Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon ganimed » Mo 1. Aug 2011, 21:03

Arathas hat geschrieben:"Die Medien" sind aber gewinnorientierte Unternehmen

Das ist richtig. Vielleicht ist das auch der eigentliche Grund, wieso sie moralisch verkommen agieren. Ich will ja eigentlich erstmal nur feststellen dürfen, dass sie es tun (moralisch verkommen agieren nämlich).

Arathas hat geschrieben:Wer würde schon eine Liste, wie du sie vorschlägst, angucken und dann sein zu spendendes Geld proportional aufteilen?

Auch hier muss ich sofort einräumen, dass ich für die Weltverbesserung keinerlei Rezepte habe. Ich wollte nur mal attestieren, wie schlimm es meiner Meinung nach steht und wie nötig die Welt eine Verbesserung hätte (und wie einfach sie in Hinsicht einer ausgewogenen Berichterstattung vielleicht wäre). Wobei in diesem Fall nicht die Welt sondern wir, du ich und Nachbar Hinz und Kunz gemeint sind, und wie unmoralisch wir mit unseren ach so verständlichen Emotionen sind. Selbstverachtung wäre ja vielleicht ein erster Schritt zu einem Umdenken.

Arathas hat geschrieben:Es würde ja schon reichen, wenn wir aufhören würden, die Lage aktiv zu verschlimmern (z.B. durch Kaputtmachen der Preise lokaler afrikanischer Produzenten durch unsere kostenlosen Hilfsgüter)

Auch wieder wahr. Wenn ich höre, dass Frau Merkel bei ihrer Afrika-Tour zufällig genau die drei ölreichsten Länder besucht hat, wenn man die Leoparden-Geschäfte mit höchst problematischen Regimen dazu nimmt, und dann wie ich gestern hörte noch hinzurechnet, wie Westerwelle noch vor nicht langer Zeit in Griechenland darauf drang, dass die aber bitteschön den Kauf von Eurofightern perfekt machen sollen, obwohl schon klar war, dass sie das in höchste Zahlungsschwierigkeiten bringen würde, dann entsteht bei mir doch ein Bild des Ekels. Deutschland scheint sich ebenso wie viele andere Länder eher egoistisch, rücksichtslos, menschenfeindlich, zynisch und gierig zu verhalten.

Mein Fazit: Deutsche Regierungen sind doof. Medien sind doof. Wir Bürger sind doof. Ich schmolle jetzt erstmal.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon ujmp » Di 2. Aug 2011, 06:56

ganimed hat geschrieben:
Arathas hat geschrieben:"Die Medien" sind aber gewinnorientierte Unternehmen

Das ist richtig. Vielleicht ist das auch der eigentliche Grund, wieso sie moralisch verkommen agieren. Ich will ja eigentlich erstmal nur feststellen dürfen, dass sie es tun (moralisch verkommen agieren nämlich).

Man darf zu ihrer Verteidigung sagen, dass der Markt auch von den Abnehmern ihrer Ware abhängt. Die Masse will oberflächliches Zeug hören.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon Arathas » Di 2. Aug 2011, 08:53

ganimed hat geschrieben:Wobei in diesem Fall nicht die Welt sondern wir, du ich und Nachbar Hinz und Kunz gemeint sind, und wie unmoralisch wir mit unseren ach so verständlichen Emotionen sind. Selbstverachtung wäre ja vielleicht ein erster Schritt zu einem Umdenken.


In erster Linie kann man mal nix für seine Emotionen - der eine verfällt in tiefe Trauer, wenn er das Leid in Afrika sieht, der andere denkt sich "Is nich meine Schuld" und lebt sorglos weiter. So oder so - du kannst das ja nicht steuern. Ich zum Beispiel habe keine Schuldkomplexe, weil überall auf der Welt Menschen an menschen-unwürdigen Bedingungen sterben. Das ist leider so und es wird immer so sein (es sind auch nicht immer andere Menschen Schuld an der Misere von anderen, sondern sehr oft auch einfach die Natur bzw. das Wetter, und damit der Zufall).

Ich habe allerdings ein schlechtes Gewissen, wenn ich mein monatliches Gehalt angucke und es vergleiche mit dem, was der Großteil der Menschen durchschnittlich so verdient. Diesem schlechten Gewissen verschaffe ich Abhilfe durch Spenden und ne Patenschaft für ein Kind in Afrika. Klar könnte ich noch mehr machen. Man kann immer mehr machen. Aber mein Gewissen ist beruhigt, wenn ich einfach einen Teil meines Gehalts nicht behalte, sondern anderen zu Gute kommen lasse. Andere wollen (müssen) mehr tun, um ihr Gewissen zu beruhigen, und wieder andere tun gar nichts und sind genauso zufrieden mit sich und der Welt. So läuft das nunmal - zwingen kann man die Menschen nicht zum Teilen. :/


Selbstverachtung, wie du sie wohl gern öfter sehen würdest bei den Leuten, halte ich nicht für erstrebenswert - anderen Menschen helfen wird man meiner Meinung nach eher, wenn man mit sich selbst im Reinen und glücklich ist.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon ganimed » Di 2. Aug 2011, 12:55

Aha, Entschuldigungen und Ausflüchte. Das passt, finde ich, ins Bild. Zumindest wenn man mal einen Moment annähme, ich hätte mit meiner Polemik recht und wir wären tatsächlich moralisch verkommen. Dann würde man wohl erwarten dürfen, dass wir als moralisch Verkommene uns von solchen Vorwürfen auch nichts annähmen und jede Menge Gründe, Erklärungen, "geht-nicht-anders", "ansonsten-wäre-es-ja-noch-schlimmer", "ich-mach-ja-schon-genug" Geschichten auftischten.

ujmp, Arathas: ich kann anhand eurer Äußerungen also nicht wirklich entscheiden, ob ihr recht habt oder einfach nur moralisch verkommen seid. :) Das ist ein Dilemma.

Ich bemühe für mich hin und wieder gerne das Bild vom Außerirdischen und was der wohl denken würde, wenn er so vom Orbit aus unsere Welt betrachet. Es dürfte für ihn schwer zu verstehen sein, wieso all diese Lastwagen nicht mit all diesen Gütern wenigstens teilweise in all diese Wüsten fahren, wo die Menschen gerade elendig verhungern. Stattdessen beliefern all diese Lastwagen weiter all diese Aldis, wo all diese übergewichtigen Menschen sich die Einkaufswagen vollpacken und gemütlich nach Hause fahren. Der Alien würde sicher seine 5 Hände über seinen zwei Köpfen zusammenschlagen. Und ich denke manchmal, dass der Außerirdische mit seiner moralischen Entrüstung nicht zu naiv wäre sondern völlig recht hätte, und dass wir viel zu nahe sind, uns viel zu sehr an diese Ungeheuerlichkeiten gewöhnt haben und moralisch völlig verkommen sind. Aber zugegeben, das denke ich natürlich nur manchmal. Auf Dauer sind solche düsteren Gedanken ja bekanntlich eher unerquicklich.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon Arathas » Di 2. Aug 2011, 13:07

Jo, die Menschheit ist moralisch verkommen, sehe ich schon auch so. So im Großen und Ganzen. ;-) Daran werden weder du noch ich was ändern. Wir können aber jeder selbst im Kleinen etwas ändern und damit sogar unser Umfeld beeinflussen. Ich merk's momentan selbst: Ein paar Freunde von mir, die mich ständig damit aufgezogen haben, dass ich nun seit fast nem Jahr Vegetarier bin, haben sich am Wochenende Gemüse-Bratlinge in die Pfanne gehauen. Was sie sonst NIE machen. Vielleicht taten sie das wegen meinem Verhalten. Ich weiß es nicht und hab nicht gefragt. ;-)

Geh mit Toleranz und gutem Beispiel voran und leb dein Leben, wie du's für richtig hältst - vielleicht folgt ja einer. Wenn ja, schön. Wenn nicht, auch Wurscht. Naja, zumindest vegetarischer Wurstersatz. :mg:

Es dürfte für ihn schwer zu verstehen sein, wieso all diese Lastwagen nicht mit all diesen Gütern wenigstens teilweise in all diese Wüsten fahren, wo die Menschen gerade elendig verhungern.


Genau das passiert im Übrigen doch? Klar, nicht die Aldi-LKWs rollen dort hin. Schließlich folgt so eine LKW-Lieferung gewissen Naturgesetzen was Kauf/Verkauf und Logistik angeht. Aber es werden Hilfsgüter nach Afrika geliefert, wenn auch nicht genug. Und das Geld hierfür stammt aus den Taschen vieler Normalverdiener, die eben einen Teil ihres Geldes gespendet haben, statt es beim Aldi auszugeben.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 2. Aug 2011, 14:31

Arathas hat geschrieben: Aber es werden Hilfsgüter nach Afrika geliefert, wenn auch nicht genug.
Es werden zu viele Hilfsgüter nach Afrika gesendet - zum falschen Zeitpunkt.
Auch die gerne als Hilfsgüter getarnten Lieferungen vernichten die dortige Landwirtschaft und machen dann großangelegte Kaffee-, Blumen-, Tabak- und sonstige Exportplantagen um so rentabler.
Natürlich muss bei aktuten Hungerkatastrophen auch (und vorallem) kurzfristig und kurzzeitig mit Sachgütern geholfen werden. Aber prinzipielle Aufbauhilfe und der Schutz vor subventionierten Waren (= Überschusswaren mit Dumpingpreisen) ist die beste Hilfe und wäre auch die billigste, aber daran verdienen halt wenige Große weniger bis gar nichts.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon mat-in » Di 2. Aug 2011, 14:37

Es werden aber auch Hühnerreste die hier niemand ißt so günstig nach Afrika geliefert, das sie den dortigen Markt kaputt machen und dann die Preise angezogen, wenn die einheimischen Hühnerzüchter aufgegeben haben...

Und ich höre immer wieder Schauergeschichten von "nachhaltigen" Projekten, bei denen das Dorf um das man sich mühevoll gekümmert hat ein Jahr später wie vorher da hockt, weil sie es nicht eingesehen haben nach der ernste was aufzuheben als Saatgut, und weil es unnötig ist jetzt zu arbeiten, denn man hat ja gerade Essen.

Das sind beides Probleme, an denen man was ändern muß, und dafür muß man zwei Schritte zurück gehen und einen größeren Überblick haben als Kiste mit Bohnen muß von A nach B. die frage ist: Sind wir bereit den Preis zu zahlen?
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon ganimed » Mi 3. Aug 2011, 20:40

Ich finde es lustig, die Sichtweise aus dieser moralisch entrüsteten Besserwisserecke, in die ich mich da jetzt ein wenig hineingeredet habe. Mir kommt aus diesem Blickwinkel euer Gerede wieder relativ zweifelhaft vor. Wie war das? Hilfslieferungen sind sogar schädlich, es müsste alles ganz anders gemacht werden, und wir tun ja schon viel und Tofu-Würstchen essen wir auch schon, was will man mehr? Also, wie gesagt, vielleicht nur aus meinem speziellen Blickwinkel, ist das genau das Gerede und genau die Art billiger Ausreden, die man von moralisch Verkommenen erwarten würde.

Es geht doch nun wirklich nicht darum, ob schon vereinzelt ein wenig gespendet wird und ob irgendwelche Maßnahmen die langfristig gesunde wirtschaftliche Entwicklung in afrikanischen Dörfern wirklich optimiert oder möglicherweise gefährdet. Es geht hier um verhungernde Menschen. Das ist ganz einfach: man hat erst dann genug getan, wenn keiner mehr verhungert. Da verhungern aber noch assig viele, also hat die Gemeinschaft der Reichen moralisch versagt. So oder so ähnlich würde es der Alien sicher auch sehen. Man kann doch da nicht sein Gewissen mit dem Gedanken beruhigen, dass wenn man den Afrikanern ausreichend helfen würde, sie in ihrer Faulheit nächstes Jahr wieder in Not gerieten. Da ist höchstens was in der Moral faul.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon Nanna » Mi 3. Aug 2011, 21:04

"Moralisch verkommen" impliziert, dass es um die Moral früher besser stand. Meintest du das aber auch?

Ich habe weiter oben übrigens nicht für besonders große Schauspielanstrengungen im politischen Betroffenheitszirkus plädiert, sondern nur dafür, dass man eine solch schreckliche Tat (und ja, diese Tat hatte moralisch und psychologisch eine andere Qualität als die Mischung aus gewohnheitsmäßiger Verdrängung, Nichtwissen und, ja, auch technischen Problemen bei der Entwicklungshilfe) nicht dafür benutzen sollte, sich seine Vorurteile gegenseitig noch vehementer an den kopf zu schlagen, als würde das der Gesellschaft, den Opfern oder der Moral irgendetwas nützen.

Der eine hält Inhalt A für moralisch besser, der andere Inhalt B, vielleicht ist aber nicht nur der konkrete Inhalt A,B,usw. relevant, sondern auch die Art und Weise, wie man ihn sich gegenseitig vermittelt. Gerade nach einem derartig niederträchtigen Anschlag auf das Gemeinwesen sollten wir demonstrieren, dass wir normal miteinander reden können, ohne uns rhetorisch an die Gurgel zu gehen.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 3. Aug 2011, 21:34

ganimed hat geschrieben: Da ist höchstens was in der Moral faul.
Nein, aber vielleicht bist du bist nur zu faul ordentlich zu lesen und zu verstehen - oder du verdienst an der Hilfe zur Abhängikeit.
Von sonstiger Faulheit hast nur du geredet, wenn "Afrika" durch subventionierte Nahrungsmittel seine eigene Landwirtschaft zerstört wird, dann kommt da weder in Gedanken noch in Worten irgendwas von "Faulheit der Afrikaner" vor, muss also an deinem Weltbild liegen. :down:
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon Arathas » Mi 3. Aug 2011, 22:17

ganimed hat geschrieben:Es geht hier um verhungernde Menschen. Das ist ganz einfach: man hat erst dann genug getan, wenn keiner mehr verhungert.


Aus dieser Schlussfolgerung erwächst die Frage: Hat ein Tier die moralische Verpflichtung, andere Tiere (der eigenen Gattung) vor dem Tod zu retten, wenn es dazu irgendeine Möglichkeit gibt, selbst wenn niemand eine konkrete Lösung des Problems kennt?

Und selbst wenn jemand die konkrete Lösung für alle Probleme der menschlichen Gesellschaft kennen würde: Wären die restlichen Menschen durch die Kenntnis der Lösung dann verpflichtet, die Umsetzung dieser Lösung als oberste Priorität in ihrem Leben zu sehen? Und was ist, wenn dann statt Menschen eben Tiere leiden? Ist es moralisch nicht auch verwerflich, das Wohl von Menschen über das Wohl von anderen Tieren zu stellen und zu billigen, dass diese für das Wohl der Menschen Qualen erleiden?


Ich sach mal: Menschen können völlig unterschiedliche Prioritäten setzen - ein Umweltaktivist von Greenpeace, der sich auf lebensgefährliche Walrettungsmissionen begibt, wird vermutlich lieber dafür sorgen, dass es Tieren besser geht und weniger Gedanken an das Wohl der menschlichen Gesellschaft verschwenden. Ist das dann moralisch verwerflicher? Ich denke nicht, er legt den Maßstab für seine Moral nur anders als du.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon stine » Mi 3. Aug 2011, 23:03

Arathas hat geschrieben:Hat ein Tier die moralische Verpflichtung, andere Tiere (der eigenen Gattung) vor dem Tod zu retten, wenn es dazu irgendeine Möglichkeit gibt, selbst wenn niemand eine konkrete Lösung des Problems kennt?
Ein Tier, als solches nicht. Der Mensch ist aber ein besonderes Tier, es hat geistige Fähigkeiten, die es zu nützen gilt.
Die Frage ist nur, wie man ein Volk dauerhaft vor dem Verhungern retten kann. Sicherlich nicht dadurch, dass man es einfach nur durchfüttert. Es sind auch die Machthaber im eigenen Land, die das Volk aushungern lassen. Deren Moral ist sicherlich animalischer Natur.

LG stine
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon Lumen » Do 4. Aug 2011, 02:57

Ich kann verschiedene Seiten sehr nachvollziehen. Sehe da aber noch einen weiteren Punkt: die verkehrte Annahme, dass du, lieber Leser, irgendetwas wirklich nennenswertes ausrichten könntest. Du kannst ein wenig spenden, könntest etwas sorgsamer mit Ressourcen umgehen, dich ehrenamtlich engagieren. Du kannst in deiner Freizeit aber nicht mal eben die Welt retten. Irgendeine falsche Entscheidung eines Verantwortlichen mit weitreichenden Möglichkeiten, vielleicht eines Ministers oder eines Managers, kann alles in sehr kurzer Zeit zunichte machen, was du jemals eingebracht hast und jemals wirst einbringen können (es sei denn du wirst selbst Verantwortlicher). Da klemmt es. Nicht bei den Leuten, die einkaufen gehen, und sich den Wagen voll packen.

Wenn ein normaler Bürger überhaupt was nennenswertes bewegen kann, dann doch eher indem er besagte Verantwortliche in die richtige Richtung zwingt. Es wäre sinnvoller sich darauf zu verlegen, große Ketten mittels organisiertem Boykott zum handeln zu zwingen, als selbst immer wieder kleinste Tröpfchen auf heiße Steine zu träufeln. Letzteres ist doch wirklich nur Gewissenskosmetik. Und selbst Massen-Aktionen wie Boykott und Demos haben wohl nur eine begrenzte und indirekte Wirkung. Die dürfte vor allem darin bestehen, dass viele Menschen sensibilisiert werden und damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass jemand mit einer entsprechend geänderten Einstellung 10 Jahre später in eine Eintscheider-Position kommt.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon stine » Do 4. Aug 2011, 07:52

Lumen hat geschrieben:Du kannst ein wenig spenden, könntest etwas sorgsamer mit Ressourcen umgehen, dich ehrenamtlich engagieren.
Ich finde, das ist genug und in der Menge viel.
Ein altes Sprichwort sagt: Wenn jeder vor seiner Türe kehrt, ist bald die ganze Straße sauber!

:wink: stine
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon mat-in » Do 4. Aug 2011, 08:37

Arathas hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Es geht hier um verhungernde Menschen. ... man hat erst dann genug getan, wenn keiner mehr verhungert.
Hat ein Tier die moralische Verpflichtung, andere Tiere (der eigenen Gattung) vor dem Tod zu retten, wenn es ...
Die offensichtliche Antwort ist: Ja. Je näher die Gene der Notleidenden Spezies dir sind, desto eher solltest du dich drum kümmern - allein schon um deinen Genen weiter zu helfen ;) Menschen sind wichtiger als Hunde, Hunde sind wichtiger als Fische und Fische wichtiger als Stechmücken.

Das spiegelt sich auch auf ganz unbewußter Ebene darin wieder, daß wir meist vor kuscheligen Dingen - und sei es ein Löwe weniger Angst haben als vor haarigen mit unglaublich vielen Beinen. In der Gesellschaft findet man das auch wieder, da menschen sich zu erst um ihre Angehörigen kümmern, dann um Leute in ihrem dorf, dann Opfer der Oderflut im eigenen Land, dann um Katastrophenopfer in weit, weit weg. Was sich natürlich durch neue Medien und "vor die Tür holen" der Katastrophen verschiebt.

Man trägt mit dem Verhalten zum eigenen Wohl bei.

Die Frage die sich aber in zweiter Näherung stellt ist: sind wir Menschen (und alles andere auf dem Planeten) nicht eher dadurch bedroht, daß es zu viele von uns gibt? Dann müßte unser Ziel sein, das Bevölkeurngswachstum zu reduzieren. Dann sind hoffentlich auch genug Ressourcen da, um allen ein Menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon Arathas » Do 4. Aug 2011, 10:06

mat-in hat geschrieben:Ja. Je näher die Gene der Notleidenden Spezies dir sind, desto eher solltest du dich drum kümmern - allein schon um deinen Genen weiter zu helfen ;) Menschen sind wichtiger als Hunde, Hunde sind wichtiger als Fische und Fische wichtiger als Stechmücken.


Das scheint mir zu kurz gegriffen. Was ist mit meinem erwähnten Beispiel des Öko-Aktivisten, der das Leben eines Wals über das Leben von Menschen (auch über sein eigenes Leben) stellt? Ich nehme stark an, dass diese Person die Moral auf ihrer Seite sieht. Weil sie eine andere Meßlatte dafür anlegt.

Handelt die Person dadurch unmoralischer oder "moralisch verwerflicher" als jemand, der seine moralischen Werte anders setzt?

Oder anders gesagt: Sollte eine "wünschenswerte" Moralvorstellung etwa tatsächlich in direktem Zusammenhang mit unseren Genen stehen? Ist es so einfach?
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon mat-in » Do 4. Aug 2011, 13:25

Ich sage nur, das es recht natürlich ist, so zu denken. Das scheint der Ursprung allen Altruismus zu sein. Ich sage auch, das sich das natürlich ändert, durch moderne Medien beispielsweise, die uns das Leiden der Wale oder der Kinder in Somalia bis hinter die Haustüre liefern.

Ich beobachte und analysiere. Was davon jetzt wie wünschenswert ist, da enthalte ich mich gerne mal.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon ganimed » Do 4. Aug 2011, 21:38

Nanna hat geschrieben:Gerade nach einem derartig niederträchtigen Anschlag auf das Gemeinwesen sollten wir demonstrieren, dass wir normal miteinander reden können, ohne uns rhetorisch an die Gurgel zu gehen.

Das klingt aber nun doch wieder nach Schauspielerei. "sollten wird demonstrieren...", also nur zeigen und so tun als ob?
Wie gut wir ohne Gurgel-Kämpfe auskommen, wage ich nicht abschließend zu beurteilen. Manchmal vergreift sich hier jemand im Ton, ich leider auch, und manchmal leidet die Diskussion mal mehr mal weniger darunter. Aber ich sehe es als wenig aussichtsreich, sich aus Anlass eines aktuellen Ereignisses nun wirklich und nachhaltig bessern zu wollen. Was man machen könnte wäre, darüber reden und sich was bewusst machen. So nach dem Motto: ich habe meine Schreibe nicht ganz im Zaum und gehe anderen manchmal an die Gurgel, aber ich ahne wenigstens, wie fehlerhaft und verbesserungswürdig mein Diskussionsstil ist. Aber so richtig Besserung sollten wir uns nicht auf die Fahnen schreiben, da wären wir nachher nur enttäuscht.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon Nanna » Do 4. Aug 2011, 22:13

Nicht schauspielern, aus Überzeugung tun! Breivik wollte spalten, also dürfen wir ihn nicht spalten lassen, genausowenig wie wir Terroristen erlauben dürfen, Angst zu verbreiten. Viele Leute sind in Madrid nach den Anschlägen 2004 demonstrativ S- und U-Bahn gefahren, das war angesichts der Gefahr von Zweitanschlägen sicherlich keine Schauspielerei, sondern eine ehrliche Stellungnahme. Ich meine eine zivilgesellschaftliche Botschaft dieser Art, ehrlich und aus innen heraus. Das heißt nicht, dass es nicht Überwindung kostet oder dass man nicht reflexhafte Reaktionen niederringen muss. Solche symbolischen Handlungen sind aber durchaus mächtig und man sollte solche Gesten bedienen. Das muss ja kein übertriebenes Pathos à la "Wir sind alle Norweger" oder sowas beinhalten, aber wenn jemand der Gesellschaft den Respekt vor dem Anderen, Andersdenkenden, Fremden austreiben will, ist es eine verdammt wirkungsvolle Botschaft, wenn man als Reaktion erst Recht auf gegenseitigen Respekt achtet.
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Re: Christlicher(?) Anschlag in Norwegen

Beitragvon Nanna » Mo 8. Aug 2011, 18:46

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