Seite 1 von 7

Vegetarismus

BeitragVerfasst: Mo 15. Jun 2009, 21:16
von pinkwoolf
Im Themenschwerpunkt Gesellschaft & Politik wurde gerade die Frage aufgeworfen, was Peter Singer über die Asylpolitik zu sagen hat.

Ohne zu wissen, ob es sich um denselben Peter Singer handelt, bin ich gerade über ein Interview von Richard Dawkins mit einem Peter Singer gestolpert, in dem es um die moralische Vertretbarkeit des Fleischverzehrs geht. Meine Ohren entwickelten sich zu schmerzhaften Auswüchsen an der Seite des Kopfes.

http://www.youtube.com/watch?v=GYYNY2oKVWU

So - zu recht - erbarmungslos Dawkins mit gottgläubigen Wirrköpfen ins Gericht geht, so milde erweist er sich offenbar bei Wirrköpfen, die die Evolutionstheorie irgendwie in ihr Weltbild mit einbauen (meines Erachtens fundamental fehlerhaft) und auf Gott verzichten. Immerhin bekennt Dawkins noch kleinlaut, dass er selber gern Fleisch isst.

Dieser Peter Singer vertritt die Ansicht, dass die Bereitschaft Fleisch zu verzehren menschlichem speciecism zuzuschreiben sei, d.h. der Überzeugung, dass Menschen allen anderen Spezies überlegen sind. Sozusagen eine Parallele zu einer Form von racism, die den Kannibalismus hoffähig machen würde, solange man sich auf den Verzehr minderwertiger Rassen beschränkte.

Das halte ich für gefährlichen Unsinn.

Falls sich die Gelegenheit ergibt, werde ich mich zu diesem Thema noch weiter bzw. näher auslassen.

:explodieren:

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Mo 15. Jun 2009, 23:52
von Mark
der aus dem Interview ist ein Aussi Philosoph der heute in den Staaten lehrt :
http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Singer

Mit wem dachtest Du ihn zu verwechseln ? Mit einem Neurologen gleichen Nachnamens ? (der hiess aber Wolf Singer)

Ich kann auch nicht nachvollziehen wieso manche Menschen Tieren Rechte zugestehen wollen, die heutzutage noch längst nicht global für alle Menschen ermöglicht werden (können).
Im Humanismus ist nunmal nur Platz für menschliche Bedürfnisse, und das menschliche Bedürfnis nach Emphatie und infolgedessen das induzierte Mitleid zu wahrgenommenen Leid haben dort natürlich Platz. Aber das kann höchstens Kompromisse begründen aber sicherlich keinen ethisch konsistent begründbaren Verzicht auf Fleisch. Die Folgen wären unabsehbar und würden im Zuge dann immer weitere Inkonsequenzen nötig machen.
Die Fleischindustrie als ganzes muss besser reglementiert werden, gute Qualität und angemessener Preis stellen sich eben leider praktisch nie gemeinsam ein. Wir sollten weniger Fleisch essen, aber Fleischverzicht ? Wir sind Menschen. Menschen sind Fleisch-/Allesfresser. Die Rechte der Tiere entstehen doch erst durch menschliche Reflektion. Und wenn man für die eigene Empathie keine Grenzen setzt (Artgrenzen... Empfindungsfähigkeit vergleichbar mit menschlichem ?) dann muss man künftig aufpassen wohin man tritt.

Und freilich halte ich mich als Mensch für was besseres und wichtigeres als jedes (einzelne) Tier. In den meisten Ländern fällt eine entgegenlaufende Argumentation auch unters Strafrecht (Beleidigung).

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 00:29
von Sabrist
Es ist für diejenigen Tierarten, deren Fleisch uns schmeckt, von Vorteil, dass sie "lecker sind".
Denn dadurch ist gewährleistet, dass der Mensch diese Tierarten züchtet und somit die Art am Leben erhält.
Tatsächlich kann ich nicht ausschließen, dass Hühner, Schweine oder Rinder möglicherweise längst ausgestorben bzw ausgerottet wären, wenn sie nicht so gut und lecker zum Verzehr geeignet wären.
Ist also so eine Art Symbiose: wir essen die Individuen, erhalten jedoch die Art. Haben Zuchttiere und Mensch beide was von.
Unethisch ist daran gar nichts.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 01:08
von Mark
Sabrist hat geschrieben:Unethisch ist daran gar nichts.


man kann sogar noch weiter gehen und sagen es wäre schlichtweg unethisch sich mehr mit den angeblichen Rechten der Tiere zu beschäftigen als mit den Rechten aller Menschen. Aber da schützt die Tieraktivisten ja ihre persönliche Freiheit. Allerdings auch nur die. Soll doch jeder nach seiner Facon glücklich werden. Das geht aber eben nicht über das Unglück anderer Menschen. Schon allein die Arroganz bei den Fabulierungen über Tierrechte ausser Sicht zu lassen, daß es Flecken auf der Welt gibt, wo die Menschen sich schon fast gegenseitig auffressen müssen wenn sie nicht verhungern wollen ! Sag mal einem Buschmann Tiere essen wäre unethisch ! Oder einem Mongolen es wäre Sklaverei die Pferde als Reittiere zu unterjochen.. Oder noch besser : einem Inuit er solle lieber Weizenkleie essen als Robbenspeck. Ich glaube da würde sich dann wieder der internationale Charakter des menschlichen Humors zeigen..

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 01:44
von folgsam
Sabrist hat geschrieben:Es ist für diejenigen Tierarten, deren Fleisch uns schmeckt, von Vorteil, dass sie "lecker sind".


Nennt man auch künstliche Selektion, wobei Geschmack eher eine untergeordnete Rolle spielen dürfte bei den meisten Nutztieren.


Sabrist hat geschrieben:Denn dadurch ist gewährleistet, dass der Mensch diese Tierarten züchtet und somit die Art am Leben erhält.

Würde es das Huhn kümmern, wäre es das letzte seiner Art? Nein, wohl nicht. "Arterhaltung" ist ein sehr metaphysischer Begriff, ohne Verbindung zu wirkenden Evolutionsmechanismen.
Es geht Singer darum, dass bestimmte Tierarten Leiden erfahren können. Damit begründet er, dass eine quälerische Aufzucht, Haltung und Ermordung dieser Tiere unethisch ist.

Sabrist hat geschrieben:Tatsächlich kann ich nicht ausschließen, dass Hühner, Schweine oder Rinder möglicherweise längst ausgestorben bzw ausgerottet wären, wenn sie nicht so gut und lecker zum Verzehr geeignet wären.


Vielleicht gäbe es keine Auerochsen mehr. Die gibt es jetzt auch kaum noch. Dein Argument?

Sabrist hat geschrieben:Ist also so eine Art Symbiose: wir essen die Individuen, erhalten jedoch die Art. Haben Zuchttiere und Mensch beide was von.


Was hat das Huhn davon sein ganzes Leben in einer Legebatterie eingesperrt zu sein?

Sabrist hat geschrieben:Unethisch ist daran gar nichts.


Wenn man davon ausgeht, dass Tiere in unterschiedlichen Abstufungen dazu in der Lage sind Leid zu empfinden, dann ist es zutiefst unethisch dies zu ignorieren und fortgesetztes Leid einfach aus niederen Beweggründen (Töten der Tiere ohne Not, widrige Haltungsbedingungen zur Profitmaximierung, etc...) heraus zu tolerieren.


Ich esse gerne und viel Fleisch, bin mir jedoch sehr darüber im klaren dass ich mich unethisch Verhalte. Könnte ich sicher sein, dass das zu meiner Bratwurst zugehörige Schwein ein Leben ohne größere Leiden gelebt hat um dann schmerzlos getötet worden zu sein, dann könnte man, je nach Entwicklungsstand des Tieres, darüber diskutieren wie unethisch das essen der Bratwurst ist. Da mir jedoch so gut wie immer die näheren Umstände unbekannt sind, gehe ich davon aus dass ich mit jedem Erwerb von Tierprodukten unethisch handele.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 01:54
von folgsam
Mark hat geschrieben:man kann sogar noch weiter gehen und sagen es wäre schlichtweg unethisch sich mehr mit den angeblichen Rechten der Tiere zu beschäftigen als mit den Rechten aller Menschen. Aber da schützt die Tieraktivisten ja ihre persönliche Freiheit. Allerdings auch nur die. Soll doch jeder nach seiner Facon glücklich werden. Das geht aber eben nicht über das Unglück anderer Menschen. Schon allein die Arroganz bei den Fabulierungen über Tierrechte ausser Sicht zu lassen, daß es Flecken auf der Welt gibt, wo die Menschen sich schon fast gegenseitig auffressen müssen wenn sie nicht verhungern wollen ! Sag mal einem Buschmann Tiere essen wäre unethisch ! Oder einem Mongolen es wäre Sklaverei die Pferde als Reittiere zu unterjochen.. Oder noch besser : einem Inuit er solle lieber Weizenkleie essen als Robbenspeck. Ich glaube da würde sich dann wieder der internationale Charakter des menschlichen Humors zeigen..


Bist du mit Singers Argumentation vertraut?



Mark hat geschrieben:der aus dem Interview ist ein Aussi Philosoph


Das muss allerdings nicht sein.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 02:05
von folgsam
pinkwoolf hat geschrieben:Immerhin bekennt Dawkins noch kleinlaut, dass er selber gern Fleisch isst.


Er begründet auch, warum er das tut und gesteht das unethische dabei ein.


pinkwoolf hat geschrieben:Dieser Peter Singer vertritt die Ansicht, dass die Bereitschaft Fleisch zu verzehren menschlichem speciecism zuzuschreiben sei, d.h. der Überzeugung, dass Menschen allen anderen Spezies überlegen sind. Sozusagen eine Parallele zu einer Form von racism, die den Kannibalismus hoffähig machen würde, solange man sich auf den Verzehr minderwertiger Rassen beschränkte.


Singer und Dawkins wenden sich gegen die Ansicht, dass es eine fundamentale Trennlinie zwischen Menschen und dem übrigen Tierreich gibt. Sie argumentieren, dass zb. die Fähigkeit Schmerz und Leid zu empfinden, also die Einordnung von Schmerzen in einen zeitlichen Rahmen, die Erinnerung an vergangene Schmerzen und die Angst vor möglichen zukünftigen Schmerzen, im Laufe der Evolution graduell entstanden und die Leidensfähigkeit eines Menschen nicht qualitativ anders ist als die eines Hundes oder Menschenaffen.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 09:11
von xander1
Jedes Mal wenn ich Fleisch oder Fisch esse habe ich ein schlechtes Gewissen, ich denke jedes mal und oft daran. Das Leben eines Schlacht-tieres ist meistens nicht nur unwürdig, sondern grausam und sinnentleerend, wie in einem KZ. Jeder muss mal sterben. Deswegen finde ich es ok, dass Tiere geschlachtet werden.

Ich finde es allerdings nicht gut, dass das Fleisch möglichst billig sein muss und die Tiere deshalb in einem KZ leben müssen. Daran könnte man etwas ändern und trotzdem Fleischfresser bleiben.

Ein Braten ist eine Tierleiche und wir sind die Mörder wenn wir ihn kaufen. Ich bin deshalb Fleischfresser weil ich das Leben als Mensch, als Allesfresser nicht ablehne, weil Tier-Mord zum Mensch sein dazu gehört.

Wie falsch ist eigentlich unser Gewissen wenn wir kleine Sünden begehen und wir uns deshalb schuldig fühlen. Sehr Gewissenhaft zu sein und Fleisch zu essen - das passt doch nicht zusammen. Ich esse nur deshalb fleisch weil ich zur Bestie namens Mensch gehöre und es falsch wäre meine Natur abzulehnen.

Ich lese gerade die wikidia SEite über Peter Singer und es kann schon sein, dass Vegetarismus die einzig moralisch vertretbare Haltung sein kann.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 09:42
von Julia
Ich habe mir ja vorgenommen mich aus solchen Diskussion rauszuhalten, weil das ein Thema ist bei dem Streit programiert ist, für den Vegetarier ist Fleischkonsum ähnlich sympathisch wie Kannibalismus für Otto Normal* und der Fleischesser fühlt sich moralisch verurteilt, da bleibt es selten sachlich.
Ich denke aber, wenn man sich eingestehen kann, dass das was man tut eventuell unethisch ist und nicht gleich die Schotten dicht macht, ist das schon der erste Schritt in die richtige Richtung. Ich fand Fleischessen auch schon lange unethisch bevor ich Vegetarier geworden bin, momentan liebäugle ich sogar mit dem Veganismus (die Mensa kann ich dann total vergessen), aber das muss ich mir noch durch den Kopf gehen lassen.
Jedenfalls habe ich nicht verstanden was an Singers Position jetzt so gefährlich und unsinnig sein soll.

P.S.: Mit dem Fleischessen aufhören fühlt sich fast genauso an wie mit dem Rauchen aufhören, nur dass die Nikotinsucht noch stärker ist.

* Und absolut unsexy, btw.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 09:44
von 1von6,5Milliarden
folgsam hat geschrieben:
Sabrist hat geschrieben:Es ist für diejenigen Tierarten, deren Fleisch uns schmeckt, von Vorteil, dass sie "lecker sind".


Nennt man auch künstliche Selektion, wobei Geschmack eher eine untergeordnete Rolle spielen dürfte bei den meisten Nutztieren.
... zumindest bei dem Gros der Selektion (Züchtung) ist die Gewichtsmasse wohl der Hauptfaktor, dann die Leichtigkeit der Arthaltung, .... Geschmack dürfte da eher ein "hinteres Beiwerk" sein.


Sabrist hat geschrieben:Denn dadurch ist gewährleistet, dass der Mensch diese Tierarten züchtet und somit die Art am Leben erhält. Tatsächlich kann ich nicht ausschließen, dass Hühner, Schweine oder Rinder möglicherweise längst ausgestorben bzw ausgerottet wären, wenn sie nicht so gut und lecker zum Verzehr geeignet wären.

Die heutigen großlandwirtschaftlichen Hühner, Schweine und Rinder haben wenig mit der "Naturform" zu tun und die natürlichen Vorfahren sind entweder doch ausgestorben oder haben trotzdem überlebt.
folgsam hat geschrieben:Vielleicht gäbe es keine Auerochsen mehr. Die gibt es jetzt auch kaum noch.
Soweit ich weiß gibt es keine echten Auerochsen mehr - die heutigen Auerochsen sind eine Rückzüchtung (aus auerochsennahen Rindern) mit dem Ziel, ein Rind zu schaffen welches vom Phänotyp her ein möglichst "originaler Auerochse" ist. Trotzdem ist es keiner "echter". Der Ur ist ausgestorben, Dank Zucht.
folgsam hat geschrieben:
Sabrist hat geschrieben:Ist also so eine Art Symbiose: wir essen die Individuen, erhalten jedoch die Art. Haben Zuchttiere und Mensch beide was von.


Was hat das Huhn davon sein ganzes Leben in einer Legebatterie eingesperrt zu sein?
Das einzelne Huhn, Schwein, Rind ... verdankt genau diesem Umstand sein erbärmliches Leben - ob dies ethisch ist?

Sabrist hat geschrieben:Unethisch ist daran gar nichts.
Naja, ethisch ist dies eher nicht, aber deshalb halbwegs guter Haltung nicht gleich verwerflich.
Bei schlechter Haltung wird es insgesamt schon eher unethisch.
folgsam hat geschrieben:a
Ich esse gerne und viel Fleisch, bin mir jedoch sehr darüber im klaren dass ich mich unethisch Verhalte.
Ich esse wenig Fleisch und wenn, dann manche ich mir eher wenig Sorge um die Ethik - ich gebe es zu. Bei einem Aldi-Huhn oder -Schwein machte ich mir eher Sorge ob der Inhalt tatsächlich für mich so gesund ist.
Unrationell ist Fleischkonsum zumindest in unserer westlichen Überflussgesellschaft allemal (aber auch darüber mache ich mir beim EInkauf bisher eher weniger Gedanken - Denken tu ich bei Lidl oder Tengelmann eher nicht so tiefgründiges.

Ja, der Mensch betreibt Speziezismus, dies ist keine Frage, denn sonst würde er (i.d.R.) auch Menschen züchten um sie zu essen.
Aber der Mensch ist weder Speziezist weil er (auch) Fleischfresser ist, noch ist er (auch) Fleischfresser, weil er Speziezist ist.
So gut wie jede Spezies ist irgendwie Speziezist

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 10:48
von Mark
Ist es auch unethisch achtlos Insekten zu zertreten ?

Das ganze Mitgefühl mit Tieren ist rein menschlich und verständlich. Und lieb aussehende Tiere sind selbstverständlich noch viiieeeel schützenswerter als hässliche / brutale Tiere, nicht wahr ?
Was das alles kosten wird, die ganzen Fleischfresser auf der Erde einzufangen und dann immer mit pflanzlichen Proteinbrei zu füttern... schrecklich..

Es ist freilich unethisch Menschen leiden zu lassen, weil diese wissen, daß manche Tiere leiden müssen. Wenn diese Menschen das Leid der Tiere nicht mehr wahrnehmen können, dann sind sie zufrieden. Also Tierschutzgesetze, ordentliche Haltung, gute Versorgung, schmerzloser Tod -> gutes Fleisch & zufriedene Tierrechtler.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 11:50
von 1von6,5Milliarden
Mark hat geschrieben:Ist es auch unethisch achtlos Insekten zu zertreten ?
Kommt darauf an. Abgesehen davon, dass die Ethik auch immer ein Kind seiner Zeit und seiner Anschauung ist, auch nicht alles für jeden gleichwertig ethisch ist.
Es kommt drauf an: Wenn ich ein Insekt achtlos (= z.B. ich habe nicht darauf geachtet, als ich die Straße überquert habe, weil ich auf die Autos achten musste) zertrete, dann nicht.
Wenn ich sie achtlos im Sinne keine Achtung vor dem Tier habend, vorsätzlich zertrete, obwohl diese Tierchen mir nichts anhaben können und wollen, dann sehe ich dies durchaus als unethisch an.
Zertrete ich eine Zecke (obwohl kein Insekt), weil ich Angst vor Borreliose und FSME habe, mich oder andere davor schützen will etc. dann sehe ich es als nicht unethisch an, es könnte sogar ethisch sein, wenn ich andere schützen will und dies unter den Umständen ein geeignetes Mittel ist. Meine Ansicht ist auch deutlich Speziezismus
Mark hat geschrieben:Das ganze Mitgefühl mit Tieren ist rein menschlich und verständlich.
Es ist menschlich aber nicht ausschließlich menschlich
Mark hat geschrieben: Und lieb aussehende Tiere sind selbstverständlich noch viiieeeel schützenswerter als hässliche / brutale Tiere, nicht wahr ?
Diese Ansicht ist zwar auch Speziezismus aber falsch
Mark hat geschrieben:Was das alles kosten wird, die ganzen Fleischfresser auf der Erde einzufangen und dann immer mit pflanzlichen Proteinbrei zu füttern... schrecklich..
Und jetzt verhältst du dich unethisch und unklug

Mark hat geschrieben:Es ist freilich unethisch Menschen leiden zu lassen, weil diese wissen, daß manche Tiere leiden müssen. Wenn diese Menschen das Leid der Tiere nicht mehr wahrnehmen können, dann sind sie zufrieden. Also Tierschutzgesetze, ordentliche Haltung, gute Versorgung, schmerzloser Tod -> gutes Fleisch & zufriedene Tierrechtler.
Mal auf deinen Quark einsteigend, es ist quasi unmöglich, dass kein Mensch mehr das echte oder vermeintlich Leid der Tiere bei auch noch so guter Haltung nicht wahrnehmen könnte. Auch ist ein auch noch so schmerzloser Tod, immer ein Tod. Und wird er vorsätzlich herbeigeführt, nur damit du satt wirst, dann wird es immer Menschen geben, die dies stören wird und die darunter leiden, also bliebe es unethisch. Würdest du diese Leute belügen und ihnen falsches vorgaukeln, wäre auch dieses eher unethisch.

Und die Unrationalität des Ganzen bei schwindenden Ressourcen bliebe trotzdem. Und die Ressourcenverschwendung an sich ist auch unethisch.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 13:09
von Julia
Mark hat geschrieben:Ist es auch unethisch achtlos Insekten zu zertreten ?

Ich bemühe mich seit ich denken kann auch Insekten aus dem Weg zu gehen, wenn irgendwo viele Ameisen rumkrabbeln, mache ich einen Bogen um sie herum, ich trage auch Spinnen und Käfer raus, etc. Die Zecken, die ich meiner Katze aus dem Fell klauben durfte habe ich allerdings verbrannt um sie nicht auf meinem Kopfkissen wieder zu finden.
Mark hat geschrieben:Und lieb aussehende Tiere sind selbstverständlich noch viiieeeel schützenswerter als hässliche / brutale Tiere, nicht wahr ?

Das meine ich mit unsachlich, es wird gleich unterstellt wir wären alle nur kleine Mädchen, die die Baby-Kuschel-Häschen so süüüüß finden und sie deswegen nicht essen wollen, dabei gibt es durchaus rationale Gründe für den Vegetarismus.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 14:28
von pinkwoolf
M.E. ist der Begriff "Speziezismus" von vornherein polemisch geprägt, um eine Analogie zu "Rassismus" aufzubauen. Beruht nicht das ganze Gefüge des Lebens nach der Evolutionstheorie auf Speziezismus?

Wenn man moralisch an die Sache herangehen möchte, ist es beispielsweise auch verwerflich, eine Stadt zu bauen und damit anderen Lebensformen ihr Habitat zu rauben. Ebenso wie es verwerflich ist, irgendwo einzumarschieren, die Leute aus ihren Häusern zu werfen und in die Wüste zu schicken.

Nun gibt es viele gute Gründe, nicht ad infinitum Städte zu bauen und unseren Planeten zu zersiedeln, aber moralische Gründe sind das für mich nicht.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 15:45
von folgsam
Mark, gehe ich recht in der Annahme, dass du nichtmal das Video gesehen, geschweige denn dich etwas mehr mit Singers Argumenten auseinandergesetzt hast?

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 16:36
von stine
Anscheinend hat man auch schon festgestellt, das Pflanzen sich auch vor dem "Gefressen-werden" schützen. Richtig gefressen werden wollen wohl nur die reifen Früchte, weil sie von der Samenstreuung leben, die mit der Kotverteilung stattfindet.
Also strenggenommen dürften wir sowieso nur das essen, was natürlich für uns vorgesehen ist: Samentragende Früchte und Gemüse.

Eine Interessenslage sachlich zu vertreten ist immer dann schwierig, wenn kulturelles Erbe in Gefahr gerät. Die bessere Eiweiszufuhr übers Fleischessen hat den Menschen höchstwahrscheinlich erst zu dem gemacht, was er heute ist. Und dass es Kulturen gibt die auch vor Menschenfleisch nicht Halt machen, steht ausser Frage. Das bedeutet, frei nach Singer: Welches Fleisch ich esse, ist kulturell überliefert.

Es könnte aber auch durchaus sein, dass Mensch mit neuzeitlicher Lebensgestaltung, also sitzend vor dem Computer, irgendwann ohnehin nur noch einfache Zucker braucht, um sich mitzuteilen und zu überleben.
Fleischessen hat dann in der Ernährung ausgedient - es lebe die Schokolade! :mg:

LG stine

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 17:12
von 1von6,5Milliarden
pinkwoolf hat geschrieben:M.E. ist der Begriff "Speziezismus" von vornherein polemisch geprägt, um eine Analogie zu "Rassismus" aufzubauen. Beruht nicht das ganze Gefüge des Lebens nach der Evolutionstheorie auf Speziezismus?
Polemisch würde ich nicht zwangsweise sagen, Analogie ja. Aber wo liegt das Problem die Wahrheit auszusprechen? Vieles baut auf der Unterteilung auf subjektiv "wertvolle" und "weniger wertvolle" Spezien auf und ich halte es für legitim dafür auch einen Namen zu haben. Natürlich könnte man einen Begriff hernehmen, der nicht den Verdacht der Polemik enthält.
pinkwoolf hat geschrieben:Wenn man moralisch an die Sache herangehen möchte, ist es beispielsweise auch verwerflich, eine Stadt zu bauen und damit anderen Lebensformen ihr Habitat zu rauben. Ebenso wie es verwerflich ist, irgendwo einzumarschieren, die Leute aus ihren Häusern zu werfen und in die Wüste zu schicken.
Man muss immer abwägen, wo Grenzen sind, Vor- und Nachteile, Beeinträchtigungen abwägen. Ich fände es also durchaus tatsächlich verwerflich, wenn Menschen an einem Ort eine Stadt bauen, der wirklich das letzte und allerletzte Rückzugsgebiet einer Spezies ist. die bei Erhalt dieses Gebietes überlebensfähig ist und es kein sehr hohes Problem wäre die Stadt außerhalb dieses Gebietes zu gründen. Auch wenn dort selbstverständlich irgendwelche anderen Lebewesen beinträchtigt werden. Aber man muss halt immer abwägen, man sollte weder seine Umwelt gnadenlos versklaven, noch sich selber, die Menschheit zum rechtlosen Sklaven machen. Natürlich ist Abwägung schwer (schwerer als Schwarz-Weiß-Entscheidungen) und es wird immer "unendlich" viele mögliche Nuancen und annähernd viele Meinungen geben.

stine hat geschrieben:Also strenggenommen dürften wir sowieso nur das essen, was natürlich für uns vorgesehen ist: Samentragende Früchte und Gemüse.
Nein, fressen und gefressen werden ist durchaus natürlich, ein unfreiwilliger Tod ist durchaus auch natürlich. Natürlich heißt nicht unbedingt Friede, Freude, Eierkuchen (oder so).

stine hat geschrieben: Die bessere Eiweiszufuhr übers Fleischessen hat den Menschen höchstwahrscheinlich erst zu dem gemacht, was er heute ist.
Es spricht vieles dafür
stine hat geschrieben:Und dass es Kulturen gibt die auch vor Menschenfleisch nicht Halt machen, steht ausser Frage. Das bedeutet, frei nach Singer: Welches Fleisch ich esse, ist kulturell überliefert.
Für diese Schlussfolgerung braucht es Singer nicht. Wobei Kannibalismus schon auch sehr häufig bei anderen Tieren üblicherweise nicht vorkommt.
Ob Kultur den Menschen dazu gebracht hat üblicherweise kein Kannibale mehr zu sein oder ob Kultur dazu geführt hat, dass einige wenige Menschengruppen erst zu Kannibalen dauerhaft geworden sind, ist meines Wissens nicht ganz sicher.
stine hat geschrieben:Es könnte aber auch durchaus sein, dass Mensch mit neuzeitlicher Lebensgestaltung, also sitzend vor dem Computer, irgendwann ohnehin nur noch einfache Zucker braucht, um sich mitzuteilen und zu überleben.
Fleischessen hat dann in der Ernährung ausgedient - es lebe die Schokolade! :mg:
Es ist ganz sicher so, dass der "Büromensch" der ersten Welt auf jeden Fall diese Mengen von Fleisch zu seiner gesunden Ernährung absolut nicht bräuchte. Es gibt aber viele Studien die belegen, dass geringe Mengen nach wie vor gut sind und dass geringe Mengen von tierischen Eiweißen sogar i.d.R. absolut zu empfehlen wenn nicht sogar absolut notwendig sind. (soweit man dies nicht (angeblich - es gibt durchaus wirtschaftliche Interessen) durch künstliche Nahrungsergänzungsmittel ersetzen kann)

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Di 16. Jun 2009, 23:37
von Mark
1von6,5Milliarden hat geschrieben:
Mark hat geschrieben:Es ist freilich unethisch Menschen leiden zu lassen, weil diese wissen, daß manche Tiere leiden müssen. Wenn diese Menschen das Leid der Tiere nicht mehr wahrnehmen können, dann sind sie zufrieden. Also Tierschutzgesetze, ordentliche Haltung, gute Versorgung, schmerzloser Tod -> gutes Fleisch & zufriedene Tierrechtler.
Mal auf deinen Quark einsteigend, es ist quasi unmöglich, dass kein Mensch mehr das echte oder vermeintlich Leid der Tiere bei auch noch so guter Haltung nicht wahrnehmen könnte. Auch ist ein auch noch so schmerzloser Tod, immer ein Tod. Und wird er vorsätzlich herbeigeführt, nur damit du satt wirst, dann wird es immer Menschen geben, die dies stören wird und die darunter leiden, also bliebe es unethisch. Würdest du diese Leute belügen und ihnen falsches vorgaukeln, wäre auch dieses eher unethisch.

Und die Unrationalität des Ganzen bei schwindenden Ressourcen bliebe trotzdem. Und die Ressourcenverschwendung an sich ist auch unethisch.


Wer denkt hier totalitär ? Keiner von uns, oder ? Also geh mal runter vom Gas.. Natürlich sind nie alle Menschen zufrieden und leiden unter ihrer Unzufriedenheit, ergo wird das Gesamtsystem welches man ursächlich betrachten wird IMMER als unethisch dekariert werden können. Die menschliche Ethik hat unmögliche Ansprüche, weil sie eben längst noch nicht (und nie erreichbar) perfekt entwickelt ist, und den Problemen die zur Unzufriedenheit der leidenden Menschen führen stets nur hinterherlaufen wird. Sind wir uns da einig ?

Also benötigt man einen Konsens zwischen den Menschen auf den man sich stützen kann, in Form von "mag sein, daß es jemand für unethisch hält, sofern ich aber keine Menschenrechte verletze darf es mir der laizistische Staat jedoch nicht verbieten"
Notfalls stelle ich es unter den Schutz meiner persönlichen Freiheit, daß Tiere nach allen Regeln der Kunst wenigstens so schmerzlos und artgerecht wie meinen Mitteln zuzumuten gehalten und getötet werden.
Und wenn der Schirm hält, dann verbitte ich mir schlicht die Behauptung Fleischessen wäre grundsätzlich unethisch ! Das kann nämlich ja bekanntermaßen nicht stimmen, sobald ich es ethisch für vertretbar halte. (und aktuell bin ich da ja sogar noch Teil der Mehrheit, würde aber natürlich auch für die Minderheitsmeinung gelten)
Und obendrein : Wenn jemand den Tieren Rechte einräumen möchte die in die Richtung der Menschenrechte gehen in punkto prinzipielle Gleichwertigkeit des zugestandenen Rechts auf Leben, Unversehrtheit und Freiheit, dann muss er dafür einen Menschen & Tiere Staat gründen, denn ich weiss nicht wie er begründen möchte, daß er zwar Recht auf Leben zugesteht, aber nicht Recht auf Freiheit und freier Berufswahl. Aktuell ist das ein Menschenstaat. Und ich würde halt bei einer Volksabstimmung konservativ votieren oder notfalls auswandern... nicht ohne mein Schnitzel ! Und zum Ressourcenargument : Wird dann jeder Luxus verboten ? Warum nicht ? aha... persönliche Freiheit... na also.

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Mi 17. Jun 2009, 15:08
von 1von6,5Milliarden
Mark hat geschrieben:Wer denkt hier totalitär ?
Öh? Wo hast du dies aufgeschnappt?

Mark hat geschrieben:Und zum Ressourcenargument : Wird dann jeder Luxus verboten ? Warum nicht ? aha... persönliche Freiheit... na also.
Du tust dir irgendwie schwer zwischen "unethisch" und "gehört verboten" zu unterscheiden.
Es ist eingfach unethisch - jedenfalls nach meinem Ethikverständnis - wenn ich (Phantasiezahlen! Die Tendenz stimmt aber!) für ein Schnitzel was ich pro Tag verfressen will, soviel Grundressourcen verbrauche, mit der 100 Menschen satt werden könnten, während eben tatsächlich pro Tag viele Menschen eben nicht nur hungern sondern sogar verhungern. Durch die Fleischproduktion werden tatsächlich Ressourcen in "Hungerländern" verknappt, werden mächtig Treibhausgase produziert. Aber von verbieten habe ich nichts geschrieben, es war wohl dein schlechtes Gewissen (Klementine), dass dir dies eingeredet hat. :^^:

Re: Vegetarismus

BeitragVerfasst: Mi 17. Jun 2009, 18:07
von pinkwoolf
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Vieles baut auf der Unterteilung auf subjektiv "wertvolle" und "weniger wertvolle" Spezien auf und ich halte es für legitim dafür auch einen Namen zu haben.

Warum muss damit eine Wertung verbunden sein? Sollte ich einmal von einem Tiger gefressen werden, dann wären meine letzten Gedanken über diese Kreatur gewiss alles andere als freundlich, aber an Speziezismus und Wertekanons würde ich dabei nicht denken.
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Man muss immer abwägen, wo Grenzen sind, Vor- und Nachteile, Beeinträchtigungen abwägen.

Die meisten deiner Argumente, die es nahe legen über die Nachhaltigkeit unserer Nahrungsversorgung und über die Schonung der Umwelt nachzudenken, leuchten mir ein. Ebenso die Maxime, dass man auch Tieren gegenüber Grausamkeit vermeiden soll. Bei der Haltung und bei der Schlachtung.

Bei Singer ärgert mich der Rigorismus, mit dem er argumentiert. An einer Stelle sagt er zu Dawkins, er, Singer, habe die Evolutionstheorie noch besser verstanden, oder denke sie konsequenter zu Ende als sein Gegenüber. Empörend! Oder einfach nur dümmlich arrogant? Und Dawkins nickt betreten.

Wenn Politiker bei irgendwelchen Lappalien den Holocaust-Vergleich bemühen, gehen die meisten Menschen zu Recht auf die Barrikaden. Warum? Weil damit ein ungeheures Verbrechen banalisiert wird.

Wenn der Verzehr eines Brathuhns mit dem Killer-Wort Speziezismus bezeichnet und quasi auf eine Stufe mit Rassismus, Sexismus und letzten Endes auch Kannibalismus gestellt wird, geschieht genau dasselbe. Hör dir den letzten Teil von Singers Gesängen noch einmal an.