkundeunterricht fern zu bleiben. Im Hinblick auf die Möglichkeiten einer selbstbestimmten, gesund entwickelten Sexualität und die Vermeidung von Teenagerschangerschaften und Zuzug von Geschlechtskrankheiten gehört sexuelle Aufklärung für mich zu einem Grundrecht, das jedem Menschen zugestanden werden sollte. Gegenüber Eltern, die aus Prüderie dem Kind das vorenthalten wollen, hat der Staat durchaus ein begründetes Eingriffsrecht, das natürlich im konkreten Fall am Kindeswohl orientiert sein muss. Schon vor dem Hintergrund verbieten sich meines Erachtens strikte Pauschalisierungen.
provinzler hat geschrieben:So gibt es Schulen in denen Schüler Schutzgelder zahlen, oder schonmal mit Waffen bedroht werden (mal abgesehen von dem von SChulleitern vielfach schon als "normal" und "unvermeidbar" angesehenen exzessiven Mobbing), während die Vollzugsbeamten fest beide Augen zudrücken. Ich nenne das staatlich organisierte Kindsmisshandlung. Aber die Opfer sind in diesem Fall den Aggressoren gegenüber nicht nur hilflos sondern auch absolut rechtlos.
Unter Umständen besteht hier tatsächlich der Tatbestand der Unterlassung und Vernachlässigung. Hierauf gibt es zwei Antworten: Die Schulen entsprechend ausstatten und das Lehrerkollegium weiterbilden, so dass diese Fälle auf ein Minimum reduziert werden. Oder den Schülern die Möglichkeit geben, die Schule zu wechseln oder zuhause beschult zu werden. Ein Wechsel auf eine andere Schule sollte grundsätzlich möglich sein, dem Sprengelzwang stehe ich auch sehr kritisch gegenüber (wobei es schon gesellschaftliche Zustände gibt, wo es sich empfiehlt, etwa in den USA, wo verschiedene soziale Schichten und Rassen häufig gezielt durchmischt werden). Homeschooling würde ich unter strengen Auflagen eventuell zulassen, also bei regelmäßigen standardisierten Tests, die abprüfen, ob das Kind einen angemessenen Wissensstand hat und einem halbjährlichen bis jährlichen Einzelgespräch mit einem Schulpsychologen, der sicherstellt, dass das Homeschooling nicht missbraucht wird, um Kindesmisshandlung zu verdecken (das läge, ganz pragmatisch, übrigens auch im Sinne der Befürworter, denn nach dem ersten größeren Fall von zu spät entdeckter Kindesmisshandlung bei Homeschoolern wird da alles zurückgenommen und das Thema für zwei Generationen in die Schublade gelegt, davon kannst du ausgehen).
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Unter den Akademikern herrscht mehr oder weniger Vollbeschäftigung und die Zahl der Studienabbrecher ist auch nicht sonderlich dramatisch.
Wobei mich interessieren würde, wie das Ergebnis bei manchen Abschluss nach Abzug staatlich geschaffener oder nur aufgrund von Regulierung geschaffener Tätigkeiten aussähe. Gerade Akademiker arbeiten überproportional häufig beim Staat und seinen Außenposten (GEZ, Krankenkassen etc.)
Es arbeiteten im Öffentlichen Dienst 2011 ca. 4,6 Mio. Menschen. Ich habe keine Ahnung, wie viele davon Akademiker sind, aber so oder so ist es keine besonders extreme Quote, mit und ohne Akademiker. 2011/12 gab es 670.000 Lehrkräfte, ebenfalls nicht wenig, ebenfalls aber auch nicht die Welt.
Was ich überraschend fand, ist, dass 1991 noch 6,7 Mio. Menschen im Öffentlichen Dienst arbeiteten. Das widerspricht relativ klar deiner These vom sich immer weiter ausbreitenden Moloch Staat.
provinzler hat geschrieben:Wer den Angestellten bezahlt sollte auch zu entscheiden hab, wen er einstellen will und nicht irgendein hauptamtlicher Parasit, der von Schutzgeldern lebt.
Genauso sollte jemand, der arbeitswillig ist und brauchbare Fähigkeiten besitzt nicht aufgrund von Vorurteilen keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Personaler sind eben nicht nur Individuen, sondern auch Angehörige einer sie prägenden Unternehmenskultur, in der häufig alles, was nicht ins Schema F passt, aussortiert wird, weil es ja anstrengend sein könnte. Ich kann nicht sehen, warum ein Personaler das Recht haben sollte, einen Bewerber aufgrund der Hautfarbe abzulehnen.
stine hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Ich bekenne mich zur Freiheit der Lebensgestaltung, aber auch zum Grundsatz des Liberalismus des Schadloshaltens Dritter. Wer seine Kinder misshandelt, verbaut ihnen Lebenswege, und wer sie in antiaufklärerisch indoktriniert und nicht mit den Spielregeln der Mehrheitsgesellschaft vertraut macht, tut dasselbe.
Diese Aussage ist sehr eindeutig zweideutig. Denkst du, dass staatliche Erziehung weniger indoktriniert und wer bestimmt nach deiner Meinung die Spielregeln in der Gesellschaft?
Die Diskursgemeinschaft, also wir alle. Das, was wir hier gerade im Forum tun, ist so ein Aushandlungsprozess, aber natürlich ist auch das Verhalten gegenüber der Bäckerin am Morgen ein Aushandeln von Alltagskultur.
Jede Form von Erziehung ist natürlich am Ende eine von außen aufgedrückte Prägung des Kindes. Ich halte es aber für einen großen Fehler, das mit einer kulturrelativistischen Ansicht zu verbinden und zu behaupten, es wäre unentscheidbar, ob einer von zwei Erziehungsstilen besser als der andere ist. Eine gute Erziehung bekommt Gesellschaftsfähigkeit (soziale Fähigkeiten, Spielregeln der eigenen Kultur kennen, das Gemeinwesen aktiv mitgestalten) und individuelle Entwicklung (Selbstwertgefühl entwickeln, eigene Wege beschreiten, Selbstwirksamkeit erfahren, Grenzen zwischen sich und der Umwelt erkennen, achten und selbst setzen können) möglichst konfliktarm unter einen Hut. Meines Erachtens ist die Schule ein zentraler Ort, an dem wichtige Kompetenzen vermittelt werden
können, um in der Gesellschaft gut klarzukommen, vor allem in Form formalen Wissens, aber natürlich versagen Lehrer genauso wie Eltern. Das aber zu verallgemeinern und zu emotionalisieren und den Staat als großen Indoktrinierer hinzustellen ist genauso wenig sinnvoll, wie "die Eltern" pauschal als solche zu bezeichnen. Es gibt solche und solche. Aus der Tatsache, dass etwa 20% der Eltern ihre Kinder überbehüten und etwa 20% ihre Kinder vernachlässigen, kann man nicht schließen, dass 100% der Eltern irre Ideologen sind, die ihre Kinder abrichten. Und genausowenig kann man aus partiellem Versagen von Schulen und Lehrkräften schließen, dass das Bildungssystem als solches illegitim oder ungeeignet ist.
stine hat geschrieben:Und wo bleibt am Ende die Freiheit zur Lebensgestaltung noch?
Weil Kinder binomische Formeln, die Beziehung von Subjekt und Prädikat und die Funktionsweise des Bundestags lernen müssen, sind sie eingeschränkt in ihrer Lebensgestaltung? Ach bitte... du hast genug Freiheiten übrig, deine Kinder neben der Schule zu prägen, im Guten wie im Schlechten. Und dass man im Leben nicht immer alles selbst entscheiden kann, gehört zum Leben und ist nicht immer und grundlegend Schuld des Staates.