Linux Bug hat geschrieben:D.h. ich kann jeder beliebigen Person der Zeitgeschichte vorwerfen*, irgendwas getan zu haben, auch wenn es sicherlich schon verjährt ist und auch kein Gericht verfolgen würde …
Du widersprichst Dir selbst, wenn Du mir vorwirfst, ich habe irrtümlich Deinen Schuldbegriff auf moralischer und nicht strafrechtlicher Ebene verstanden, wenn Du gleichzeitig aber von Vorwerfbarkeit jenseits des Strafrechts sprichst.
Der juristische Schuldbegriff im Sinne der Vorwerfbarkeit bezieht sich einerseits auf das Nichtvorhandensein von Schuldausschlussgründen und andererseits auf die Bemessung des Strafmaßes im vorgegebenen Strafrahmen. Der strafrechtliche Schuldbegriff ist im Ergebnis die Zusammenfassung des gessellschaftlichen Straferfordernisses. Ein komplett Geisteskranker ist deshalb schuldunfähig, weil es für eine Strafe gegen ihn keinen sinnvollen Zweck erfüllen kann.
Ich denke, dass ich Dich schon richtig verstanden habe, dass Du von Schuld jenseits des Strafrechts ausgehst. Das ist zwar juristischer Mainstream, meistens allerdings weltanschaulich-religiös motiviert. Die meisten Juristen sind aus religiösen Gründen nicht in der Lage, Recht komplett utilitaristisch zu reduzieren.
Wenn Du darauf hinaus wolltest, dass Du zum sonstigen Vorwurf berechtigt bist, dass Du etwa jemandem eine verjährte Tat vorwerfen kannst, die bereits verjährt ist, z. B. einen Betrüger einen Betrüger
zu nennen, dann bewegst Du Dich auf dünnem Eis, weil das nicht wirklich mit dem Rehabilitierungsgedanken und der Verjährung vereinbar ist, die gerade einen Rechtsfrieden herstellen soll.
Wenn also Christian Klar vorbei geht und Du rufst: „Da ist ja wieder der Mörder!“, dann könnte man durchaus darüber nachdenken, ob das eine strafbare Beleidigung ist - weil es der Diffamierung dient - oder ob es eine legitime Tatsachenbehauptung ist. Und dementsprechend wäre wohl eine verjährte Tat einer Straftat nach verbüßter Strafe gleich zu stellen - das ist meine Meinung , auch das sieht die Justiz möglicherweise ganz anders.
Du kannst jemandem vorwerfen, die falsche Partei gewählt zu haben oder ein häßliches Auto zu fahren. Diese Art von Vorwerfbarkeit hat aber mit dem strafrechtlichen Schuldbegriff wenig zu tun, auf den Du ja nun doch hinaus wolltest, wenn ich Dich richtig verstehe… auf der Ebene bewegt sich der moralische „Vorwurf“ einer verjährten Tat.