Ein vereintes Europa

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Beitragvon Nanna » Sa 1. Okt 2011, 23:27

Ich möchte zwei Texte zur Lektüre empfehlen und einen kleinen Appell mit Einladung zur Diskussion an euch "da draußen" richten:


Ich bin zumindest den regelmäßigen Lesern hier wahrscheinlich als deutlicher Befürworter eines föderalen europäischen Bundesstaates bekannt und beide Texte argumentieren, relativ mutig, wie ich finde, in die pro-europäische Richtung. Ich sehe einen europäischen Staat als logische und notwendige Weiterschreibung der europäischen Geschichte an.
Wie Menasse sagt, ist der Großteil unserer Kultur mehr gemeineuropäisches Gut und weniger nationales oder regionales und die Kleinstaaterei in der EU ist auch wirtschaftlich und politisch kaum effizient. Sie erzeugt Mehrfachstrukturen (Ministerien, Parlamente, Verwaltungen, Armeen), die alle teuer Geld kosten. Jedem ist klarzumachen, dass die Eingemeindung kleiner Orte in größere und der dadurch entstehende Wegfall von Verwaltung und lokalem Betriebshof mit teuren Räumfahrzeugen für drei Sträßchen etc. viel Geld sparen, aber sobald wir über die Eingemeindung von Staatswesen in ein effizienteres, effektiveres Ganzes reden legt sich über alles die schwere Patina von 200 Jahren Nationalismus, von dem mir persönlich unverständlich ist, wie er es in das global vernetzte 21. Jahrhundert geschafft hat.

Die jetzige EU ist ein trauriger Schatten der überkommenen, chaotisch gewachsenen und vielerorts intransparenten nationalen Strukturen, die der vernetzten Welt nicht mehr gewachsen sind. Obwohl der wirtschaftlich stärkste Raum des Planeten, wiegt Europa politisch wenig. Das mag allen, die Angst vor einem neuen Imperialismus haben, ganz hübsch erscheinen, es bedeutet aber auch, dass wir anderen Forderungen, nach Menschenrechten beispielsweise, wenig Nachdruck verleihen können. Man stelle sich vor, der arabische Frühling hätte nicht in der Nachbarschaft einer vor sich hinschnatternden kleinstaaterischen EU, sondern neben einem europäischen Staat auf der Höhe seiner Leistungskraft stattgefunden. Gut möglich, dass so mancher Potentat deutlich früher den Schwanz eingezogen hätte.

Ich habe schonmal erläutert, wie ich mir eine lebenswerte EU vorstelle: Eine Zentralregierung regelt die Rahmenbedingungen und kümmert sich um Außen- und Sicherheitspolitik und auch, ja, um die maßvolle Förderung wirtschaftlich schwacher Regionen (denn das kann sich die reichste Zivilisaton des frühen 21. Jahrhunderts leisten!). Auf regionaler und kommunaler Ebene, wo die Menschen vor Ort am meisten über ihr Leben wissen, sollen verstärkt basisdemokratische Strukturen aufgebaut werden, über die entschieden wird, wie abstrakte Vorgaben der Zentralregierung (z.B. Energiesparen oder Infrastrukturvorgaben) ausgeführt werden. Auf nationale Parlamente, auch darin stimme ich mit Menasse überein, können wir mittelfristig verzichten, deren Kompetenzen werden entweder nach unten an die Regionalparlamente oder nach oben an das EU-Parlament abgegeben.

Ich bin der Meinung: Es ist Zeit, die europäische Integration zu einem Ende zu führen und einen Staat zu schaffen, der die schlimmen nationalen Reflexe der letzten zwei Jahrhunderte unterdrückt, der seinen Bürgern volle demokratische Rechte zugesteht, international seinen friedlichen, diplomatischen Kurs fortsetzt und dabei aber mehr Gewicht in die Waagschale werfen kann und der einer global operierenden Wirtschaft, die kleinen Staaten mühelos ihre Bedingungen diktieren kann, das rechte Maß an Bürgermacht entgegensetzen kann.

Klingt vielleicht etwas pathetisch, aber hey, irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir gerade in einer Phase historischer Umbrüche stecken. Die Finanzkrise offenbart die Schwäche der europäischen Struktur, die arabischen Völker schreien nach Freiheit und Demokratie, die vernetzte Generation dringt in die deutsche Politik vor (mit viel Naivität, einem komischen Parteinamen, aber auch radikal neuen Repräsentationsansätzen, was für mich das eigentlich faszinierende ist) und überall auf der Welt treten Schwellenstaaten endlich in die erste Phase des Wohlstands ein - da ist ein bisschen Pathos doch ok. ;-)

Was ist eure Meinung?
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon xander1 » So 2. Okt 2011, 11:11

Ich möchte auch eine europäische Gesamtregierung und das schon seit rund 1998. Aber dass deshalb für immer deutsche Steuerzahler bezahlen müssen? Das bedeutet, dass jeder von uns Geld an Griechenland spendet. Dabei wird es nicht bleiben. Es werden weitere Länder sich zu tief verschuldet haben und dann müssen wir für diese Blechen. Das wird ein Faß ohne Boden.

Den neuen Arabischen Staaten, so finde ich, sollte man erstmal Geld geben und selbst verwalten wo das ausgegeben wird, bis zu den letzten Endpunkten. Dann kommen auch weniger Flüchtlinge zu uns.

Dann habe ich noch ein Problem mit der EU. Ich denke, dass sie weniger demokratisch ist, als unsere Bundesrepublik.
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon ganimed » So 2. Okt 2011, 20:51

xander1 hat geschrieben:Das bedeutet, dass jeder von uns Geld an Griechenland spendet.

Griechenland ist unter anderem pleite, weil sie sich breitschlagen ließen besonders viele Eurofighter und andere Dummheiten von uns zu kaufen. Der Steuerzahler spendet also indirekt an deutsche Banken und deutsche Rüstungsfirmen. Und als Exportland profitieren wir, da glaube ich den gebetsmühlenartigen Versicherungen der Politiker ausnahmsweise mal, mehr von Europa als wir einzahlen.

Die Idee Europa ist gut. Die augenblickliche europäische Außenpolitik ist ein erbärmliches, unflexibles, langsames und gelähmtes Unding. In einer Zeit eines besonders unfähigen Außenministers Westerwelle fällt das noch mehr auf als sonst. Und das Schengenabkommen bröckelt durch Ausraster von Dänemark bis Italien. Die Flüchtlingspolitik mit Außenposten Italien ist ebenso ein erbärmliches Armutszeugnis. Und dem Euro geht es gar nicht gut.

Aber ich glaube, insgesamt ist Europa immer noch ganz gut aufgestellt und ich bin eigentlich ganz zufrieden mit dem Erreichten. Eine zu effiziente Außenpolitik muss vielleicht gar nicht sein. Soll die Welt ruhig denken, wie Europäer wären schwache Idioten am Rockzipfel der USA, umso besser für unsere Geschäfte. Großmachtphantasien wie sie vielleicht immer mal wieder in Paris und London auflodern sind Gift für Vernunft, Augenmaß und die Wirtschaft.

Also einerseits sehe ich das skizzierte vereinte Europa als zu unrealistisch, die gegnerischen Fronten sind zu zahlreich und einflussreich, und andererseits sehe ich auch keine so große Notwendigkeit dafür. Wird irgendwann kommen, in 50 Jahren vielleicht, aber ich habe es nicht eilig.
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Lumen » So 2. Okt 2011, 21:51

Ich bin mir nicht sicher, ob so unterschiedliche Menschen wie in Europa "alles" gemeinsam machen sollten, oder ob das nicht eher zu Zerreißproben führt. Natürlich gibt es diese Unterschiede auch auf nationaler Ebene, aber dort haben Länder und Nationen über die Jahrzehnte einen Überbau geschaffen und Standards sind gewachsen. Länder mögen insgesamt reich sein, aber wie bei dem Schlagwort "Exportweltmeister" gehen diese Bezeichnungen dann doch häufiger an der Lebenswirklichkeit von normalen Menschen vorbei, insbesondere wenn sie sich seit den 1990ern Lohnverzicht geübt haben.

Auch gibt es einige Realitäten, die nicht wirklich gut geklärt sind: Was ist mit Branchen und Tätigkeiten, die sich defakto wirtschaftlich nicht lohnen aber durch Subventionierung am Leben gehalten werden? Was ist mit Arbeitsweisen, die unterm Strich nicht konkurrenzfähig sind, nun quer über Europa. Zudem gibt es unterschiedliche Geschwindigkeiten--wo es offenbar zwischen Nord und Süd ein starkes Gefälle gibt. Das wird auf Dauer unfair, da ja primär in materiellen Gütern gemessen wird (und nicht etwa in "Glück" oder "Muße" etc.). Was sollen die Esten sagen, die weniger verdienen als die Griechen, dass sie jetzt den Griechen unter die Arme greifen sollen und so weiter. Mir als Norddeutschen geht schon die gefühlte Bevorzugung Bayerns in der Bundespolitik auf den Senkel. Die Holländer und Dänen sind da echt näher.

Nichtsdestotrotz befürworte ich das Überwinden der Nationalstaaten, würde aber eine länderübergreifende Regionalität bevorzugen (d.h. "echte" Regionalität). Ich sehe nicht inwiefern an asiatischen Rändern wirklich "Europa" sein soll (ja, jemand hat eine Linie auf eine Karte gekritzelt, aber das soll der Grund sein?).

Vergemeinschaftung von Schulden und ähnliche Dinge halte ich für ein weiteres Ausplünderungsmanöver der Banken. Wer etwas verleiht und daran reichlich verdient, muss damit leben, dass manche Schulden nicht beglichen werden. Aber diese Standards scheinen mal wieder nicht zu gelten. Kasse machen und Zinsen kassieren, ja gerne -- wenn Schulden nicht bezahlt werden, Staaten zur Hilfe holen, die dann ebenfalls Schulden machen müssen und man kann als Bank wieder -- prima Zaubertrick -- Zinsen usw. verdienen. Verrückt. Das ist doch eigentlich Lehman, der zweite Streich. Da gibt es nur drei Möglichkeiten:

  1. Es wurde nicht gut genug erklärt und ich habe daher falsche Ansichten.
  2. Politiker sind unwissend, naiv, oder uninformiert (und evtl. machtlos)
  3. Korruption, Filz, persönliche Vorteile usw.
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon xander1 » Mo 3. Okt 2011, 11:32

Nicht nur Banken, sondern auch Privatanleger legen ihr Geld in Staatspapiere an.
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Gandalf » Mi 5. Okt 2011, 21:58

Nanna hat geschrieben:Ich habe schonmal erläutert, wie ich mir eine lebenswerte EU vorstelle: Eine Zentralregierung regelt die Rahmenbedingungen und kümmert sich um Außen- und Sicherheitspolitik und auch, ja, um die maßvolle Förderung wirtschaftlich schwacher Regionen (denn das kann sich die reichste Zivilisaton des frühen 21. Jahrhunderts leisten!). Auf regionaler und kommunaler Ebene, wo die Menschen vor Ort am meisten über ihr Leben wissen, sollen verstärkt basisdemokratische Strukturen aufgebaut werden, über die entschieden wird, wie abstrakte Vorgaben der Zentralregierung (z.B. Energiesparen oder Infrastrukturvorgaben) ausgeführt werden. Auf nationale Parlamente, auch darin stimme ich mit Menasse überein, können wir mittelfristig verzichten, deren Kompetenzen werden entweder nach unten an die Regionalparlamente oder nach oben an das EU-Parlament abgegeben.

Was ist eure Meinung?

Mit diesem 'Idelabild' kann ich mich ebenfalls identifizieren (außer mit den "Vorgaben" und "wirtschaftliche Förderung", die imho immer nur eine (befristete) Hilfe zur Selbsthilfe sein darf)

ABER - wie die Haltung eines Fisches außerhalb des Wassers ein unvollständig bis falsches (weil totes) Bild von ihm vermittelt, - ist es wohl auch mit dieser "Vision".


Zum "Wasser" gehört das (Papier-)Geldsystem, das zur gegenwärtigen Schulden-Krise in Europa geführt hat und als solches von den wenigsten erkannt wird. Menasse gehört zweifellos zu Letzteren, denn wie alle Sozialromantiker verwechselt er Reichtum mit Geld. Deshalb wird er auch dann noch von der Umverteilung des Geldes träumen, wenn bereits unser aller Reichtum den Bach heruntergegangen ist. (was z.T Teil jetzt schon der Fall ist, der Zenit ist bereits überschritten, - wenn ich mir z.B. die Kommunalhaushalte meiner Heimatgemeinden anschaue, - da ist nichts mehr für das "arme Griechenland" zu holen (Die Slovakei sieht das völlig richtig - und entscheidet sich hoffentlich auch richtig) Das zwangsweise Schuldgeld, wird die Menschen in Europa zu entzweien. Es nutzt nur linkspopulistischen Machtpolitikern und deren keynesianischen Einflüsterern aus der Finanzindustrie (und sonstigen erpresserischen Nichtleistern) Wenn es diesen kleinen und großen Gruppen (in wechselnden Allianzen) gelingt, weiterhin Zinsen, Inflationsgeld und Sozialtransfers von denjenigen zu erpressen, die diese Gemeinschaft (und den damit zusammenhängenden Wohlstand) erst geschaffen haben und durch ihr 'Handeln' am Leben halten, - wird das nix mit diesem "Bild" von Freiheit und Wohlstand für alle.

Daraus ergibt sich: Wie realistisch ist es, das diese "Vision" eine Chance bekommt? Wie kommen wir dahin? Welche Handlungen sind erforderlich?

Die Vorschläge von Menasse erscheinen jeweils "gut gemeint", sind aber genau die 'Kopfgeburt' (Ideologie), die Europa imho nicht braucht und an denen es letztlich scheitern wird, wenn nicht langsam jemand gegensteuert. Wenn ich z.B. an die 'Nibelungenschwüre' unserer Eliten - "Europa ist unser Schiksal" und die 'Endsiegpropaganda: "Scheitert der Euro scheitert Europa", etc. blabla, - denke wird mir übel. Wie sich die Sprüche gleichen; - anstatt "totalen Krieg" heißt es nun sinngemäß "totales Europa" und "'Wirtschaftsregierung" (Baisdemokratie^^ hahaha - wird da nicht gebraucht. Weder Basis noch Demokratie) Gebraucht wird eben keine Ideologie, die sich Intellektuelle im Zuge von ABM Maßnahmen erdenken, um ihre Transfers und Führungsanspruch zu rechtfertigen, sondern eine 'Praxeologie', die das Handeln der Menschen berücksichtigt und aus diesen selbst entsteht. ( man könnte die Praxeologie im naturalistischen Sinn imho durchaus auch als eine Art 'Emergenz' bezeichnen)

Das ist doch das Grund-Problem aller intellektuellen Sozialingenieure Europas, - sie können mit Emergenzen nichts anfangen, sie können sie noch nicht einmal verstehen:

Sie sind regelmäßig Anhänger eines konstruktivistischen Realismus, die sich der Erkenntnis verweigern, das die bedeutsamsten menschlichen Institutionen, Regeln und Werte, - "zwar das Ergebnis menschlichen Handels, aber nicht das Ergebnis menschlichen Entwurfs sind" (Hayek)

Ohne das man die Menschen, deren Motivation und Handlungsweisen berücksichtigt geht gar nichts! Das fängt in der Familie und in einem kleinen Verein an und hört bei einer idealerweise freiheitlichen überstaatlichen Grundordnung auf.

Diejenigen (Intellektuellen), die das für ein Rückfall in "das Nationale" oder Konservative bejammern (oder gar "alte Feindbilder" ausgemacht zu haben glauben), täuschen sich daher grundsätzlich. Man ruft nicht deshalb die Feuerwehr, weil es bei einem Brand gemäß Notfallplan vom hauptberuflichen Sozialingenieur so erdacht und festgelegt worden ist, - sondern weil der 'örtliche Feuerwehrverein' über Löschfahrzeuge verfügt und Menschen, die in der Vergangenheit bereit waren zur Selbshilfe zu greifen und auf die man daher bauen kann.

Zum Grundgesetz und zur Volksabstimmung die darin vorgesehen ist: Albrecht Schachtschneider
Zum Artikel 20.4 GG : http://juergenelsaesser.wordpress.com/2 ... -diktatur/
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Gandalf » Mo 10. Okt 2011, 21:51

Was mir gerade noch dazu einfällt:

Entantionalisiert das Geld und wir brauchen keine Intellektuellen, die uns eine EUdSSR basteln wollen, sondern wir 'haben' in diesem Augenblick ein Europa der Menschen, da dann Nationen überflüssig sind.

Ein Schweizer dazu:
http://www.elfterelfter.ch/Docs/Entnati ... Geldes.pdf
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Gandalf » Di 11. Okt 2011, 12:25

Gandalf hat geschrieben:Ein Schweizer dazu:
http://www.elfterelfter.ch/Docs/Entnati ... Geldes.pdf


(Hinweis dazu, da möglicherweise mißverständlich: Dieser Artikel ist "Entnationalisierungskritisch". Anhand der vorgetragenen (fehlerhaften) Argumente kann man jedoch gut erkennen, was viele an einer "Entnationalisierung" (zu unrecht) abschreckt)
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon xander1 » Fr 14. Okt 2011, 17:48

Ich sehe es geradezu pragmatisch. Wir brauchen in dieser Welt ein größeres Land, um mehr in der Welt mitbestimmen zu können, u.a. um ein Gegengewicht zur USA naja und den ganzen anderen Ländern zu haben. Ich habe keine Großmachtsphantasien, aber zur Zeit wird "der Westen" im Verhältnis zu den ganzen anderen Nationen wie Brasilien, Russland, China, Indien schwächer.

Das bedeutet letztendlich, dass nicht mehr andere Länder von uns abhängig sind, sondern dass wir abhängig von anderen Ländern werden. Die Alternative wäre ein Ausbau unserer Bündnisse. Die USA wird irgendwann kollabieren. Zumindest gehe ich davon aus (persönliche Einschätzung). Ich vermute, aber dass das ein langsamer Prozess sein wird, der aber schon jetzt begonnen hat.

@Gandalf:
Was jetzt mit Griechenland und CO passiert ist, könnte man das nicht nutzen, damit der Staat selber Geld drucken darf und nicht mehr von Banken abhängig ist? EDIT: Bitte vielleicht im anderen Thema Geldsystem oder wie das hieß antworten, weil das hier vielleicht nicht reingehört.
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Gandalf » So 16. Okt 2011, 10:04

xander1 hat geschrieben:Ich sehe es geradezu pragmatisch. Wir brauchen in dieser Welt ein größeres Land, um mehr in der Welt mitbestimmen zu können, u.a. um ein Gegengewicht zur USA naja und den ganzen anderen Ländern zu haben. Ich habe keine Großmachtsphantasien, aber zur Zeit wird "der Westen" im Verhältnis zu den ganzen anderen Nationen wie Brasilien, Russland, China, Indien schwächer.

Das bedeutet letztendlich, dass nicht mehr andere Länder von uns abhängig sind, sondern dass wir abhängig von anderen Ländern werden. Die Alternative wäre ein Ausbau unserer Bündnisse. Die USA wird irgendwann kollabieren. Zumindest gehe ich davon aus (persönliche Einschätzung). Ich vermute, aber dass das ein langsamer Prozess sein wird, der aber schon jetzt begonnen hat.

Mitbestimmen zu was? Welche Richtung willst Du bestimmen?


xander1 hat geschrieben:@Gandalf:
Was jetzt mit Griechenland und CO passiert ist, könnte man das nicht nutzen, damit der Staat selber Geld drucken darf und nicht mehr von Banken abhängig ist? EDIT: Bitte vielleicht im anderen Thema Geldsystem oder wie das hieß antworten, weil das hier vielleicht nicht reingehört.


Das passt zu beiden Themen gleichermaßen, da die Geldkrise eine Systemkrise ist, die letztlich ein vereintes Europa sabottieren wird.
Ich hatte es schon mal hier angesprochen: viewtopic.php?f=29&t=3354&start=360
Entnationalisiert das Geld - und es sind keine Ideologien mehr möglich, die Menschen nationalisieren:
http://ef-magazin.de/2009/10/31/1614-wi ... des-geldes

Würe man - nach Hayek - frei 'konkurrierende Umalufmittel' einführen, könnte 'jeder' Geld herstellen. Also der Staat genauso wie Banken - Du oder ich.
Du könntest z.B.
1) Deine 'Fähigkeiten verbriefen' in Form einer "Stunde Handwerkerleistung" oder "1 Stunde Pflegedienst" (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Fureai_Kippu), wie es z.B. beim "Rheingold" der Fall ist. Diese Systeme sind z.T. steuerbefreit (bzw. sollten es sein)
Nachteil: Man brauchtwohl nach erreichen einer gewissen Größe eine Art "Aufsichtsbefhörde" ( eine "Monetative), die z.B. überwacht, das nicht einfach jemand (oder Du selbst) "Fälschungen Deines Versprechens" in Umlauf bringt und damit das Vertrauen in die Werthaltigkeit dieser Versprechen untergräbt.
2) (Sach-) Werte für den Tausch nutzen. Diese brauchen kein "Amt", da sie selbst 'kein Versprechen', sondern einen Wert darstellen

Nach der Theorie von Hayek sollten sich die erfolgreichsten Systeme druchsetzen (dies können durchaus mehrere Geldsysteme nebeneinander sein: regionale Versprechen gepaart mit überregionalem Wertetransfer). Betrügerische Systeme würden durch den Markt beseitigt.
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon stine » So 16. Okt 2011, 11:22

Gandalf hat geschrieben:... da die Geldkrise eine Systemkrise ist, die letztlich ein vereintes Europa sabottieren wird.
Tatsächlich hatte ich beim schnellen Hinschauen im Threadtitel "ein verneintes Europa" gelesen.
Freud lässt grüßen!

LG stine
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Nonsens² » Mi 19. Okt 2011, 01:12

@Gandalf
Verzeih mir, meine Verwirrung, aber stimmst du nun Hayek zu, der das Recht auf Herausgabe einer eigenen Währung (also auch Geld) durch jedermann (also auch/und vor allem durch Banken) fordert?
Oder stimmst du Jefferson zu, der (wie in deiner Signatur zu lesen) sagte, dass Banken mit dem Recht (eigenes) Geld herauszugeben, wohl gefährlicher für die Freiheit (des einzelnen/des Staates) seien als stehende Armeen? :ka:
Ich persönlich stehe da nämlich eher auf Seiten des guten, alten Thomas J. :grandpa: . Auch wenn der sich im frühen 19. Jahrhundert wohl nicht im Traum hätte ausmalen können, WIE gefährlich die nurnoch durch Profitgier und Gewinndenken beherrschten Investment-Banken in unserer heutigen, chaotisch-globalisierten Welt, nicht nur für unser aller Freiheit sondern auch unser Leben im allgemeinen sind.


Obwohl einige von Hayeks Ideen zumindest theoretisch sehr gut sind (z.B. die von Gandalf erwähnten Formen alternativer Zahlungsmittel), so würde doch deren vollständige, praktische Umsetzung meiner Meinung nach lediglich zu einem erheblichen Machtgewinn jener Institutionen führen, die nunmal das meiste Geld/den größten Reichtum besitzen (also der Banken).
Letztendlich würden wir also einfach Politiker gegen Banker tauschen. Die selben Banker, die es dank der bisher schon umgesetzten Ideen Hayeks (Liberalisierung der Märkte und des Finanzwesens) und ihrer scheinbar grenzenlosen Gier, immerhin geschafft haben uns an den Rand einer Weltwirtschaftskrise zu führen. Die selben Banker vor deren Macht unsere Politiker heute schon den Schwanz einziehen müssen.
Klingt für mich nicht wirlich wünschenswert.

Dann doch lieber versuchen mit basisdemokratischen Mitteln einen gesamteuropäischen Staat zu schaffen. Und zwar (im wahrsten Sinne) durch das europäische Volk, für das europäische Volk :winkgrin:
Auch wenn das bestimmt ein riesiger Haufen Arbeit- und sicherlich nicht von heute auf morgen zu realisieren sein wird.

Und mit etwas Glück haben die zukünftigen gesamt-europäischen Politiker dann auch genug Macht um das außer Rand und Band geratene Finanzwesens wieder unter Kontrolle zu bringen, das gerade dabei ist unser heutiges Europa zu zerreißen. :explodieren:
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Gandalf » Fr 21. Okt 2011, 23:01

@Nonsens²
zum "Widerspruch" in meinen Aussagen habe ich hier meine Antwort eingestellt: viewtopic.php?f=29&t=3354&p=81292#p81292

Nonsens² hat geschrieben:Dann doch lieber versuchen mit basisdemokratischen Mitteln einen gesamteuropäischen Staat zu schaffen. Und zwar (im wahrsten Sinne) durch das europäische Volk, für das europäische Volk :winkgrin:
Auch wenn das bestimmt ein riesiger Haufen Arbeit- und sicherlich nicht von heute auf morgen zu realisieren sein wird.

Und mit etwas Glück haben die zukünftigen gesamt-europäischen Politiker dann auch genug Macht um das außer Rand und Band geratene Finanzwesens wieder unter Kontrolle zu bringen, das gerade dabei ist unser heutiges Europa zu zerreißen. :explodieren:


Das Problem das ich sehe und schon öfters hier angesprochen habe: Das "Projekt europ. Einigung" wurde von katholisch-konservativen-liberalen Gründerväter gestartet. Ziel war ein Europa der "4 Grundfreiheiten". Die Nationen sollten im friedlichen, kreativen Wettbewerb miteinander zusammenwachsen. Zu bestimmen wo und an wen man z.B. seine Steuern zahlt, sollte jedem selbst überlassen werden.

Diese Gründerväter hatten nichts mit dem Sozialsimus und der zentralen Zwangsverwaltungswirtschaft ("Wirtschaftsregierung") am Hut, die von den derzeit herrschenden Sozialisten (va. aus Frankreich, mit seinen Minderwertigkeitskomplexen) angedacht wird. Ich bin regelrecht entsetzt, das nicht mal mehr "die Liberralen" dieses traurige Spiel zu durchschauen scheinen (von der gelernten FDJ-Sekretärin, die uns regiert, ganz zuschweigen)
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon stine » Mo 24. Okt 2011, 11:04

Gandalf hat geschrieben:Diese Gründerväter hatten nichts mit dem Sozialsimus und der zentralen Zwangsverwaltungswirtschaft ("Wirtschaftsregierung") am Hut, die von den derzeit herrschenden Sozialisten (va. aus Frankreich, mit seinen Minderwertigkeitskomplexen) angedacht wird. Ich bin regelrecht entsetzt, das nicht mal mehr "die Liberralen" dieses traurige Spiel zu durchschauen scheinen (von der gelernten FDJ-Sekretärin, die uns regiert, ganz zuschweigen)
Dieser Passus passte auch gut zum Thema Geldsystem-Krise.
Hoffentlich hast du nicht so recht, wie ich vermute. Derzeit retten wir eigentlich wessen Geld?

:( stine
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon custosnoctem » Di 29. Nov 2011, 18:51

ein vereintes europa wird es nur dann geben können, wenn mit allen lügen schluss gemacht wird.
also niemals
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Darth Nefarius » Di 29. Nov 2011, 21:26

Das vereinte Europa ist erst zu bewerkstelligen, wenn jede nationalistische Tendenz verschwunden ist, denn erst dann wird man zugunsten größerer Handlungsfähigkeit auch einige Souveränitätsansprüche zurückschrauben. Betrachtet mal unabhängig von der aktuellen Krise, die Konflikte, von denen man kaum erwarten kann, dass sie bald gelöst sein werden: Belgiens Zerrissenheit ist bezeichnend und sogar die Ablehnung unter Angehörigen einer Nation ist, wie z.Bsp. Österreich-Deutschland ist extrem kleinlich. Verdammt, sogar die Bayern bezeichnen sich lieber als Bayern als als Deutsche (sie wurden ins Kaiserreich doch letztlich eingekauft). Die kleinen historischen Konflikte überdauern teilweise Länger als solche Rivalitäten, wie die Deutschen und die Franzosen sie hatten. Beim Menschen ist doch häufiger zu beobachten, dass er sich durch seinen Feind, oder Gegner definiert, als durch das, wozu er steht (nicht wahr, A-theisten?).
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Gandalf » Sa 28. Jan 2012, 18:53

vlt. passt es hier rein, was mir zur aktuellen "Ungarnkrise" der EU aufgefallen ist bei der sich der neue EU-Parlamentspräsident meint besonders "Kante" zeigen zu müssen:

Als vor ca 3 Wochen wenige tausend Demosntranten gegen die liberal-Konservative Regierung in Budapest demonstriert haben, waren sogar in meiner "Dorfzeitung" übervoll mit bebilderten Artikel, das man meinen konne ein "Ungarischer Frühling" wäre angebrochen. (und 100.000te würden mitmachen - später stellte sich heraus: Es waren wohl nur wenige tausend)

Und nun das - worüber (zumindest in meiner Zeitung nicht, und in den anderen Zeitungen am Rande) größtenteils nicht berichtet wurde. Es gibt in Ungarn eine starke Strömung sich eben nicht durch eine "EU-Diktatur" bevormunden zu lassen.

Nach Angaben der Veranstalter nahmen 500.000 Menschen an dieser Anti-EU-Diktat-Demo teil
- lt Polizei 400.000
und lt "westlicher Presse" waren es aber wiederum nur - "mehrere 10.000" http://derstandard.at/1326503388322/Bud ... fuer-Orban

Wer lügt sich hier wie in die Tasche?
=======

Kauder hat zudem eine zweite Front aufgmacht: Ultimatum an Griechenland!!
http://www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de/

Mal schauen, wenn die Griechen auf die Straße gehen
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Nanna » Sa 28. Jan 2012, 19:18

Gandalf hat geschrieben:Es gibt in Ungarn eine starke Strömung sich eben nicht durch eine "EU-Diktatur" bevormunden zu lassen.

Ja, man möchte sich lieber durch Orban bevormunden lassen. Mag sein, dass die EU Defizite hat, nur macht das die in Richtung Autoritarismus tendierende Alternative von Orban nicht besser. Hätten die Leute gegen die EU und Orban demonstriert, hätte ich eher geglaubt, dass es wirklich um Emanzipation geht. Sich aber dem Wolf in den Rachen zu schmeißen um dem Bären zu entkommen ist einfach nur armselig. Zumal ich den Druck Brüssels wegen dieses Mediengesetzes wirklich begrüßenswert finde.
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Teh Asphyx » Sa 28. Jan 2012, 19:38

Nanna hat geschrieben:Sich aber dem Wolf in den Rachen zu schmeißen um dem Bären zu entkommen ist einfach nur armselig.

Meines Erachtens zeigt sich hier aber wieder mal wunderbar die wahre Fratze der kleinstes-Übel-Politik. Ich kenne mich jetzt allerdings zugegeben mit Ungarn nicht sonderlich gut aus. Aber es scheint mir wieder das typische Phänomen zu sein, dass die Leute (oder ein Großteil der Leute) glauben, dass sie eben nur zwei wirklich „realistische“ Alternativen hätten (warum sie das glauben müsste gesondert analysiert werden, wie gesagt, mit Ungarn kenne ich mich nicht aus) und sich eben für die entscheiden, von denen sie meinen, sie sei die bessere.
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Re: Ein vereintes Europa

Beitragvon Darth Nefarius » So 29. Jan 2012, 13:23

Teh Asphyx hat geschrieben:Meines Erachtens zeigt sich hier aber wieder mal wunderbar die wahre Fratze der kleinstes-Übel-Politik. Ich kenne mich jetzt allerdings zugegeben mit Ungarn nicht sonderlich gut aus. Aber es scheint mir wieder das typische Phänomen zu sein, dass die Leute (oder ein Großteil der Leute) glauben, dass sie eben nur zwei wirklich „realistische“ Alternativen hätten (warum sie das glauben müsste gesondert analysiert werden, wie gesagt, mit Ungarn kenne ich mich nicht aus) und sich eben für die entscheiden, von denen sie meinen, sie sei die bessere.

Die Tendenzen, die von der Regierung Ungarns begrüßt werden, haben Menschen in ihrer Reihe, die öffentlich den Hitler-Schnauzer tragen, bestimmte Flaggen zeigen, den Antisemitismus ausleben. Die EU ist das wesentlich kleinere Übel im Vergleich zu Orban.
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