Pro und Contra Organspende

Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 28. Nov 2011, 16:52

Also, wenn die Gentechnologie irgendwann soweit ist, und dann auch noch die Gesetze, dann können wir uns so ziemlich jede Erbkrankheit aus dem Genom "rausschneiden", oder es reparieren. Gleiches gilt für Resistenzen. Man könnte bereits theoretisch doppelt so alt werden, aber das Krebsrisiko wäre enorm gestiegen und der untersuchte Modellorganismus ist ziemlich unschön zugrunde gegangen. Einzelne Organe können bereits aus Kalli gezüchtet werden. Aber unser allseits beliebter Vektor wird in den meisten Belangen das Virus sein. Wenn die Kontrollmechanismen nicht ausrechend sein werden, dann könnte Unsterblichkeit "ansteckend" sein, und das kostenlos! :mg:
Natürlich würde das zu unabsehbaren Folgen des Mikrokosmos führen, aber es wäre kostenlos.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon ganimed » Mo 28. Nov 2011, 22:24

tanjaw hat geschrieben:Wenn man tot ist, dann können einem doch die Organe auch egal sein, oder?? Warum dann nicht einem anderen Menschen das Leben retten??!!

stine hat geschrieben:Das sollte jeder drucklos für sich entscheiden dürfen.

Stine, ich fände es spannend, deine persönliche Antwort auf tanjaw's Frage zu hören. Wenn du bereits rationale Gründe genannt hast, dann habe ich sie bisher entweder überlesen oder nicht überzeugend gefunden. Ich könnte mir vorstellen, dass es aber auch eher emotionale Gründe bei dir sind? Rational geht es mir jedenfalls genau wie tanjaw, mir fällt auch kein Grund ein, wieso ich nicht Organspender werden sollte.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Di 29. Nov 2011, 07:46

Emotional, sicher, @ganimed.
Der erste Grund ist das Gefühl, Teil einer sich immer weiterentwickelnden rationalen Medizin zu werden. Mediziner retten Leben? Oder Mediziner sind interessiert an allem was geht? Ich bin mir da nicht mehr so sicher, ob die Neugier nicht dem Helfersyndrom vorgesetzt ist. Wenn mir mein Hausarzt sagt, diese oder jene Untersuchung dürfe er nicht mehr machen, das zahlt die Kasse nicht, das müsste ich dann selber tragen, andererseits ich aber von unnötiger Apparatemedizin höre, die nur eingesetzt wird, weil die Apparate da sind und die sich amortisieren müssen, dann liegt der Verdacht natürlich nahe, dass es sich bei der Gesundheitsmedizin um ein riesiges Wirtschaftsimperium handelt, das selbstverständlich nach Mittel verlangt. Einige Mittel sind machbar und anschaffungsfähig andere widerrum nicht, weil sie nicht zu den nachwachsenden Rohstoffen im eigentlichen Sinne gehören. Die Bettelei um diese Rohstoffe nennt man dann Spendenaufruf und lockt damit, viele Menschenleben dadurch retten zu können. Die Aufgabe der Mediziner ist Menschen zu heilen und ihnen beizustehen, die Aufgabe der Mediziner ist nicht, Fließband OPs durchzuführen und gleichzeitig die Patienten blutig zu entlassen, weil die Betten zu teuer für einen "nur" Genesenden sind. Der Patient ist nur solange interessant, wie er ein Fall ist, das Genesen ist dann wieder Privatsache und kann ausgelagert werden. Je teurer und aufwendiger ein Fall ist, umso begehrter im Krankenhaus.
Das ist einer der Gründe, warum ich die Methode der Organverpflanzung nicht unterstützen mag.

Der zweite Grund ist zwar irrational aber dennoch nachvollziehbar: Der Mensch ist kein wandelndes Ersatzteilelager. Diese Tatsache entwertet den Menschen und stempelt ihn zur Sache ab. Warum regen sich Organspender so über das Wort "ausschlachten" auf? Was ist es anderes, wenn eine Leiche nach wiederverwertbaren Organen durchsucht wird?
Wer die medizinische Methode der Organspende für gut empfindet, darf auch ruhig über entsprechende Vokabeln nachdenken. Diese stammen vorläufug aus der Automobilbranche und aus dem Metzgerhandwerk.

Der dritte Grund ist die Selbstverständlichkeit mit der Medizin und Politik darüber entscheiden, wie an die Sache herangegangen wird. Jeder Bürger muss sich einmal im Leben Gedanken zur Organspende machen mit hoffentlich dem Ausgang, dass er ein schlechtes Gewissen hat, wenn er sich dem verweigert. Warum muss ein Bürger das?
Wer sich interessiert, der findet den Weg zum Spenderausweis auch so. Ich finde es immer noch eine makabre Überheblichkeit, wenn Schulklassen ins Klinikum eingeladen werden und man ihnen Patienten zeigt, die auf Organe warten und im Anschluss Spenderausweise verteilt. Da könnte ich ehrlich gesagt :kotz2:
Kann sich jemand vorstellen, wie sensible Kinder damit umgehen? Was hat denn nun hier Vorrang?

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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Arathas » Di 29. Nov 2011, 09:52

stine hat geschrieben:Der zweite Grund ist zwar irrational aber dennoch nachvollziehbar: Der Mensch ist kein wandelndes Ersatzteilelager. Diese Tatsache entwertet den Menschen und stempelt ihn zur Sache ab.


Das kommt auf die Perspektive an: Ich kann jetzt genausogut behaupten, diese Tatsache wertet einen Menschen auf, da er bereit ist, auch nach seinem Tod noch anderen zu helfen.

Es ist, wie du sagst, ein irrationaler Grund.

Außerdem ist der Mensch dadurch kein wandelndes Ersatzteilelager; zu diesem wird er erst, wenn er nicht mehr wandelt. Solange er wandelt, ist er potentieller Ersatzteileempfänger.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Darth Nefarius » Di 29. Nov 2011, 10:44

Ich meine hier irgendwo ein Thema gelesen zu haben, das hieß "ist der Mensch nur die Summe seiner Einzelteile?" oder so ähnlich. Nun, warum nicht? Was entwartet denn an dieser Aussage? Es ist doch faszinierend, wenn zwei vermeindlich simple chemische Verbindungen in eine Wechselwirkung übergehen und Energie emittieren, ihre Eigenschaften, ihr Volumen oder ihren Aggregatzustand. Ja, es ist eine Frage der Perspektive und ich halte funktionsfähige Organe für wertvoll genug, dass man sie nicht verrotten lässt. Auch wenn beispielsweise der Airbag im Auto nur ein Teil ist, so ist es ein wertvoller. Den Wert erhält es durch seine Funktion. Also, warum sollte man da nicht umdenken und sich nicht fragen, ob das Wohl des Kranken nicht vor das Recht der Leiche gehen sollte? Kurz: Warum sollte man die Leute überhaupt fragen, was mit ihren Organen nach dem Tod geschehen soll?
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Di 29. Nov 2011, 13:02

Darth Nefarius hat geschrieben:Kurz: Warum sollte man die Leute überhaupt fragen, was mit ihren Organen nach dem Tod geschehen soll?
Das wäre mE "humaner", als Lebenden das Recht auf ihre Organe abzuhandeln.

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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Di 29. Nov 2011, 13:06

Arathas hat geschrieben:Solange er wandelt, ist er potentieller Ersatzteileempfänger.
Das ist der Blick von der anderen Seite. Klar, beim Geben und Nehmen ist der Nehmer immer im Vorteil.

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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Arathas » Di 29. Nov 2011, 13:27

stine hat geschrieben:Das ist der Blick von der anderen Seite. Klar, beim Geben und Nehmen ist der Nehmer immer im Vorteil.


Eigentlich ist das nicht der Blick von der anderen Seite - es ist der Blick auf's Ganze. Du möchtest es halt immer auf nur eine Seite runterbrechen, aber wenn man was bewertet, sollte man das Ganze im Blick behalten.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Darth Nefarius » Di 29. Nov 2011, 14:12

stine hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Kurz: Warum sollte man die Leute überhaupt fragen, was mit ihren Organen nach dem Tod geschehen soll?
Das wäre mE "humaner", als Lebenden das Recht auf ihre Organe abzuhandeln.

LG stine

Hast du ein rationales Argument, oder versteckst du dich hinter dem Begriff "human"? Ist es wirklich humaner, jemanden sterben zu lassen, als einem Toten die Organe zu entnehmen? Man muss abwägen und mir ginge der Kranke vor den Toten.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Di 29. Nov 2011, 14:44

Ich schreibe mir hier die Finger krumm und am Ende kommt, wie das bei kleinen Kindern oft der Fall ist: Mir egal, was du sagst, ich will aber trotzdem!
Ja klar, der Lebende vor dem Toten. Ich schrieb meine Argumente, warum hier auch der Lebende auf der gebenden Seite steht. Der Lebende wird sich bald per Gesetz entscheiden müssen, was er im Falle seines Ablebens mit seinem Körper machen lassen will. Vielleicht lest ihr ja doch noch mal meinen Beitrag von weiter oben.

:o0: stine
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Darth Nefarius » Di 29. Nov 2011, 14:59

Glaubst du, ich wäre ein kleines Kind, oder meinst du nur in Relation zu dir? :grandpa: Ich habe deine Argumente schon gelesen, vielleicht hast du meine ignoriert? :bäh:
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Darth Nefarius » Di 29. Nov 2011, 15:06

Abgesehen davon ist das doch eine einfache Rechnung:
Mensch+ kaputtes Organ= toter Mensch+kaputtes Organ=Humus
Toter Mensch+funktionierendes Organ=Humus ABER:
Wenn funktionierendes Organ+Mensch+kaputtes Organ-kaputtes Organ= :mg:
Entweder hat man 2mal Humus, oder einen :mg: , ich wäre für letzteres.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Nanna » Di 29. Nov 2011, 16:15

stine hat geschrieben:Diese Tatsache entwertet den Menschen und stempelt ihn zur Sache ab. Warum regen sich Organspender so über das Wort "ausschlachten" auf? Was ist es anderes, wenn eine Leiche nach wiederverwertbaren Organen durchsucht wird?
Wer die medizinische Methode der Organspende für gut empfindet, darf auch ruhig über entsprechende Vokabeln nachdenken. Diese stammen vorläufug aus der Automobilbranche und aus dem Metzgerhandwerk.

Na, in der Logik müssen wir dann aber auch konsequent von "Kompostierung" anstelle von "Beerdigung" sprechen. Wenn du so darauf aus bist, eine brutale Sprache aus politischen Gründen einzuführen, dann bitte auch mit gleichem Recht für alle. Dann muss der Arzt in Zukunft sagen "Ihre Verwandten sind bei einem Autounfall gestorben. Dürfen wir sie ausschlachten oder möchten Sie sie kompostieren?".

Ehrlich gesagt, da sind mir die respektvollen Euphemismen lieber. Angesichts schlimmer Situationen Contenance zu bewahren gehört für mich irgendwie einfach dazu zur Zivilisation.

stine hat geschrieben:Der dritte Grund ist die Selbstverständlichkeit mit der Medizin und Politik darüber entscheiden, wie an die Sache herangegangen wird. Jeder Bürger muss sich einmal im Leben Gedanken zur Organspende machen mit hoffentlich dem Ausgang, dass er ein schlechtes Gewissen hat, wenn er sich dem verweigert. Warum muss ein Bürger das?

Ein Bürger muss viele Dinge, dafür ist er Souverän. Das Vorrecht mitzuentscheiden wird nunmal nicht in der verantwortungsfreien Version geliefert. Ich habe ja schon oben geschrieben, die Sache ist im Raum und dann muss sie auch zivilgesellschaftlich ausdiskutiert werden, genau wie Atomenergie, Gentechnik, Klimawandel, Managergehälter und Geschlechtergleichstellung. Ich kann nicht verlangen, einerseits Teil der Gesellschaft zu sein und von ihren zivilisatorischen und technischen Leistungen zu profitieren und andererseits allen damit verbundenen unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen.

Was du über die Schulklassen in den Kliniken schreibst, ja, das ist emotionale Erpressung und sollte so nicht stattfinden. Aufklärungsarbeit im Unterricht muss aber sein, genauso wie Sexualkunde auch für Kinder verpflichtend ist, die mit dem Thema noch nicht so ganz klarkommen. Nicht aufgeklärt sein ist meist die schlimmere, weil im Ernstfall hilflosere Alternative. Ich würde erstmal im Religions- oder Ethikunterricht eine offene Diskussion beginnen. Einen möglichen Klinikbesuch könnte man ja optional und freiwillig anbieten.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Di 29. Nov 2011, 16:26

Nanna hat geschrieben:Dürfen wir sie ausschlachten oder möchten Sie sie kompostieren?"

Der Vergleich ist gut, witzig und zeigt, wie verhältnismäßig brutal sich das eine zum anderen anhört. Kompost ist doch was sinnvolles und nützliches.

:up: stine
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Darth Nefarius » Di 29. Nov 2011, 16:34

Nanna hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Diese Tatsache entwertet den Menschen und stempelt ihn zur Sache ab. Warum regen sich Organspender so über das Wort "ausschlachten" auf? Was ist es anderes, wenn eine Leiche nach wiederverwertbaren Organen durchsucht wird?
Wer die medizinische Methode der Organspende für gut empfindet, darf auch ruhig über entsprechende Vokabeln nachdenken. Diese stammen vorläufug aus der Automobilbranche und aus dem Metzgerhandwerk.

Na, in der Logik müssen wir dann aber auch konsequent von "Kompostierung" anstelle von "Beerdigung" sprechen. Wenn du so darauf aus bist, eine brutale Sprache aus politischen Gründen einzuführen, dann bitte auch mit gleichem Recht für alle. Dann muss der Arzt in Zukunft sagen "Ihre Verwandten sind bei einem Autounfall gestorben. Dürfen wir sie ausschlachten oder möchten Sie sie kompostieren?".

Ehrlich gesagt, da sind mir die respektvollen Euphemismen lieber. Angesichts schlimmer Situationen Contenance zu bewahren gehört für mich irgendwie einfach dazu zur Zivilisation.

stine hat geschrieben:Der dritte Grund ist die Selbstverständlichkeit mit der Medizin und Politik darüber entscheiden, wie an die Sache herangegangen wird. Jeder Bürger muss sich einmal im Leben Gedanken zur Organspende machen mit hoffentlich dem Ausgang, dass er ein schlechtes Gewissen hat, wenn er sich dem verweigert. Warum muss ein Bürger das?

Ein Bürger muss viele Dinge, dafür ist er Souverän. Das Vorrecht mitzuentscheiden wird nunmal nicht in der verantwortungsfreien Version geliefert. Ich habe ja schon oben geschrieben, die Sache ist im Raum und dann muss sie auch zivilgesellschaftlich ausdiskutiert werden, genau wie Atomenergie, Gentechnik, Klimawandel, Managergehälter und Geschlechtergleichstellung. Ich kann nicht verlangen, einerseits Teil der Gesellschaft zu sein und von ihren zivilisatorischen und technischen Leistungen zu profitieren und andererseits allen damit verbundenen unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen.

Was du über die Schulklassen in den Kliniken schreibst, ja, das ist emotionale Erpressung und sollte so nicht stattfinden. Aufklärungsarbeit im Unterricht muss aber sein, genauso wie Sexualkunde auch für Kinder verpflichtend ist, die mit dem Thema noch nicht so ganz klarkommen. Nicht aufgeklärt sein ist meist die schlimmere, weil im Ernstfall hilflosere Alternative. Ich würde erstmal im Religions- oder Ethikunterricht eine offene Diskussion beginnen. Einen möglichen Klinikbesuch könnte man ja optional und freiwillig anbieten.

Ja, ich denke auch, dass man nicht aufgrund von Begrifflichkeiten ein Tabuthema postuliert, ich habe die Leiche bereits halb scherzhaft "Humus" genannt. Trotzdem kann man nicht alles auf den Souverän abwälzen. Die Befugnis des Souveräns ist seine Mündigkeit, oder das, was dem sehr nahe kommt. Da der mündige Bürger nur im Idealfall existiert, gibt es die rechtsstaatliche Komponente, dieses aristokratische Element ist Teil der modernen westlichen Demokratie. Da eine Mehrheit wie Stine auf dieses Thema reagiert, also empört und sich darüber einig, dass man diese Entscheidung dem Souverän überlassen soll, man sich aber in allem anderen uneinig ist, bin ich für die rechtsstaatliche Komponente. Letztlich ist es so einfach, wie ich es zuvor dargestellt habe, entweder 2 Tote oder ein Lebender. Aber diese Angst davor, dass man einen Toten Körper vernachlässigt und so doch irgendwie den ehem. Menschen, ist auch von der Religion abgeleitet. Es ist für einen Menschen nicht leicht, auch noch freiwillig indirekt seine Sterblichkeit anzuerkennen, indem er einen Organspenderausweis mit sich führt, ich bin mir aber sicher, dass die meisten passiv den Gebrauch der eigenen Organe befürworten würden, indem es Gesetz würde, dass die funktionsfähigen Organe posthum ohne direkte Zustimmung entnommen werden.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Zappa » Di 29. Nov 2011, 18:18

stine hat geschrieben: Wenn mir mein Hausarzt sagt, diese oder jene Untersuchung dürfe er nicht mehr machen, das zahlt die Kasse nicht, das müsste ich dann selber tragen, andererseits ich aber von unnötiger Apparatemedizin höre, die nur eingesetzt wird, weil die Apparate da sind und die sich amortisieren müssen, dann liegt der Verdacht natürlich nahe, dass es sich bei der Gesundheitsmedizin um ein riesiges Wirtschaftsimperium handelt, das selbstverständlich nach Mittel verlangt.


Es wäre sinnvoller, wenn Dir in den Sinn käme, dass sich diese beiden Aussagen offenbar widersprechen!

Welche Leistungen durch die Krankenkassen bezahlt werden, entscheidet in Deutschland ein überärztliches Gremium (nämlich der Gemeinsame Bundesausschuss: http://www.g-ba.de/), was durchaus sinnvoll ist, damit nicht jeder Unsinn bezahlt wird und die Kassenbeiträge ins Unermessliche steigen. Wenn dein Hausarzt jammert, dass bestimmte Leistungen nicht bezahlt werden, dann will er offenbar nicht notwendige Leistungen "verkaufen". Wer solche in Anspruch nehmen mag, soll die halt gefälligst selber bezahlen. Wo ist da Dein Problem?

Überhaupt zeichnest Du hier ein völlig karikiertes Bild von der Medizin, nur um das als "Argument" gegen die Organtransplantation zu nutzen. Ich halte das schlicht und ergreifend für simple "Verschwörungstheorien" und unredlich.

stine hat geschrieben: Je teurer und aufwendiger ein Fall ist, umso begehrter im Krankenhaus. Das ist einer der Gründe, warum ich die Methode der Organverpflanzung nicht unterstützen mag.


Erneut die These, dass sich Organverpflanzungen besonders gut rechnen, was falsch ist. Das deutsche fallbasierte System ersetzt einem Krankenhaus nämlich schlicht die durchschnittlichen Kosten eines Eingriffes, nicht mehr und nicht weniger. Wenn das Haus überdurchschnittliche Kosten (z.B. ein besonderes großes OP Team) hat, macht es Miese, wenn es durchschnittliche Kosten hat eine schwarze Null und wenn es unterdurchschnittliche Kosten hat Gewinn. In der Summe machen aber alle Transplantationszentren in Deutschland eine schwarze Null, das geht gar nichts anders! Und Chirurgen, die Organe transplantieren bekommen auch nicht mehr als andere, die werden nämlich alle nach Tarif bezahlt.

Abgesehen davon: Durch den streng geregelten Entscheidungsprozess ist gesichert, dass der der die Indikation zur Organentnahme stellt nicht an der Transplantation verdient! Vielleicht nimmst Du das einfach mal zur Kenntnis? Das pekuniäre Interessen in der Medizin eine Rolle bei Entscheidungsfindungen spielen können ist bekannt und deswegen wurde ja grade in der Transplantationsmedizin ein solch geregeltes Verfahren eingeführt! Es ist unfair von Dir das immer wieder einfach zu ignorieren.

Ich finde es ehrlich gesagt inakzeptabel, dass Du dein verqueres Bild über die Humanmediziner hernimmst und einfach die Interessen der potentiellen Organempfänger negierst. Jede ethische Entscheidung ist eine Interessensabwägung, davon kann ich bei Dir nichts sehen und deswegen ist deine Position - so begründet - ethisch auch nicht haltbar!

stine hat geschrieben:Der zweite Grund ist zwar irrational aber dennoch nachvollziehbar: Der Mensch ist kein wandelndes Ersatzteilelager. Diese Tatsache entwertet den Menschen und stempelt ihn zur Sache ab.


Das ist ein sehr schlichtes Argument. Vor allem wofür gilt es? Soll ich kein Blut mehr spenden, kein Knochenmark? Darf ich meinem Kind nicht eine Niere spenden? Glaubst Du ich würde mich zur Sache degradiert fühlen, wenn ich meinem Kind einen Teil meiner Leber spende um es am Leben zu halten? Ganz sicher nicht, es ist sogar eine besondere Form der Nächstenliebe!

Und wenn ich persönlich nach meinem Ableben meine Organe lieber einer sinnvollen Verwendung als der Kompostierung oder Verbrennung zukommen lasse, dann ist das eine sehr bewusste und menschliche Entscheidung und hat mit einer Verdinglichung nun rein gar nichts zu tun.

stine hat geschrieben:Warum regen sich Organspender so über das Wort "ausschlachten" auf?


Weil er schlicht nicht passt und offenbar nur aus polemischen Gründen benutzt wird, weil man ansonsten offenbar keine vernünftigen Argumente gegen Transplantationen hat. "Ausschlachten" ist ein Begriff, der verwendet wird wenn ein einseitiges Machtverhältnis besteht, wenn der Spender keine Rechte hat und nicht gefragt wird (wie in China angeblich bei den zum Tode verurteilten), wenn niedere Beweggründe (pekuniäre Interessen oder schlicht Fresslust) oder unappetitliche Begleitumstände vorliegen. All das trifft hier nicht zu und deswegen ist der Begriff inadäquat. Z.B. ist die Organentnahme (so der korrekte Begriff) ein diffiziler, chirurgischer Eingriff, der unter OP-Bedingungen durchgeführt wird. Die Entscheidung des Betroffenen wird respektiert etc. pp.


stine hat geschrieben:Jeder Bürger muss sich einmal im Leben Gedanken zur Organspende machen mit hoffentlich dem Ausgang, dass er ein schlechtes Gewissen hat, wenn er sich dem verweigert. Warum muss ein Bürger das?


Weil Organe gebraucht werden und man dadurch einige hundert Leben im Jahr retten kann. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Du die ach so großen Gewissensbisse bitte mit den Interessen der möglichen Empfänger zu vergleichen hast, dass bekommst Du aber offenbar nicht hin. Dur argumentierst emotional und unsachlich!


stine hat geschrieben:Ich finde es immer noch eine makabre Überheblichkeit, wenn Schulklassen ins Klinikum eingeladen werden und man ihnen Patienten zeigt, die auf Organe warten und im Anschluss Spenderausweise verteilt. Da könnte ich ehrlich gesagt :kotz2:


Ab einem gewissen Alter (sagen wir mal 13 - 14 Jahre) habe ich damit überhaupt kein Problem und die Kinder sicher auch nicht.

Sorry für den etwas gereizten Ton, aber mich regt es auf, wenn mit persönlicher Betroffenheit, unsachlichen Argumenten und Karikaturen ein so wichtiges Thema vollkommen zerredet wird. Wie bereits mehrfach gesagt: Schau Dir bitte mal die Patienten an, die auf der Transplantationsliste sind und wochenlang erbärmlich ersticken oder auf eine andere Art krepieren. Da relativiert sich deine Betroffenheit ganz flott ....
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon ganimed » Di 29. Nov 2011, 18:37

@stine: vielen Dank für die Antwort.
Deine Gründe sind, wenn ich das richtig sehe, im Grunde genommen drei Eckpunkte einer Art Protesthaltung.
a) Nieder mit dem modernen, inhumanen Gesundheitsapparat. Du willst beispielsweise das Organspenden nicht unterstützen.
b) Die Menschenwürde ist unantastbar. Organspende oder die Einwilligung darin würdigt den Menschen zu einem Ersatzteillager herab.
c) Privatsphäre und Entscheidungsfreiheit sind bedroht. Niemand sollte zu einer Entscheidung gezwungen, gebeten oder periodisch aufgefordert werden.

Wenn ich das richtig sehe, sind das 3 ideelle, idealistische, gesellschaftspolitische Gründe. Erstmal nichts gegen einzuwenden. Ich frage mich nur gerade: sind diese Gründe wirklich so wichtig, dass deshalb möglicherweise (wenn es dumm läuft) nach deinem Ableben ein paar andere Menschen keine Organe bekommen sollen? Und andererseits, besteht auch nur die geringste Aussicht, dass deine Protesthaltung (also das "Nein" ankreuzen bzw. eben keinen Ausweis ausfüllen) irgend eines deiner ideellen Ziele auch nur einen Mykrometer weiter voranbringt?

Ich würde es für sehr naiv halten, wenn jemand glaubt, Auswüchse der modernen Medizin stoppen, die Menschenwürde wiederherstellen und Entscheidungsfreiheit fördern zu können nur durch die Verweigerung seines "Ja" auf einem Organspendeausweis.
Wäre politisches Engagement in einer geeigneten Partei nicht ein viel naheliegender Weg, deine Ziele zu unterstützen? Zumal bei diesem Vorgehen keine eventuell wartenden, unschuldigen Organempfänger "geschädigt" werden.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon stine » Di 29. Nov 2011, 20:19

Zappa hat geschrieben:Darf ich meinem Kind nicht eine Niere spenden? (...) Schau Dir bitte mal die Patienten an, die auf der Transplantationsliste sind und wochenlang erbärmlich ersticken oder auf eine andere Art krepieren.
Und du wirfst mir Polemik vor?
Wieviele Menschen müssen sterben, weil selbst eine Organspende für sie nicht mehr lebensverlängernd ist?
Sollen künftig Menschen überhaupt noch sterben müssen?
Wieviele Organe darf man im Notfall austauschen, damit ein Mensch später stirbt, als es sein Körper sonst vorgesehen hätte?

ganimed hat geschrieben:Ich würde es für sehr naiv halten, wenn jemand glaubt, Auswüchse der modernen Medizin stoppen, die Menschenwürde wiederherstellen und Entscheidungsfreiheit fördern zu können nur durch die Verweigerung seines "Ja" auf einem Organspendeausweis.
Es hat schon viel geringere Proteste für viel größere Aktionen gegeben. Ich sehe meinen Protest auch nicht als öffentliches Manifest. Das ganze Land scheint sich ja bei diesem Thema ansonsten einig zu sein.

Zappa hat geschrieben:Welche Leistungen durch die Krankenkassen bezahlt werden, entscheidet in Deutschland ein überärztliches Gremium...
Und das sind dann selbstverständlich die richtigen Entscheidungen, die keinerlei finanzielle oder wirtschaftliche Vorteile ins Auge fassen?

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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon ganimed » Di 29. Nov 2011, 20:47

stine hat geschrieben:Es hat schon viel geringere Proteste für viel größere Aktionen gegeben.

Haben diese noch aussichtsloseren Proteste denn auch potentiell das Leben von kranken Menschen gefährdet? Nenn mal Beispiele, wo die Wirkbilanz eines Protestes noch ungünstiger ausfällt als beim Organspendenein.
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Re: Pro und Contra Organspende

Beitragvon Zappa » Di 29. Nov 2011, 20:48

stine hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Darf ich meinem Kind nicht eine Niere spenden? (...) Schau Dir bitte mal die Patienten an, die auf der Transplantationsliste sind und wochenlang erbärmlich ersticken oder auf eine andere Art krepieren.
Und du wirfst mir Polemik vor?


Ja und ich weiß nicht, inwiefern die zitierte Passage das abschwächen sollte. Ich versuche halt auf verschiedene Weise Dich dazu zu bewegen die Interessen ABZUWÄGEN! Hier ggf. eine Beklemmung oder ein schlechtes Gewissen und dort das drohende Lebensende. Für mich sind hier die Prioritäten klar. Im übrigen habe ich mal auf einer Station mit Mukoviszidosepatienten gearbeitet, ich weiß also wovon ich rede. Wenn da ein junger Mensch mit 25 an zunehmender Luftnot und ständigen Lungenentzündungen verstirbt ist das kein Kindergeburtstag, das kann ich Dir sagen.

stine hat geschrieben:Wieviele Menschen müssen sterben, weil selbst eine Organspende für sie nicht mehr lebensverlängernd ist?


Das sind einige, aber warum willst Du mit dem Argument den anderen die Chance nehmen?

stine hat geschrieben:Sollen künftig Menschen überhaupt noch sterben müssen?


Sie werden es müssen. Aber im Mittelalter sind Menschen z.B. an einer Blinddarmentzündung gestorben und wenn es nach Dir ginge müssten wir es wohl immer noch. Du scheinst ein prinzipielles Problem mit dem medizinischen Fortschritt zu haben. Mein Tipp: Die nächste Zahnwurzelbehandlung mal ohne wirksame Betäubungsmittel (gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert); sowas erdet :mg:

stine hat geschrieben:Wieviele Organe darf man im Notfall austauschen, damit ein Mensch später stirbt, als es sein Körper sonst vorgesehen hätte?


42?

Im Ernst: Ich weiß nicht, was Du mit dem Argument bezwecken willst. Meinst Du das "Argument der schiefen Ebene"? Nach dem Motto "Wehret den Anfängen"?

Ich denke man sollte das immer wieder erneut rational diskutieren. Es gibt Menschen, die hatten schon zwei oder drei Nierentransplantationen und leben gut damit. Was spricht prinzipiell dagegen? Was machbar ist sollte öffentlich diskutiert werden und wenn die Mehrheit dafür ist, dann ist das für mich OK. Ich muss dann auch mal akzeptieren, dass aus meiner Sicht unvernünftige Entscheidungen, wie die deutsche ablehnende Haltung gegen Stammzellforschung, dabei raus springt. Das finde ich persönlich bitter und sehr schade, ist dann aber so.

stine hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Welche Leistungen durch die Krankenkassen bezahlt werden, entscheidet in Deutschland ein überärztliches Gremium...
Und das sind dann selbstverständlich die richtigen Entscheidungen, die keinerlei finanzielle oder wirtschaftliche Vorteile ins Auge fassen?


Naja, weil auch die Kostenträger mit im Boot sitzen, wird es da schon einen Interessenausgleich geben. Und mehr kann man ja in einer Gesellschaft nicht verlangen, oder? Jedenfalls gibt es keine geheime Verschwörung gieriger Mediziner im Boot mit der bösen Pharmaindustrie, die Menschen ausweiden, die Öffentlichkeit belügen und blind dem Mammon folgend uns alle ins Verderben stürzen.
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