Bewertung von Menschen

Bewertung von Menschen

Beitragvon xander1 » So 11. Sep 2011, 02:08

Wie kommt es, dass wir manche Menschen hochschätzen und manche geringschätzen?
Meine Frage ist nicht hauptsächlich, welche Eigenschaften es sind, die zu einer entsprechenden Wertung führt.
Meine Frage ist hauptsächlich wie es dazu kommt, dass für uns diese oder jene Eigenschaften relevant sind für die Bewertung von Menschen.

Zum Beispiel denke ich, dass Menschen, die oft viel Intelligenzleistung in der Gruppe zeigen sollten und die danach bewertet wurden, auch in Zukunft eher Menschen nach Ihrer Intelligenzleistung bewerten.

Bla ... also man könnte noch weitere Beispiele raussuchen: z.B. Im Mittelalter waren es u.a. die Wertungen Mut, Tapferkeit etc.

Worauf ich hinaus will, ist doch dass unser Wertesystem, wie wir Menschen bewerten gar nicht richtig vernünftig funktioniert. Es basiert vielmehr auf Prägungen und Glauben. Wie sollte denn auch ein Wertesystem aus reiner Rationalität entstehen. Das geht gar nicht.

Und worauf ich darüberhinaus hinaus will, ist dass die Bewertung eines Menschen eigentlich orts- und zeitbezogen ist und an einem anderen ort zu einer anderen Zeit durch andere Menschen völlig anders vollführt werden würde mit anderem Ergebnis.

Dabei spielt doch die Bewertung eine Rolle für Evolution, Konkurrenz etc. Also geht es nur um Glauben und Glauben machen, andere Menschen dazu zu bringen etwas zu glauben, wodurch die Wertung für einen Konkurrenten geringer ausfällt und für sich höher.

Ich nenne mal ein Beispiel, um meine Meinung zu untermauern: Die heilige Kuh in Indien, das ist eine Wertung die wir nicht so treffen würden
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Re: Bewertung von Menschen

Beitragvon Gernot Back » So 11. Sep 2011, 10:41

Es ist schon richtig, dass sich die Maßstäbe, nach denen Menschen einander bewerten, über die Jahrhunderte sehr gewandelt haben, dass auch kulturelle Eigenheiten an unterschiedlichen geografischen Orten in solche Bewertungsmaßstäbe einfließen, aber das Erschreckende ist für mich immer wieder, dass es gar nicht darauf ankommt, ob man diesen Maßstäben wirklich gerecht wird, sondern eher darauf, ob es so aussieht als ob, und das hat sich wohl auch nicht gewandelt.

Nicht von ungefähr treten Finanzmarkt-Betrüger und -Jongleure am liebsten in möglichst seriös wirkenden Nadelstreifenanzügen und -kostümen auf. Ein betrügerisch erworbener Doktortitel, ja sogar ein Doktortitel in einer Pseudowissenschaft wie der Theologie, öffnet mehr Türen in der Gesellschaft, als wenn man tatsächlich etwas Ordentliches gelernt und geleistet, aber keinen Titel vorzuweisen hat.

Dumpfbacken, die auf intellektuellem Gebiet erst gar nicht konkurrieren können und auch noch nicht einmal in der Lage sind, dies vorzutäuschen, gehen gleich nur in die Muckibude oder ins Nagelstudio und können auf diese Weise unter ihresgleichen auch Wertschätzung erfahren. Natürlich wird auch da viel -etwa mit Steroiden- geschummelt, aber wenigstens stehen diese Leute von vornherein zu ihrer Oberflächlichkeit mit archaischen Schlüsselreizen.
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Re: Bewertung von Menschen

Beitragvon stine » So 11. Sep 2011, 11:16

Gernot Back hat geschrieben:Dumpfbacken, die auf intellektuellem Gebiet erst gar nicht konkurrieren können und auch noch nicht einmal in der Lage sind, dies vorzutäuschen, gehen gleich nur in die Muckibude oder ins Nagelstudio und können auf diese Weise unter ihresgleichen auch Wertschätzung erfahren.
Das hat gar nichts mit Dumpfbacken zu tun, sondern, das Stichwort ist tatsächlich "unter ihresgleichen". Wir bewerten selbstverständlich immer subjektiv, wir können gar nicht anders. Wir bewundern die, die mehr können, als wir selbst und wir bedauern die, die es nicht einmal so weit geschafft haben, wie wir selbst. Es geht besser und es geht schlechter. Je höher jemand in der Rangordnung selbst schon ist, umso mehr muss der können, der von ihm bewundert werden möchte.
Das Äußere, Gernot, ist immer eine Frage des ersten Eindrucks. Es zählt langfristig dann doch das Wesen der Person und das Können.
Am leichtesten tut sich der Einäugige unter Blinden! :mg:

LG stine
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Re: Bewertung von Menschen

Beitragvon ujmp » So 11. Sep 2011, 11:22

@xander1, Gernot: Na ja, es ist oft so, muss aber nicht so sein. Ein Doktor-Titel funktioniert ja nur, weil man damit eine bestimmte Erwartung verbindet. Die Frage ist also erstmal, ob und woran man es misst, ob dieser Erwartung erfüllt wird. Irgendwie lässt sich auch "Intelligenz" oder "Tapferkeit" messen. Da muss jeder aber selbst wissen, was er als Maßstab akzeptiert.

Nehmen wir mal den Sport: Wenn einer 7 m weit springen kann, ist er ein "guter Weitspringer", das lässt sich objektiv sagen. Ob er deshalb auch "sportlich" ist, ist aber schon nicht mehr so klar, weil sich Sportlichkeit schlecht messen lässt. Ein Spastiker zeigt evtl. allein schon dadurch mehr sportlichen Ehrgeiz , dass er seinen Weg zu Arbeit ohne fremde Hilfe schaffen will. Trotzdem wird ihm das niemand als sportliche Leistung anrechnen, man wird nur sein "Defizit" wahrnehmen.

Das Dumme ist ja, dass man das Bewerten von Menschen oder deren Eigenschaften überhaupt nicht vermeiden kann. Man kann sich nur fragen, wie man es "richtig" anstellt.

@stine "Wir bewerten selbstverständlich immer subjektiv" - Nein, man kann auch objektiv bewerten.
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Re: Bewertung von Menschen

Beitragvon xander1 » So 11. Sep 2011, 13:21

Also mir gehts darum, dass nicht nur die Bewertungsmaßstäbe anderer, aller anderer nahezu Unsinn sind, sondern auch unsere Eigenen.
Unsere Maßstäbe der Bewertung kommen nicht aus einer rationalen Überlegung, denn wir können uns nicht aussuchen was wir hochschätzen oder geringschätzen. Es ist allerdings so, dass wir rationale Begründungen finden für unsere eignen Bewertungen und dann glauben das wäre alles vernünftig.

Bei mir ist es so, dass ich mich in Frauen verliebe, die ich hochschätze und dazu bedarf es, dass sie intelligent ist. Zumindest ist das jetzt in meinem Alter so. Ob das noch so ist, wenn ich älter werde kann ich nicht sagen. Jedenfalls frage ich mich woher das kommt und ich denke das liegt daran, dass ich lange Zeit in Bildungseinrichtungen war, in denen Intelligenzleistung sehr wichtig war und man allein durch Schulintelligenz bewertet wurde und am Ende eine eindeutige Zahl der Bewertung herauskommt. Ich finde diese Tatsache, so einseitig bewertet zu werden schon krass. Man könnte noch tausend andere Methoden finden einen Menschen zu bewerten, als mit Schulintelligenz. Aber ich denke, dass das dazu langfristig geführt hat, dass ich mich in intelligente Frauen verliebe. ( Habe ja jetzt auch eine gefunden.)

Meine rationalen Überlegungen sind, dass Intelligenz auch in Zukunft gebraucht wird, dass Intelligenz die und die Vorteile bietet, aber insgeheim weiß ich dass Intelligenz überschätzt wird, was Mensaner (IQ über 130) bestätigen können, wenn sie ehrlich sind.

In anderen Kulturen, die nicht solche Leistungsgesellschaften sind zählen ganz andere Dinge. Würde ich dort aufgewachsen sein, würde ich auf ganz andere Sachen achten bei Frauen.

Das heißt wahrscheinlich, dass die ganze Evolution auf Glauben und Glauben machen basiert. Verliebtheit entsteht nicht hauptsächlich aus einem Wahrheitsfindungsprozess, denn der Würde Rationalität vorraussetzen. Schließlich basiert Verliebtheit aus Mechanismen in unserem Gehirn, die in der Evolution vor dem rationalen Denken entstanden sind.

Schwule sind nur dann unbeliebt, wenn die Menschen glauben, dass sie nicht gut sind. Würde eine Propaganda gemacht werden, in denen z.B. der berufliche Erfolg von verschiedenen Schwulen gezeigt werden und andere Methoden angewandt werden, könnte sogar eine Hochschätzung von Homosexuellen entstehen über Heterosexuelle.

In den USA galt noch vor 90 Jahren, dass Intelligenz viele Nachteile hat, dass Intelligente eher psychisch krank sind usw. bis jemand kam und gegen diese Meinung eine Art Propaganda gemacht hat. Habe darüber mal einen Bericht gelesen, den ich wohl jetzt nicht wieder finde. Jedenfalls wird auch hier ersichtlich, dass das nur etwas mit Glauben zu tun hat.
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Re: Bewertung von Menschen

Beitragvon ujmp » So 11. Sep 2011, 13:52

Du kannst durch keine Propaganda der Welt z.B. die Wertschätzung von ausreichendem und gutem Essen verändern. Man bekommt es bestenfalls hin, dass Menschen freiwillig Hunger auf sich nehmen und freiwillig leiden. Es ist m.E. ganz falsch, bei allen Wertmaßtäben oder bei Meinungen überhaupt immer gleich von Subjektivität auszugehen. Man muss halt versuchen, objektive Maßstäbe zu finden.
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Re: Bewertung von Menschen

Beitragvon stine » So 11. Sep 2011, 17:15

Es ist auch ein Unterschied, ujmp, ob Xander sich verlieben will, oder ob ein Personaler eine Neue für die Buchhaltung sucht.
Xander wählt subjektiv aus, hat aber, wie er selber mitteilt, insgesamt eine Vorliebe für intelligente Frauen und so wird er sich in die verlieben, die ihm subjektiv intelligent erscheint (ich hoffe nicht, dass er sich das Zeugnis zum Dinner mitbringen lässt :mg: ). Der Personaler wird dagegen hoffentlich objektiv auswählen und einen Nachweis für die verlangten Fertigkeiten einsehen wollen. Vielleicht hat aber der Personaler eine Vorliebe für langes Haar und wird ganz subjektiv bei gleichen Fähigkeiten den Vorzug der Langhaarigen geben.
ujmp hat geschrieben:Man muss halt versuchen, objektive Maßstäbe zu finden.
Man kann versuchen, objektiv zu bleiben, aber der subjektive Eindruck spielt oft eine große Rolle.
Und hier ist es so, wie Xander meint, dass unsere kulturelle Herkunft und Einbindung entscheidet, was wir favorisieren.

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Re: Bewertung von Menschen

Beitragvon ujmp » So 11. Sep 2011, 17:40

stine hat geschrieben:Und hier ist es so, wie Xander meint, dass unsere kulturelle Herkunft und Einbindung entscheidet, was wir favorisieren.


Ja sicher, aber das besagt keineswegs, dass dies subjektive Entscheidungen sein müssen. Dass man seine Meinungen nicht objektiviert ist eine allgemeine menschliche Schwäche - um nicht zu sagen, ein Fluch.

Neben den subjektiven Entscheidungen gibt es auch noch unbewusste Entscheidungen - das ist ein Unterschied. M.E. spielen in der Liebe unbewusste Entscheidungen, z.B. Instinkte eine sehr große Rolle. Die rationalen "Gründe" werden dann bloß noch nachgeschoben. Das merkt man dann, wenn rauskommt, dass ein solcher Grund nicht stimmt - dann wird ein anderer "Grund" gefunden. Das kann man sich sparen und zur Kenntnis nehmen, dass man manche Menschen einfach mag und manche eben nicht. Kulturell abhängig sind da bloß die Erklärungsmuster.
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Re: Bewertung von Menschen

Beitragvon xander1 » So 11. Sep 2011, 21:16

Die Menschen, die heute oben sind: Popstars, Politiker, Richter, Professoren, wären zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort in einem anderen System vielleicht ganz unten.

Ich finde, dass es deshalb besonders relativ ist, wie viel wert ein Mensch ist für einen anderen Menschen.

ujmp hat geschrieben:Du kannst durch keine Propaganda der Welt z.B. die Wertschätzung von ausreichendem und gutem Essen verändern.

Man hat vor hunderten von Jahren noch geglaubt, dass ganz anderes Essen gesund ist, als das noch nicht wissenschaftlich belegt worden ist.
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Re: Bewertung von Menschen

Beitragvon Nanna » So 11. Sep 2011, 21:59

ujmp hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Und hier ist es so, wie Xander meint, dass unsere kulturelle Herkunft und Einbindung entscheidet, was wir favorisieren.


Ja sicher, aber das besagt keineswegs, dass dies subjektive Entscheidungen sein müssen. Dass man seine Meinungen nicht objektiviert ist eine allgemeine menschliche Schwäche - um nicht zu sagen, ein Fluch.

Wie alltagspraktisch meinst du das denn jetzt? Die Auswahl von Maßstäben ist ja auch immer selektiv und partiell. Eine Norm mag innerhalb ihres eigenen Bezugssystems mehr oder weniger objektive Vergleichbarkeiten gewährleisten, aber das Design der Norm selbst resultiert auch wieder aus Vorurteilen, Reduktionen usw.

Man muss ja immer die ganze Philosophiegeschichte im Kopf haben, wenn man von "objektiv" und "subjektiv" spricht, aber dass Objektivität meist auch nur bessere Subjektivität ist, darf man meines Erachtens gerne im vorderen Hinterkopf behalten, damit man sich seiner Sache nicht sicherer ist als gerechtfertigt (einfaches Beispiel: Nicht mehr Nachkommastellen angeben, als durch die gegebenen Größen überhaupt sinnvoll ist).
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