Wahlrecht für Kinder

Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Lumen » Di 31. Jan 2012, 23:00

Ich spreche mich dafür aus, dass Kinder wählen dürfen und hierfür ein Wahlrecht ohne Mindestalter eingeführt wird. Offenbar ist die Idee weder neu noch gänzlich abwegig. Als Gründe führten Beführworter den demografischen Wandel an, und die Tendenz, dass politische Entscheidungen zu Lasten der zukünftigen Generationen gefällt werden. Immerhin müssen Kinder wohl länger mit politischen Entscheidungen leben, somit ist eine frühzeitige Partizipation nachvollziehbar.

Zum einen sehe ich die politische Mitbestimmung als Grundrecht an, wo eine künstlich geschaffene Altersgrenze unsinnig erscheint. Zum anderen traue ich Kindern zu, die mitwählen wollen, dass sie eine Partei wählen können, die ihre Interessen berücksichtigt. Das wäre meiner Meinung nach letztlich im Interesse des Landes.

Insbesondere wäre das gut für die in unverständlichem Geschwurbel versunkene Politik, die ich als derzeit als sehr pessimistisch (unwählbar) einstufe. Politiker wären gezwungen sich verständlicher auszudrücken und auch interessen von Kindern/Eltern besser zu berücksichtigen, sofern sie die 14 Millionen neuen Wähler ansprechen wollen. Ich halte allerdings nichts davon, Eltern "stellvertretend" (lies: bevormundend) zusätzliche "halbe" Stimmen pro Kind zu geben, wie es wohl auch bereits erwogen wurde. Das wúrde den hier dargestellten Sinn verfehlen.

Auch erhoffte ich mir einen anderen Blickwinkel auf Kinder, und ein anderes Gefühl für Kinder, die derzeit unmündig sind und auch so behandelt werden. Ich glaube es würde eher zur Mündigkeit erziehen und der Politikverdrossenheit allgemein entgegenwirken.

Unverständlich finde ich außerdem, warum Drogenkonsum und Führerschein früher möglich sein soll, als einer Partei eine Stimme zu geben. Es läßt sich noch anfügen, dass die Kindheit (insbesondere im Goldenen Käfig) ein Produkt des 19. Jhd. war, und zum Teil eine künstlich geschaffene Lebensphase darstellt. Zwar sind Kinder natürlich tatsächlich biologisch anders beschaffen, haben offenkundig weniger Erfahrung, aber sind nicht systematisch "dümmer" als Erwachsene, die schließlich auch ihrer Begabung, Erfahrung und Intelligenz unbesehen wählen dürfen.


Bei einem eher kinderfeindlichen Land wie unserem wäre das ein mutiger und nützlicher Schritt. Soweit ich weiß hat noch kein Land ein solches Wahlrecht—hier Vorreiter zu sein wäre großartig.

Damit schließe ich mein Eingangsplädoyer und hoffe auf eine spannende Diskussionsrunde.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Nanna » Di 31. Jan 2012, 23:39

Ich bin gegenüber dieser Idee sehr kritisch eingestellt, weil ich Kindern mit abnehmendem Alter zunehmend die Fähigkeit abspreche, abgewogene Entscheidungen zu fällen. Entscheiden ist etwas, was man lernen und entwickeln muss, nicht etwas, womit man auf die Welt kommt. ich würde gerne wissen, wie du mit bestimmten Problemfeldern und Einwänden umgehen würdest. Ich beziehe mich dabei in erster Linie auf wirkliche "Kinder", nicht auf Fast-Erwachsene wie 17-jährige, bei denen man tatsächlich darüber nachdenken könnte, das Wahlalter zu senken (auch wenn ich wegen der traditionellen Konservativität adoleszenter Jugendlicher von der Idee nicht übermäßig angetan bin):

1. Informationsproblem: Wie können Kinder über politische Fragen informiert werden, so dass diese Information gleichzeitig umfassend und kindgerecht ist? Eltern halten ihre Kinder ja nicht ohne Grund oftmals von allzu verstörenden Bildern oder Themen in den Nachrichten fern. Ein Beispiel wäre Kindesentführung / -missbrauch: Obwohl das Thema zentral die Interessen von Kindern berührt und sie als Wähler daher besonders gut darüber infomiert sein sollten, ist es gleichzeitig etwas, was sie emotional nicht verarbeiten können. Der Beschützerinstinkt der Eltern kommt ja nicht von ungefähr. Es stellt sich also die Frage, ob man dem Kind Information vorenthält (es als Wähler entmündigt) oder es schutzlos einer grausamen Wirklichkeit aussetzt (ihm psychisches Leid zufügt). Wie gehst du damit um?

2. Technische Umsetzung / Verständnis des Prozederes: Wie soll, schon rein technisch, die Stimmabgabe eines Zweijährigen aussehen? Welche Kriterien muss man erfüllen, damit man wählen darf? Den Stift irgendwo ansetzen und ein Kreuzchen malen, selbst wenn man noch nichtmal Buchstaben auseinanderhalten kann? Wie stellt man sicher, dass das Kind überhaupt verstanden hat, WAS es da im Prinzip tut? Nur zur Erinnerung: Die meisten Kinder erfahren in der Schule erst im Laufe ihres Pubertätsalters nach allgemeiner Wissensvermittlung über die Welt wie unser politisches System überhaupt funktioniert. Ich kann mich erinnern, um 1998 herum, als die Bundestagswahl war, mich erstmals wirklich regelmäßig über Politik informiert zu haben. Da war ich knapp 11 Jahre alt und in meiner Schulklasse eine ziemliche Ausnahme.

3. (Biologisch determinierter) Einfluss der Eltern: Wie verhindert man, dass Eltern ihren Kindern schlicht vorschreiben, welche Partei sie wählen sollen? Eltern haben eine enorme Macht über Kinder, da Kinder den Ablöseprozess von ihren Eltern noch nicht durchgemacht haben - was ohnehin in Frage stellt, ob wir es hier überhaupt mit Wählern zu tun hätten, die emanzipiert sein können. Wenn ich an meine Sandkasten- und Schulfreunde zurückdenke, hätten so ziemlich alle entweder gewählt, was die Eltern sagen oder es aus Protest nicht gemacht, dann aber keine reflektierte, sondern eine Zufallsentscheidung getroffen.

4. Überforderung des Kindes durch verfrühtes Zuschreiben enormer Verantwortung: Kindsein hat auch den Vorteil, dass man von gewissen Verantwortlichkeiten (noch) entbunden ist. Es ist beispielsweise kein Kind vor dem Erreichen des 14. Lebensjahres strafmündig. Das Wahlrecht und das damit erzwungene Eindringen von "Erwachsenenthemen" in die Welt des Kindes stellen nicht zwingend eine Befreiung dar, sondern können belasten und überfordern. Schon jetzt wird häufig konstatiert, dass psychische Probleme von Kindern vermutlich auch aus überzogenen Ansprüchen (z.B. Zwang zum Erwachsenwerden, gerade in Bezug auf Magersucht bei frühpubertären Mädchen, oder auch Depressionen durch Funktionieren-müssen in der Schule) resultieren - warum dies noch befeuern?

5. Anfälligkeit von Kindern für Manipulation: Kinder glauben, ich sage es jetzt etwas platt, einfach jeden Mist. Der böse Onkel mit dem Lolli weiß das genauso wie die Spielzeug- und Lebensmittelindustrie, die Prinzessin-Lillifee-Armadas und eimerweise Bärchenwurst zu hirnrissigen Preisen an Kinder bzw. deren genervte Eltern verkauft. Anders gesagt, Kinder durchschauen noch dreimal schlechter die Marketingtricks, denen sich auch Parteien bedienen und sie können aus naheliegenden biologischen Gründen noch keine erdenden Erfahrungen damit gemacht haben. Wie soll eine Wählergruppe, die derart leicht zu verführen ist, eine Entscheidungsfindung herbeiführen, für die das Prädikat "reflektiert" glaubhaft vergeben werden kann?
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Lumen » Mi 1. Feb 2012, 00:54

Morgen mehr. Aber für's erste:
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon stine » Mi 1. Feb 2012, 09:43

Wie man sieht, kann eine Partei, die sich zielgerichtet für eine bestimmte Wählerschicht aufstellt, von Null auf 8,9% der Wählerstimmen kommen. So geschehen in Berlin 2011.
Kinder ein Wahlrecht zu geben, bedeutete deswegen auch, den Rattenfängern dieser Welt ein leichtes Spiel zu ermöglichen. Sind schon die "Großen" gefährdet auf Wahlversprechen hereinzufallen, was ist dann erst mit den Kleinen?

Und: müssen sie schon lesen können oder darf die Mutter noch den Stift führen, wenn der Kleine sein Kreuzerl macht? :mg:

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 1. Feb 2012, 10:26

Ich sehe das ähnlich. Wenn Kinder wählen dürften, wäre die Spielzeugindustrie die größte Lobby, Politiker würden sich wie Power Rangers und Jedi-Ritter anziehen. Man kann doch nicht ernsthaft an so einer Idee festhalten!?
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Lumen » Mi 1. Feb 2012, 12:30

nanna hat geschrieben:1. Informationsproblem: Wie können Kinder über politische Fragen infor-miert werden, so dass diese Information gleichzeitig umfassend und kindgerecht ist? […]


Bei diesem Punkt und auch den folgenden wird mir eine unterschiedliche Auffassung von Politik deutlich. Für dich ist Politik etwas, wo Bürger, nachdem sie sich ernsthaft und ausführlich informiert haben, ihre wohl-überlegte Stimme abgeben und ihr Wille sich dann im Wirken der politischen Akteure wiederspiegelt.

Diese Auffassung teile ich nicht. Ich glaube, dass die Politik derzeit von den Bürgern nicht mehr abverlangt, als auch Kinder leisten könnten. Welcher Rettungsschirm wen helfen soll, wann und wie das bewerkstelligt wird, dass muss ich weder wirklich wissen, noch kann ich irgendwie einen Einfluss ausüben. Es ist wirklich vollkommen egal. Die Bürger dürfen allabendlich in einer Art Doku-Soap zuschauen, wie politische Schauspieler in seriös wirkenden Verkleidungen bestimmte Entscheidungen treffen, die natürlich reale Auswirkungen haben, aber im Grunde auch, vom Standpunkt des Wählers aus gesehen, einfach ausgewürfelt werden könnten. Ist eine andere Partei an der Macht, wird eben was anderes gemacht. Grundsätzlich funktioniert Wählen anders als ein Menü auswählen. Es bilden sich Stimmungen und Wünsche in der Zusammensetzung ab, aber niemand wählt wirklich was gemacht werden soll.

nanna hat geschrieben:2. Technische Umsetzung / Verständnis des Prozederes: Wie soll, schon rein technisch, die Stimmabgabe eines Zweijährigen aussehen? […]


Das ist ein venünftiger Punkt, der jedoch bei der Forderung eines Wahlrechts ohne Mindestalter ein rein technisch-praktisch Posten ist. Wie wäh-len Menschen mit Querschnittslähmung?

Desweiten wählt derjenige, der sich dafür imstande sieht. Ein Kind, dass sich für Politik nicht interessiert, altersbedingt oder aus anderen Gründen ist ein Nichtwähler, so wie jeder andere auch, der aus welchen Gründen auch immer vom Wahlrecht keinen Gebrauch macht. Der Wunsch wählen zu gehen kann durchaus indivuell verschieden sein und auch zu unterschiedlichen Zeiten einsetzen.

nanna hat geschrieben:3. (Biologisch determinierter) Einfluss der Eltern: Wie verhindert man, dass Eltern ihren Kindern schlicht vorschreiben, welche Partei sie wählen sollen? […]


Es gibt sehr viele Situationen wo Menschen unter dem Einfluss anderer Menschen stehen und dadurch ihre freie Wahl beeinträchtigt sein könnte. Es war jahrzehntelang Usus, dass nach „Klasse“ und „Herkunft“ gewählt wurde. Ein Ehepartner übernimmt vielleicht die Ansichten des anderen unhinterfragt usw. Das kann kein Grund sein, ein Wahlrecht zu verwehren. Wenn Eltern mehr Einfluss bekämen, fände ich das außerdem gut (und ich gehöre nicht zu dieser Gruppe). Umgekehrt wird kinder- und elternfeindliche Politik wie ich sie derzeit wahrnehme den demographischen Trend verstärken, die Anzahl der Rentner und Rentner-Wähler wachsen, somit auch die politische Gewichte sich dahin weiter verschieben und somit den ungünstigen Trend verstärken. Hier wäre eine „Schubumkehr“ langsam ganz gut.

nanna hat geschrieben:4. Überforderung des Kindes durch verfrühtes Zuschreiben enormer Verantwortung: Kindsein hat auch den Vorteil, dass man von gewissen Verantwortlichkeiten (noch) entbunden ist […]


Wie bereits oben angedeutet, haben wir eine unterschiedliche Ansicht von der Politik. Die Wahlen werden häufig durch Schwerpunktthemen bestimmt über die dann indirekt abgestimmt wird. Wenn es neben den üblichen immerselben Themen, lass es drei bis fünf sein, auch ein paar Themen sind, die für Kinder interessant sind, sehe ich da weder eine Überforderung noch eine Bürde. Ich glaube kaum, dass Eltern ihre Kinder, die sich nicht für Politik interessieren zur Wahl „zwingen“ werden. Sich alle paar Jahre mal mit den paar Themen auseinderzusetzen, auf freiwilliger Basis, ist nicht in der gleichen Liga wie Kindern konkret mit Erwachsenensein (vor allem Sexualität und Gewalt) zu konfrontieren. Politik ist meiner Meinung nach nicht intrinsisch ein Erwachsending, jedenfalls nicht die hier übliche Art von Politik (bei direkter Demokratie und ähnlichen Sachen sähe das anders aus).

nanna hat geschrieben:5. Anfälligkeit von Kindern für Manipulation […]


Da habe ich mehr Vertrauen in die Fähigkeiten von Kindern, und weniger Vertrauen in die Fähigkeiten von Erwachsenen in dieser Hinsicht. Wenn Politiker dann meinen, sich wie „Jedi-Ritter“ geben zu müssen, sprechen sie eben eine sehr kleine Zielgruppe in beiden Bedeutungen an, und werden ziemlich sicher Wähler an anderen Stellen einbüßen.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon stine » Mi 1. Feb 2012, 13:11

Lumen hat geschrieben:Ist eine andere Partei an der Macht, wird eben was anderes gemacht.
Und wie kommst du dann darauf, dass es egal ist, welche Partei gerade an der Regierung ist?

Lumen hat geschrieben:kinder- und elternfeindliche Politik wie ich sie derzeit wahrnehme
Ich glaube, wir wohnen in unterschiedlichen Ländern. Bei uns schießen die Kinderkrippen gerade wie Pilze aus dem Boden und der Beruf der Erzieherin ist gefragt wie nie - und das alles nur, damit Mama und Papa beruflich vorwärtskommen.
Kinderfeindlichkeit höchstens im Sinne von staatlicher Einmischung.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 1. Feb 2012, 16:15

Vom Kreissaal direkt ins Wahllokal finde ich einen bestechenden Vorschlag. :2thumbs:
Lumen hat geschrieben:Unverständlich finde ich außerdem, warum Drogenkonsum und Führerschein früher möglich sein soll, als einer Partei eine Stimme zu geben.
Finde ich auch. Mir unverständlich warum Jugendliche schon wählen dürfen, warum wir ihnen Demokratie, unser gesamtes Land, unser aller Leben anvertrauen, während sie im kleinen weder Taxi, noch Gefahrgut fahren dürfen.
Benutzeravatar
1von6,5Milliarden
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 5236
Registriert: Sa 25. Nov 2006, 15:47
Wohnort: Paranoia

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Lumen » Mi 1. Feb 2012, 16:39

stine hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Ist eine andere Partei an der Macht, wird eben was anderes gemacht.
Und wie kommst du dann darauf, dass es egal ist, welche Partei gerade an der Regierung ist?


Nicht egal, aber auch nicht mit dem Auswählen einer bestimmten Richtung vergleichbar. Du wählst. Dann wird deine Stimme wird auf homöopathische Dosis verdünnt. Der Einfluss von Parteien wird damit beeinflusst, die sich dann oftmals mit anderen Parteien zusammen tun müssen und sich auf die Eckpunkte einer bestimmten Politik einigen. Diese Punkte könnten dir durch das Wahlprogramm zwar vorher bekannt gewesen sein und deine Wahlentscheidung beeinflusst haben, jedoch werden die Punkte zur Verhandlungsmasse und ob eine Absicht durchkommt, ist nicht klar. Mit Glück bleibt sie im Programm enthalten, wird dann noch zehnmal durch verschiedene Gremien geschleust, dabei von Lobbygruppen mit ihren Interessen befrachtet, gekapert oder verstümmelt. Am Ende kommt irgendwas heraus. Was besseres kann ich dazu nicht sagen. Ich habe noch nie erlebt, dass ein konkreter Punkt, den ich mir gewünscht hätte sich irgendwie, auch nur indirekt manifestiert hätte. Ich glaube es geht den meisten ähnlich. Also soll man nicht so tun, als hätte der Wähler eine andere Aufgabe als ungefähr eine Tendenz abzugeben. Im Grunde sind diese Umfrage-Diagramme wo dann steht "für diesen Politiker würde ich mir eine wichtigere Rolle wünschen" genau den Punkt. Mehr steckt da nicht dahinter. Der Wähler darf sagen: "dieser Mannschaft würde ich eine wichtigere Rolle einräumen wollen."

Ich möchte aber ungern das Thema mit Politk und Demokratie allgemein befrachten.

stine hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:kinder- und elternfeindliche Politik wie ich sie derzeit wahrnehme
Ich glaube, wir wohnen in unterschiedlichen Ländern. Bei uns schießen die Kinderkrippen gerade wie Pilze aus dem Boden und der Beruf der Erzieherin ist gefragt wie nie - und das alles nur, damit Mama und Papa beruflich vorwärtskommen.
Kinderfeindlichkeit höchstens im Sinne von staatlicher Einmischung.


Kinderfreundlich zeigt sich nicht daran, ob Kindergärten bereitgestellt werden (übrigens, wer sich die Abkürzung KITA ausgedacht und hoffähig gemacht hat, gehört zu 3 Monaten Guido Knopp Hitler's Helfershelfer-Helfer Non-Stop verurteilt, wenn schon so ein Drang zu Nazi-Jargon vorhanden ist). Die sogenannte "Flexibiliserung der Arbeit", auch modernes Nomadentum, Job-Unsicherheit, befristete Verträge und Zeitarbeit sind alles andere als kinder- und familienfreundlich, um ein Beispiel zu nennen. Um Familie und Arbeit unter einen Hut zu bekommen muss auch mehr passieren, als einfach Geld nach dem Gieskannenprinzip über Eltern auszugießen. Aber auch das ist ein anderes Thema. :)

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Vom Kreissaal direkt ins Wahllokal finde ich einen bestechenden Vorschlag. :2thumbs:
Lumen hat geschrieben:Unverständlich finde ich außerdem, warum Drogenkonsum und Führerschein früher möglich sein soll, als einer Partei eine Stimme zu geben.
Finde ich auch. Mir unverständlich warum Jugendliche schon wählen dürfen, warum wir ihnen Demokratie, unser gesamtes Land, unser aller Leben anvertrauen, während sie im kleinen weder Taxi, noch Gefahrgut fahren dürfen.


Wenn es denn so wäre. Nichts dergleichen passiert. Sie geben einer Partei mit erwachsenen Abgeordneten eine Stimme, die dann das machen, was Parteien und Abgeordnete eben so machen.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon stine » Do 2. Feb 2012, 08:38

Lumen hat geschrieben:was Parteien und Abgeordnete eben so machen.

Jede Menge Gipfeltreffen!

Kinder könnte man schon entscheiden lassen, wer denn am schönsten gipfelt. Was so ein Gipfel kostet ist der Gipfel!

:mg: stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Celtic » Fr 3. Feb 2012, 16:36

Gebt den Kindern das Kommando, sie berechnen nicht, was sie tun.... und so weiter.

Auf den ersten Blick sieht es natürlich gut aus, ausnahmslos jedem Bürger ein aktives Wahlrecht zu geben. Trotzdem halte ich dies aus mehreren Gründen nicht für sinnvoll:

Ein Kind kann sich nicht politisch informieren und kann unser politisches System (noch) nicht verstehen. Mit anderen Worten: Ein Kind kann nicht wissen, was es bei einer Wahl tut und welche Auswirkungen die Stimmabgabe hat. Dass viele Erwachsene ebenfalls nicht richtig verstehen, was sie in der Wahlkabine tun, darf hier kein Argument sein. Denn Demokratie kann nur funktionieren, wenn die Wähler einigermaßen wissen, was sie tun.
Wenn wir der Meinung sind, dass zu viele unser politisches System nicht verstehen und "blind" wählen gehen, dann sollten wir mehr Anstrengungen in politische Bildung stecken - und nicht noch mehr Unwissende zur Wahlurne schicken.

Über eine Senkung des Wahlalters können wir m.E. nachdenken und diskutieren - aber eine Untergrenze ist ohne jeden Zweifel sinnvoll.

Es wurde auch schon über ein sog. "Familienwahlrecht" diskutiert, d.h. Kinder bekommen eine Stimme - und die Eltern üben es stellvertretend für ihre Kinder aus. Hört sich auf den ersten Blick ebenfalls schön und erstrebenswert an - ist aber mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Gewichtung der Stimme von Eltern mit Minderjährigen Kindern nicht höher sein als für Rentner, Singles und Paaren ohne minderjährige Kinder.
Benutzeravatar
Celtic
 
Beiträge: 152
Registriert: Fr 25. Nov 2011, 19:36
Wohnort: Südpfalz

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon webe » Do 9. Feb 2012, 17:04

Kinderwahlrecht heisst übersetzt, dass die Eltern ihren Einfluss auf die Jungwähler ausüben würden u somit mitentscheiden, mitwählen würden, ähnlich mancher Bewohner in Pflegeheime, wo Betreuer od deren Kinder das Wahlrecht in ihrem Sinne, oft nicht die des Bewohners, ausüben.

Das Wahlrecht für Jugendliche einführen, wäre sinnvoller u sogenannte Kinder- u Jugendräte in die Gemeinden einführen: Von diesen müsste dann aber auch Einfluss auf den Gemeinderat ausgeübt werden können. Vielleicht käme man dann über die mitentscheidente Kinder-Jugendräte endlich zu einer Bildungsschmiede, die alle mit einbezieht, egal ob behindert in unwesentlicher Form, schwache, gute u superintelligente Schüler. In einer Schule, wo man keine Auslese betreibt, lernt Jeder von Jedem, u dass niemand unter- od überfordert wird, kann man neben gemeinsamen Lernen noch bestimmte Kurse anbieten, in der bestimmte Stärken u Schwächen gefördert werden- ähnlich früherigen Dorfschulen.

Also sogenannte Jugend- u Kinderparlamente in die Komunen. Ebenso würde ich jeweils zwei Bürgermeistertitel u zwei Stadtparlamente einführen: Getrennt nach Geschlechter. Wirtschafts- od Vereinsführungen haben auch oft Doppelspitzen u es funktioniert. Warum nicht auch bei den Gemeinden, unabhängig ihrer Einwohnerzahl.
Benutzeravatar
webe
 
Beiträge: 671
Registriert: Fr 12. Jan 2007, 22:10

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Vegan33 » Do 16. Feb 2012, 16:46

Zu dem Thema Einfluss der Eltern -

Es sollte einfach verboten werden dass die Eltern sich da einmischen und ggf. sollten die Kinder vor der Wahlkabine informiert werden so dass sie nicht vor dem Wählen manipuliert werden können. Zweitens stehen wir alle unter ständigen Einfluss, die Kinder sollten in unserer Gesellschaft die Rolle bekommen dass sie sich unabhängig ihrer Eltern informieren können, dann würden auch mehr intellektuelle Kinder und keine Pop-Kultur Jugendliche Satanisten auftauchen. Letztens, sollte das Kind auch schneller ( z.B. aus eigener Entscheidung mit eintreten der Pubertät ) von den Eltern loskommen, so dass es eben nicht gezwungen oder erzogen wird.

Des weiteren -

gibt es außer den Biologischen Merkmalen in den Psychischen Eigenschaften keinen nennenswerte Unterschiede zwischen Kind und Erwachsenen. Die Illusion das dem so wäre entsteht dadurch das unsere Gesellschaft sich nicht besonders entwickelt und deswegen tatsächlich Erwachsene, welche dieser Gesellschaft länger beiwohnen mehr darüber wissen als Kinder. Aber, wenn das Kind wählen darf ( also nicht muss ) wird es sich nicht einfach auf dem schnellsten Weg zur Kabine begeben. Es wird von Kampagnen aufgeklärt, von den Medien informiert und kann sich frei durch Quellen lesen so dass es eine eigene Meinung zu den Thema äußern kann. Die Grundbefürchtung ist doch wohl eher dass ein Kind sich auf eine Sache ( wie z.B. das Schulsystem ) und eben nicht auf andere konzentrieren wird...
Vegan33
 
Beiträge: 222
Registriert: Di 7. Feb 2012, 18:51

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Nanna » Do 16. Feb 2012, 20:17

Vegan33 hat geschrieben:Es sollte einfach verboten werden dass die Eltern sich da einmischen und ggf. sollten die Kinder vor der Wahlkabine informiert werden so dass sie nicht vor dem Wählen manipuliert werden können.

Du gehst nicht ernsthaft davon aus, dass das irgendetwas bringt, oder?

Vegan33 hat geschrieben:Zweitens stehen wir alle unter ständigen Einfluss, die Kinder sollten in unserer Gesellschaft die Rolle bekommen dass sie sich unabhängig ihrer Eltern informieren können, dann würden auch mehr intellektuelle Kinder und keine Pop-Kultur Jugendliche Satanisten auftauchen.

Alle Kinder, die ich kenne, können selbsttätig Google bedienen. Kinder können auch die Zeitung lesen und werden in der Schule häufig schon als Zehn- oder Elfjährige auch dazu ermuntert. Kinder schauen auch die Nachrichten, es gibt sogar eigene Nachrichtensendungen für Kinder. Sind Kinder deshalb gut informiert? Nein, meistens nicht. Es bedarf einer gewissen Lebenserfahrung, Dinge einzusortieren, einfach einem Fünfjährigen von der Finanzkrise zu erzählen, heißt nicht, dass der auch nur ansatzweise versteht, was da passiert. Klar, das tun auch viele Erwachsene nicht und strenggenommen verstehen fast nur Profis, was da wirklich abgeht, aber es ist einfach etwas ganz anderes, wenn man solche Nachrichten in einem Alter liest, in dem man ein Gefühl dafür entwickelt hat, was ein Haus kostet und was eine Familie durchmacht, die die Hypothek nicht mehr bezahlen kann, als wenn man es in einem Alter liest, in dem man existenzielle Bedrohungen schlichtweg nicht so kategorisieren KANN wie ein durchschnittlicher Erwachsener.

"Intellektuelle Kinder", was soll das sein? Ich erinnere mich, ein ziemlicher Klugscheißer als Kind gewesen zu sein, die Erwachsenenwelt verstanden habe ich damals trotzdem nicht. Dazu hat man als Kind einfach einen auch emotional zu eingegrenzten Horizont.

Vegan33 hat geschrieben:Des weiteren - gibt es außer den Biologischen Merkmalen in den Psychischen Eigenschaften keinen nennenswerte Unterschiede zwischen Kind und Erwachsenen. Die Illusion das dem so wäre entsteht dadurch das unsere Gesellschaft sich nicht besonders entwickelt und deswegen tatsächlich Erwachsene, welche dieser Gesellschaft länger beiwohnen mehr darüber wissen als Kinder.

Allein dass Kinder im Wesentlichen keine Sexualität haben stellt einen fundamentalen Unterschied zu Erwachsenen dar. Ebenso sind Kinder stark auf ihre Eltern bzw. Bezugspersonen gepolt und neigen, je jünger desto stärker, dazu sie zu kopieren. Erwachsene müssen nicht zwangsläufig selbstständiger sein, die meisten sind es dann aber doch einigermaßen. Zumindest ist es möglich, während es dem Kind strukturell relativ stark verwehrt ist, eigene Gedanken im Sinne eigener Welterklärungssysteme zu entwickeln.

Vegan33 hat geschrieben:Aber, wenn das Kind wählen darf ( also nicht muss ) wird es sich nicht einfach auf dem schnellsten Weg zur Kabine begeben. Es wird von Kampagnen aufgeklärt, von den Medien informiert und kann sich frei durch Quellen lesen so dass es eine eigene Meinung zu den Thema äußern kann. Die Grundbefürchtung ist doch wohl eher dass ein Kind sich auf eine Sache ( wie z.B. das Schulsystem ) und eben nicht auf andere konzentrieren wird...

Kinder haben aber nicht die Kompetenz, Kampagnen, Medien und sonstige Quellen vernünftig gegeneinander abzuwägen. Dazu gehört Erfahrung und für Erfahrung braucht man gelebte Lebenszeit und dazu gehört auch das vorläufige Abschließen gewisser Entwicklungen, die sich natürlicherweise vollziehen, Pubertät, Adoleszenz, Ablösung vom Elternhaus etc. Du kannst ein Kind unter Bergen von Informationsmaterial begraben, wenn es die nicht prozessieren kann, bringt das rein gar nichts. Das ist, wie in der Sahara in Mongolisch verfasste Lexika abzuschmeißen - theoretisch verfügen die Leute in der Sahara danach über mehr Wissen, praktisch gesehen ist das wertlos.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon ujmp » Fr 17. Feb 2012, 08:43

Lumen hat geschrieben:Ich spreche mich dafür aus, dass Kinder wählen dürfen und hierfür ein Wahlrecht ohne Mindestalter eingeführt wird. Offenbar ist die Idee weder neu noch gänzlich abwegig. Als Gründe führten Beführworter den demografischen Wandel an, und die Tendenz, dass politische Entscheidungen zu Lasten der zukünftigen Generationen gefällt werden. Immerhin müssen Kinder wohl länger mit politischen Entscheidungen leben, somit ist eine frühzeitige Partizipation nachvollziehbar. .

Kinder dürfen nicht Auto fahren, damit sie ihre Zukunft nicht im Rollstuhl verbringen müssen. --

Lumen hat geschrieben:Zum einen sehe ich die politische Mitbestimmung als Grundrecht an, wo eine künstlich geschaffene Altersgrenze unsinnig erscheint.

Eine "Grenze" ist nicht das Entscheidende sondern der objektive Unterschied zwischen einem Acht - und einem Achtzehnjährigen.

Lumen hat geschrieben: Insbesondere wäre das gut für die in unverständlichem Geschwurbel versunkene Politik, die ich als derzeit als sehr pessimistisch (unwählbar) einstufe. Politiker wären gezwungen sich verständlicher auszudrücken und auch interessen von Kindern/Eltern besser zu berücksichtigen, sofern sie die 14 Millionen neuen Wähler ansprechen wollen.

Es gibt auch die Wahrnehmung dass uns Politiker sowieso schon wie Minderjährige behandeln.

Lumen hat geschrieben:Auch erhoffte ich mir einen anderen Blickwinkel auf Kinder, und ein anderes Gefühl für Kinder, die derzeit unmündig sind und auch so behandelt werden. Ich glaube es würde eher zur Mündigkeit erziehen und der Politikverdrossenheit allgemein entgegenwirken.

Willkürliche Vermutungen. Wenn du Kindern keine Ansage machst, tanzen sie dir auf der Nase herum. Es gehört zum Kindsein dazu, unmündig sein zu dürfen.

Lumen hat geschrieben:Bei einem eher kinderfeindlichen Land wie unserem wäre das ein mutiger und nützlicher Schritt. Soweit ich weiß hat noch kein Land ein solches Wahlrecht—hier Vorreiter zu sein wäre großartig..

Das fällt mir ein Spruch vom weisen Salomo ein :"Bedenke, das auch die Toren zu ihrem Zweck geschaffen wurden" - Einer muss ja den Bekloppten mimen. :mg:
Benutzeravatar
ujmp
 
Beiträge: 3108
Registriert: So 5. Apr 2009, 19:27

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Vegan33 » Sa 18. Feb 2012, 17:58

Gut, mein vorheriger Beitrag war nicht gut durchdacht, aber dieser hier.

Philosophisch gesehen gibt es eine Menge Gründe warum auch Kinder wählen sollten, z.B. das unsere Gesellschaft mit den Kindern nicht anfangen darf was sie will, sondern eben diese ( Kinder ) Entscheidungen treffen müssen welche Sie persönlich angehen. Die Alternative wäre eben Unabhängige Kinderwahlen zu setzen wobei es nur um Themenbereiche der Kinder geht, z.B. Bildung. Selbst wenn das Kind nicht die nötigen Informationen abgleichen kann oder die Quellen hinterfragen wird es demnach entscheiden wie es sich füllt und diese Art zu wählen hat sehr wohl einen Wert. Wenn das Kind z.B. Alternative Bildung wählt ( Homeschooling, Unschooling ) statt Schulzwang kann man davon ausgehen das etwas mit dem Schulsystem nicht in Ordnung ist, weil es nicht gefällt.

PS. Es gibt in einigen EU Ländern ein Gesetz das jeden Minderjährigen gezwungenermaßen zum Organspender macht, ohne die Möglichkeit des Jugendliches oder Kindes darüber zu entscheiden. Ich weiß das keiner seine Organe nach dem Tot braucht, aber man wird doch wohl noch respektieren was einer mit seinem Körper machen will...
Vegan33
 
Beiträge: 222
Registriert: Di 7. Feb 2012, 18:51

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Nanna » Sa 18. Feb 2012, 18:13

Vegan33 hat geschrieben:Philosophisch gesehen gibt es eine Menge Gründe warum auch Kinder wählen sollten, z.B. das unsere Gesellschaft mit den Kindern nicht anfangen darf was sie will, sondern eben diese ( Kinder ) Entscheidungen treffen müssen welche Sie persönlich angehen.

Das Problem ist nur: Wie soll man jemanden, der Ursache-Wirk-Beziehungen im größeren Rahmen nicht durchschauen kann, eine solche Entscheidung machen lassen? Man beschützt Kinder ja auch davor, die Entscheidung zu treffen, das fruchtig duftende Geschirrspülmittel zu trinken, auch wenn sie gerade Lust auf Limonade haben und nicht verstehen, warum das toll riechende Zitronenzeug da gefährlich sein soll. Eine Entscheidung, die von jemandem getroffen wird, der Gründe und Gegengründe nicht verstehen kann, ist keine Entscheidung im eigentlichen Sinne.

Vegan33 hat geschrieben:Selbst wenn das Kind nicht die nötigen Informationen abgleichen kann oder die Quellen hinterfragen wird es demnach entscheiden wie es sich füllt und diese Art zu wählen hat sehr wohl einen Wert. Wenn das Kind z.B. Alternative Bildung wählt ( Homeschooling, Unschooling ) statt Schulzwang kann man davon ausgehen das etwas mit dem Schulsystem nicht in Ordnung ist, weil es nicht gefällt.

Ja, entweder das, oder Lernen macht manchmal halt einfach keinen Spaß und die Erwachsenen können auch nichts daran ändern. Dass etwas "nicht gefällt" bedeutet nicht, dass es automatisch eine Alternative dazu gibt. Wenn das Krebskind keine Lust auf Chemotherapie hat, was absolut verständlich ist, heißt das nicht, dass das Problem darin besteht, dass es nicht selbst über seine Behandlung entscheiden darf, sondern dass es schlicht keine angenehme Behandlung gibt.

Natürlich hat der Wille und Wunsch des Kindes trotzdem einen Wert, da stimme ich dir zu. Ich halte da nur im Zweifel einen Raum voller kreativer Pädagogen für entscheidungskompetenter als ein Kinderparlament. Kinder sollen selbstverständlich eine Stimme haben, ernst genommen und befragt werden, aber die Interessendurchsetzung auf klassisch demokratische Art funktioniert nur mit halbwegs mündigen Bürgern, die einigermaßen strategisch vorgehen können. Das Grundproblem besteht doch darin, dass es Kindern kaum möglich ist, mit acht Jahren zu entscheiden, welche Person ihre Interessen am besten vertreten kann. Deshalb halte ich es für zielführender, wenn man eher versucht, den Eltern mehr Einfluss einzuräumen, wie auch immer man das konkret ausgestaltet. Die Kinder werden ja deshalb nicht kaltgestellt, aber das Durchsetzen der Kindesinteressen gegenüber der Außenwelt ist nunmal klassische Anforderung an die Eltern (und im modernen Staat an bestimmte zuständige Behörden wie das Jugendamt. Allein, wenn die nicht chronisch unterfinanziert wären, wäre schon viel gewonnen und dafür muss man nicht die Verfassung aufbohren).

Vegan33 hat geschrieben:PS. Es gibt in einigen EU Ländern ein Gesetz das jeden Minderjährigen gezwungenermaßen zum Organspender macht, ohne die Möglichkeit des Jugendliches oder Kindes darüber zu entscheiden. Ich weiß das keiner seine Organe nach dem Tot braucht, aber man wird doch wohl noch respektieren was einer mit seinem Körper machen will...

Wo ist das der Fall?
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Vegan33 » Sa 18. Feb 2012, 19:53

Nanna hat geschrieben: Man beschützt Kinder ja auch davor, die Entscheidung zu treffen, das fruchtig duftende Geschirrspülmittel zu trinken, auch wenn sie gerade Lust auf Limonade haben und nicht verstehen, warum das toll riechende Zitronenzeug da gefährlich sein soll. Eine Entscheidung, die von jemandem getroffen wird, der Gründe und Gegengründe nicht verstehen kann, ist keine Entscheidung im eigentlichen Sinne.


Dieses Beispiel ist wirklich lahm. Natürlich sollen die Kinder beschützt werden, durch Aufklärung von Eltern z.B. Junge, dieses Mittel wird dich töten, aber wenn Sie es wirklich machen wollten würden sie Wege finden...

Nanna hat geschrieben:Ja, entweder das, oder Lernen macht manchmal halt einfach keinen Spaß und die Erwachsenen können auch nichts daran ändern. Dass etwas "nicht gefällt" bedeutet nicht, dass es automatisch eine Alternative dazu gibt.


Nur eben gibt es die Alternativen, hier auch ein guter Artikel - http://www.sueddeutsche.de/karriere/uns ... ei-1.75527 Du solltest auch mal in die Suche André Stern Unschooling eingeben, da siehst du einen Menschen der ohne Schule vieles erreicht hat. Und nehme nicht an diese Menschen seien große ausnahmen, denn in Wahrheit wurden Sie von Ihren Psychologen als Hoffnungslose Fälle in Sachen Geduld und Lernwille bezeichnet.

Eine andere Frage: Warum lernen? Es gibt viele Menschen die aus Freude lernen bzw. denen es Spaß macht sich zu informieren und da wir nun mal alle verschieden sind und keine Roboter können wir eben nicht alle Glück dabei empfinden wenn uns Wissen aufgezwungen wird mit der Behauptung das es unsere Pflicht als Mensch sei dieses Basis Wissen anzueignen. Vielleicht wäre diese Umgekehrte Psychologie ( eben nicht lernen müssen ) sogar hilfreich und würde dazu führen dass die Menschen eben lernen wollen, was sie aber am besten können wollen und nicht was sie können müssen.

Nanna hat geschrieben:Wo ist das der Fall?


Österreich, sogar für Touristen ( dazu fand Ich nur ein Blog-Eintrag, also darfst du es als Zweifelshaft ansehen )

Griechenland, dazu habe Ich aber keine Deutsche Quelle ( wenn geht das hierzulande auch etwas an ), versuche das in Google Translate zu setzen
http://www.inews.gr/135/mega-thema---ol ... -ellas.htm
http://www.eglimatikotita.gr/2011/04/18_09.html

Bald soll es auch heißen '' jeder ist Organspender, ob er will oder nicht '', auch Erwachsene. Aber die Kinder sind es schon, beim Todesfall darf nur Staat darüber entscheiden, keine Eltern.
Vegan33
 
Beiträge: 222
Registriert: Di 7. Feb 2012, 18:51

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon Nanna » Sa 18. Feb 2012, 21:43

Vegan33 hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: Man beschützt Kinder ja auch davor, die Entscheidung zu treffen, das fruchtig duftende Geschirrspülmittel zu trinken, auch wenn sie gerade Lust auf Limonade haben und nicht verstehen, warum das toll riechende Zitronenzeug da gefährlich sein soll. Eine Entscheidung, die von jemandem getroffen wird, der Gründe und Gegengründe nicht verstehen kann, ist keine Entscheidung im eigentlichen Sinne.

Dieses Beispiel ist wirklich lahm. Natürlich sollen die Kinder beschützt werden, durch Aufklärung von Eltern z.B. Junge, dieses Mittel wird dich töten, aber wenn Sie es wirklich machen wollten würden sie Wege finden...

Erkennst du den Widerspruch, der sich ergibt, wenn du einerseits die systematische Bevormundung von Kindern befürwortest (z.B. eben im Fall von Spülmittel) und ihnen andererseits weitreichende Entscheidungskompetenzen geben willst?

Vegan33 hat geschrieben:Nur eben gibt es die Alternativen, hier auch ein guter Artikel - http://www.sueddeutsche.de/karriere/uns ... ei-1.75527 Du solltest auch mal in die Suche André Stern Unschooling eingeben, da siehst du einen Menschen der ohne Schule vieles erreicht hat.

Naja, das Interview strotzt vor Allgemeinplätzen und unbelegten Behauptungen. Bach kann an keiner Stelle auch nur die Vermutung stringent begründen, dass das Bildungsniveau in einem Land mit Unschooling dem entsprechen würde, das ein Land mit durchschnittlichem oder gar exzellentem Pflichtschulsystem hat. Er gibt auch selbst zu, dass viele Kinder wahrscheinlich nicht von selbst diesen Lernwillen entwickeln würden. Davon abgesehen setzt erfolgreiches Unschooling einen sehr speziellen Typus Kind und einen ebenso speziellen Typus Eltern voraus.

Davon abgesehen geht das am hießigen Thema vorbei: Bach behauptet ja lediglich, dass Kinder sich selbst bilden könnten. Dass Kinder deshalb gebildet sind, würde er wohl auch kaum behaupten. Im Gegenteil, er sagt selbst, dass er unter 30-jährigen kein nennenswertes Bildungsinteresse nachsagt. Letztlich bedeutet das, dass Kinder in komplexen Sachfragen nicht entscheidungsfähig sind, egal ob Pflichtschul-, Homeschooling- oder Unschoolingsystem.

Vegan33 hat geschrieben:Und nehme nicht an diese Menschen seien große ausnahmen, denn in Wahrheit wurden Sie von Ihren Psychologen als Hoffnungslose Fälle in Sachen Geduld und Lernwille bezeichnet.

Zusammenhang?

Vegan33 hat geschrieben:Eine andere Frage: Warum lernen?

In einer Wissensgesellschaft, wo man ohne entsprechende Bildung mehr oder weniger von Almosen oder Kriminalität leben muss, erscheint mir Lernen als Zukunftsinvestition irgendwie naheliegend. Und was Bach da schreibt von wegen "auf Bedarf lernen", wenn konkrete Probleme anstehen, das funktioniert vielleicht, wenn man eine Steckdose in die Wand bauen will, aber nicht, wenn man Gasturbinen entwickeln will.

Vegan33 hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Wo ist das der Fall?

Österreich, sogar für Touristen ( dazu fand Ich nur ein Blog-Eintrag, also darfst du es als Zweifelshaft ansehen )

http://de.wikipedia.org/wiki/Widerspruchsregelung hat geschrieben:Für Staatsbürger anderer Nationen, die in Österreich sterben, gilt unabhängig von der gesetzlichen Regelung des Heimatlandes das österreichische Transplantationsgesetz. Das bedeutet, dass Personen ohne gültigen Widerspruch als potenzielle Organspender infrage kommen. Daher können sich auch ausländische Einwohner im österreichischen Widerspruchsregister aufnehmen lassen. Häufig wird in diesen Fällen sehr sensibel vorgegangen und im Zweifel auf eine Transplantation verzichtet.

(Hervorhebung durch mich)
Für mich klingt das weit weniger bevormundend und gruselig, als du das hier darstellst.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Wahlrecht für Kinder

Beitragvon ujmp » So 19. Feb 2012, 10:24

Es kommt ja hier schon an vilelen Stellen so raus: Das Hauptgegenargument ist m.E., dass man Kinder vor sich selbst schützen muss, man überfordert sie mit der freien Wahl. Ein menschliches Wesen ist nunmal so gebeaut, dass es sich bis zu einem gewissen Alter an Vorbildern orientiert, das Nachahmen und Lernen macht die Stärke der menschlichen Spezies aus. Kinder haben bereits in angemessener Weise die Wahl, z.B. wenn sie einen Klassensprecher wählen oder die Farbe ihres Fahrrades raussuchen. Kindern die Wahl zu lassen ist u.U. unverantwortlich.
Benutzeravatar
ujmp
 
Beiträge: 3108
Registriert: So 5. Apr 2009, 19:27

Nächste

Zurück zu Gesellschaft & Politik

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 24 Gäste