Religiöse Relikte?

Religiöse Relikte?

Beitragvon stine » Do 13. Mär 2008, 11:57

Ist Inzest ein religiöses Tabu seit Martin Luther oder hat es eine soziale und gesellschaftliche Relevanz?

Innerhalb von Adelsfamilien oder in abgelegenen Bergdörfern waren Ehen unter Verwandten immer schon üblich. Einige Ergebnisse dürften hinlänglich bekannt sein.
Aber inzwischen gibt es viele Kinder, die durch Samenspenden gezeugt wurden. Sie wissen alle nicht, ob sie nicht mal später auf Halbgeschwister treffen und sich ineinander verlieben. Ganz zu schweigen von den vielen unehelich gezeugten Kindern, von denen der Vater auch nichts weiß oder die Geschwister nichts wissen.
Oft zieht sich ja gerade das Ähnliche an. Sind doch oft bei glücklichen Paaren die gleichen Gesichtsmerkmale besonders auffällig.

Braucht es also einen Inzestparagraphen oder kommt unter "normalen" Menschen so etwas ohnehin nicht vor?

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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 13. Mär 2008, 12:32

Vom biologischen her ist einmaliger Inzest eher nicht so schlimm, schließlich hat man ja einen doppelten Chromosomensatz (bis auf den Mann mit dem X-/Y-Chromosom), also wird schon mal höchst unwahrscheinlich der gleiche Chromosomensatz weitergegeben. Und defekte Gene werden meist durch das nicht defekte "Zweit"-Gen ersetzt. Nur lange anhaltende Inzuchtlinie führen zu u.U. deutlichen "Merkmalen". Auch die hohe Bluterneigung des Hochadels fällt eher unter "Pech gehabt", vom Züchterischen her kann man da eigentlich nicht von Inzucht sprechen, nur von schlechter Auswahl. Bei Zuchtlinien bei der Tierzucht wird noch viel mehr "Inzucht" betrieben (und dies regelmäßig und geplant), allerdings würde da meist ein krankes Exemplar (z.B. "Bluter") ausgesondert werden.
Übrigens soll es olfaktorische Gründe (in den Bereich der Pheromone gehend) geben, warum sich Geschwister i.A. sexuell nicht so anziehend finden.
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon ostfriese » Do 13. Mär 2008, 13:24

stine hat geschrieben:Braucht es also einen Inzestparagraphen ... ?

Na klar. Als erstes wird die IVF verboten. Danach wird verfügt, dass Fortpflanzungserfolge zwischen Menschen und Schafen beim Einwohnermeldeamt anzuzeigen sind. Und desweiteren darf nur noch mit dem Segen eines Priesters gezeugt werden. In begründeten Ausnahmefällen kann selbiger davon absehen, während des gesamten Aktes im Kronleuchter über dem Bett zu schaukeln.

Sonst noch Fragen?
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon stine » Do 13. Mär 2008, 14:08

Sehr komisch, ostfriese.
Ich hätte wissen müssen, dass Menschen mit naturalistischem Weltbild hierzu keine Meinung haben können.
Es evolutioniert sich eh alles von selber, gell?

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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon Ari » Do 13. Mär 2008, 15:49

Ich hätte wissen müssen, dass Menschen mit naturalistischem Weltbild hierzu keine Meinung haben können.
Es evolutioniert sich eh alles von selber, gell?

Was ist das für eine arrogante und total unüberlegte Aussage? Nur weil Ostfriese (mit dem du dich ja an mehreren Stellen im Moment zankst) eine lakonische, ironische und vielleicht auch etwas polemische Antwort gibt können "Menschen mit naturalistischem Weltbild" keine Meinung dazu haben?
Können dann Christen keine Meinung zur Wissenschaft in irgendwelcher Form haben, weil sie schließlich an wissenschaftlich nicht erklärbare, angebliche Wunder glauben?

Also Meinung:
Also Inzucht kommt für mich nicht in Frage. Nur damit hier keiner mir die Worte im Mund rumdreht mal angemerkt. Aber ich finde, dass zwei erwachsene Menschen (es gibt ja eben diesne Fall der nun vor dem BVerfG ist) im vollbesitz ihrer geistigen Kräfte mit einander Sex haben können wenn sie das wollen. Das geht den Gesetzgeber doch nichts an.
Nun zur Frage ob sie dabei auch Kinder haben dürfen (siehe den aktuellen Fall, da ist es auch so). Wer sich einschlägige Artikel (Spiegel und Zeit hab ich z.b. gelesen) anschaut, wird oft darauf hingewiesen, dass (wie 1von1,6M schon sagte) die Wissnschaft mittlerweile nicht mehr wie früher sagt Inzucht = Dumme Kinder. Also warum soll man Menschen es nicht erlauben? Wir sind doch (noch) kein Überwachungs und Geburtenkontrollierstaat!
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 13. Mär 2008, 16:11

Ari hat geschrieben:Was ist das für eine arrogante und total unüberlegte Aussage?
Arroganz sehe ich da zwar nicht drin, eher Verärgerung, aber unüberlegt mag sein.
Bitte einfach keine persönlichen Angriffe - mache ich ja selber auch nieemals (Ironiedektoren dürfen erst nach dem Gedankenstrich anschlagen!).
Gilt für alle, bitte!

Im Prinzip brauchen wir m.E. kein extriges Gesetz.
Erwachsene Geschwister, naja. Aber sie wären beide erwachsen, deshalb ginge es den Staat nichts an.
Ein Teil Minderjährig => Dafür (i.S.v. dagegen) gibt es schon ein anderes allgemeines Gesetz. (und siehe unten => abhängige Person, wenn dies zutrifft)
Elternteil mit Kind. Wenn Kind noch nicht volljährig, s.o. und - sowie wenn Kind volljährig - es gibt das Verbot eine Beziehung mit abhängigen Personen einzugehen. (Ostfriese dürfte auch nicht mit volljähriger Schülerin von ihm)
Ist das erwachsene Kind nicht abhängig (mag ein Gericht zur Not feststellen), dann wäre es zwar auch nicht mein Idealbild, aber zwei Erwachsene im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte dürften.
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon ostfriese » Do 13. Mär 2008, 16:51

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Im Prinzip brauchen wir m.E. kein extriges Gesetz.

So vorsichtig hätte ich das natürlich auch formulieren können: "im Prinzip" und "meines Erachtens".

Aber meine Antwort hat mir mehr Spaß gemacht. ;D
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon stine » Do 13. Mär 2008, 17:45

Aus religiöser Sicht ist die sexuelle Verbindung innerhalb der engsten Familie eine Sünde.
Dass der Gesetzgeber das genau so sieht, liegt sicher im religiösen Ursprung begründet, denn gesundheitliche Bedenken wären nicht einzuräumen, allenfalls würde sich das Immunsystem spezifizieren, da erblich bedingt keine neuen Abwehrmechanismen dazu kämen. Starke Gene würden sich doppelt durchsetzen, da die genetische Veranlagung diesselbe wäre.

Das Inzestgesetz ist sozusagen eine religiöse Regel per Gesetz verordnet.

Und übrigens arrogant und unüberlegt bin ich hier sicher nicht, dazu seid ihr mir hier alle schon zu sehr ans Herz gewachsen. Bild

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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon Twilight » Do 13. Mär 2008, 20:36

Inwieweit sich Inzest, bzw, Inzucht allgemein negativ auf den Menschen auswirkt, weiß ich nicht.
Allerdings habe ich shon seit einiger Zeit ein Aquarium mit Guppies - eine sehr bekannte Zierfischart mit hoher Reproduktionsrate.

Normalerweise ist die Population von etwa 50 bis 60 Tieren gesund und stabil. Wenn ich da aber nicht alle zwei-drei Jahre etwas "Frischfleisch" aus dem Zooladen zuführe, häufen sich deutlich das Auftreten von deformierten Wirbelsäulen oder der plötzliche Verlust von Schuppen. (Hervorgerufen durch bakterielle Infektionen und wahrscheinlich ermöglicht durch geschwächtes Immunsystem).

Da sich Menschen nicht in einem Solchen Mikro-Ökosystem bewegen, sind Auswirkungen wohl nicht ganz so drastisch.
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon HF******* » Fr 14. Mär 2008, 16:41

@Twilight: Ich halte meinen Guppystamm seit ca. 2001 ohne Frischblut. Allerdinsg stammten die Ausgangstiere auch aus verscheidenen Richtungen. Zudem ist die Variabilitätsbreite innerhalb der Guppys mit den wenigsten Tierarten zu vergleichen (unterstelle ich jetzt mal). Bei stärkerer Inzucht züchtet man sich ganz schnell Anfälligkeiten heran... Hol Dir mal einen sogenannten "Hochzuchtstamm", da liegen plötzlich ganz andere Ansprüche vor.

@Stine: Ich denke, dass der Inzestparagraph keine religiösen, sondern ganz praktische Gründe hatte.
@1von6,5 Milliarden: Um wie viel ist denn nun die Wahrscheinlichkeit der Geburt behinderter Kinder erhöht bei der Fortpflanzung unter Geschwistern? Ich kenne zwar keine Zahlen, aber das dürfte nicht ganz unerheblich sein.

Jüngst lief wieder ein Fall eines Geschwisterpaares durch die Presse: Wie es aussieht, muss er jetzt einsitzen. Die beiden haben 3 Kinder, 2 davon sind behindert (die Eltern sind "ansonsten" wohl gesund)!
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon HF******* » Fr 14. Mär 2008, 16:53

Es heißt im neuen Urteil des Bundesverfassungsgerichts:
"Erhöhtes Risiko schwerwiegender genetischer Schäden" bei Inzucht.

vgl.:
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/17/ ... 25,00.html

Ich denke, man kann sagen, dass hier die Eltern verantwortlich dafür sind, dass behinderte Kinder zur Welt gekommen sind.

Ich korrigiere: Die beiden haben 4 Kinder, zwei davon sind behindert, die Mutter war zumindest leicht zurück geblieben, was auch immer das heißen mag.

Über Verfassungsrichter Hassemer fallen mir nur bösteste Worte ein:
Der Vizepräsident des Gerichts, Winfried Hassemer, stimmte gegen die Entscheidung seiner sieben Kollegen. Die Berücksichtigung "eugenischer Gesichtspunkte" - also des Risikos von Genschäden - sei von vornherein verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Auch der Schutz der Familie werde mit der Norm nicht erreicht. "Es spricht viel dafür, dass die Vorschrift in der bestehenden Fassung lediglich Moralvorstellungen, nicht aber ein konkretes Rechtsgut im Auge hat."

:explodieren: Soll in Konsequenz heißen: Der Staat darf nach Hassemers Meinung die Zeugung behinderter Kinder nicht verhindern.
Zuletzt geändert von HF******* am Fr 14. Mär 2008, 17:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon HF******* » Fr 14. Mär 2008, 17:09

ZDF Modrator Bernhard Töpper bringt eine Begnadigung ins Gespräch, weil die Geschwister sich erst im höheren Alter kennengelernt hätten:
Der konkrete Fall ist freilich sehr traurig und tragisch. Die beiden Geschwister wuchsen getrennt auf, weil der Junge adoptiert wurde. Sie lernten sich erst kurz vor dem plötzlichen Tod ihrer Mutter kennen. Es ist zu überlegen, ob hier nicht eine Begnadigung infrage kommt, damit die Kinder, die aus dieser Beziehung entstanden sind, ihren Vater nicht im Gefängnis besuchen müssen.


Eines vorweg:
Wenn die beiden im Zeitpunkt des ungeschützen Geschlechtsverkehrs nicht gewusst hätten, dass sie blutsverwandte Geschwister sind, dann wären sie mangels Vorsatzes auch nicht verurteilt worden. An der Zeugung zweier Behinderter Kinder unter Inkaufnahme nicht unerheblicher schwerer Genschäden ändert das allerdings rein gar nichts.

Das Argument, dass die Kinder ja jetzt ihren Vater nicht so oft sehen könnten, weil der ja nun wieder ins Gefängnis müsse, kann man zudem auf jeden Familienvater anwenden, der im Gefängnis sitzt....
Allein schon wegen der extremen Uneinsichtigkeit kann man den nicht begnadigen. Der kommt raus und zeugt wohlmöglich gleich das nächste behinderte Kind. Im interview meinte er, er habe ja nichts verbotenes getan...
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon Klaus » Fr 14. Mär 2008, 17:18

:explodieren: Soll in Konsequenz heißen: Der Staat darf nach Hassemers Meinung die Zeugung behinderter Kinder nicht verhindern.

Sehe ich genauso, wieviele blaublütige Kretins rennen denn in Deutschland herum und die dürfen sich bei gut gefülltem Zuchtbuch auch noch vermehren.
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon HF******* » Fr 14. Mär 2008, 17:35

@Klaus: Ganz so meinte ich das nicht. Es besteht bei Geschwistern eine konkret nachweisbare erhöhte Gefahr. Das Bundesverfassungsgericht schreibt in seiner Begründung hierzu (Hervorhebungen von mir):
http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 39207.html
BVerfGE 2 BvR 392/07:
cc) Der Gesetzgeber hat sich zusätzlich auf eugenische Gesichtspunkte gestützt und ist davon ausgegangen, dass bei Kindern, die aus einer inzestuösen Beziehung erwachsen, wegen der erhöhten Möglichkeit der Summierung rezessiver Erbanlagen die Gefahr erblicher Schädigungen nicht ausgeschlossen werden könne (vgl. BTDrucks VI/1552, S. 14; BTDrucks VI/3521, S. 17 f.). Die dagegen im strafrechtlichen Schrifttum wegen fehlender empirischer Validität dieser Begründung gerichteten Einwände (vgl. Roxin, a.a.O., S. 27; Dippel, a.a.O., Rn. 12; Ritscher, in: Münchener Kommentar, StGB, 2005, § 173 Rn. 3; Ellbogen, ZRP 2006, S. 190 <191>; Klöpper, Das Verhältnis von § 173 StGB zu Art. 6 Abs. 1 GG, 1995, S. 103 m.w.N.; Hörnle, a.a.O., S. 456; Stratenwerth, in: Festschrift für Hans Hinderling 1976, S. 303; Jung, a.a.O., S. 313 f. m.w.N.) greifen nicht durch. Im medizinischen und anthropologischen Schrifttum wird auf die besondere Gefahr des Entstehens von Erbschäden hingewiesen (vgl. Szibor, Rechtsmedizin, 2004, S. 387 ff. m.w.N.; Staudacher, a.a.O., S. 152 f.) und teilweise angenommen, diese sei bei Verbindungen zwischen Bruder und Schwester noch gravierender als bei Verbindungen zwischen Vater und Tochter (vgl. Staudacher, a.a.O., S. 153). Diese Erkenntnisse werden durch empirische Studien, von denen das im Auftrag des Senats erstellte Gutachten des Max-Planck-Instituts berichtet, gestützt. Vor diesem Hintergrund kann das strafbewehrte Inzestverbot auch unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Erbschäden nicht als irrational angesehen werden (vgl. Schubarth, in: Festschrift für Gerald Grünwald 1999, S. 641 ff. mit Hinweis auf Untersuchungen von Eibl-Eibesfeld, Wickler und Bischof). Die ergänzende Heranziehung dieses Gesichtspunktes zur Rechtfertigung der Strafbarkeit des Inzests ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil er historisch für die Entrechtung von Menschen mit Erbkrankheiten und Behinderungen missbraucht worden ist.


Sehr schön auch die Hervorhebung, dass der geschichtliche Missbrauch keinen Einfluss hat auf die heutige Wirksamkeit der Gesetze! Abenteuerlich allerdings, dass die Ergebnisse der Studien nicht wiedergegeben werden. Wie hoch ist denn nun die Gefahr?

(Anmerkung: Bundesverfassungsgerichtsurteile dürfen zitiert werden, auch in größeren Abschnitten).
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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon stine » Fr 14. Mär 2008, 18:15

HFRudolph hat geschrieben:Wie hoch ist denn nun die Gefahr?

"Züchter können nicht selten beobachten, dass im genetischen Sinne reinerbige Lebewesen geringere Vitalität und Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten aufweisen, da die genetische Information in beiden Chromosomensätzen gleich ist und dadurch weniger unterschiedliche Gene vorhanden sind (umgekehrter Heterosis-Effekt). Andererseits besteht Züchtung gerade darin, die positive Seite von Inzucht zu nutzen, indem gezielte Inzucht mit Selektion der geeigneten Typen verbunden wird."

Im aktuellen Fall ist die Behinderung der Mutter vermutlich auch im Vater angelegt, aber durch andere Gene untergeordnet, latent vorhanden, hat vielleicht eine Genaration übersprungen. Durch die Doppelung ist die Wahrscheinlichkeit der Vererbung natürlich sehr groß. Wäre die Mutter "normal" und der Vater auch, so könnten sie vermutlich viele gesunde Kinder haben.

"Inzucht führt dazu, dass immer mehr Genloci bzw. Allele homozygot (reinerbig) werden, also in beiden Chromosomensätzen gleich vorhanden sind. Gemäß den mendelschen Regeln erscheinen durch Inzucht insbesondere auch rezessive Gene des Genotyps im Phänotyp. Folge der Inzucht ist damit die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des homozygoten Auftretens von Extremen in beiden Richtungen, also sowohl möglicher krankhafter als auch besonders leistungsfähiger Genkombinationen."

Warum in Herrscherhäusern bestimmte Erbkrankheiten immer wieder auftauchen:
Durch die Heiratspolitik der europäischen Könighäuser kam es hier vermehrt zur Inzucht. So hatte Karl II. von Spanien nur 10 verschiedene Vorfahren in der 5. Generation, wobei 32 verschiedenen Vorfahren normal wären.
Warum war und ist das erlaubt?

Andererseits wird bei der Tier- und Pflanzenzucht genau aus diesem Grund die Inzucht betrieben, weil man sich durch eine Verstärkung der "guten" Gene erfolgversprechende Ergebnisse erhofft.

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Re: Religiöse Relikte?

Beitragvon emporda » Fr 14. Mär 2008, 18:47

stine hat geschrieben:Ist Inzest ein religiöses Tabu seit Martin Luther oder hat es eine soziale und gesellschaftliche Relevanz?

Innerhalb von Adelsfamilien oder in abgelegenen Bergdörfern waren Ehen unter Verwandten immer schon üblich. Einige Ergebnisse dürften hinlänglich bekannt sein.
Aber inzwischen gibt es viele Kinder, die durch Samenspenden gezeugt wurden. Sie wissen alle nicht, ob sie nicht mal später auf Halbgeschwister treffen und sich ineinander verlieben. Ganz zu schweigen von den vielen unehelich gezeugten Kindern, von denen der Vater auch nichts weiß oder die Geschwister nichts wissen.
Oft zieht sich ja gerade das Ähnliche an. Sind doch oft bei glücklichen Paaren die gleichen Gesichtsmerkmale besonders auffällig.

Braucht es also einen Inzestparagraphen oder kommt unter "normalen" Menschen so etwas ohnehin nicht vor?

Unter den Naturvölkern hat es entsprechende Riten und Verhaltensnormen gegeben, lange bevor es einen Monotheismus gab. Selbst Primatenhorden haben solche Verhaltensweisen, man kann sie als angeborenen Instinkt bezeichnen.

Wenn es um Machterhalt ging, dann war das der herrschenden Klasse sch...egal. Die Ptolomäer mit ihren 14 Herrschern bis zu Kleopatra sind ein klassisches Beispiel sowohl für Inzestkrankheiten als auch für Mord unter Familienangehörigen.

Da aber vbeonders religiöse Menschen überzeugt sind alles besser zu wissen, wird es nicht ohne einen Inzest-Pargraphen gehen, genau so wenig wie es nicht ohne einen Mord-Parapgraphen geht. Letztendlich kommt die wohl größte Gefahr nicht aus gewollten Beziehungen, sondern aus dem Mißbrauch von Schutzbefohlenen oder unter Geschwistern.
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