Lumen hat geschrieben: An dieser Stelle noch ein Pro-Tip: Autoritätsargumente sollte man nicht überstrapazieren, weil sie im wesentlichen auf Glauben basieren und lediglich etwas anzeigen wie: »Einstein hielt dies und das für richtig, Einstein war ein Mensch der sehr viel nachdachte — ergo, bitte dieses Argument nicht so leichtfertig von der Hand weisen«. Mehr auch nicht. Sarrazin oder Mersch oder wie sie alle heißen haben diesen Status nicht unbedingt und auch dann muss man schon die Gedanken vortragen und kann nicht ständig sein Gegenüber mit Lesestoff erschlagen.
Habe ich diese Leute als Autoritäten erwähnt? Bzgl. Sarrazin habe ich eingangs lediglich erwähnt, dass die Debatte um ihn einmal mehr die Tabuisierung bevölkerungspolitischer Themen deutlich gemacht hat. Bei Mersch und Hass habe ich nur angeführt, was sie vorschlagen. Ganz im Vertrauen: Ich halte den Sarrazinschen Akademikerinnenvorschlag für nicht sinnvoll.
Lumen hat geschrieben: Beispiel: Man kann sagen: Menge A ist kleiner als Menge B. Oder auch Menge B ist größer als Menge A. Man kann sagen: Menge A soll größer werden, damit Menge B nicht mehr die größere Menge ist. Oder man kann sagen, Menge B solle kleiner werden, damit sie nicht mehr größer ist als Menge A. Da ich dir nichts von Sterilisation angedichtet habe, ist deine Retourkutsche vollkommen sinnbefreit.
Leider ist dein ganzes Beispiel sinnbefreit, weil du trotzdem polemische Schlüsse gezogen hast. Wenn jemand sagt, der berufstätige Mittelstand bekommt in D nur 1,1 Kinder pro Frau, d.h. deutlich weniger als der Durchschnitt und viel weniger, als bestandserhaltend wäre, dann weist er lediglich auf eine massive Benachteiligung hin, die zu einer weiteren Benachteiligung führen kann, nämlich einer Verletzung der Generationengerechtigkeit. Dass du nun gerade deine Schlüsse daraus gezogen hast, deutet auf politische Voreingenommenheit hin: Statt sachlich zu diskutieren, wolltest du agitieren. Du argumentierst vor dem Hintergrund einer politischen Doktrin. Das hat mich gestört.
Lumen hat geschrieben: Oha, das sagt der, der bei jeder Gelegenheit »Autoritäten« wie Mersch zu Felde führt. Bleiben wir mal sachlich. In deiner Aussage stecken folgende Annahmen:
Wo war denn bei dir irgendeine Sachlichkeit zu erkennen. Deine Aussagen waren bislang reinste Polemik.
Lumen hat geschrieben: wenn man Bildung nicht vererben kann,
Bildung ist eine erworbene Eigenschaft, die allerdings auch auf genetischen Kompetenzen basiert. Das weiß doch mittlerweile jedes Kind.
Lumen hat geschrieben: warum sollte es besser sein, wenn Akademiker Kinder bekommen?
Warum sollte es sinnvoll bzw. gerecht sein, wenn Akademiker weniger Kinder als der Durchschnitt bekommen? Ist das nicht eine Benachteiligung? Wenn es sich um Arbeiter handelte, wäre politisch schon längst der Bär los.
Lumen hat geschrieben:Oder reden wir hier von Vererbung von Intelligenz? (Intelligenz und Bildung, nicht dasselbe).
Beides korreliert aber stark. Bildung setzt auch Intelligenz voraus. Das Verständnis der Relativitätstheorie (gehört zur Bildung) setzt Intelligenz voraus.
Lumen hat geschrieben:Dann schließt sich die Frage an, inwiefern der Zusammenhang erforscht ist, ob sich ein paar Generationen schon dramatisch auswirken, sodass wir sofort handeln müssen (und nicht etwa bessere, solide Ergebnisse abwarten sollten).
Ja, er ist mindestens so gut erforscht wie der Klimawandel. Den könnten wir natürlich auch mit dem gleichen Argument aussitzen: "Wir sollten erst einmal solide Ergebnisse abwarten. Vielleicht geht der von selbst weg."
Lumen hat geschrieben:Wenn du wirklich Bildung meinst, aber Vererben im Sinne von Erziehung, Umfeld, Milieu usw. meinst, dann fallen die Annahmen weiter oben zusammen: denn dann könnten dumme Kinder gefördert werden oder deren Eltern und das könnte man jederzeit (also auch in späteren Generationen) ansetzen, weil keine »harten« angeborene Faktoren dazu kommen.
Diese Aussage weist auf eine erschreckende Unkenntnis bzgl. Evolutionstheorie hin. Man kann auch Pferde trainieren. Ein genetisch weniger gut ausgestattetes, aber trainiertes Pferd wird mit Sicherheit schneller laufen als ein genetisch gut ausgestattetes nicht trainiertes Pferd. Trotzdem wird kein Renngestüt seine langsamsten Pferde in die Zucht geben, um mit seinen schnellsten Pferden möglichst viele Rennen zu gewinnen. Er würde sich selbst ruinieren.
Welcher Art Naturalismus soll das eigentlich sein, der allgemein akzeptierte Fakten zur Evolution ignoriert?
Lumen hat geschrieben:Demografischer Kolonialismus? Du meinst, wenn »wir« zu wenige Kinder in die Welt setzen, dann kommen qualifizierte Kräfte aus der Dritten Welt zu uns? Das ist doch das Nachrichtenthema der Stunde, oder was? Was ist daran Tabu?
Ja, es gibt einige Experten, die von einer Plünderung des Humankapitals der Dritten Welt sprechen. Man befürchtet, dass diese Länder immer weiter zurückfallen könnten, weil die Personen, die im Lande etwas bewirken könnten, von den kinderlosen Europäern wegbeworben werden.
Lumen hat geschrieben: Davon abgesehen, soll man nicht alles glauben, was bestimmte Leute an Statistiken verzerren. Was bei uns an Themen durch die Medien wabert, ist zu einem nicht zu unterschätzenden Teil durch PR und Lobbys (Agenda Setting usw.) lanciert. Mit dem »demographischen Wandel« kann man z.B. das Renteneintrittsalter hoch drücken, was dem Staat und der Wirtschaft zu gute kommt. Durch höheren Druck auf den Arbeitsmärkten, kann man vor allem die Löhne drücken. Man arbeitet darauf hin, Arbeitskräfte zu mobilisieren und zu »flexibilisieren«, weil gerade dadurch die Löhne schön nach unten angepasst werden können, Stichwort: der Herr aus Indien, programmiert das aber für die Hälfte. Der polnische Arbeiter macht das Bad neu für ein Drittel. Wir sind eben Lämmer, die ihre Schlachter selbst wählen.
Ach du liebe Güte, welch politischer Nonsense. Die Devise, die du hier vertrittst, dass es nämlich egal ist, wenn gut ausgebildete Frauen in erster Linie arbeiten gehen und kaum Kinder haben, war die allergrößte Maßnahme zur Erhöhung des Drucks auf den Arbeitsmarkt. Wir haben so viele Arbeitslose, weil die Geburtenrate so niedrig ist, und alle qualifizierten Frauen Vollarbeitsplätze haben wollen.
Lumen hat geschrieben:Aha.
Ah ja.
Lumen hat geschrieben:Wahrscheinlich ist mein Argument nicht klar geworden: Wir wollen den Afrikanern vorschreiben, wie sie Kinder in die Welt setzen sollen. Dort haben Kinder aber eine andere Funktion. Kinderreichtum ist meiner Meinung nach nicht das Problem Afrikas, sondern unter anderem Korruption, verfehlte Entwicklungspolitik, die lokale Märkte kaputt macht, Kriege, daraus fehlende Mittel und Möglichkeiten klimabedingte Nachteile in der Nahrungsbeschaffung auszugleichen und Rohstoffvorteile zu nutzen. Letzteres interessanterweise auch wieder zum Vorteil der Wirtschaft der Ersten Welt. Kinder verschlimmern also die Symptome, sind aber keine Ursache und nur bedingt ein Symptom (denn durch all das haben die Menschen keine Absicherung, und müssen Kinder in die Welt setzen, die ihre Eltern später verpflegen).
Hübsche Vorstellung, leider ohne Substanz. Auch in Europa war der Bevölkerungszuwachs zwischen 1815 und 1910 die Hauptursache für die dann folgenden beiden Weltkriege. Einen Hitler konnte es nur geben, weil z. B. die deutsche Bevölkerung zwischen 1815 und 1910 von 25 Mio auf 68 Mio anstieg (+ 5 Mio, die aus lauter Verzweiflung nach Übersee auswanderten, um dort Indianer zu verdrängen). Man könnte deshalb auch sagen: Die Indianer in den USA wurden abgeschlachtet, weil in Europa so viele Kinder geboren wurden. Sie waren das Opfer der Nichtbeherrschung der Bevölkerungsentwicklung. Oder noch anders gesagt: Winnetou und Sittung Bull wurden von den zu vielen europäischen Kindern ermordet.