Was ist Fundamentalismus?

Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon Lumen » Do 2. Jun 2011, 00:31

Soweit ich es in Erfahrung bringen konnte, wurde der Begriff von Evangelikalen (Presbyterianern) in den 1880ern geprägt. Gemeint war damit eine Abkehr von modernerer liberaler Theologie und eine Hinwendung zu früheren Versionen des Glaubens, sowie eine strenge Wahrung dieser Tradition. Seitdem wurde der Begriff erweitert und verallgemeinert und meint so etwas wie das strikte Einhalten (oder Fürwahrhaltens) eines Glaubens oder auch einer Überzeugung. Darüberhinaus wird der Begriff offenbar (ab)wertend verwendet, um zu unterstreichen, dass fundamentale Anhänger es mit ihrer Überzeugung "übertreiben".

Ich habe den Verdacht, dass Fundamentalisten außerhalb der eigentlichen Definition eine Fiktion sind. Das haben sich Journalisten und andere Nachplapperer ausgedacht, weil sie uns weismachen wollen, dass es "richtige" Arten von Glauben gibt und "falsche". Als rhetorisches Mittel ist es äußerst nützlich, ein outsourcing schlechter Nachrichten zu betreiben. Wenn sich Juden, Moslems und Christen gegenseitig in die Luft sprengen, waren es nicht Juden, Moslems oder Christen sondern "Fundamentalisten" die das getan haben. Mittlerweile scheint es üblicher Sprachgebrauch zu sein, einfach zu behaupten, dass verbrecherische Aktionen im Namen einer Religion auf das Konto von "Fundamentalisten" geht.

Zunächst stelle ich mir die Frage, woher Journalisten und andere es denn so genau wissen wollen, wie "fundamentalistisch" der Glaube eines Täters ist. Es schließt sich die Frage an, ob nicht alle Gläubigen, die den Namen verdienen, ihre Ansichten für unfehlbar und wahrhaftig halten, jedenfalls der Anspruch der Religionen sich in diesem Punkt nicht erkennbar von "fundamentalistischen" unterscheidet. Ein Kardinal wird die Dogmen seiner Kirche nicht anzweifeln und üblicherweise sehr fest und entschieden daran festhalten und ist dennoch nach landläufiger Meinung kein Fundamentalist.

Bei allen Einzelfragen eines Glaubens dürfte es alle möglichen Kombinationen an freier oder strenger Auslegung geben, die grob eine Normalverteilung ergeben. Das heißt: zu jeder Einzelfrage dürfte sich eine glockenförmige Kurve ergeben, wobei der Hügel in der Mitte die "gängigsten" Ansichten widerspiegelt. Diese Normalverteilung richtet sich aber nicht am gesunden Menschenverstand aus. Das "Normale" kann jede beliebige Form von hahnebüchen bis verrückt annehmen. Wo genau befindet sich dort die rote Linie, die den "rechten" vom "übertriebenen" Glauben trennt?

Geht es bei dem Begriff hingegen um das Unterstreichen einer Inkompatibilität des Glaubens mit unserer modernen Lebensweise (insbesondere der Menschenrechte), wird letztlich ein Gegensatz aufgebaut. Fundamentalistische Christen wären ein Fenster in eine Vergangenheit, die durch den abwertenden Begriff negativ gezeichnet wird. Damit würde sich ein Widerspruch zu den angeblichen christlichen Werten auftun, die vermutlich zwei Sätze weiter angepriesen werden.

Natürlich könnte der betreffende mit der Begriffswahl "Fundamentalismus" auch auf Konnotationen wie "entartet" oder "pervertiert" anspielen, und dabei eine Meinung im Text verstecken, die nicht hinterfragt einfach in den Raum gestellt wird. In diesem Sinne wären für mich alle gläubigen Christen, Juden, Moslems usw. Fundamentalisten, sofern sie ihren Glauben für unfehlbar halten und ihr Leben immerhin auf eine Märchengeschichte hin ausrichten. Dies wird nach wie vor für eine Selbstverständlichkeit gehalten, die ebenfalls zu hinterfragen (und zu kritisieren) ist.
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon musicman » Do 2. Jun 2011, 11:40

Lumen, jetzt hast du dir soviel Arbeit gemacht, dabei könntest du deine Ansicht ganz kurz auf den Punkt bringen: Religion ist Sch... und basta. :mg:

Also mir ist egal was einer glaubt und was nicht, solange er sich anständig benimmt.

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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon stine » Do 2. Jun 2011, 11:55

musicman hat geschrieben:...egal was einer glaubt und was nicht, solange er sich anständig benimmt.

Aber genau das ist doch das Problem: Wenn einer etwas glaubt, was ihm befiehlt unanständig gegenüber ungläubigen Mitmenschen zu sein, dann kann es nicht egal sein, was er glaubt. Ein Religions-, oder Staatsglaube der für sich in Anspruch nimmt, er wäre der einzig Wahre und alle die nicht an ihn glauben sind unwürdig, ist eben kein Glaube, der zu dulden wäre. Und jeder Glaube wird unakzeptabel, sobald seine Vertreter für sich in Anspruch nehmen, die einzig wahren Menschen zu sein und andere für unwürdig erklären.

Fundamentalismus in jeder Richtung ist menschlich nicht in Ordnung. Es muss sich dabei auch nicht immer um Religionen handeln. Auch ein ganz normaler "sturer Bock" ist unakzeptabel! :mg:

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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon ujmp » Do 2. Jun 2011, 12:02

Ich schließe mich musicman an. Wenn einer sich dabei anständig benimmt, darf er ruhig glauben, den einzig wahren Glauben zu haben. Er darf auch glauben, der einzig wahre Mensch zu sein.
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon stine » Do 2. Jun 2011, 12:31

Können sich Fundamentalisten überhaupt anständig benehmen?
Schließt die Bezeichnung nicht eine gewisse Art und Weise mit ein?
Wer sich tolerant gibt ist ja eben genau kein Fundamentalist.

Ich denke da auch an politische Konstruktionen die intolerante Anhänger hervorgebracht haben. Fundamentale Linke, rechte, Umwelt Gruppierungen, Emanzen, Vegetarier usw, die sich oft nicht mehr "anständig" benehmen, weil sie denken (glauben?) die einzig richtige Einstellung gefunden zu haben.

Fundamentalismus ist immer abzulehnen, weil er nicht in eine demokratische Gesellschaft passt. Egal welcher coloer, würd ich sagen.

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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon xander1 » Do 2. Jun 2011, 12:34

Fundamentalismus ist da sinnvoll, wo man einem Menschen ein Fundament unterschieben möchte, um ihn damit zu programmieren.

Dazu zählt jede Religion, jede Weltanschauung, jede Lebensansicht, etc.
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon Nanna » Do 2. Jun 2011, 12:43

Ich denke, der Fundamentalismus ist doch eigentlich recht klar umrissen.

Fundamentalismus bedeutet, sich der Basis eines bestimmten Weltanschauungssystems zu verschreiben. Das muss nicht einmal eine Religion sein, es kann auch eine politische Doktrin wie der Kommunismus oder der Faschismus sein. "Basis" bedeutet in dem Zusammenhang, die Gründungsannahmen bzw. Gründungsdokumente des jeweiligen Denksystems unhinterfragt als wahr annimmt. Bedeutend ist dabei natürlich vor allem die totale Sichtweise, also das Überhöhen der wie auch immer festgelegten Grundsätze über alles andere Wissen, selbst wenn dieses offensichtlich stimmiger und wissenschaftlich belegt sein sollte.

Im Grunde ist die Kernfrage, die ja auch Fundamentalisten untereinander oftmals heftig diskutieren, welche Aussagen, Regeln, Dokumente etc. zum Kern des jeweiligen Weltanschauungssystems gehören. Im Islam ist es natürlich der Koran (aber auch hier stellt sich schnell die Frage, wie einzelne Stellen zu interpretieren sind, ob und welche Hadithe berücksichtigt werden müssen usw.), bei den Christen die Bibel (aber auch hier kann es starke Abweichungen geben, welche Teile und Aussagen fokussierter wahrgenommen werden als andere), im Marxismus "Das Kapital" (auch hier: heftige Kontroversen, insbesondere zu Fragen der Gewaltanwendung, siehe RAF), naja usw. eben. Bei all diesen Unstimmigkeiten, die die fundamentalistischen Anhänger einer Weltanschauung haben mögen, sind sie sich in einem ganz zentralen Punkt aber einig und das ist für mich der entscheidende: Alle sind felsenfest davon überzeugt, dass es eine Wahrheit gibt, die in ihrer Weltanschauung zum Ausdruck kommt. Wenn es Kontroversen innerhalb derselben Bewegung gibt, dann ist die gemeinsame Annahme, dass das nur deshalb so sei, weil die Menschen zu unwissend/dumm/faul/feige seien, die Wahrheit zu erkennen, nicht, weil es diese Wahrheit schlichtweg nicht geben könnte.

Insofern bemerkst du am Ende deines Beitrags völlig korrekt:
Lumen hat geschrieben:In diesem Sinne wären für mich alle gläubigen Christen, Juden, Moslems usw. Fundamentalisten, sofern sie ihren Glauben für unfehlbar halten und ihr Leben immerhin auf eine Märchengeschichte hin ausrichten.


Übrigens, ich habe es schonmal gesagt, das Wort "journalistisch" wird an der Universität meiner Erfahrung nach meist als abwertender Begriff gebraucht, im Sinne von "zu wenig analytisch, zu narrativ", "aufmerksamkeitsheischend", "subjektiv". Natürlich ist damit nicht unbedingt der investigative Qualitätsjournalismus der angesehensten Journalisten gemeint, die ja oft selber schon quasi-wissenschaftliche Maßstäbe an die eigene Arbeit anlegen, sondern mehr der Typus des ahnungslosen "Terror-Experten" in irgendwelchen Sondersendungen, und der ist es dann auch eher, der mit Begriffen wie "Fundamentalismus" unreflektiert umgeht. Nur, warum sollte man ausgerechnet die Privatdefinition dieser Leute als maßgebend für Allgemeingültigkeit ansehen?
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon musicman » Do 2. Jun 2011, 12:45

stine hat geschrieben:
musicman hat geschrieben:...egal was einer glaubt und was nicht, solange er sich anständig benimmt.

Aber genau das ist doch das Problem: Wenn einer etwas glaubt, was ihm befiehlt unanständig gegenüber ungläubigen Mitmenschen zu sein, dann kann es nicht egal sein, was er glaubt.

LG stine


Dann benimmt er sich auch nicht mehr anständig und dann ist es auch nicht mehr egal.

Sagte ich doch - oder ?

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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon ujmp » Do 2. Jun 2011, 12:59

stine hat geschrieben: Fundamentalismus ist immer abzulehnen, weil er nicht in eine demokratische Gesellschaft passt.


Du bist sozusagen eine fundamentalistische Demokratin... ;-)
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon stine » Do 2. Jun 2011, 13:06

musicman hat geschrieben:
stine hat geschrieben:
musicman hat geschrieben:...egal was einer glaubt und was nicht, solange er sich anständig benimmt.

Aber genau das ist doch das Problem: Wenn einer etwas glaubt, was ihm befiehlt unanständig gegenüber ungläubigen Mitmenschen zu sein, dann kann es nicht egal sein, was er glaubt.

LG stine


Dann benimmt er sich auch nicht mehr anständig und dann ist es auch nicht mehr egal.

Sagte ich doch - oder ?
Na ja, sogesehen ... :wink:
Ich wollt es nur nochmal wiederholen.

ujmp hat geschrieben:Du bist sozusagen eine fundamentalistische Demokratin... ;-)
Ich bevorzuge die Demokratie, aber ich verteidige sie nicht als Wundermittel für eine Staatsform. Die Demokratie hat auch ihre Nachteile, nämlich dann, wenn man sich zu Tode diskutiert. Da würde ich gerne mal auf den Tisch hauen und diktatorisch ein Ende machen :mg:

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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon ujmp » Do 2. Jun 2011, 13:12

Was ist mit einem Fundamentalisten, der fest glaubt, dass er etwas Besseres ist und dass er sich deshalb anständig benehmen muss? Ist das erlaubt?
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon musicman » Do 2. Jun 2011, 13:38

Dann gilt, je anständiger umso besserer :mg:

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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon mat-in » Do 2. Jun 2011, 14:27

stine hat geschrieben:
musicman hat geschrieben:...egal was einer glaubt und was nicht, solange er sich anständig benimmt.

Aber genau das ist doch das Problem: Wenn einer etwas glaubt, was ihm befiehlt unanständig gegenüber ungläubigen Mitmenschen zu sein, dann kann es nicht egal sein, was er glaubt.

Ich würde da einen Schritt weiter denken / gehen: Wenn jemand etwas glaubt, dann ist natürlich das, was er macht anständig und alle die anders handeln sind unanständig!

Fundamentalismus wird es dann, wenn es ohne jede kompromissbereitschaft, selbstreflektion und die möglichkeit sich in andere hinein zu versetzen zur alleinigen wahrheit stilisiert und auch jeden Bereich des Lebens beeinflußt.
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon musicman » Do 2. Jun 2011, 15:16

mat-in hat geschrieben:Ich würde da einen Schritt weiter denken / gehen: Wenn jemand etwas glaubt, dann ist natürlich das, was er macht anständig und alle die anders handeln sind unanständig!


Gemeint ist damit, dass er sich an die allgemein anerkannten Regeln hält und nicht an irgendwelche exotischen sekteninternen Anweisungen, kurz gesagt, wenn sich einer an das Gesetz hält, dann ist es mir egal was er glaubt oder nicht.

Fundamentalismus wird es dann, wenn es ohne jede kompromissbereitschaft, selbstreflektion und die möglichkeit sich in andere hinein zu versetzen zur alleinigen wahrheit stilisiert und auch jeden Bereich des Lebens beeinflußt.


So sehe ich das auch

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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon Nanna » Do 2. Jun 2011, 15:19

Fundamentalistisch denken und fundamentalistisch handeln sind trotzdem nicht unbedingt dasselbe. Jemand kann durchaus Abtreibung für sehr unmoralisch halten, ohne deshalb Abtreibungskliniken anzuzünden. Während fundamentalistisch handeln unter Umständen in kriminellen oder die Gesellschaft schädigenden Verhaltensweisen resultieren kann, ist fundamentalistisches Denken schon durch die Meinungsfreiheit geschützt (was nicht ausschließt, dass Gesellschaft und Staat aktiv etwas dagegen unternehmen dürfen, wenn das demokratische Zusammenleben gefährdet ist). Auch wenn Fundamentalismus etwas hässliches und engstirniges ist, muss man da trotzdem differenzieren. Ich schließe mich da den anderen an: Solange sich jemand anständig verhält, und zwar nach den in breiten Schichten anerkannten Standards (Achtung der Menschenrechte, Bürgerrechte, grundlegenden Benimmkonventionen, u.ä.), ist sein Fundamentalismus Privatsache und kann zwar selbstverständlich kritisiert werden, darf aber nicht Opfer von pseudodemokratischem Gesinnungsterrorismus werden, denn das wäre ja auch wieder eine Spielart von Fundamentalismus.
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon mat-in » Do 2. Jun 2011, 15:46

musicman hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Ich würde da einen Schritt weiter denken / gehen: Wenn jemand etwas glaubt, dann ist natürlich das, was er macht anständig und alle die anders handeln sind unanständig!

Gemeint ist damit, ... wenn sich einer an das Gesetz hält, dann ist es mir egal was er glaubt oder nicht.

Und genau hier liegt (leider, leider) das Problem. Mein Recht auf vegetarische Nahrung ist nun mal weniger Wert als das Recht auf halal Nahrung, weil es nicht von Gott kommt (um mal ein Beispiel im kleinen zu bringen) und meine Persönlichkeitsentfaltung wird von der persönlichkeitsentfaltung anderer mit religiösen Gründen eingeschränkt. Warum? Weil sie ihr Gesetzt da anders sehen als ich. Es mag "bescheuert" klingen, aber im Kopf solcher Leut ist - mal mehr mal weniger stark - verankert, das es Dinge gibt, die ebne "über" dem "weltlichen" Recht stehen. Die auch über dem Recht das sich jeder andere so selbst zurecht legt stehen. Weil deren Recht ist falsch, mein Recht "richtig". Leider.
Das muß man irgend wie verstehen um damit umzugehen. Vielleicht kann man das Therapieren? Ich weiß es nicht.
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon Nanna » Do 2. Jun 2011, 16:18

Was hat dein Recht auf vegetarische Nahrung mit einem Recht auf halal-Speisen zu tun? Strenggenommen gibt es weder das eine noch das andere. Es gibt vegetarische Produkte und halal-Produkte, weil es entsprechende Käuferschichten gibt, das ist eine ganz banale ökonomische Erwägung der Nahrungsmittelhändler.

Ansonsten gilt: Es gibt keine Gesinnungsverbrechen.
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon musicman » Do 2. Jun 2011, 17:06

mat-in hat geschrieben: meine Persönlichkeitsentfaltung wird von der persönlichkeitsentfaltung anderer mit religiösen Gründen eingeschränkt.


Kannst Du mal Beispiel geben ?
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon mat-in » Do 2. Jun 2011, 17:33

Ich habe den Vorfall hier im forum ( viewtopic.php?f=13&t=3558 ) ganz gut beschrieben denke ich. Wer auf mein langes Gejammer keine Lust hat:

Grillparty mit "normalen", "muslimen" und "vegetariern", unter letzter Gruppe auch ich (gemäßigt) und die Gastgeberin (eher strikt). Ein Gast kam spät, warf bevor man ihn dafür erschießen konnte um ihn zu stoppen sein "rinds aber nicht halal" würstchen in die falsche Grillschale. Daraufhin wurden alle Halal Sachen "auf die vegetarische grillschale gerettet". Klar kann ich verstehen, wenn jemand seine Halal-Wurst nicht mehr essen will, weil sie die nicht-halal wurst berührt hat. Total nachvollziehbar als Vegetarier will ich auch nicht Gemüse essen das mit fleisch... halt mal. Als ich dann fragt, ob man sich nicht denken könnte, das für mich Gemüse mit Fleisch dran genauso eklig ist wie für sie halal Fleisch mit nicht hala dran bügelte man mir (und der Gastgeberin) über den Mund, das es so eine Art spleen sei, eine Macke vegetarisch zu essen... wohingegen ihr Gebot von Gott käme, damit wichtiger sei und das müsse ICH verstehen. Wo denn MEINE Toleranz wäre, bitteschön!

Hier ist also mein Recht zu entscheiden, was ich mir in den Mund stopfe plötzlich weniger Wert als das recht anderer und ich - obwohl ich umgekehrt in keinster weise intolerant war oder gemeckert habe - bekomme deren Mist aufgezwungen und soll dann auch noch den Mund halten?

Ja, in diesem Fall muß ich das, denn die sehen sich - nach ihrer auffassung von gut und böse - vollkommen im Recht, wohingegen es nach meiner Auffassung "himmelschreiend" ungerecht, intolerant und diskriminierend war.

Mag nur eine Kleinigkeit sein, aber es wird ja mit allem anderen im Leben auch so gehandhabt.
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Re: Was ist Fundamentalismus?

Beitragvon Nanna » Do 2. Jun 2011, 17:55

Ich weiß nicht, wie du das gelöst hast, aber ich hätte in dem Fall den rhetorischen Knüppel rausgezogen und eine gewaschene Grundsatzdiskussion mit demagogischer Schärfe angezettelt, dass noch dem uninteressiertesten Gast der Appetit vergangen wäre. Wenn das nichts geholfen hätte, wäre ich unter Umständen sogar gegangen, mit dem deutlichen Hinweis darauf, dass ich mit Menschen, die derart arrogant und rücksichtslos mit anderen umgehen und gleichzeitig auch noch eine Sonderbehandlung für sich selbst einfordern, nicht an einem Tisch sitzen möchte. Man hat in so einem Fall durchaus das Recht, dann auch mal zurückzutreten. Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz!

So ärgerlich das verständlicherweise war, fände ich es aber bedauernswert, wenn du aus einem Einzelfall grundsätzliche Schlüsse ableiten würdest. Ich kenne Muslime, denen würde ich eine solche Gedankenlosigkeit auch zutrauen, kenne aber auch solche, die (schon wegen der Gastfreundlichkeit der eigenen Kultur) am Boden zerstört wären, wenn sie jemandem so in irgendwas reingepfuscht hätten (das sind dann die, die sowieso verstanden haben, dass "gleiche Rechte habe" nicht heißt, dass man selbst erstmal am gleichesten wäre und in Forderungsstellung gehen könnte, ohne etwas zurückzugeben).
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