Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon ganimed » Di 8. Feb 2011, 12:15

Ich traute gestern abend meinen Ohren nicht, als der Kabarettist Volker Piespers mir von der "Beitragsbemessungsgrenze" erzählte.
Alle bezahlen eine gewissen Prozentsatz ihres Bruttolohns an die Sozialversicherung.
Verdient man mehr als die "Beitragsbemessungsgrenze", ist dieses Mehr dann plötzlich abgabenfrei. Prozentual bezahlen Gutverdienende also viel weniger ein.

Die Reichen sind somit gut geschützt gegen eine Verteilung von oben nach unten.

Auch andere von Piespers erwähnte Beispiele (Privatkrankenkassen, eigene Rentenversicherungen für reichere Branchen) scheinen in dieses Schema zu passen. Ich ärgere mich im Nachhinein über Argumente aus anderen Threads hier, wo Nicht-Linke wie stine immer wieder anführen, dass eine Verteilung von oben nach unten erfolgt und dass die Reichen angeblich die Hartz-IV-Empfänger mit durchfüttern. Offenbar drücken sich die Reichen vor dieser lästigen Tätigkeit wo sie nur können. Und offenbar haben sie es geschafft, erhebliche Erleichterungen in den Gesetzen zu verankern.

Gibt es einen anderen Grund für diese Nachlässe für Reiche als einfach nur Geiz? Gibt es eine moralische Rechtfertigung für diese Verweigerung von sozialer Solidarität? Oder ist das im Grunde nicht doch einfach nur unverhohlene Raffgier?
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon stine » Di 8. Feb 2011, 12:45

Interessant, dass du bisher nichts über die "Beitragsbemessungsgrenze" gehört hast.
Die Beitragsbemessungsgrenze ist seit 20 Jahren (oder länger schon?) stetig nach oben geschraubt worden, was dazu geführt hat, dass Mehrverdiener seit vielen Jahren das gleiche Netto vom gestiegenem Brutto einfahren. Dass das ärgerlich ist, wenn im selben Zeitraum Vergünstigungen und soziale Leistungen steigen, die man ja immerhin bar auf die Hand bekommt, kann man wohl nachvollziehen, auch wenn man nicht zu denen gehört, die ihre Bemessungsgrenze permanent angepasst bekommen.

Ganimed, du solltest dir mal das Netto von deinem Boss anschauen, ich denke, dir würden die Tränen kommen. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass von 100 000€ Jahresgehalt mtl mehr bleiben als 4000€ netto. Wenn du das mit Frau und Kindern teilen musst und noch eine Wohnung zu bezahlen hast, fällst du bei uns unter die Armutsgrenze, die liegt nämlich bei 1200 € pro Person. Das hast du dann gar nicht mehr, wenn die Frau nicht mitarbeitet.

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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 8. Feb 2011, 12:52

stine hat geschrieben:Es ist ein Irrtum zu glauben, dass von 100 000€ Jahresgehalt mtl mehr bleiben als 4000€ netto.
Du arbeitest im Propagandaministerium? :lachtot:
100.000 Euro nur 4.000 Euro gegenüberstellen schaut halt gleich viel besser aus, als 100.000 vs. 48.000 :mg:
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon ganimed » Di 8. Feb 2011, 13:22

stine, deine Antwort finde ich etwas unerwartet. Ich entrüste mich über die Existenz der Beitragsbemessungsgrenze und du argumentierst damit, dass sie angestiegen sei? Ob angestiegen oder nicht, wieso gibt es sie überhaupt, wäre nach wie vor meine Frage.

Und dann willst du noch darauf hinaus, dass die Reichen (relativ gesehen zu den immer mehr verdienenden Armen) ganz schön arm sind? Weil sie vor 20 Jahren, als die Grenze vielleicht noch niedriger war, sich effektiver aus der sozialen Verantwortung gestohlen haben? Und mit solchen Raffzähnen soll ich jetzt Mitleid haben, oder was?

Erkläre mir lieber mal, wieso aus deiner Sicht überhaupt eine Beitragsbemessungsgrenze, in welche Höhe auch immer, moralisch gerechtfertigt ist. Wäre es nicht doch gerechter, wenn alle den gleichen Prozentsatz ihres Verdienstes sozial abgeben?
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon stine » Di 8. Feb 2011, 13:36

ganimed hat geschrieben:Wäre es nicht doch gerechter, wenn alle den gleichen Prozentsatz ihres Verdienstes sozial abgeben?
Natürlich wäre das gerechter, bin auch absolut dafür :up:
Das ist aber genau das, was die sogenannten Arbeitnehmerparteien seit Jahren verhindern, weil sie die Steuerprogression für gerechter halten.
Und parallel zur Steuerprogression gibt es eben die Beitragsbemessungsgrenze, die das gleiche Spiel für die Sozialabgaben darstellt.

siehe auch hier
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon Nanna » Di 8. Feb 2011, 18:34

ganimed hat geschrieben:Wäre es nicht doch gerechter, wenn alle den gleichen Prozentsatz ihres Verdienstes sozial abgeben?

Nein, es gibt ja sogar sehr gute Argumente für eine Progression, im Falle der Steuern findet diese ja auch statt (mit nur vielen Sonderprivilegien und Schlupflöchern).
Zieht man jemandem, der nur gerade so seinen Lebensunterhalt decken kann, 10% ab, dann ist das für denjenigen schon sehr viel Geld. Ein wirklich Reicher würde aber den Unterschied zwischen 10% Steuern und gar keinen Steuern kaum spüren, da der effektive Lebensunterhalt für ihn eine Frage der Portokasse ist und die größten Posten eher im Bereich des Konsums von Luxusartikeln anzusiedeln sind. Will man das ändern und zieht dem Reichen 50% ab und tut dies aus Gründen einer eher mathematischen Gerechtigkeit auch beim Geringverdiener, ist der nicht mehr fähig, seinen Lebensunterhalt auch nur annähernd zu decken.

Nun ist das, worum es hier geht, ja noch viel skandalöser. Denn wenn ich den Kern des Themas richtig verstanden habe, dann stellt die Beitragsbemessungsgrenze im Grunde eine umgekehrte Progression dar und das pervertiert den Gedanken der gerechten Lastenverteilung natürlich total.

Insofern scheint mir die Beitragsbemessungsgrenze gleich doppelt ungerecht. Von den drei Altenativen, also A "Es gibt eine Progression mit nach oben hin immer höheren prozentualen Beiträgen", B "Alle zahlen pauschal denselben prozentualen Beitrag" und C "Es gibt eine umgekehrte Progression, bei der effektiv die oberen Einkommen schwächer belastet werden", scheint derzeit C zu herrschen, das von meinem Verständnis aus die ungerechteste Variante darstellt.
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon Zappa » Di 8. Feb 2011, 19:04

Das Ganze hat natürlich wie immer zwei Seiten und wir hatten das hier schon mehrfach diskutiert. Also nur als Gegengewicht zu bisherigen Stellungnahmen:

1. Ein Versicherungssystem braucht eigentlich gar keine Beitragsbemessungsgrenze, da hier einfach jeder (fast) das Gleiche zahlt, gesplittet halt nach dem zu erwartenden Risiko.
2. Daraus wird ersichtlich, dass unser Versicherungssystem an sich schon eine riesige Transferleistungsmaschine ist. Man mag das gut oder schlecht finden, die Transferleistungen durch Besserverdienende einfach zu negieren ist aber albern.
3. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Geringverdiener wesentlich höhere Kosten verursachen, zum Größtenteils durch ungesunden Lebensstil; also zumindest zum Teil selbstverschuldet. Das erhöht rechnerisch den Anteil der Transferleistungen.
4. Es gibt auch Argumente dafür, dass die tendenziell zu niedrigen Beiträge der Geringverdiener dieses ungesunde Verhalten noch unterstützen, belohnen tun sie es auf jeden Fall.

Das einzig ernstzunehmende Argument gegen die Beitragsbemessensgrenze - wenn man denn unbedingt Gleichmacherei anstrebt - ist die dadurch bedingte Mehrbelastung der mittleren Einkommen, die tragen prozentual die Hauptlast unserer Sozialsysteme. Geringverdiener praktisch gar nichts und die Gutverdiener prozentual weniger (absolut natürlich mehr, es sei denn Sie verschweigen Einkommen). Immerhin aber bezahlen die 30% Besserverdiener fast 80% der Lohnsteuer und die 10% Gutverdiener immer noch 50% der Lohnsteuer (s. z.B. http://www.reuters.com/article/2008/08/ ... 6620080825) und damit ordentlich Sozialleistungen.

Ich persönlich finde diese Arte der Umverteilung auch nicht besonders geschickt und gerecht auch nicht. Finde Modell wie Kopfpauschalen ggf. in Verbindung mit einem Grundeinkommen viel transparenter und gerechter. Aber das Modell der einfachen Prozession der Sozialabgaben nach Einkommen ohne Berücksichtigung von individuellen Risiken und Fehlverhalten finde ich persönlich inakzaptabel. Es ist nicht gerecht*, leistungsfeindlich und belohnt Fehlverhalten.

*Für mich ist Gerechtigkeit vor allen Chancengleichheit zum Erwerb von Fähigkeiten und Absicherung von nicht beeinflussbaren Lebensrisiken (Behinderungen, Unfälle, Arbeitslosigkeit etc.). Gerechtigkeit ist NICHT, dass alle, egal wie leistungsbereit und leistungsfähig, die gleichen prozentualen Lasten für die nötigen Versicherungen tragen.
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon ganimed » Di 8. Feb 2011, 20:31

Zappa hat geschrieben:Ein Versicherungssystem braucht eigentlich gar keine Beitragsbemessungsgrenze, da hier einfach jeder (fast) das Gleiche zahlt, gesplittet halt nach dem zu erwartenden Risiko.

Da sind wir bei der Gretchenfrage: ist gerecht, wenn alle anteilsmäßig das gleiche bezahlen (also jeder den gleichen Prozentsatz) oder wenn alle absolut das gleiche bezahlen. Ich folge Nannas Überlegungen und würde die prozentuale Beteiligung als gerechter empfinden. Wenn jemand mehr hat, soll er auch mehr in Umlagensysteme einzahlen. Wieso sollte das speziell für Versicherungen plötzlich anders sein?

Zappa hat geschrieben:Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Geringverdiener wesentlich höhere Kosten verursachen, zum Größtenteils durch ungesunden Lebensstil; also zumindest zum Teil selbstverschuldet.

Wie kommst du auf selbstverschuldet? Ich nehme an, wenn es einen statistischen Zusammenhang zwischen gering verdienen und ungesund leben gibt, könnte das vielleicht daran liegen, dass eine gesunde Lebensweise mehr kostet und mehr Bildung (mehr Wissen über Ernährung, Gesundheit und Medizin) voraussetzt. Woran soll deiner Meinung nach der Geringverdiener schuld sein? Daran dass er gering verdient oder daran, dass er zu dumm und ungebildet ist?

Zappa hat geschrieben:Es gibt auch Argumente dafür, dass die tendenziell zu niedrigen Beiträge der Geringverdiener dieses ungesunde Verhalten noch unterstützen, belohnen tun sie es auf jeden Fall.

Nach dieser Logik müsste man jeden Sozialausgleich grundsätzlich in Frage stellen. So nach dem Motto "den Armen sollte nicht geholfen werden, weil man sie damit auch noch für das arm sein belohnt und sie ermutigt, arm zu bleiben." Das kann es doch auch nicht sein.

Zappa hat geschrieben:Aber das Modell der einfachen Prozession der Sozialabgaben nach Einkommen ohne Berücksichtigung von individuellen Risiken und Fehlverhalten finde ich persönlich inakzaptabel. Es ist nicht gerecht*, leistungsfeindlich und belohnt Fehlverhalten.

1) "es ist nicht gerecht" : wenn jeder denselben Prozentsatz zahlt, empfinde ich das als gerecht. Wer mehr hat, kann auch mehr geben.
2) "leistungsfeindlich" : stimmt nicht. Wer 20% vom Doppelten hergibt, behält immer noch das Doppelte. Leistung wird also belohnt.
3) "belohnt Fehlverhalten" : definierst du gering verdienen als Fehlverhalten? Es schüttelt mich bei so viel sozialer Kälte.

Zappa hat geschrieben:Für mich ist Gerechtigkeit vor allen Chancengleichheit zum Erwerb von Fähigkeiten und Absicherung von nicht beeinflussbaren Lebensrisiken

Wie man an dem gerade in Deutschland großen Zusammenhang zwischen Armut und Bildungsmangel sieht, ist die Geburt in einer sozial schwachen Familie eines der ersten und größten nicht beeinflussbaren Lebensrisiken. Dagegen willst du die Menschen absichern, indem du Geringverdienern lieber nichts schenken magst, damit die Reichen mehr vom Geld haben? Diese Strategie verstehe ich nicht ganz.
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon platon » Di 8. Feb 2011, 20:48

Was stine da über 100000€ Jahreseinkommen und 48000 € Nettolohn schreibt, ist natürlich wieder bullshit erster Güte.
Man liegt mit etwas über 100 000 € Bruttojahreseinkommen und Frau und zwei Kindern ohne besondere Abschreibungen gut! über 70000 Jahresnetto. Ich weiß nicht, wo sie ihre Zahlen her hat. Vielleicht will sie uns auch nur veralbern.
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon Zappa » Di 8. Feb 2011, 21:21

ganimed hat geschrieben:Da sind wir bei der Gretchenfrage: ist gerecht, wenn alle anteilsmäßig das gleiche bezahlen (also jeder den gleichen Prozentsatz) oder wenn alle absolut das gleiche bezahlen. Ich folge Nannas Überlegungen und würde die prozentuale Beteiligung als gerechter empfinden. Wenn jemand mehr hat, soll er auch mehr in Umlagensysteme einzahlen. Wieso sollte das speziell für Versicherungen plötzlich anders sein?


Weil Versicherungen eben sinnvollerweise kein Umlagesystem sind. Hier sollen konkrete Risiken des Einzelnen abgesichert werden.

Unser Umlagesystem sind die Steuereinnahmen, daraus soll man Umlagen finanzieren und nicht innerhalb von Versicherungen. Also: Versicherungsbeitrag für Jeden je nach Risiko und für Leute, die zuwenig verdienen Zuschüsse aus Steuern (nicht nur Lohnsteuer im Übrigen!).

Apropos: Und wenn denn schon Umlage in Versicherungen, warum nur in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Warum nicht bei Haftpflicht-, Lebens- und Unfallversicherung? Und hey: Wie wäre es mit Zuzahlungen zur Brille, Parkgebühren und allgemein der Mehrwertssteuer? Genau, eine höher Mehrwertssteuer für Reiche, das wär doch was. Da muss man dann an der Kasse der Lohnsteuerbescheid vorzeigen. Das würd Dir gefallen, was :applaus:

ganimed hat geschrieben:Wie kommst du auf selbstverschuldet? Ich nehme an, wenn es einen statistischen Zusammenhang zwischen gering verdienen und ungesund leben gibt, könnte das vielleicht daran liegen, dass eine gesunde Lebensweise mehr kostet und mehr Bildung (mehr Wissen über Ernährung, Gesundheit und Medizin) voraussetzt. Woran soll deiner Meinung nach der Geringverdiener schuld sein? Daran dass er gering verdient oder daran, dass er zu dumm und ungebildet ist?


Ds ist sicher ein komplexer Zusammenhang. Aber: Du unterstellst, dass alle Risiken selbstverständlich gleich verteilt oder zumindest nicht selbst verantwortet sind. Was aber ist mit dem Mann, der regelmäßig Frau und Kinder schlägt, säuft und ständig ungeschützten Geschlechtsverkehr hat und dazu gerne besoffen ohne Gurt Auto fährt. Sollen die Risiken immer brav alle mit bezahlen?

Oder ist es fairer prinzipiell Leute, die ungesund leben mit höheren Versicherungsbeiträgen zu belasten und diese nur dann partiell mit zu bezahlen, wenn definitiv* die Möglichkeit zu Bezahlung der Beiträge fehlt?

ganimed hat geschrieben:Nach dieser Logik müsste man jeden Sozialausgleich grundsätzlich in Frage stellen. So nach dem Motto "den Armen sollte nicht geholfen werden, weil man sie damit auch noch für das arm sein belohnt und sie ermutigt, arm zu bleiben." Das kann es doch auch nicht sein.


Kann oder darf/soll nicht sein? Warum soll jemand, der höhere Risiken eingeht (Rauchen, Übergewicht, Wintersport etc.) nicht auch mehr Beiträge zahlen? Ich persönlich bin eigentlich für Beiträge gestaffelt nach einfachen auf Versicherungsstatistiken beruhenden Risikoklassen, da wir sonst in Gesundheitswesen einen Überwachungsstaat bekommen. Aber umkehren sollte man das Argument nicht. So nach dem Motto: Ich lebe wie ich will, die Risiken und Kosten tragen nämlich alle.

ganimed hat geschrieben:1) "es ist nicht gerecht" : wenn jeder denselben Prozentsatz zahlt, empfinde ich das als gerecht. Wer mehr hat, kann auch mehr geben.
2) "leistungsfeindlich" : stimmt nicht. Wer 20% vom Doppelten hergibt, behält immer noch das Doppelte. Leistung wird also belohnt.
3) "belohnt Fehlverhalten" : definierst du gering verdienen als Fehlverhalten? Es schüttelt mich bei so viel sozialer Kälte.


Ad 1.: Nein ist es nicht, das habe ich oben versucht klar zu machen. Man kann dieses System nicht innerhalb von Vesicherungssystemen lösen vor allem, wenn man nur auf Einkommenssteuer schielt. Was ist mit den Kapitalerträgen?
Ad 2: Zahl Du mal ordentlich Einkommenssteuer und seh die Schwarzarbeiter sich mit Hartz IV zusätzlich ein schönes Leben machen. Da denkst Du dann anders.
Ad 3: Nein Fehlverhalten im Sinne von gesunder Ernährung und Vorsorge. Die Einstellung hängt natürlich insgesamt vom Menschenbild ab ("Jeder ist seines Glückes Schmied" versus "Alles sind gleich").

ganimed hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Für mich ist Gerechtigkeit vor allen Chancengleichheit zum Erwerb von Fähigkeiten und Absicherung von nicht beeinflussbaren Lebensrisiken

Wie man an dem gerade in Deutschland großen Zusammenhang zwischen Armut und Bildungsmangel sieht, ist die Geburt in einer sozial schwachen Familie eines der ersten und größten nicht beeinflussbaren Lebensrisiken. Dagegen willst du die Menschen absichern, indem du Geringverdienern lieber nichts schenken magst, damit die Reichen mehr vom Geld haben? Diese Strategie verstehe ich nicht ganz.


Ich bin für eine Erhöhung der Bildungsaufgaben in der Frühförderung (Kindergarten, Grundschule), gerne auch zu Lasten der höheren Bildungsabschlüsse (Studiengebühren zur Gegenfinanzierung). Dazu dann Frühförderung bei Leuten mit Sprachproblemen, Ganztagsangebote in der Schule und gute Sozialangebote in sozial schwachen Gebieten (Jugendclubs, Sport- und Bildungsförderung). Dazu dann noch ein möglichst flexibles Ausbilsungssystem (Schulwechsel möglichst einfach z.B.). Also: Gleiche Chancen für Alle.

Wer es dann nicht packt, kann aber bitte nicht den Anspruch auf Gleichbehandlung als Erwachsener stellen. D.h. man muss dann schon einen erheblich niedrigeren Lebensstandard akzeptieren, wenn man die Schule/Ausbildung halt nicht gepackt hat und nicht ein begabter Musiker, Unternehmer oder Sportler ist. Die wesentlichen Lebensrisiken werden natürlich abgesichert. So hart kann das Leben sein ...

* Hier stellt sich natürlich die Frage: Gibt es ein Menschenrecht auf Handy, Farb-TV, Internetzugang und Sky Abo (mit/ohne Pornokanal)?
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon ganimed » Di 8. Feb 2011, 22:06

Zappa hat geschrieben:Weil Versicherungen eben sinnvollerweise kein Umlagesystem sind.

Du scheinst vor allem die Krankenversicherung vor Augen zu haben. Bei der Rentenversicherung ist es beispielsweise nichts anderes als ein Umlagesystem. Die jetzigen Einzahler finanzieren direkt die jetzigen Rentner. Wieso müssen die Reichen da anteilsmäßig plötzlich nicht mitmachen?

Aber selbst bei der Krankenversicherung ist Umlage ein Prinzip. Ein junger Mensch (ja sogar ein gering verdienender) bezieht in der Regel weniger Leistungen als ein Rentner. Sollen deiner Meinung nach Senioren einen dreimal höheren Versicherungsbeitrag bezahlen?

Zappa hat geschrieben:Was aber ist mit dem Mann, der regelmäßig Frau und Kinder schlägt, säuft und ständig ungeschützten Geschlechtsverkehr hat und dazu gerne besoffen ohne Gurt Auto fährt. Sollen die Risiken immer brav alle mit bezahlen?

Du willst alle Armen unter Generalverdacht stellen, sie in eine höhere Risikogruppe stecken und verhindern, dass sie zuviel dazu bekommen. Deine Beschreibung des ungesunden Mannes könnte aber auch sehr gut auf einen reichen Mann zutreffen. Natürlich sollten Menschen, die ohne Not hohen Gesundheitsrisiken eingehen, nicht belohnt werden. Aber ob jemand so etwas tut oder nicht, muss, wenn überhaupt, im Einzelfall geklärt werden. Deine Methode, einfach alle Reichen zu belohnen (weil sie ja alle so gesund sind) und alle Geringverdiener zu bestrafen (weil sie ja alle ihre Frau schlagen) erscheint mir wahnwitzig.

Zappa hat geschrieben:Man kann dieses System nicht innerhalb von Vesicherungssystemen lösen vor allem, wenn man nur auf Einkommenssteuer schielt. Was ist mit den Kapitalerträgen?

Sind Kapitalerträge im Bruttoeinkommen nicht enthalten? Volker Piespers erwähnte die Schweiz als Gegenbeispiel, wo alle Erträge zur Berechnung der Sozialabgaben herangezogen werden. Müsste bei uns doch auch irgendwie möglich sein.

Zappa hat geschrieben:Zahl Du mal ordentlich Einkommenssteuer und seh die Schwarzarbeiter sich mit Hartz IV zusätzlich ein schönes Leben machen. Da denkst Du dann anders.

Mir scheint, auf dem einen Auge bist du blind und auf dem anderen siehst du nicht richtig. Du übersiehst offenbar geflissentlich die Reichen, die sich ein schönes Leben machen obwohl sie sich bei den Sozialabgaben aus ihrem Anteil stehlen (und es soll ja angeblich viele weitere Steuersparmöglichkeiten für sie geben, wie man hört). Und ausgerechnet den Hartz-IV Empfänger ein schönes Leben zu unterstellen, erscheint mir recht perfide. Wäre ihr Leben nicht sogar noch schöner, wenn die auch irgendwie mal Geld hätten, also mal etwas mehr als das Existenzminimum. Deine Definition von "schönem Leben" scheint mir doch recht korrekturbedürftig. Und nach deinen wilden Behauptungen ist es sogar noch äußerst ungesund, das "schöne" Leben der Ärmsten.

Zappa hat geschrieben:Die Einstellung hängt natürlich insgesamt vom Menschenbild ab ("Jeder ist seines Glückes Schmied" versus "Alles sind gleich").

Das Menschenbild "jeder ist seines Glückes Schmied" ist soziologisch doch klar widerlegt. Wie du ja selbst deutlich machst, ist Frühförderung wichtig, genau weil ohne sie eben der Glücksschmiede das Feuer ausgeht. Und Frühförderung kann man sich nunmal als einfaches Kleinkind nicht selber besorgen.
Der Gegenentwurf ist aber keineswegs "alle sind gleich". Das muss eher einer dieser billigen Sozialismus-Verteufelungen entsprungen sein. Ich sehe als Gegenentwurf die Solidargemeinschaft : "die Starken helfen den Schwachen". Das ist genau keine Gleichmacherei.

Zappa hat geschrieben:Ich bin für eine Erhöhung der Bildungsaufgaben in der Frühförderung

Völlige Zustimmung. In den Bildungssektor müsste ganz massiv mehr investiert und viel individueller gehandelt werden.

Zappa hat geschrieben:Wer es dann nicht packt, kann aber bitte nicht den Anspruch auf Gleichbehandlung als Erwachsener stellen. D.h. man muss dann schon einen erheblich niedrigeren Lebensstandard akzeptieren

Auch völlig richtig. Gleichbehandlung will ja auch keiner. Wenn jeder 20% seines Bruttoeinkommens abgibt, dann ist das ja auch gar keine Gleichbehandlung, weil ja alle unterschiedliche Bruttoeinkommen haben.
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon platon » Di 8. Feb 2011, 22:17

ganimed hat geschrieben:Wenn jeder 20% seines Bruttoeinkommens abgibt, dann ist das ja auch gar keine Gleichbehandlung, weil ja alle unterschiedliche Bruttoeinkommen haben.

Wenn jeder von 80% seines Bruttoeinkommens vernünftig leben könnte, wäre das in Ordnung. Da aber mehrere Millionen Arbeitnehmer nicht einmal von 100% dessen, was sie verdienen, leben können, funktioniert auch dieses System nicht.
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon stine » Di 8. Feb 2011, 22:18

platon hat geschrieben:Man liegt mit etwas über 100 000 € Bruttojahreseinkommen und Frau und zwei Kindern ohne besondere Abschreibungen gut! über 70000 Jahresnetto.
Quelle?
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon platon » Di 8. Feb 2011, 22:22

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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon ganimed » Di 8. Feb 2011, 22:25

platon hat geschrieben:Da aber mehrere Millionen Arbeitnehmer nicht einmal von 100% dessen, was sie verdienen, leben können, funktioniert auch dieses System nicht.

Was heißt schon "funktionieren". Vollbeschäftigung und Beseitigung aller Armut, das wäre natürlich toll, aber dafür ist vermutlich wirklich nicht genug Geld da.

Ich zitiere sinngemäß mal wieder den guten alten Volker Piespers: es ist eine Lüge, dass im Kapitalismus sich nur alle anstrengen und fleißig sein müssen, und dann gäbe es Wohlstand für alle. Im Kapitalismus kann es nur einen Wohlstand geben, wenn etwa ein Drittel arm ist und für Niedriglöhne arbeitet. Als die Mauer noch da war, haben wir diesen innerdeutschen Niedriglohnsektor nur nicht so gesehen, weil in Ostdeutschland bei Ikea zu Billiglöhnen die Regale gefertigt wurden. Dann zog Ikea mit ihrer Fertigung weiter nach Tschechien und später in Länder wie Kasachstan. Unser Wohlstand ist ohne arme Schlucker nicht denkbar.

Also funktionieren wird es mit einheitlichem Prozentsatz noch nicht, aber gerechter wäre es zumindest schon.
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon stine » Di 8. Feb 2011, 22:41

ganimed hat geschrieben:Bei der Rentenversicherung ist es beispielsweise nichts anderes als ein Umlagesystem. Die jetzigen Einzahler finanzieren direkt die jetzigen Rentner. Wieso müssen die Reichen da anteilsmäßig plötzlich nicht mitmachen?
Stell dir vor, die "Reichen" wären alle in der Rentenversicherung und bekämen 70% ihres letzten Nettoeinkommens im Altenteil und das bezahlt einer, der nicht einmal Brutto die Hälfte davon hat.
So hat man also die "Reichen" herausgenommen und gesagt, o.k., dann machen wir eine Beitragsbemessungsgrenze, bis zu der wir dem Einzahlenden auch noch Rente auszahlen. Wer drüber liegt versichert sich bitte selber, weil er ja schließlich genug hat, um es für schlechtere Zeiten zurückzulegen. Das heißt, der Reiche zahlt in die Rentenkasse und muss sich für sein Altenteil noch selber zurücklegen, wenn er mehr haben möchte. Das ist mE sozial gerecht.

ganimed hat geschrieben:Sind Kapitalerträge im Bruttoeinkommen nicht enthalten?
Da hat Herr Piespers wohl seine Hausaufgaben nicht gemacht. Es gibt einen Freibetrag von 600€ Zinsen im Jahr, Verheiratete 1200€ und der Rest wird mit 20% (oder 25% ?) Kapitalertragssteuer automatisch versteuert. Das macht die Bank seit zwei Jahren ganz alleine, da musst du noch nicht mal zum Finanzamt.

ganimed hat geschrieben:Deine Definition von "schönem Leben" scheint mir doch recht korrekturbedürftig.
Was ist denn ein "schönes" Leben für dich?
Natürlich gibt es die sogenannten "oberen 10 000", inzwischen vielleicht schon 20 000, aber das sind doch die Minderheiten. Die meisten Menschen sind mittelmäßige Gutverdiener, fleißige Familienväter und Mütter, bei denen das Rad halt auch gerade so rund läuft und die sich über jeden Euro ärgern, den ihnen Vater Staat aus der Tasche zieht, um ihn dann als selbstverwaltete 50 Cent wieder für etwas auszugeben, das der Steuerzahler vielleicht so nicht unterstützen würde.

ganimed hat geschrieben:die Solidargemeinschaft : "die Starken helfen den Schwachen"
Aber ganz genau so ist es doch gerade!
Nur scheint es den Schwachen nie genug zu sein. Wenn den Starken noch etwas mehr übrig bleibt stößt das auf ständige Neiddebatten. Jeder die Hälfte vom Ganzen, oder wie hättest du das gerne?

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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon stine » Di 8. Feb 2011, 22:42

platon hat geschrieben:Steuertabelle
Hast du einen Link?
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon Lumen » Mi 9. Feb 2011, 01:44

Bestes sichtbares Beispiel für „irgendwas stimmt hier nicht” sind Menschen die Pfandflaschen sammeln. Eine Pfandflasche bringt zwischen 0,8€ bis 0,25€. Ein paar Flaschen an geeigneten Orten aufgesammelt, können da schnell den Verdienst eines 1€ Jobs übertreffen. Da stimmt die Mechanik definitiv nicht. Letztlich hatten wir die Diskussion schon ein paar mal. Der Staat könnte einmal seine Gesetze entschlacken, die (möglicherweise) ineffizientesten weltweit. Was es alleine Kostet extra die gesamte Verwaltung für Mini-Bundesländer zu erhalten (zudem ungerechte Machtverteilung dadurch), oder einen Blick auf das Wirrwarr der Mehrwertsteuern zu bewahren. Auf der anderen Seite ist es natürlich eine schöne Reichen-Ideologie, die Steuern senken zu wollen. Läuft immer auf die gleiche Schiene, oben wird dann entlastet, ein paar weitere lachen sich ins Fäustchen aber für die meisten Steuerzahler ist es mehr Makulatur und die Ärmeren haben nichts davon, sie sind ohnehin doppelt angeschmiert. Ich finde es vertretbar, dass ich für Infrastruktur und so fort aufkommen muss und auch gehobene Diäten für Politiker finde ich angemessen, inklusive vernünftiger Fuhrpark. Ich habe kein Interesse daran, dass Bestechlichkeit zu leicht möglich ist und möchte auch nicht, dass die im Fiat vorfahren. Daher sehe ich da keinen Neid. Seien wir realistisch, wir wurden derbe über den Tisch gezogen mit den Banken-Millionen. Dafür konnten sich die Verantwortlichen hinreichend schnell und unbürokratisch einigen, aber um ein paar sinnvolle Regeln und Bedingungen zu implementieren, tja, schwierig schwierig da müsse man mal gucken und verhandeln, nicht so einfach das alles. Die gurkigste Koalition aller Zeiten übersteht die Zeit mit Dauerfehlstarts auch noch, bis zur nächsten Wahl ist alles vergessen und dann werden die Früchte aus der in teilen zweifelhaften Rot/Grün Agenda 2010 als eigene Leistungen verkauft und genügend Idioten fallen drauf rein.
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon ganimed » Mi 9. Feb 2011, 13:46

stine hat geschrieben:Stell dir vor, die "Reichen" wären alle in der Rentenversicherung und bekämen 70% ihres letzten Nettoeinkommens im Altenteil und das bezahlt einer, der nicht einmal Brutto die Hälfte davon hat.

Endlich mal ein gutes Argument. Die Reichen stehlen sich zwar aus der Rentenfinanzierung heraus, sind aber zum Ausgleich auch weniger bei dem Kassieren der Rente beteiligt. Das klingt für mich zumindest halbwegs plausibel. Aber was ist nochmal der Grund, wieso die Reichen nicht richtig am Rentensystem teilnehmen? Die von dir genannte Vorstellung, dass dann arme Leute die reichen Rentner finanzieren, finde ich nicht problematisch. Die Reichen zahlen ja dann auch richtig ein und beteiligen sich anteilsmäßig an der Finanzierung der Rente ihrer reichen Väter. Also wo wäre das Problem?

stine hat geschrieben:Da hat Herr Piespers wohl seine Hausaufgaben nicht gemacht. Es gibt einen Freibetrag von 600€ Zinsen im Jahr, Verheiratete 1200€ und der Rest wird mit 20% (oder 25% ?) Kapitalertragssteuer automatisch versteuert.

Ich vermute, Herrn Piespers ist das bekannt. Er wies ja extra darauf hin, dass in der Schweiz das gesamte Bruttoeinkommen als Berechnungsgrundlage verwendet wird. Du beschreibst nun, wie es derzeit bei uns ist. Aber mir fehlt zum Verständnis jetzt noch ein plausibler Grund, wieso bei uns Kapitalerträge nicht mit Sozialabgaben belegt werden. Weil Aktionäre bei dem Stress sowieso nicht alt werden und keine Rente brauchen?

stine hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:die Solidargemeinschaft : "die Starken helfen den Schwachen"
Aber ganz genau so ist es doch gerade!

Ich hätte präzisieren sollen: "die Starken helfen den Schwachen, gemäß ihrer Stärke". Wer doppelt so stark ist, soll auch doppelt so viel helfen. Und so ist es derzeit leider nicht! Wenn ich doppelt so viel verdiene (wie die Beitragsbemessungsgrenze), beteilige ich mir nur mit einem Viertel am Rentensystem.

stine hat geschrieben:Nur scheint es den Schwachen nie genug zu sein.

Ich zähle mich, naiv wie ich bin, nicht zu den Schwachen. Leider aber auch nicht zu den ganz Starken. Aber einen normal ausgeprägten Gerechtigkeitssinn habe ich vermutlich schon, wie fast jeder. Deine Andeutung, dass dies lediglich eine Neiddebatte wäre, trifft also nicht zu. Ich will von den Reichen nicht mehr Geld bekommen, sondern ich will von den Politikern mehr Gerechtigkeit im System bekommen. Oder fürs erste zumindest eine vernünftige Erklärung finden, wieso etwas scheinbar so ungerechtes wie die Beitragsbemessungsgrenze in der Welt ist.
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Re: Grund für Beitragsbemessungsgrenze?

Beitragvon Zappa » Mi 9. Feb 2011, 18:07

ganimed hat geschrieben: Du scheinst vor allem die Krankenversicherung vor Augen zu haben. Bei der Rentenversicherung ist es beispielsweise nichts anderes als ein Umlagesystem. Die jetzigen Einzahler finanzieren direkt die jetzigen Rentner. Wieso müssen die Reichen da anteilsmäßig plötzlich nicht mitmachen?


Deshalb verdient diese Versicherung ja auch nicht Ihren Namen, ähnlich wie die Krankenversicherung. Hier wird schon ordentlich umverteilt. Man kann das ja so machen, nur muss man die Nachteile sehen:

1. Das System ist nicht nachhaltig. Es werden Anreize gesetzt möglichst wenig ein zu bezahlen und möglichst viel heraus zu bekommen, die persönliche Vorsorge ist völlig wurscht. Ergebnis: Das System fliegt uns in wenigen Jahren um die Ohren, tolle Wurst. (Noch Extremer natürlich bei den Pensionen, mittleres Pensionsalter bei Polizeibeamten ca. 53a - da kann man sich ausrechnen, wieviel Jahre Ihres Lebens die Transferleistungsempfänger (2/3) und wieviel die Einzahler sind (1/3) ).
2. Wie kommst Du auf den Dreh, dass Reiche da nicht mitmachen? Die finanzieren natürlich ein Großteil des Systems. Wieder wird aber der Mittelstand überproportional benachteiligt.
3. Und erneut vergisst Du Kapitalerträge etc., solch ein System nur aus Löhnen zu finanzieren ist nicht gerecht. Auch hier fände ich eine echte Versicherung + Steuergelder wesentlich sinnvoller.

ganimed hat geschrieben:Aber selbst bei der Krankenversicherung ist Umlage ein Prinzip. Ein junger Mensch (ja sogar ein gering verdienender) bezieht in der Regel weniger Leistungen als ein Rentner. Sollen deiner Meinung nach Senioren einen dreimal höheren Versicherungsbeitrag bezahlen?


Wenn Sie ordentlich vorsorgen nicht, wenn Sie auf den letzten Drücker die "Versicherung" wechseln natürlich (sonst müssen ja die anderen voll mitbezahlen). Es kommt halt auf die Lebensplanung an, wer in der produktiven Zeit alles Geld verballert, bekäme halt später nur die Brosamen. Wo wäre das Problem? Wo das Problem liegt, wenn niemand sich um seine persönliche Vorsorge kümmern muss und sich immer schön auf die Anderen verlässt sehen wir ja ...

ganimed hat geschrieben:Du willst alle Armen unter Generalverdacht stellen, sie in eine höhere Risikogruppe stecken und verhindern, dass sie zuviel dazu bekommen.


Sei mal nicht so empfindlich mit deinem pathologischen Generalverdacht gegen Besserverdienende :mg: Natürlich diskutieren wir hier anhand von Archetypen.

Noch mal generell: Ich denke wir beiden haben unterschiedliche Erfahrungen und ein unterschiedliches Menschenbild, da kommt man nicht immer auf einen grünen Zweig. Ist halt so. Ich habe im Leben durchaus einige Leute kennen gelernt, die im Leben praktisch keinerlei sozialpflichtiger Arbeit nachgegangen sind, denen es aber trotzdem prächtig ging und die zudem eine rotzfreche Anspruchshaltung pflegten. Sowas prägt halt. Ich denke Du bist da insgesamt etwas zu sozialromantisch.

Natürlich sollen die Stärkeren die Schwachen fördern (ich bin z.B. für eine Erhöhung des Spitzensteuersatztes und Wiedereinführung der Vermögenssteuer), aber halt im richtigen Transfersystem und nicht in der Versicherung. Und natürlich heisst es fördern und fordern, die Leute müssen im Rahmen ihrer Fähigkeiten was dafür tun und nicht nur die Hand aufhalten. Bleibt noch das Problem der Schwarzarbeit und der Scheinalleinstehenden, aber das wäre ein neues Fass das es aufzumachen gälte.
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