Mich überrascht dieses Urteil. Ich habe erst vor ein paar Wochen gelernt, daß bundesdeutsches Arbeitsrecht in weiten Teilen
nicht für kirchlich getragene Einrichtungen gilt. Das ergibt sich aus der in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 III S.1 WRV garantierten Kirchenautonomie.
Zwar steht die Kirchenautonomie gem. Art. 137 III WRV unter dem Vorbehalt des "für alle geltenden Gesetzes", allerdings bedeutet dies nicht, daß die staatlichen Regelungen in jedem Fall vorgehen. Im Gegenteil: Erst, wenn sich ein kirchlicher Arbeitgeber in "Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung" setzt, kann ein bundesdeutsches Gericht eingreifen.
Hier scheint dies jedoch nicht der Fall zu sein. Folgt man der Lager-Theorie (die als absolut herrschende Meinung anerkannt ist), so kann es im Arbeitsleben Situationen geben, in denen ein Arbeitgeber einen Bewerber aufgrund dessen politischen oder weltanschaulichen Ansichten ablehnen darf. Und zwar dann, wenn er aufgrund dieser Ansichten zumindest daran zweifeln kann, daß der Bewerber die aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Loyalitätspflichten erfüllen wird/kann. Dies ist m.E. auch im AGG so vorgesehen.
Das gilt natürlich nur für
spezielle Arbeitgeber und unter
ganz bestimmten Umständen. Ein extremes Beispiel ist die NPD-Funktionärin, die sich bei der SPD als Chefsekretärin bewirbt oder der PDS-Mann, der bei der CSU in der PR-Abteilung arbeiten will.
Für religiöse Einrichtungen gilt diesbezüglich: Je eher ein Arbeitnehmer in der entsprechenden Funktion von Dritten mit der Kirche (und deren Glaubens- und Sittenlehre)
identifiziert wird, desto eher darf er aufgrund seiner Weltanschauung
abgelehnt werden. Wann dies der Fall ist darf aber wegen der Kirchenautonomie
nicht durch ein bundesdeutsches Gericht entschieden werden. Die Gerichte müssen sich dabei nach dem
kirchlichen Selbstverständnis richten.
Soviel zur Rechtslage. Bin gespannt auf die Begründung des Urteils. Ich vermute, daß das Gericht annahm, daß die Möglichkeit einer Verletzung von Loyalitätspflichten aufgrund der Tätigkeit in einem Integrationsbüro (darum ging's doch, oder?) nicht anzunahmen sei. Allerdings hätte es das warscheinlich gar nicht bewerten dürfen (s.o.).
Natürlich ist diese Regelung Scheiße. Aber um die Kirchenautonomie zu kippen, müßte man das Grundgesetz ändern und darüber hinaus auch noch den Konkordatsvertrag mit dem Vatikan kündigen. Das werden wir wohl nicht mahr erleben