Sind Strafen nötig und legitim?
Verfasst: Sa 28. Jan 2012, 10:30
Vielleicht können wir an dieser Stelle mal klären, wann Strafen sinnvoll und wann sie sinnlos sein könnten.
Ganz allgemein kann ich diese von Agent Provocateur dargestellten Punkte für mich unterschreiben.
Spezieller hat mir die Argumentation der Hirnforscher (hier vor allem Singer und Roth) nie eingeleuchtet, die zunächst sagten, man dürfe überhaupt niemanden bestrafen, da niemand für sein Tun verantwortlich sei, da in Wirklichkeit das Gehirn alles entscheiden würde.
Der Selbstwiderspruch dieser Forderung liegt darin einerseits zu behaupten, dass der Mensch ist, wie er ist, ändern geht nicht (gerade darum sollte er dafür ja auch nicht bestraft werden).
Gleichzeitig ist diese Forderung ja eine die sagt: „Denkt drüber nach und ändert eure Einstellung (und das Strafrecht).
Dieser m.E. nicht so ganz schwer zu durchschauende Widerspruch ist dann bei den Hirnforschern auch irgendwann angekommen, allerdings mit dem Ergebnis, dass die darauf folgende Kursänderung (die ganz offensichtlich widerlegt, dass der Mensch sich nicht ändern kann – aber das nur am Rande) wirklich absurd wurde.
Nun hieß es, von Seiten der Hirnforscher, der Mensch sei zwar nicht für sein Tun verantwortlich (er kann tatsächlich nicht anders, darauf bestehen sie weiter), aber im Sinne der gesellschaftlichen Ordnung müsse er dennoch bestraft werden.
Das ist nun auch in meinen Augen sehr zynisch und ein weiteres Mal widersprüchlich.
Zynisch ist die Forderung darum, weil ich nicht einsehen kann, warum man jemanden bestrafen sollte, der wirklich nicht anders kann, als er kann und gar nicht einsehen kann, was er falsch gemacht hat. Im extremen Fall sollte man vielleicht andere Menschen vor so einem Menschen schützen, aber Strafe, die ja keine Rache ist, sondern auch Einsicht und Besserung abzielt Hier fällt mir in der Tat keine Begründung ein, die so eine Strafe legitimiert. (Allerhöchstens im Sinne einer Konditionierung, aber bei der wäre in meinen Augen nicht mehr der freie und mündige Bürger der Adressat).
Widersprüchlich ist diese Forderung außerdem darum, weil, wenn man es ernst nimmt, dass jemand nicht anders kann, als er tut, ihn auch die Bestrafung anderer nicht davon abschrecken würde, auch wäre eine Besserung durch Einsicht nicht in Sicht.
Ein weiteres Mal zynisch wäre eine solche Sichtweise, weil sie implizit (aber kontrafaktisch) eine Nullprognose zur Besserung verkündet. Wer mit 8 als Mutprobe im Supermarkt Kaugummis klaut, dessen Karriere als späterer Krimineller ist schon vorgezeichnet – aus dieser Sicht.
Deshalb finde ich gerade die Forderungen der Hirnforscher hierzu außerordentlich unbedacht.
Dass man Strafen ganz generell abschaffen sollte ist natürlich auch eine legitime Forderung, ich bin auf Argumente dafür gespannt.
Ganz allgemein kann ich diese von Agent Provocateur dargestellten Punkte für mich unterschreiben.
Agent Provocateur hat geschrieben:Warum Bestrafung, wie können Strafen legitimiert werden?
Dazu aus dem SEP-Artikel Punishment mal eine sehr kurze Zusammenfassung auf deutsch:
- bestimmte beabsichtigte Handlungen sind schädlich für Dritte und es wäre unangemessen, von diesen Dritten zu verlangen, den Schaden still zu erleiden
- Selbstjustiz sollte ausgeschaltet werden, indem die Gesellschaft die Rechte des Einzelnen sichert und gewährleistet
- in einer gerechten Gesellschaft wird unverdiente Schikane so verstanden, dass sie individuelle Rechte verletzt und ist daher verboten und mit Strafe belegt
- damit man überhaupt von individuellen Rechten reden kann, damit diese vorhanden sind, müssen sie geschützt werden
- es ist besser, wenn das jeder individuell einsieht, als dass er bestraft / eingesperrt werden muss
- aber diese Einsicht ist nicht so wertvoll, dass sie um jeden Preis (den Preis des Verlustes der persönlichen Freiheit) durchgesetzt werden muss / dürfte
- wenn diese Einsicht nicht vorhanden ist, muss die Gesellschaft daher auf die zweitbeste Lösung (die beste Lösung wäre Einsicht aller) zurückgreifen - Verbot bestimmter Handlungen durch Gesetze - und dazu benötigt man Sanktionen durch das Strafrecht
- auch in einer gerechten Gesellschaft akzeptiert nicht jeder die Rechte der anderen - und solche Leute müssen mit Kosten belegt werden, da sonst die Unschuldigen / die Opfer die Last ihrer Taten tragen müssten. Was bedeutete, dass individuelle Rechte nicht vorhanden wären.
- daher würde jeder hinter einem Schleier des Unwissens über seine Rolle in der Gesellschaft solchen strafrechtlichen Sanktionen (aka Strafen) zustimmen
- d.h. auch: das Strafrecht muss nachvollziehbar / zustimmbar sein. Diese Zustimmung basiert hauptsächlich auf seiner Funktion, die individuellen Rechte zu schützen.
Spezieller hat mir die Argumentation der Hirnforscher (hier vor allem Singer und Roth) nie eingeleuchtet, die zunächst sagten, man dürfe überhaupt niemanden bestrafen, da niemand für sein Tun verantwortlich sei, da in Wirklichkeit das Gehirn alles entscheiden würde.
Der Selbstwiderspruch dieser Forderung liegt darin einerseits zu behaupten, dass der Mensch ist, wie er ist, ändern geht nicht (gerade darum sollte er dafür ja auch nicht bestraft werden).
Gleichzeitig ist diese Forderung ja eine die sagt: „Denkt drüber nach und ändert eure Einstellung (und das Strafrecht).
Dieser m.E. nicht so ganz schwer zu durchschauende Widerspruch ist dann bei den Hirnforschern auch irgendwann angekommen, allerdings mit dem Ergebnis, dass die darauf folgende Kursänderung (die ganz offensichtlich widerlegt, dass der Mensch sich nicht ändern kann – aber das nur am Rande) wirklich absurd wurde.
Nun hieß es, von Seiten der Hirnforscher, der Mensch sei zwar nicht für sein Tun verantwortlich (er kann tatsächlich nicht anders, darauf bestehen sie weiter), aber im Sinne der gesellschaftlichen Ordnung müsse er dennoch bestraft werden.
Das ist nun auch in meinen Augen sehr zynisch und ein weiteres Mal widersprüchlich.
Zynisch ist die Forderung darum, weil ich nicht einsehen kann, warum man jemanden bestrafen sollte, der wirklich nicht anders kann, als er kann und gar nicht einsehen kann, was er falsch gemacht hat. Im extremen Fall sollte man vielleicht andere Menschen vor so einem Menschen schützen, aber Strafe, die ja keine Rache ist, sondern auch Einsicht und Besserung abzielt Hier fällt mir in der Tat keine Begründung ein, die so eine Strafe legitimiert. (Allerhöchstens im Sinne einer Konditionierung, aber bei der wäre in meinen Augen nicht mehr der freie und mündige Bürger der Adressat).
Widersprüchlich ist diese Forderung außerdem darum, weil, wenn man es ernst nimmt, dass jemand nicht anders kann, als er tut, ihn auch die Bestrafung anderer nicht davon abschrecken würde, auch wäre eine Besserung durch Einsicht nicht in Sicht.
Ein weiteres Mal zynisch wäre eine solche Sichtweise, weil sie implizit (aber kontrafaktisch) eine Nullprognose zur Besserung verkündet. Wer mit 8 als Mutprobe im Supermarkt Kaugummis klaut, dessen Karriere als späterer Krimineller ist schon vorgezeichnet – aus dieser Sicht.
Deshalb finde ich gerade die Forderungen der Hirnforscher hierzu außerordentlich unbedacht.
Dass man Strafen ganz generell abschaffen sollte ist natürlich auch eine legitime Forderung, ich bin auf Argumente dafür gespannt.