von Lumen » So 22. Mai 2011, 12:51
Ich finde die unterschwellige, für mich nicht geklärte, Behauptung recht putzig, dass Landschaften wie Gasbehälter sind, die man sinnvoll ausfüllen müsste. "Bevölkerungseinheiten" wie z.B. Deutsche, Belgier, Bremer usw. sind doch recht beliebig und scheinen sich in den Größenordnungen tragen zu können. Gerade in der Globalisierung. Warum müssen viele Menschen auf diesem Landstrich wohnen? Warum kann Deutschland nicht so viele Einwohner haben wie die Niederlande? Warum kann das Land nicht stellenweise renaturiert werden, und eben dünner besiedelt sein, wie in vielen Bundesstaaten der USA (das sind Beispiele).
Die Diskussion (nicht hier, aber allgemein) wirkt auf mich unehrlich. Die eine Seite erweckt den Eindruck, als wären sie geradezu "Deutsch-Hasser", die nur die nörgelnden, pedantischen, unfreundlichen, Mitbürger sehen mit Geschichtsblut an den Händen. Sie sollen möglichst stark verdünnt werden, weil dolce vita, Gott in Frankreich, exotisches, anderes ja so viel besser ist. Die können besser Tanzen, die Südländer. Oder haben eine lange demokratische Geschichte, die unbesudelt erscheint. Auch mein "Lieblingsjournalist" Dirk Kurbjuweit schlägt in so eine Kerbe. Sein Tenor in einem Artikel war praktisch, dass Deutschland es ohnehin nicht wert ist und deshalb in Europa aufgehen sollte, wie eine Aspirin-Tablette im Wasserglas. Die Deutschen haben dann noch traditionell regionalpatriotische Züge, wo die Nation ohnehin immer als eine Art künstliche Instanz gesehen wurde, die keiner braucht.
Die andere Seite mit ihrem Leitkultur-Geschwafel erweckt hingegen das Bild einer unheimlichen Unterwanderung. Wie Außerirdische in einem B-Film nisten sich die Fremden hier ein und vermehren sich heimlich, bis sie die Macht an sich reißen. Der faschistische Unterton ist dabei nicht zu überhören, denn so ähnlich wurde auch über die Juden gesprochen. Wieder andere stellen Asylanten und Einwanderer wie Hunnen- oder Sarazenenhorden dar, die in das christliche Abendland strömen und dabei die christliche Leitkultur durch ihre ersetzen.
Wie dem auch sei, man merkt bei dem Thema aber, dass es der Politik an Ideen und einer praktischen "Zielvorgabe" (um nicht zu sagen "Vision") fehlt. Die meisten Wähler dürften damit einverstanden sein, dass wir qualifizierte Kräfte brauchen, aber eben nicht noch mehr Arbeitslose und Ungelernte. Warum gibt es nicht ein System aus Förderung und Einschränkung? In Zukunft könnte es z.B. sein, dass Amerikaner ihr Land verlassen und ihr Glück woanders suchen. Auch in Asien gibt es gut ausgebildete Leute, die dem Großstadtschmog ihrer Heimat entkommen wollen.
Da ich selbst in einer sogenannten Zukunftsbranche arbeite, weiß ich, wie dilettantisch da agiert wird. Am Ende läuft es darauf hinaus, dass Menschen immer mobiler sein werden und immer stärker dort arbeiten können, wo sie lustig sind. Der Flecken Erde ist aber da wo er ist. So schlicht das erscheint, die Politik kann nicht anders als Standort-Politik zu betreiben und sollte das eher angehen wie ein Tourismus-Betrieb. Die guten Leute sollen hierher kommen und hier bleiben und da sind malerische, dünner besiedelte Landschaften (aber mit allen modernen Annehmlichkeiten) auch nicht unbedingt von Nachteil.