Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon Vollbreit » So 29. Jul 2012, 22:42

blauregen hat geschrieben:In der Beschneidungsdebatte dachte ich eigentlich bei beiden Seiten, sowohl bei den '70-90% Empfindungsverlust und lebenslange Traumatisierung'-Leuten, als auch bei den 'geweckten Assoziationen an den Holocaust', dass der Eine oder Andere wohl doch einen Clown zuviel gefrühstückt hat. Aber Leiden ist bekanntermassen subjektiv, also kann ich nicht ausschliessen dass die Leute tatsächlich so fühlen. Mein Beileid in dem Fall.


Bei diesem Holocaustvergleich habe ich mich auch gewundert, warum man ihn nicht freundlich bat, noch mal die Reset-Taste zu drücken, aber wenn eine Jude vom Holocaust redet, erstarren alle zur Salzsäule, kein Grund die Karte zu spielen, nur weil sie immer noch sticht.

blauregen hat geschrieben:Die Brights sind, wie die verschiedenen Religionen, eine Weltanschaungsgemeinschaft und da ist es ziemlich normal, dass zum Zwecke der Demarkation und zur Stärkung der Gruppenidentität, die konkurrierenden Gruppen lächerlich gemacht und verhöhnt werden. Nichts anderes tut der Autor in deinem Link auch. Ich bin eher verwundert dass ich kaum Atheistenwitze sehe, aber es ist möglich dass ich die meisten nicht als solche erkenne. Ich finde auch viele Schwulenwitze nur bedingt lustig. Falls hier ein(e) Religionsgläubige(r) ist, der ein paar gute Atheisten- oder Naturalistenwitze kennt, würde ich sie gerne hören.


Gut finde ich: Es gibt keinen Gott und Richard Dawkins ist sein Prophet.
Muss man denn zur Stärkung der Gruppenidentität unbedingt andere verhöhnen?
Wenn man seine eigenen Rituale hat, ist das eigentlich nicht nötig, wenn der „Feind“ dann ankommt, schließen sich die Reihen von selbst.

blauregen hat geschrieben:Was genau soll der Durchschnittschrist oder der Durchschnittsmoslem oder der Durchschnittsjude denn eurer Meinung nach tun?

Ich kann nur sagen was ich in solchen Fällen mache wenn mir keine gute Retourkutsche einfällt. Einatmen, lächeln, und schauen ob unter dem Geblödel auch ein Argument zu finden ist.

Wenn es für den Betreffenden emotional befriedigender ist sich öffentlich aufzuregen, kann er das, im Rahmen der geltenden Gestze, auch tun.


Ach das ist doch alles viel zu abgeklärt. ;-)
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon blauregen » So 29. Jul 2012, 23:14

Vollbreit hat geschrieben:Gut finde ich: Es gibt keinen Gott und Richard Dawkins ist sein Prophet.


:D. Mhmm, das Paradox und der Anklang an den gelegentlichen Starkult ist lustig. Die Kombination 'Gott is tot. - Nietzsche' und 'Nietzsche ist tot - Gott' gefiel mir auch immer.

Vollbreit hat geschrieben:Muss man denn zur Stärkung der Gruppenidentität unbedingt andere verhöhnen?
Wenn man seine eigenen Rituale hat, ist das eigentlich nicht nötig, wenn der „Feind“ dann ankommt, schließen sich die Reihen von selbst.


Muss man nicht, aber es ist eine übliche Methode, und es gibt eigentlich für die Naturalisten auch keinen Grund hier den 'moral highground' einzunehmen. Immerhin hat man sich jahrzehntelang anhören dürfen, dass man wegen der Gottlosigkeit unter Anderem auch unethisch und nicht vertrauenswürdig ist. Da kann ich ähnliche Retourkutschen kaum verurteilen. Und natürlich gibt es wie bei den Religiösen auch bei den Brights Solche und Solche. Ich erinnere mich dass ich vor Jahren hier schonmal war und es wagte gegenüber einem Poster zu erwähnen dass die großen christlichen Kirchen neben ihren Greueltaten und Unfreundlichkeiten durchaus auch ab und zu Sachen gemacht und finanziert haben, die ich begrüßenswert fand ( Mitarbeit in der Friedensbewegung, humanitäre Aktionen,etc. ). Schwups hat er aufgehört mit mir und angefangen über mich zu reden. Das ging dann 'der christliche Apologet blauregen....' :)

Das kann einem den Enthusiasmus zwar etwas dämpfen, aber Unwillen zu differenzieren ist soweit ich weiss nicht Gemeinschaftspolitik der Brights, sondern eher eine Eigenschaft mancher Teilnehmer. Ich bin sicher, dass ich in dem einen oder anderen religiösen Forum mit einer sachlichen Diskussion über das richtige Thema auch ein paar Beschimpfungen sammeln könnte.

Vollbreit hat geschrieben:Ach das ist doch alles viel zu abgeklärt. ;-)


eher abgestumpft. :)
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon webe » So 29. Jul 2012, 23:18

Vollbreit:

Milliarden-Subventionen fliessen in diese Religion vom Statshaushalt, andere Religionen oder Geisteshaltungen gehen daher leer aus, sind also unterdrückt.
Andertseits im sozialen Bereich, Forschung, Bildung und Umwelt, usw., fehlen Finanzmittel, dagegen fliessen sie in eine sinnlose Geisteshaltung ab.
Ebenso haben jene Hauptreligionen Unifächer, gesponserte Würdenträgerausbildung- und staatliche Würdenträgerentohnung(Priester) im Gegensatz zu den Anderstdenkenden.

Im eigenen Arbeitsrecht gibt keinen Betriebsrat, normalerweise verstösst das gegen das Menschenrecht der Uno, somit haben Religionsinstutionen Sonderstatus, ebenso ist der Vatikan nicht als Staat von der UNO anerkannt, hat aber einen Sonderbotschafter bei dieser Organisation. Im Arbeitsrecht gibt es Scheinbetriebräte wie MAV bei den Kirchen, also ohne viel Wirkung.

Bei jedem Staatakt, in öffentl.-rechtl. Medien wirken bei politischen und kulturiellen Sendungen jene Religiösen mit, sitzen auch in den Aufsichtsräten der Fernsehsender.

-nur mal kurz einige Punkte, die ich zum Kotzen finde-
: Wie ich Deine Aussage entnahm, bist Du noch Evangelist, was aber keine Bedeutung hat. Ich habe nichts gegen Religiöse, -werde heute mit Einer sogar nett und unterhaltsam Mittagspeisen, freue mich jetzt schon darauf-nur gegen die Macht mancher ihrer Organisationen!
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon blauregen » So 29. Jul 2012, 23:28

webe hat geschrieben:Im eigenen Arbeitsrecht gibt keinen Betriebsrat, normalerweise verstösst das gegen das Menschenrecht der Uno, somit haben Religionsinstutionen Sonderstatus, ebenso ist der Vatikan nicht als Staat von der UNO anerkannt, hat aber einen Sonderbotschafter bei dieser Organisation. Im Arbeitsrecht gibt es Scheinbetriebräte wie MAV bei den Kirchen, also ohne viel Wirkung.


Ja, das haben wir uns als wir damals den Artikel 137 WRV ins Grundgesetz übernommen haben eingebrockt. Ist nicht schön, aber gerade mit unserer speziellen Version der Trennung von Staat und Kirche(n) schwer zu ändern.

Die Zusammenfassung in der Wiki ist, denke ich, ziemlich gut. http://de.wikipedia.org/wiki/Trennung_von_Staat_und_Kirche#Deutschland
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon Nanna » Mo 30. Jul 2012, 03:58

Vollbreit hat geschrieben:Was erwartet ihr? Einen Kotau aller Gläubigen, verbunden mit dem Dank, dass ihr ihnen die Welt erklärt? Die Geste, die von vielen Brights ausgeht, bis hinauf in die Spitze der Organisation ist – und hier muss ich Dich, Nanna, ausdrücklich ausnehmen –, ist Arroganz, gepaart mit der Bekundung an einer Diskussion absolut kein Interesse zu haben.

Ja, weiß ich und stört mich auch. Ich habe selber hier vor zwei Jahren das Recht auf das Tragen von Kopftüchern und sogar Burkas verteidigt (Burkas erregen immer größeres öffentliches Ärgernis), aus genau demselben individuumszentrierten Freiheitsbegriff heraus, aus dem ich meine Argumentation gegen die Beschneidung entwickele. Diese Diskussion war damals eine von denen, die besonders deutlich den Doppelstandard aufgedeckt haben, nach dem manche Brights urteilen, und das hat mich ziemlich auf die Palme gebracht. Trotzdem bedeutet das aber nicht, dass ein Religiöser entschuldigt ist, der sich nicht-konstruktiv am Diskurs beteiligt. Jeder ist da in der Pflicht, egal auf welcher Seite.

Mir brennt sowieso schon seit längerem die Frage auf den Nägeln, wie sich ein Dialog zwischen Säkularen und Religiösen organisieren ließe und welche Ziele sich dabei theoretisch erreichen ließen. Vielleicht muss ich da mal einen Thread dazu eröffnen, das Forenklima ist momentan geeignet, auch solche heißen Eisen mal anzupacken und trotzdem was Konstruktives heraus zu bekommen.

Vollbreit hat geschrieben:Wie um alles in der Welt soll ein Gläubiger darauf reagieren, wenn ich mit Verstörung und Abneigung? Da sitzen ein paar Leute rum, die sich über das beömmeln, was anderen heilig ist.
Damit nicht genug, beömmeln sie sich auch noch über die Leute denen das heilig ist.

Was genau soll der Durchschnittschrist oder der Durchschnittsmoslem oder der Durchschnittsjude denn eurer Meinung nach tun?

Ich kenne ja nun studienbedingt einige Unterschiede zwischen dem Diskurs in Nahen Osten und in Europa, wenn es um die Auseinandersetzung um das Verhältnis von Religion und Politik geht. Was Europa seit der Aufklärung vom Rest der Welt abhebt, ist, dass die Vernunft als universaler Standard entwickelt wurde, der dem religiösen Denken vorausgeht - wobei das eben kein spezifisch europäisches Konzept ist, sondern der Universalismus nur hier entdeckt und formuliert wurde. Die Religionsfreiheit wurde ja bekanntlich vor allem aus der Erfahrung des religiös durchzogenen Dreißigjährigen Krieges entwickelt und diente von Anfang an als rationales (nicht religiöses!) Prinzip dazu, religiösen Traditionen mit jeweils eigenem totalen Gültigkeitsanspruch die friedliche Koexistenz zu ermöglichen. Heute haben wir, glücklicherweise sogar international, die Menschenrechte und den Begriff der Menschenwürde, die ebenfalls mit rationalen Überlegungen begründet werden und die den jeweiligen Religionen einen Rahmen zur Religionsausübung bieten - und eben nicht andersherum! In manchen Weltregionen, gerade im Nahen Osten, herrschen dagegen auch unter den liberaleren Denkern immer noch Argumentationen vor, die universale, rationale Ideen wie die Menschenrechte in religiöse Umfelder einbetten. Auf die Weise tut man sich natürlich schwer, ein universal vermittelbares, weltanschaulich weitgehend neutrales Rechtegerüst zu erstellen, weshalb die Kairiner Menschenrechtserklärung beispielsweise auch als widerspruchsgeladener Schuss in den Ofen gilt, der nicht universalismustauglich ist, weil die Ersteller zwanghaft die Menschenrechte in einen islamischen Kontext einzupassen versuchten, anstatt den Islam in einem universalistisch-menschenrechtlichen Rahmen, der die Anschlussfähigkeit auf Augenhöhe für andere Weltanschauungen bewahrt hätte.
Von daher halte ich die Akzeptanz und Ausschließlichkeit eines Diskurses, der sich auf rationale Regelungen und Argumente beschränkt, für unabdingbar. Vernunft ist die einzige Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren, wenn man unterschiedliche kulturelle Hintergründe hat, deshalb muss die Vernunft im interreligiösen (+ sonstige Weltanschauungen) und interkulturellen Diskurs einfach vorgehen.

Was ich also von jedem erwarte, der sich am Diskurs beteiligt ist, dass er a) rationale Argumente für seine Sichtweise vorbringt, die andere nachvollziehen und kritisieren können, und dass er b) Menschenwürde und Menschenrechte als grundlegende, erste Voraussetzungen für den Diskurs begreift, die den äußeren Rahmen überhaupt bilden - anders gesagt, es gilt das Primat der universalen Menschenrechte, nicht der partikularen Religionsvorstellungen. Auch ein Durschschnittsreligiöser muss das hinkriegen und wenn er etwas tun möchte, was im Sinne der Menschenrechte rational und substantiell problematisierbar ist (und ich denke, das ist bei Körperverletzung gegeben), muss er rational, nicht religiös, begründen können, warum er jenes tun möchte. Topoi nach dem Muster "Der Prophet hat's vorgeschrieben, also ist es nicht verhandelbar" verletzen sowohl das Primat des rationalen Diskurses als auch das der universalen ethischen Prinzipien. Beide Primate müssen erfüllt sein, damit wir in einer pluralistischen Gesellschaft miteinander reden und auskommen können und Religiosität entschuldigt hier nicht, eher sogar im Gegenteil. Wir haben auch als pluralistische Gesellschaft das Recht, solche Argumentationen nicht zum Diskurs zuzulassen. Es ist, anders gesagt, schlichtweg kein Argument, dass eine Tradition alt ist und einer Gruppe als heilig gilt. Die Menschenrechte und der rationale Diskurs sind dem vorgeschaltet, das ist so ein bisschen wie wenn Verfassungsrecht Bundesrecht bricht und Bundesrecht das Landesrecht.

Und sorry, wenn das eine Herausforderung für manche ist, kann ich da nicht helfen. Es ist ja, wie du selber festgestellt hast, auch für die Säkularen oft schwierig, diese Bedingungen zu erfüllen. wir sitzen da alle im selben Boot. Einen Mitleidsbonus für Religiosität oder ein durchschnittliches Dasein mit durchschnittlicher intellektueller Begabung gibt's nicht. Wer in einer pluralistischen Gesellschaft lebt, muss da ganz einfach durch und wenn im Prozess ein paar althergebrachte Traditionen über den Jordan gehen, liegt das häufig ganz einfach daran, dass diese Traditionen unter diesen anspruchsvollen, aber eben auch notwendigen Diskursbedingungen nicht bestehen können.

blauregen hat geschrieben:Die Brights sind, wie die verschiedenen Religionen, eine Weltanschaungsgemeinschaft und da ist es ziemlich normal, dass zum Zwecke der Demarkation und zur Stärkung der Gruppenidentität, die konkurrierenden Gruppen lächerlich gemacht und verhöhnt werden.

Ich würde trotzdem gerne pro forma darauf hinweisen, dass genau dieses Verhalten bei den Brights nicht erwünscht ist, siehe auch unsere Prinzipien:
Brights-Prinzip Nr. 8 hat geschrieben:Der Mensch hat einen Hang zu Wir/Sie-Aufteilungen, wobei das „sie“ als negativ oder abstoßend erachtet wird. Es kann zwar vorkommen, dass einzelne Brights negativ über Leute denken, die an Übernatürliches glauben; aber die Brights-Bewegung heißt Überheblichkeit oder die Verachtung anderer nicht gut. Es geht uns um soziale Akzeptanz und politisch-rechtliche Gleichheit. Diese Bewegung weist unmissverständlich nicht nur verbale Vergleiche zurück, die die Brights gegenüber den Religiösen als Bürger/Bürgerinnen zweiter Klasse hinstellen, sondern auch solche, die die Religiösen gegenüber den Brights als Bürger/Bürgerinnen zweiter Klasse hinstellen.


Vollbreit hat geschrieben:Gut finde ich: Es gibt keinen Gott und Richard Dawkins ist sein Prophet.

:lachtot: Den mag ich!
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon Vollbreit » Mo 30. Jul 2012, 08:40

blauregen hat geschrieben:Muss man nicht, aber es ist eine übliche Methode, und es gibt eigentlich für die Naturalisten auch keinen Grund hier den 'moral highground' einzunehmen. Immerhin hat man sich jahrzehntelang anhören dürfen, dass man wegen der Gottlosigkeit unter Anderem auch unethisch und nicht vertrauenswürdig ist. Da kann ich ähnliche Retourkutschen kaum verurteilen.


In welchem Kontext denn?
Also jetzt mal ernsthaft? Es gab doch gerade bei uns in Deutschland (aber vielleicht war das auch nur meine kindliche Wahrnehmung) ein produktives Klima der gegenseitigen friedlichen Nichtbeachtung.
Irgendwann tauchte mal Papst im Fernsehen auf, hat irgendwo den Boden geküsst und das war’s dann. Es gab eigentlich kaum Schnittmengen und die öffentlichen Streits von denen man hörte, waren eher kirchenintern, Drewermann, Ranke-Heinemann und so.
Dass sich das überhaupt geändert hat, ist etwas was mich wundert.

blauregen hat geschrieben: Und natürlich gibt es wie bei den Religiösen auch bei den Brights Solche und Solche. Ich erinnere mich dass ich vor Jahren hier schonmal war und es wagte gegenüber einem Poster zu erwähnen dass die großen christlichen Kirchen neben ihren Greueltaten und Unfreundlichkeiten durchaus auch ab und zu Sachen gemacht und finanziert haben, die ich begrüßenswert fand ( Mitarbeit in der Friedensbewegung, humanitäre Aktionen,etc. ). Schwups hat er aufgehört mit mir und angefangen über mich zu reden. Das ging dann 'der christliche Apologet blauregen....' :)


Och, keine Sorge, das kann man heute noch finden, da hat sich kaum etwas geändert.
Ich würde mich als nichtgläubig einstufen, habe das schon mehrfach explizit gemacht, habe aber eine Nähe zur Mystik, habe das auch schon so geschrieben und kann dem Glauben, neben den schlechten Seiten durchaus auch gute abgewinnen. Neben erfreulich offenen bis selten zustimmenden Reaktionen habe ich keine Schmähbezeichnung ausgelassen: katholischer Demagoge, Evangelikaler, inzwischen bin ich bei Esoteriker angekommen, naja, kennst Du.

blauregen hat geschrieben:Das kann einem den Enthusiasmus zwar etwas dämpfen, aber Unwillen zu differenzieren ist soweit ich weiss nicht Gemeinschaftspolitik der Brights, sondern eher eine Eigenschaft mancher Teilnehmer. Ich bin sicher, dass ich in dem einen oder anderen religiösen Forum mit einer sachlichen Diskussion über das richtige Thema auch ein paar Beschimpfungen sammeln könnte.


Keine Ahnung, ich schreibe nie in religiösen Foren, aber habe mal kürzlich irgendwo gelesen, dass eines dieser Foren sogar von Verfassungsschutz beobachtet wurde, wegen grenzwertiger Äußerungen. Und Foren sind eben Foren, ein paar Spinner schleppt man da immer mit, egal um was es geht. (Richtig eklig müssen wohl Politikforen sein, um die habe ich aber bisher immer einen weiten Bogen gemacht.)

Für das Forum spricht, dass auch Menschen die in einigen Punkten eine Gegenmeinung vertreten hier nicht nur einen festen Platz haben und das Gesprächsklima mitunter ausdrücklich loben, muss man fairerweise erwähnen.
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon Vollbreit » Mo 30. Jul 2012, 08:41

webe hat geschrieben:Milliarden-Subventionen fliessen in diese Religion vom Statshaushalt, andere Religionen oder Geisteshaltungen gehen daher leer aus, sind also unterdrückt.


Nichtförderung und Unterdrückung sind m.E. zwei Paar Schuhe.

webe hat geschrieben:Andertseits im sozialen Bereich, Forschung, Bildung und Umwelt, usw., fehlen Finanzmittel, dagegen fliessen sie in eine sinnlose Geisteshaltung ab.
Ebenso haben jene Hauptreligionen Unifächer, gesponserte Würdenträgerausbildung- und staatliche Würdenträgerentohnung(Priester) im Gegensatz zu den Anderstdenkenden.

Im eigenen Arbeitsrecht gibt keinen Betriebsrat, normalerweise verstösst das gegen das Menschenrecht der Uno, somit haben Religionsinstutionen Sonderstatus, ebenso ist der Vatikan nicht als Staat von der UNO anerkannt, hat aber einen Sonderbotschafter bei dieser Organisation. Im Arbeitsrecht gibt es Scheinbetriebräte wie MAV bei den Kirchen, also ohne viel Wirkung.

Bei jedem Staatakt, in öffentl.-rechtl. Medien wirken bei politischen und kulturiellen Sendungen jene Religiösen mit, sitzen auch in den Aufsichtsräten der Fernsehsender.


Meiner Meinung nach alles Punkte, die man ernsthaft diskutieren kann, insofern kein Einwand von meiner Seite.

webe hat geschrieben:-nur mal kurz einige Punkte, die ich zum Kotzen finde-
: Wie ich Deine Aussage entnahm, bist Du noch Evangelist, was aber keine Bedeutung hat. Ich habe nichts gegen Religiöse, -werde heute mit Einer sogar nett und unterhaltsam Mittagspeisen, freue mich jetzt schon darauf-nur gegen die Macht mancher ihrer Organisationen!


Also Evangelist bin ich ganz sicher nicht, evangelisch schon, praktizieren tue ich nicht, ich würde mich in diesem Sinne als praktizierenden Atheisten beschreiben, wenn man Meditation nicht zu den religiösen Praktiken zählt (was ich nur bedingt bis gar nicht tun würde).
Mir schwellen halt nur nicht die Nüstern, wenn ich jemandem aus der Kirche oder Gläubigen begegne, ich halte die nicht für geisteskranke Spinner, sondern mir war und ist es immer ziemlich gleichgültig gewesen, ob und in welcher Weise jemand religiös ist.
Gegen Sektierertum habe ich eine gewisse Allergie, allerdings auch gegen atheistisches.
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon webe » Mo 30. Jul 2012, 08:42

Der Staat soll sich ähnlich der Schweiz neutral verhalten, somit haben alle Weltanschauungen das Recht und die Möglichkeit, sich nebeneinander zuentfalten und frei, unbeschnitten zuwirken. Nur ein darauf fussendes Grundgesetz und die sich daran festhaltende, sämtliche staatlichen Organe ermöglichen dies dann. Religionsmündigkeit sollte von allen Parteien ab 14 Jahren und religiöse Rituale, die Körpereingriffe wie Beschneidungen beinhalten, erst ab Volljährigkeit durchführbar; Schulfächerbefreiung aus religiösen Gründen für Kinder nicht gestattet:

Somit wäre jeder Religiöse, ob Jude,Christ,Moslem, Buddhist, Atheist unsw. in erster Linie Staatsbürger, und dennoch frei im religiösen oder nichtreligiösem Wirken nach seiner Fashion; Burka würde ich zulassen ab 14 Jahren, Kopftuch ohne Einschränkung.

Diese Zielsetzung für Religiöse und Nichtreligiöse ist doch akzeptabel-oder nicht!?
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon Vollbreit » Mo 30. Jul 2012, 08:44

Nanna hat geschrieben:Diese Diskussion war damals eine von denen, die besonders deutlich den Doppelstandard aufgedeckt haben, nach dem manche Brights urteilen, und das hat mich ziemlich auf die Palme gebracht. Trotzdem bedeutet das aber nicht, dass ein Religiöser entschuldigt ist, der sich nicht-konstruktiv am Diskurs beteiligt. Jeder ist da in der Pflicht, egal auf welcher Seite.


Durchaus, nur kann ich die verstehen, die dann irgendwann resigniert mit den Schultern zucken, nicht nach drei Versuchen, eher nach 300 und dann sagen, dann eben nicht.
Polemik, so meine Erfahrung, ist aber durchaus auch ein Stilmittel, mit dem man in einen Diskurs hineinkommen kann. Es wäre naiv zu glauben, dass im Diskurs nur Argumente zählen.
Vielleicht sollte das im idealen herrschaftsfreien Diskurs der Fall sein, aber der Weg ist weit und dornenreich, bis man den anderen so weit hat, dass er einem überhaupt mal zuhört, von vollumfänglicher Perspektivübernahme ist hier noch längst nicht die Rede.

Nanna hat geschrieben:Mir brennt sowieso schon seit längerem die Frage auf den Nägeln, wie sich ein Dialog zwischen Säkularen und Religiösen organisieren ließe und welche Ziele sich dabei theoretisch erreichen ließen. Vielleicht muss ich da mal einen Thread dazu eröffnen, das Forenklima ist momentan geeignet, auch solche heißen Eisen mal anzupacken und trotzdem was Konstruktives heraus zu bekommen.


Das ist auch mein bevorzugtes Projekt.
Hier bin ich dann wieder ganz bei Habermas, der das auch anregen will und der mitunter vielleicht bewusst missverstanden wird.
Ansonsten gäbe es gerade im Internetzeitalter genügend Möglichkeiten. (Ich habe selbst mal ein ähnliches Experiment gemacht, ist nur so halb gelungen, will ich aber momentan nicht mehr zu sagen.)
Wohl gegen den Anschein, gilt meine Sorge da eher den Atheisten. Um Religionen und deren Fortbestand mache ich mir überhaupt keine Sorgen, die machen was das angeht, alles richtig.
Ihr müsst konfrontieren, dass um euer Überleben geht. Wenn ich sage, dass der Atheismus stirbt, dann tue ich das nicht um Stimmung zu machen, sondern, weil ich der Meinung bin, dass das stimmt und alle demographische Zeichen stark in diese Richtung gehen.
Europa ist da eine Insel der Seligen, die aber schwer den Blick verzerrt. Von 20% Europäern um 1900 wird der Anteil der Weltbevölkerung auf 4% in 2100 fallen (mache sagen in 2050), was mit einer zunehmenden politischen Bedeutungslosigkeit einhergehen wird.
Es gäbe also viel zu bereden und zu tun.

Nanna hat geschrieben:Ich kenne ja nun studienbedingt einige Unterschiede zwischen dem Diskurs in Nahen Osten und in Europa, wenn es um die Auseinandersetzung um das Verhältnis von Religion und Politik geht. Was Europa seit der Aufklärung vom Rest der Welt abhebt, ist, dass die Vernunft als universaler Standard entwickelt wurde, der dem religiösen Denken vorausgeht - wobei das eben kein spezifisch europäisches Konzept ist, sondern der Universalismus nur hier entdeckt und formuliert wurde. Die Religionsfreiheit wurde ja bekanntlich vor allem aus der Erfahrung des religiös durchzogenen Dreißigjährigen Krieges entwickelt und diente von Anfang an als rationales (nicht religiöses!) Prinzip dazu, religiösen Traditionen mit jeweils eigenem totalen Gültigkeitsanspruch die friedliche Koexistenz zu ermöglichen.


Und an dieser Stelle möchte ich einhaken und Dich bitten, Dich mal mit Habermas zu beschäftigen.
Der sagt in „Zwischen Naturalismus und Religion“ nämlich explizit, dass auch die Religion eine Form ist Rationalität zu lehren und weiter zu geben. Die ganze katholische Geschichte dreht sich im Kern um die Versöhnung von Glauben und Intellekt, mindestens seit Thomas von Aquin, aber da kann Dir laie sicher ungleich mehr zu sagen.

Man muss einfach den Unterschied erkennen, zwischen der Machtpolitik der Kirche und den internen Standards und dem was historisch gewesen ist und was sich eben nicht nur in Inquisition erschöpft. Als jemand der der Mystik nahesteht, kann ich auch nur den Kopf schütteln wie die Kirche mit ihren Mystikern umgegangen, noch vor wenigen Jahren wurde Willigis Jäger Lehrverbot erteilt, aber das ist eine Seite der Kirchenpolitik.
Der wesentliche Affront der von einem Meister Eckhart ausging, war nicht, dass er sagte, „das ich und Gott eins sind“, sondern, dass die implizite Kernbotschaft all seiner Predigten war, dass man auf die Kirche im Grunde genommen verzichten kann. Man braucht keine zwischengeschaltete Instanz und die Kirchenfürsten, die selten wirklich dämlich waren, rochen den Braten sofort.
Ob Eckhart das klar war, weiß ich gar nicht.

Nanna hat geschrieben:Heute haben wir, glücklicherweise sogar international, die Menschenrechte und den Begriff der Menschenwürde, die ebenfalls mit rationalen Überlegungen begründet werden und die den jeweiligen Religionen einen Rahmen zur Religionsausübung bieten - und eben nicht andersherum!


Ich glaube eher, dass der Begriff der Würde rational ausgesprochen schwer abzuleiten ist und ideologisch gesetzt werden muss. Lies mal Peter Singer dazu, auch so jemand der Freude an der Provokation hat. Ich weiß nicht, ob er sich explizit zur Würde geäußert hat, aber man sieht hier schon früh, was passiert, wenn man implizite Einigungen radikal infrage stellt.

Nanna hat geschrieben:In manchen Weltregionen, gerade im Nahen Osten, herrschen dagegen auch unter den liberaleren Denkern immer noch Argumentationen vor, die universale, rationale Ideen wie die Menschenrechte in religiöse Umfelder einbetten. Auf die Weise tut man sich natürlich schwer, ein universal vermittelbares, weltanschaulich weitgehend neutrales Rechtegerüst zu erstellen, weshalb die Kairiner Menschenrechtserklärung beispielsweise auch als widerspruchsgeladener Schuss in den Ofen gilt, der nicht universalismustauglich ist, weil die Ersteller zwanghaft die Menschenrechte in einen islamischen Kontext einzupassen versuchten, anstatt den Islam in einem universalistisch-menschenrechtlichen Rahmen, der die Anschlussfähigkeit auf Augenhöhe für andere Weltanschauungen bewahrt hätte.


Ich fürchte das wird sich dort auch so schnell nicht ändern.
Um so wichtiger, hier sozialen Druck aufzubauen, der die hier lebenden Moslems nicht nur einfach ausgrenzt, sondern ihnen auch klar macht, was von ihnen erwartet wird um nicht ausgegrenzt zu werden, sondern als willkommene Bereicherung empfunden zu werden.
Vielleicht geht das von unten sogar besser, als über irgendwelche sterilen Integrationsgipfel.

In einer unsicheren Zeit sehen sich viele nach Orientierung. Gibt man ihnen keine, suchen sie sich die simplen Wahrheiten mitunter der Neonazis oder der Islamisten. Der großspurige Verzicht auf Ethik und Moral der aus den Reihen der organisierten Atheisten immer wieder zu hören ist, ist da schlechterdings eine Katastrophe.
Wieso kann man nicht zugeben, dass es zur Moral so gut wie aller Religionen erhebliche Schnittmengen gibt?

Nanna hat geschrieben:Von daher halte ich die Akzeptanz und Ausschließlichkeit eines Diskurses, der sich auf rationale Regelungen und Argumente beschränkt, für unabdingbar.


Aber damit sind wir doch bereits gescheitert. Demokratie, Wissenschaft und rationaler Diskurs als Exportschlager, den bald die ganze Welt singt, vergiss es, komm runter, mach die Augen auf.
Wir erleben schon in Deutschland und Europa eine Regression, große Teile der Welt sind meilenweit davon entfernt an einem rationalen Diskurs (der Dir vorschwebt) überhaupt teilnehmen zu können.
Und die religiösen Führer werden sich ihre Dominanz in den Regionen nicht nehmen lassen.

Nanna hat geschrieben:Vernunft ist die einzige Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren, wenn man unterschiedliche kulturelle Hintergründe hat, deshalb muss die Vernunft im interreligiösen (+ sonstige Weltanschauungen) und interkulturellen Diskurs einfach vorgehen.


Das klappt auch immer wunderbar wenn sich Broder und Ates unterhalten oder der Papst und Habermas. Viele wachsen jedoch in dem Bewusstsein auf so etwas wie Evolutionslehre, Psychoanalyse und weiteres sei Teufelszeug und da brauchen wir keine Frontalattacken, sondern Brückenbauer zwischen den Kulturen. Die Botschaft, dass Religion und Wissenschaft sich kategorisch ausschließen, ist vielleicht keine Katastrophe aber ein grober Fehler.

Nanna hat geschrieben:Was ich also von jedem erwarte, der sich am Diskurs beteiligt ist, dass er a) rationale Argumente für seine Sichtweise vorbringt, die andere nachvollziehen und kritisieren können, und dass er b) Menschenwürde und Menschenrechte als grundlegende, erste Voraussetzungen für den Diskurs begreift, die den äußeren Rahmen überhaupt bilden - anders gesagt, es gilt das Primat der universalen Menschenrechte, nicht der partikularen Religionsvorstellungen. Auch ein Durschschnittsreligiöser muss das hinkriegen und wenn er etwas tun möchte, was im Sinne der Menschenrechte rational und substantiell problematisierbar ist (und ich denke, das ist bei Körperverletzung gegeben), muss er rational, nicht religiös, begründen können, warum er jenes tun möchte.


Es ist die Frage, was Du als rationales Argument gelten lässt.
Würdest Du von einer Kuh erwarten, dass sie rationale Argumente einbringt, warum sie gegen Massentierhaltung ist?
Würdest Du von Kindern sagen, dass man sie nur ernst nehmen kann, wenn sie rationale Gründe vorbringen? Was ist mit Dementen, geistig Behinderten?
Auch dann, wenn jemand argumentativ ungeschickt ist, muss man dennoch versuchen ihn zu verstehen und seine Bedürfnisse ernst zu nehmen.
Man muss wenigstens soviel Empathie voraussetzen dürfen, dass man erkennt, was den Kern einer Kultur ausmacht, um keine unerfüllbaren Forderungen zu stellen, denn die Aussage, dass das alles ganz einfach ist, wenn Religiöse ganz einfach auf alles was nicht europäisch-wissenschaftlich ist, verzichten können, ist und bleibt schwierig.

Nanna hat geschrieben:Topoi nach dem Muster "Der Prophet hat's vorgeschrieben, also ist es nicht verhandelbar" verletzen sowohl das Primat des rationalen Diskurses als auch das der universalen ethischen Prinzipien.


Nicht unbedingt, wenn man anerkennt, dass es beim anderen eine rote Linie gibt, die man nicht überschreiten darf. Stell Dir den gentechnisch optimierten Menschen der Zukunft vor, der z.B. keine Angst mehr hat und der allen anderen rät, sich doch gentechnisch optimieren zu lassen oder einfach über die Ängste von Dir und mir hinweggeht. „Schöne neue Welt.“

Nanna hat geschrieben:Beide Primate müssen erfüllt sein, damit wir in einer pluralistischen Gesellschaft miteinander reden und auskommen können und Religiosität entschuldigt hier nicht, eher sogar im Gegenteil.


Wir sind aber keine pluralistische Gesellschaft, in dem Sinne, dass alle Menschen in Deutschland im Kern Pluralisten sind. Ich fand interessant was K.O. Apel dazu geschrieben hat:


Karl-Otto Apel hat geschrieben:"„Am Letztbegründungsanspruch der Ethik brauchen wir auch nicht mit Rücksicht auf deren präsumptive Relevanz für die Lebenswelt festzuhalten. Die moralischen Alltagssituationen bedürfen der Aufklärung der Philosophen nicht. In diesem Falle scheint mir ein therapeutisches Selbstverständnis der Philosophie, wie es von Wittgenstein inauguriert worden ist, ausnahmsweise am Platz zu sein. Die philosophische Ethik hat eine aufklärende Funktion allenfalls gegenüber den Verwirrungen, die sie im Bewusstsein der Gebildeten angerichtet hat – also nur insoweit wie der Werteskeptizismus und der Rechtspositivismus sich als Professionsideologien festgesetzt haben und über das Bildungssystem ins Alltagsbewusstsein eingedrungen sind. Beide haben die im Sozialisationsprozess naturwüchsig erworbenen Intuitionen mit falschen Deutungen neurtralisiert; unter extremen Umständen können sie dazu beitragen, die von Bildungsskeptizismus erfassten Akademikerschichten moralisch zu entwaffnen." (Habermas)

An dieser Passage, die außer mir auch viele andere Habermaskenner schockiert bzw. ratlos gemacht hat, möchte ich nicht etwa die These kritisieren, dass die Philosophie durch die angegebenen Positionen ... Verwirrungen im Bewusstsein der Gebildeten angerichtet hat. Diese Tatsache, die in der Tat seit der philosophischen Aufklärung zu beobachten ist, lässt sich m.E. relativ leicht als Verwirrung des postkonventionellen Denkens auf der Kohlbergschen Krisenstufe 4 ½ (des noch nicht bewältigten Übergangs von der konventionellen zu einer rational begründeten postkonventionellen Moral) verständlich machen – und dies ganz auf der Linie von Habermas selbst im Sinne der „rekonstruktiven Wissenschaft“ (also der Kritischen Theorie) rezipierten und tentativ auf die Phylogenese angewandten Entwicklungslogik im Sinne von Piaget und Kohlberg. Wie aber soll gerade mit diesem rekonstruktiven Verständnis die Vorstellung zu vereinbaren sein, die „unbefangene substanzielle Sittlichkeit“ (Hegel) der Lebenswelt vor der philosophischen Aufklärung – also im Sinne Kohlbergs: die konventionelle Binnenmoral der Stufen 3 und 4 (grob gesprochen: die der Stammesgesellschaften und der frühen staatlich organisierten Gesellschaften) - sei gewissermaßen eine moralisch problemlose heile Welt gewesen; oder, in aktueller Version: die nach Kohlberg heute noch für ca. 80% der westlichen Industriegesellschaft maßgebende Orientierung an der konventionellen Moral repräsentiere die Basis der „moralischen Alltagssituationen“, die der philosophischen Aufklärung (nach Kohlberg also: der universalistischen Orientierungen im Sinn der utilitaristisch begründeten Vertragstheorie und, darüber hinausgehend, das Prinzip der „vollständig reversiblen Reziprozität des role taking“ bzw, der Gerechtigkeit als Fairness) prinzipiell nicht bedürften. Hat denn nicht die philosophische Aufklärung ... die Metainstitution des argumentativen Diskurses überhaupt erst geschaffen, ohne die doch eine radikale oder rationale Einlösung oder Verwerfung von Geltungsansprüchen jenseits aller offenen und verdeckten Gewaltlösungen (also auch jenseits von Ritualen und Verhandlungen) gar nicht als möglich gedacht werden kann? Und hat nicht andererseits die Infragestellung, ja Ridikülisierung universalisitisch-humanitärer Rechts- und Moralvorstellungen im Nationalsozialismus (z.B. die Parole „Recht ist, was dem Volke nutzt“) mir großem Erfolg an die vorphilosophischen, also konventionelle Solidaritätsgefühle einer völkischen Binnenmoral appellieren können?“
(K.-O. Apel, Auseinandersetzungen, Suhrkamp 1998, S. 661f)


Neben den anderen interessanten Aussagen geht es mir darum, dass 80% der westlichen Welt auf der Stufe der konventionellen Binnenmoral sind. Bei der Frage, was man dagegen tun kann, kann ich Dir die Lösungsversuche der Integralen vorstellen, die m.E. gut sind, aber ihrerseits ihre bedenklichen Tendenzen haben und denen es an Akzeptanz in der Breite fehlt.
Heute geht das nicht mehr, der leidige Broterwerb.

Nanna hat geschrieben:Wir haben auch als pluralistische Gesellschaft das Recht, solche Argumentationen nicht zum Diskurs zuzulassen. Es ist, anders gesagt, schlichtweg kein Argument, dass eine Tradition alt ist und einer Gruppe als heilig gilt. Die Menschenrechte und der rationale Diskurs sind dem vorgeschaltet, das ist so ein bisschen wie wenn Verfassungsrecht Bundesrecht bricht und Bundesrecht das Landesrecht.


Das zerrinnt Dir wie Sand zwischen den Händen, indem Moment, wo Du in eine Gruppe kommst, die diese a priori Spielregeln nicht stillschweigend oder offen akzeptiert.

Nanna hat geschrieben:Und sorry, wenn das eine Herausforderung für manche ist, kann ich da nicht helfen. Es ist ja, wie du selber festgestellt hast, auch für die Säkularen oft schwierig, diese Bedingungen zu erfüllen. wir sitzen da alle im selben Boot. Einen Mitleidsbonus für Religiosität oder ein durchschnittliches Dasein mit durchschnittlicher intellektueller Begabung gibt's nicht.


Sehe ich im Grunde genauso, deshalb muss man sich die Frage stellen, ob alle Menschen diskursfähig sein müssen um diesen pluralistischen Diskurs zu führen (ich denke man wird sich schnell einigen können, dass das nicht der Fall sein muss) und darüber hinaus, ob es eine kritische Masse geben muss, die pluralstisch denken können muss und wie groß diese ggf. sein müsste.

Nanna hat geschrieben:Wer in einer pluralistischen Gesellschaft lebt, muss da ganz einfach durch und wenn im Prozess ein paar althergebrachte Traditionen über den Jordan gehen, liegt das häufig ganz einfach daran, dass diese Traditionen unter diesen anspruchsvollen, aber eben auch notwendigen Diskursbedingungen nicht bestehen können.


Gegen so ein wenig gesunde Härte habe ich auch nichts einzuwenden.
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon webe » Mo 30. Jul 2012, 09:20

Vollbreit: Meine Darstellung von 08.42 wirst du akzeptieren können-oder?

-So jetzt muss ich mich richten, da ich mit eine mir sehr zugetanen Christin treffe zwecks Gedankenaustausch und Essengehen. Also ich habe einige Religiöse in meinem Freundschaftskreis und ich möchte sie nicht missen.-
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon Vollbreit » Mo 30. Jul 2012, 09:37

webe hat geschrieben:Vollbreit: Meine Darstellung von 08.42 wirst du akzeptieren können-oder?


Ja, ich habe damit sicher kein Problem und finde das auch unterm Strich vernünftig.
Ob man die Zeitpunkte religiöser Zeremonien beliebig schieben darf, das müsstest Du mit den entsprechenden Stellen ausmachen, ich bin, was das angeht, eher skeptisch.
Und dann noch Petri Heil. ;-)
Zuletzt geändert von Vollbreit am Mo 30. Jul 2012, 10:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon blauregen » Mo 30. Jul 2012, 09:43

Vollbreit hat geschrieben:In welchem Kontext denn?


Stimmt. Kontext ist wichtig bei Polemiken. Wenn ein Prominenter wie Dawkins oder Dennett polemisch wird, dann halte ich das für durchaus geplant. Der Mann will in dem Fall ( ausser Geld verdienen ) vor allem auch provozieren und Aufmerksamkeit für seine Position wecken. Das ist, denke ich, auch ein bewusster Versuch die tradierte Achtung vor Religionen ins öffentliche Bewustsein zu rücken und als unbegründet zu enthüllen.

Vollbreit hat geschrieben:Also jetzt mal ernsthaft? Es gab doch gerade bei uns in Deutschland (aber vielleicht war das auch nur meine kindliche Wahrnehmung) ein produktives Klima der gegenseitigen friedlichen Nichtbeachtung.
Irgendwann tauchte mal Papst im Fernsehen auf, hat irgendwo den Boden geküsst und das war’s dann. Es gab eigentlich kaum Schnittmengen und die öffentlichen Streits von denen man hörte, waren eher kirchenintern, Drewermann, Ranke-Heinemann und so.
Dass sich das überhaupt geändert hat, ist etwas was mich wundert.


Eh, ja und nein. Es kommt auf den Zeitraum an den du betrachtest. Zum gesellschaftlichen Einfluss religiöser Institutionen im letzten Jahrhundert in Deutschland würde ich gerne einen Zeitzeugen (http://www.cicero.de/berliner-republik/heiner-geissler-interview-katholische-amtskirche-vom-leben-abgemeldet/48587) anführen:

Heiner Geißler hat geschrieben:Bis in die 60er, 70er Jahre sehr wohl. Es war die Zeit, als am Wahlsonntag von der Kanzel der katholischen Kirche herab Bischofsbriefe verlesen wurden, in denen zur Wahl der CDU aufgerufen wurde.


Es hätte zwar idealerweise kaum Schnittmengen geben sollen, aber speziell die katholische Kirche hat ihren institutionalisierten Einfluß nach Kräften genutzt um in Deutschland Politik zu machen. Das entspricht einfach ihrem Selbstverständnis. Die haben bis zum zweiten vatikanischen Konzil gebraucht, um immerhin pro forma anzuerkennen, dass weltliche Regierungen sich nicht am katholischen Moralkodex zu orientieren haben.

Dass das traditionsbedingt kaum thematisiert wurde, betrachte ich, im Sinne einer Trennung von Staat und KIrche nicht als positiv. Zugegeben, wir sind seitdem einen ziemlichen Schritt weiter. Die 'Wir sind Papst'-Schlagzeilen' anlässlich Ratzingers Beförderung waren eher auf der Linie von 'Wir sind Europameister' , und wenn heutzutage ein Ruhrpottbischoff versucht gewisse moraltheologische Grundsätze seiner Kirche in Bezug aufs nicht-kirchliche, öffentliche Leben anzuwenden, wird er völlig zurecht kritisiert, weshalb sie auch einiges leiser als vor ein paar Jahrzehnten sind. Aber ich sehe im Fall dieser Institution kein Zeichen eines bewussten Wertewandels, oder eines Willens zur Kompromißfindung. Sie haben schlicht beschlossen die Zeichen der Zeit zu ignorieren, und sind nicht mehr kompatibel mit moderneren Werten.
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon Vollbreit » Mo 30. Jul 2012, 10:07

blauregen hat geschrieben:Stimmt. Kontext ist wichtig bei Polemiken. Wenn ein Prominenter wie Dawkins oder Dennett polemisch wird, dann halte ich das für durchaus geplant. Der Mann will in dem Fall ( ausser Geld verdienen ) vor allem auch provozieren und Aufmerksamkeit für seine Position wecken. Das ist, denke ich, auch ein bewusster Versuch die tradierte Achtung vor Religionen ins öffentliche Bewustsein zu rücken und als unbegründet zu enthüllen.


Und in Amerika, kann ich es auch verstehen.
Was allerdings hier so viele von dieser Idee begeistert, kann ich weniger nachvollziehen.
Die andere Tendenz die ich bedenklich finde, ist die Biologisierung des Diskurses, dazu habe ich aber schon einen eigenen Thread aufgemacht.

blauregen hat geschrieben:Eh, ja und nein. Es kommt auf den Zeitraum an den du betrachtest. Zum gesellschaftlichen Einfluss religiöser Institutionen im letzten Jahrhundert in Deutschland würde ich gerne einen Zeitzeugen (http://www.cicero.de/berliner-republik/heiner-geissler-interview-katholische-amtskirche-vom-leben-abgemeldet/48587) anführen:

Heiner Geißler hat geschrieben:Bis in die 60er, 70er Jahre sehr wohl. Es war die Zeit, als am Wahlsonntag von der Kanzel der katholischen Kirche herab Bischofsbriefe verlesen wurden, in denen zur Wahl der CDU aufgerufen wurde.


Okay, kann sein. Ich habe mir auch mal von einem Zeitzeugen erzählen lassen, wie das politische Klima in den 60ern war, konnte ich mir schon kaum noch vorstellen, zum Glück.
Würde ich also so gelten lassen, nur sind sicher nicht alle Brights in den 60ern sozialisiert und die konservative Wende kurz nach der Jahrtausendwende, war m.E. eine Reaktion auf dieses merkwürdige postmoderne Klima, das Pluralismus und Toleranz mit lauwarmem oder explizitem Desinteresse am anderen verwechselte.

blauregen hat geschrieben:Es hätte zwar idealerweise kaum Schnittmengen geben sollen, aber speziell die katholische Kirche hat ihren institutionalisierten Einfluß nach Kräften genutzt um in Deutschland Politik zu machen. Das entspricht einfach ihrem Selbstverständnis. Die haben bis zum zweiten vatikanischen Konzil gebraucht, um immerhin pro forma anzuerkennen, dass weltliche Regierungen sich nicht am katholischen Moralkodex zu orientieren haben.


Aber irgendwann haben sie es dann geschafft.
Dass das jetzt wieder kassiert werden soll, ist allerdings auch Teil der ganzen Geschichte.

blauregen hat geschrieben:Dass das traditionsbedingt kaum thematisiert wurde, betrachte ich, im Sinne einer Trennung von Staat und KIrche nicht als positiv. Zugegeben, wir sind seitdem einen ziemlichen Schritt weiter. Die 'Wir sind Papst'-Schlagzeilen' anlässlich Ratzingers Beförderung waren eher auf der Linie von 'Wir sind Europameister' , und wenn heutzutage ein Ruhrpottbischoff versucht gewisse moraltheologische Grundsätze seiner Kirche in Bezug aufs nicht-kirchliche, öffentliche Leben anzuwenden, wird er völlig zurecht kritisiert, weshalb sie auch einiges leiser als vor ein paar Jahrzehnten sind.


Sehe ich auch so. Religion hat heute eher Eventcharakter, man findet sie cool, ohne selbst (allzu) religiös zu sein. Immer mehr treten aus den Kirchen aus, zugleich konstatieren Umfragen ein immer größere spirituelle Sehnsucht.

blauregen hat geschrieben: „ Aber ich sehe im Fall dieser Institution kein Zeichen eines bewussten Wertewandels, oder eines Willens zur Kompromißfindung. Sie haben schlicht beschlossen die Zeichen der Zeit zu ignorieren, und sind nicht mehr kompatibel mit moderneren Werten.


Schwierige Aufgabe für die Kirche.
Die müssen in Bolivien annähernd dasselbe verkünden, wie in Belgien und wenn es eine Kirchenlehre für die industrialisierte Welt gibt und eine für die Entwicklungsländer, dann wirft das irgendwann auch Fragen auf. Die Kirche kann den Blutverlust in Europa momentan überkompensieren, die Frage ist, ob sie nicht besser als viele andere verstanden haben, dass es wichtiger sein könnte die Gebärmütter zu erobern als die Köpfe?
Wir diskursen uns zu Tode, die anderen kriegen die Kinder.

Das geht ja jetzt schon nicht mehr gut, der Kern der ganzen europäischen Wirtschaftskrise ist auch (nicht nur!) ein demographisches Problem. Aus diesem Grund wird man da auch nicht wirklich rauskommen, ob man noch mal 10 Jahre rettet ist dabei eher marginal.
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon blauregen » Mo 30. Jul 2012, 11:29

Vollbreit hat geschrieben:Und in Amerika, kann ich es auch verstehen.
Was allerdings hier so viele von dieser Idee begeistert, kann ich weniger nachvollziehen.


Auch hierzulande ist der Herr Pfarrer immer noch gelegentlich eine Autoritätsfigur, und im Gegensatz zum Beispiel zur Frau Doktor oder zum Herrn Ingenieur, nicht nur eine fachliche Autorität, sondern eine ethisch-moralische. Wenn man jetzt berücksichtigt, dass sich diese Autorität vom atheistischen Standpunkt her von Wahnvorstellungen ableitet, dann wird das für mich nachvollziehbar.

In den USA sind sie, teilweise in Reaktion auf die empfunde Bedrohung durch den Islam, einfach stärker politisiert.

Vollbreit hat geschrieben:Die andere Tendenz die ich bedenklich finde, ist die Biologisierung des Diskurses, dazu habe ich aber schon einen eigenen Thread aufgemacht.


Ja, ich glaube da kam es zu einigen Ebenen-und Kontextverwechslungen. Was ich interresant finde, ist das die biologistische Perspektive eine mögliche Grundlage für das oft postulierte 'natürliche Sittengesetz', auf das zum Beispiel C.S. Lewis seine Argumentation gründet, liefert.

Vollbreit hat geschrieben:Okay, kann sein. Ich habe mir auch mal von einem Zeitzeugen erzählen lassen, wie das politische Klima in den 60ern war, konnte ich mir schon kaum noch vorstellen, zum Glück.
Würde ich also so gelten lassen, nur sind sicher nicht alle Brights in den 60ern sozialisiert


Ich hatte Gründe mich ein wenig mit der historisch Perspektive zu beschäftigen.


Vollbreit hat geschrieben:Sehe ich auch so. Religion hat heute eher Eventcharakter, man findet sie cool, ohne selbst (allzu) religiös zu sein. Immer mehr treten aus den Kirchen aus, zugleich konstatieren Umfragen ein immer größere spirituelle Sehnsucht.


Damit kann ich leben. Spirituelle Betätigung bedingt keinen Autoritätsanspruch. Die betrachte ich als die Privatsache eines Einzelnen.

Vollbreit hat geschrieben:Schwierige Aufgabe für die Kirche.
Die müssen in Bolivien annähernd dasselbe verkünden, wie in Belgien und wenn es eine Kirchenlehre für die industrialisierte Welt gibt und eine für die Entwicklungsländer, dann wirft das irgendwann auch Fragen auf. Die Kirche kann den Blutverlust in Europa momentan überkompensieren, die Frage ist, ob sie nicht besser als viele andere verstanden haben, dass es wichtiger sein könnte die Gebärmütter zu erobern als die Köpfe?


Es ist wahr dass sie sowohl absolut als auch relativ zugelegt haben. Aber Aufklärung und Industrialisierung schreiten auch in den Entwicklungsländern fort, und ich zumindest sehe nicht wie ihre Inflexibilität sie langfristig attraktiver macht.
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon mat-in » Mo 30. Jul 2012, 13:26

blauregen hat geschrieben:Nunja, was ich an Argumenten ausmachen konnte,nämlich dass die Beschneidung ( für ihn ) nicht traumatisch war,
Ich würde mal vermuten, da sagt ein Psychologe nachdem er ein gutachten erstellt hat was anderes... es muß einem ja nicht bewußt sein, das man traumatisert wurde, damit es Auswirkungen hat und normal sozialisiert zu sein scheint er ja nicht, so wie er da gegen Leute die rationale Argumente vorbringen und es nüchtern diskutieren wollen geifert... aber gut, da unsterstell ich jetzt was, das ich nicht qualifiziert bin zu unterstellen.

blauregen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Was erwartet ihr? Einen Kotau aller Gläubigen, verbunden mit dem Dank, dass ihr ihnen die Welt erklärt? Die Geste, die von vielen Brights ausgeht, bis hinauf in die Spitze der Organisation ist – und hier muss ich Dich, Nanna, ausdrücklich ausnehmen –, ist Arroganz, gepaart mit der Bekundung an einer Diskussion absolut kein Interesse zu haben.
Die Brights sind, wie die verschiedenen Religionen, eine Weltanschaungsgemeinschaft und da ist es ziemlich normal, dass zum Zwecke der Demarkation und zur Stärkung der Gruppenidentität, die konkurrierenden Gruppen lächerlich gemacht und verhöhnt werden.
Mit dem Unterschied, daß es meist Spott ist, der auf Mittelalterliche Mißsstände die bahr jeder Realität sind aufmerksam macht, und nicht (selten) spott um des spottens Willen. Auch denke ich nicht, daß es da um Gruppenbildung geht, sonst gäbe es nicht ein Dutzend mehr/weniger Atheistischer/Freidenker/Humanistenorganisationen. Brights, HVD, IBKA, BfG, ZdeM, GBS, ... und das wäre längst eine Gruppe. Vielleicht wirkt aber eine diesen Gruppen gemeinsame mehr oder weniger konsequente Anwendung von "Verstand" nach außen hin so als hätten alle eine Meinung?
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon blauregen » Mo 30. Jul 2012, 15:10

mat-in hat geschrieben:Ich würde mal vermuten, da sagt ein Psychologe nachdem er ein gutachten erstellt hat was anderes... es muß einem ja nicht bewußt sein, das man traumatisert wurde, damit es Auswirkungen hat und normal sozialisiert zu sein scheint er ja nicht, so wie er da gegen Leute die rationale Argumente vorbringen und es nüchtern diskutieren wollen geifert... aber gut, da unsterstell ich jetzt was, das ich nicht qualifiziert bin zu unterstellen.


Möglich. Therapeutisch arbeitende Psychologen werden allerdings in ihrer Ausbildung oft davor gewarnt Ferndiagnosen anhand kurzer Textstücke zu stellen.

mat-in hat geschrieben:Mit dem Unterschied, daß es meist Spott ist, der auf Mittelalterliche Mißsstände die bahr jeder Realität sind aufmerksam macht, und nicht (selten) spott um des spottens Willen.


Dann muss ich eine Schieflage in meinen Auswahlkriterien haben. Der Spott der mir so auffällt, hebt meistens auf einen angenommenen Ralitätsverlust, der sich in Wahnvorstellungen von unsichtbaren Freunden und Ähnlichem zeigt, ab. Das wird in Gegensatz zum Weltbild des Spottenden gesetzt, der keine derartig abergläubischen und unbegründbaren Ideen hat, und daher einen überlegenen Realitätsbezug besitzt. Kritik realer Mißstände sehe ich mehr als Teil der Argumentation.

mat-in hat geschrieben:Auch denke ich nicht, daß es da um Gruppenbildung geht, sonst gäbe es nicht ein Dutzend mehr/weniger Atheistischer/Freidenker/Humanistenorganisationen. Brights, HVD, IBKA, BfG, ZdeM, GBS, ... und das wäre längst eine Gruppe. Vielleicht wirkt aber eine diesen Gruppen gemeinsame mehr oder weniger konsequente Anwendung von "Verstand" nach außen hin so als hätten alle eine Meinung?


Die Existenz ähnlicher Gruppen ändert nichts daran dass es die Gruppe 'Die Brights' gibt, und das sich Leute die sich dieser Gruppe zugehörig fühlen gegen andere Gruppen abgrenzen. Die Abgrenzung erfolgt natürlichweiser nicht primär gegen verwandte Gruppen, sondern gegen solche die gegensätzliche Ziel verfolgen. Tatsächlich würde ich erwarten dass die meisten der von dir genannten Gruppen sich in der Abgrenzung sogar solidarisieren, solange eine starke gegensätzliche Gruppe existiert.

Das ist keine einmalige Eigenschaft von Atheisten/Humanisten/freidenkern. Es gibt auch eine Unzahl christlicher Konfessionen mit unvereinbaren Glaubenssätzen ( und damit haben wir nur eine der Weltreligionen ). Das verhindert nicht dass sie im Kontext des Vergleichs mit anderen Weltanschaungsgemeinschaften oft als 'die Christen' wahrgenommen werden, und sich gegenüber den Gottlosen abgrenzen.
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon Vollbreit » Di 31. Jul 2012, 07:12

blauregen hat geschrieben:Auch hierzulande ist der Herr Pfarrer immer noch gelegentlich eine Autoritätsfigur, und im Gegensatz zum Beispiel zur Frau Doktor oder zum Herrn Ingenieur, nicht nur eine fachliche Autorität, sondern eine ethisch-moralische. Wenn man jetzt berücksichtigt, dass sich diese Autorität vom atheistischen Standpunkt her von Wahnvorstellungen ableitet, dann wird das für mich nachvollziehbar.


Ja, so war es früher und ist es vielleicht teilweise noch in sehr ländlichen Regionen, dass die Autoritäten, Pfarrer, Lehrer oder Arzt waren.
Wahnvorstellungen sind es übrigens nicht, auf die sich religiöse Menschen da oft berufen, bzw. man müsste den Einzelfall prüfen.

blauregen hat geschrieben:In den USA sind sie, teilweise in Reaktion auf die empfunde Bedrohung durch den Islam, einfach stärker politisiert.


Kann gut sein.

blauregen hat geschrieben:Ja, ich glaube da kam es zu einigen Ebenen-und Kontextverwechslungen. Was ich interresant finde, ist das die biologistische Perspektive eine mögliche Grundlage für das oft postulierte 'natürliche Sittengesetz', auf das zum Beispiel C.S. Lewis seine Argumentation gründet, liefert.


Ich kenne Lewis‘ Argumentationen hierzu leider nicht.

blauregen hat geschrieben:Damit kann ich leben. Spirituelle Betätigung bedingt keinen Autoritätsanspruch. Die betrachte ich als die Privatsache eines Einzelnen.


Zumindest nicht vordergründing. Und es gibt genügend spirituelle Techniken, die vollkommen unabhängig vom Weltbild sind.

blauregen hat geschrieben:Es ist wahr dass sie sowohl absolut als auch relativ zugelegt haben. Aber Aufklärung und Industrialisierung schreiten auch in den Entwicklungsländern fort, und ich zumindest sehe nicht wie ihre Inflexibilität sie langfristig attraktiver macht.


Durch die Ordnung, die Religionen vermitteln.
Dieser Aspekt wird häufig nur negativ gesehen und demzufolge unterschätzt.
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon stine » Di 31. Jul 2012, 08:35

blauregen hat geschrieben:Aber Aufklärung und Industrialisierung schreiten auch in den Entwicklungsländern fort, und ich zumindest sehe nicht wie ihre Inflexibilität sie langfristig attraktiver macht.


Flexibilität hat auch ihre Schattenseiten. Wer haltlos durch die Gegend taumelt, könnte schnell den Boden unter den Füßen verlieren. Wer keine Rückbindung hat, der kann sich auch nicht lösen, das darf man nicht unterschätzen.

:ja: stine
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon blauregen » Di 31. Jul 2012, 10:20

Vollbreit hat geschrieben:Ja, so war es früher und ist es vielleicht teilweise noch in sehr ländlichen Regionen, dass die Autoritäten, Pfarrer, Lehrer oder Arzt waren.
Wahnvorstellungen sind es übrigens nicht, auf die sich religiöse Menschen da oft berufen, bzw. man müsste den Einzelfall prüfen.


Naja.Man müsste prüfen ob es Wahnvorstellungen sind.Wenn ich mal den aus der Wiki geklauten Satz:

Wikipedia hat geschrieben: Der Wahn ist eine die Lebensführung behindernde Überzeugung, an der der Patient trotz der Unvereinbarkeit mit der objektiv nachprüfbaren Realität unbeirrt festhält.


nehme, dann wird es kompliziert. Ich habe ja selbst ein paar Überzeugungen die mit der objektiv nachprüfbaren Realität zumindest nicht begründbar sind. Ich sehe zum Beispiel keinen guten Grund warum es Menschenwürde, aber keine Bonobowürde, Meerschweinchenwürde, Forellenwürde oder Kolibriwürde geben sollte (Ich glaube der eine oder andere Tierschützer tut das auch nicht). Trotzdem denke ich dass das Konzept das Zusammenleben sehr erleichtert und verhalte mich dementsprechend als glaube ich dass Menschen eine objektiv reale Eigenschaft 'Würde' hätten. Und da ich nur selten objektiv überprüfen kann, ob jemand an die Dogmen seiner Religion oder die Wahrheit seines übernatürlichen Konzepts - vielleicht nur unterbewusst - glaubt, oder sich einfach nur so verhält als ob, weil sie es für nützlich hält, muss ich mich in der Beurteilung darauf beschränken ob es die Lebensführung behindert. Es gibt z.B. durchaus Leute die eine Menge Befriedigung und Motivation aus der Annahme einer imaginären Vaterfigur, oder aus der beruhigenden Idee, dass das Rad des Lebens einem irgendwann ein neues Spiel gibt, ziehen. In dem Fall wären es nur liebgewonnene Illusionen.

Die Gefahren dieser Illusionen werden ja dankenswerterweise von der atheistischen Seite hinreichend hervorgehoben. Persönlich habe ich nichts dagegen. Wenn der Glaube dass der große grüne Arkelanfall dass Universum ausgeniesst hat, und dass die baldige Ankunft des großen,weissen Taschentuchs bevorsteht, dich glücklich macht und motiviert netter zu deinen Mitmenschen zu sein, dann freue ich mich für dich. Wenn du daraus Autorität ableitest anderen Vorschriften zu machen, dann könnten wir Probleme haben. Und weil das zumindest die großen Religionen tun, und weil deren Vorschriften in wichtigen Teilen weder mit meinen Wertvorstellungen, noch mit meinen Interessen vereinbar sind, bin ich dagegen dass diese angemaßte Autorität anerkannt wird.

Nicht dass Priester nicht auch heute noch nützlich sein könnten. Seelsorge überschneidet sich schliesslich oft mit Psychotherapie. Aber andererseist haben wir auch in dem Bereich dazugelernt. Was würdest du von dem Vorschlag halten, dass Seelsorger in Zukunft eine minimale therapeutische Qualifikation, sagen wir Heilpraktiker für Psychotherapie, vorweisen müssen, bevor sie seelsorgen dürfen? Auf diese Weise könnten sie ihrem Amt nachkommen, und könnten sich dabei auf eine Autorität berufen, die zumindest auf real beobachtbaren Phänomenen,anstatt auf nur postulierten übernatürlichen Enitäten beruht.

Vollbreit hat geschrieben:Durch die Ordnung, die Religionen vermitteln.
Dieser Aspekt wird häufig nur negativ gesehen und demzufolge unterschätzt.


Naja. Ich denke es wird häufig eher so gesehen, dass alternative Ansätze wie Aufklärung und ordentliche Erziehung dieselben Vorteile wie Religionen hätten, aber wesentlich weniger Nachteile. Aber das meinte ich nicht.

Missionierung in unterentwickelten Ländern profitiert, denke ich, sehr vom kulturellen und technologischen Vorsprung. Der Missionar aus den entwickelten Ländern bringt ja Sachen wie Antibiotika, bessere Erntemethoden , Hygiene und Ähnliches mit sich, die dann mit seiner Religion assoziiert werden. Damit schreibt der Missionar, vielleicht unwissentlich, einen Scheck aus, den seine Religion nicht einlösen kann. Es sind ja nicht Jesus Christus oder der Boddhisattva Maytrea, die kommen um die Infrastruktur zu verbessern, die Versorgung zu sichern, den Lebensstandard zu erhöhen und den Bildungsstand anzuheben, sondern ganz weltliche Ingenieure, Ärzte, Ökonomen,Lehrer und andere Spezialisten. Und mit steigendem Bildungsstand wird dieser Umstand den frisch Bekehrten, oder ihren Kindern mehr bewusst, und Religion verliert wieder an Bedeutung. Das macht diese Strategie nur kurzfristig erfolgreich.

Stine hat geschrieben:Flexibilität hat auch ihre Schattenseiten. Wer haltlos durch die Gegend taumelt, könnte schnell den Boden unter den Füßen verlieren. Wer keine Rückbindung hat, der kann sich auch nicht lösen, das darf man nicht unterschätzen.


Wenn man der anderen Seite nicht fähig ist dem sich bewegenden Boden zu folgen, findet man sich möglicherweise in beträchtlicher Höhe baumelnd vor, und hat gute Chancen sich beim Fall schwer zu verletzten, wenn man mal beschliesst sich zu lösen.
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Re: Beschneidung zu religiösen Zwecken und die Politik

Beitragvon Vollbreit » Di 31. Jul 2012, 11:30

blauregen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ja, so war es früher und ist es vielleicht teilweise noch in sehr ländlichen Regionen, dass die Autoritäten, Pfarrer, Lehrer oder Arzt waren.
Wahnvorstellungen sind es übrigens nicht, auf die sich religiöse Menschen da oft berufen, bzw. man müsste den Einzelfall prüfen.


Naja.Man müsste prüfen ob es Wahnvorstellungen sind.Wenn ich mal den aus der Wiki geklauten Satz:

Wikipedia hat geschrieben: Der Wahn ist eine die Lebensführung behindernde Überzeugung, an der der Patient trotz der Unvereinbarkeit mit der objektiv nachprüfbaren Realität unbeirrt festhält.


nehme, dann wird es kompliziert. Ich habe ja selbst ein paar Überzeugungen die mit der objektiv nachprüfbaren Realität zumindest nicht begründbar sind. Ich sehe zum Beispiel keinen guten Grund warum es Menschenwürde, aber keine Bonobowürde, Meerschweinchenwürde, Forellenwürde oder Kolibriwürde geben sollte (Ich glaube der eine oder andere Tierschützer tut das auch nicht). Trotzdem denke ich dass das Konzept das Zusammenleben sehr erleichtert und verhalte mich dementsprechend als glaube ich dass Menschen eine objektiv reale Eigenschaft 'Würde' hätten.


Der andere gangbare Weg wäre freilich, sich vom Begriff der „objektiven Eigenschaften“ zu trennen oder überhaupt vom Begriff der Objektivität hinter allem. Man kann diesen Begriff auf bestimmte Bereiche mit Erfolg beschränken, bspw. finden die olympischen Spiel aktuell objektiv in London statt und nicht in Berlin, aber schon in der Konzeption der Psychiatrie wird es schwierig den Begriff der objektiven Wirklichkeit anders als durch Zeugenaussagen zu rechtfertigen.

Man muss freilich aufpassen, dabei das Kind nicht mit dem Bad auszuschütten.

blauregen hat geschrieben:Und da ich nur selten objektiv überprüfen kann, ob jemand an die Dogmen seiner Religion oder die Wahrheit seines übernatürlichen Konzepts - vielleicht nur unterbewusst - glaubt, oder sich einfach nur so verhält als ob, weil sie es für nützlich hält, muss ich mich in der Beurteilung darauf beschränken ob es die Lebensführung behindert. Es gibt z.B. durchaus Leute die eine Menge Befriedigung und Motivation aus der Annahme einer imaginären Vaterfigur, oder aus der beruhigenden Idee, dass das Rad des Lebens einem irgendwann ein neues Spiel gibt, ziehen. In dem Fall wären es nur liebgewonnene Illusionen.


Komplizierterweise kann es aber der Lebensführung des einen nutzen und die des anderen behindern. Dann kommen Konzepte wie die dickeren Arme, die größere Zahl oder die besseren Argumente oder mehr Rücksicht (und dann irgendwann auch die Würde) überhaupt erst ins Spiel.

blauregen hat geschrieben:Die Gefahren dieser Illusionen werden ja dankenswerterweise von der atheistischen Seite hinreichend hervorgehoben. Persönlich habe ich nichts dagegen. Wenn der Glaube dass der große grüne Arkelanfall dass Universum ausgeniesst hat, und dass die baldige Ankunft des großen,weissen Taschentuchs bevorsteht, dich glücklich macht und motiviert netter zu deinen Mitmenschen zu sein, dann freue ich mich für dich. Wenn du daraus Autorität ableitest anderen Vorschriften zu machen, dann könnten wir Probleme haben.


Die Problematik dahinter, die gerne ausgeblendet wird, ist aber, dass über lebensweltlichen Realismus hinaus, über den man sich kaum streiten kann, weil die Mehrheit kaum wüsste, wie man darüber überhaupt streiten könnte (ich könnte behaupten, die olympischen Spiele würden gar nicht in London stattfinden und das wäre alles ein Riesenfake, inszeniert von Hollywood. Jeden „Beweis“ deute ich als Verschwörung und da bliebe nur die Unterredung mit mir irgendwann aufzugeben.).
Das wird wirklich schnell verrückt.

Nur bleiben wir in der Regel da nicht stehen und dann kommen wir schnell zu Konzepten, die supernaturalstischer sind, als auch Naturalisten es haben wollen und jedes: Jetzt mal wieder zurück zu den Fakten oder der Realität ist eben KEIN Zurück zu Quantenwelten und Dopaminausschüttungen, sondern zur Lebenswirklichkeit die bereits im hohen bis höchsten Maße Konstrukt ist. Angefangen von der Sinnesphysiologie und erst recht erweitert durch die Weltbilder.
Könnte man wirklich rationalerweise nur eines haben, würde genau das der Fall sein und ein Streit könnte gar nicht erst stattfinden. Tut er aber.

blauregen hat geschrieben:Und weil das zumindest die großen Religionen tun, und weil deren Vorschriften in wichtigen Teilen weder mit meinen Wertvorstellungen, noch mit meinen Interessen vereinbar sind, bin ich dagegen dass diese angemaßte Autorität anerkannt wird.


Das ist ja soweit nachvollziehbar und Dein gutes Recht, nur kommst Du dabei mit einem Rückgriff auf Deine Würde vermutlich weiter, als durch einen Rückgriff auf Gene, Quanten und Hirngewitter.

blauregen hat geschrieben:Nicht dass Priester nicht auch heute noch nützlich sein könnten. Seelsorge überschneidet sich schliesslich oft mit Psychotherapie. Aber andererseist haben wir auch in dem Bereich dazugelernt. Was würdest du von dem Vorschlag halten, dass Seelsorger in Zukunft eine minimale therapeutische Qualifikation, sagen wir Heilpraktiker für Psychotherapie, vorweisen müssen, bevor sie seelsorgen dürfen? Auf diese Weise könnten sie ihrem Amt nachkommen, und könnten sich dabei auf eine Autorität berufen, die zumindest auf real beobachtbaren Phänomenen,anstatt auf nur postulierten übernatürlichen Enitäten beruht.


Ich halte die Fähigkeit zu glauben nicht für pathologisch, sondern für gesund.
Soweit ich das verstanden habe, entspringt der Glaube derselben Quelle die Moral, Wissenschaft, Liebe, Kunst. Im Wesentlichen geht es dabei um die Beobachtung Winnicotts, dass ein kleines Kind in der Lage ist die momentane (an sich bedrohliche) Abwesenheit der Mutter zu kompensieren, indem es andere Objekte (Decke, Stofftier oder so etwas) emotional (libidinös) besetzt.
Es ist das Wechselspiel einer nicht perfekten, aber genügend guten, Mutter, die es dem Kind erlaubt, die Abwesenheit der Mutter emnotional zu tolerieren und so allmählich die vom Kind ausgehende Spaltung der Mutter und der Welt (und des Ersatzobjektes) in nur gute und nur böse Komponenten zu überwinden. So entsteht im Kind, in seiner Psyche, eine immer komplexere, ambivalentere Welt, gleichzeitig auch eine immer virtuellere immer stärker konstruierte.
Das ist nicht der einzige Punkt, aber dies ist eine wesentliche Quelle von Religion, Kunst, Moral, Liebe, Wissenschaft auch Ersatzobjekte libidinös zu besetzen und dies unterminiert die Deutung Freuds, das alles seien einzig und allein Ersatzhandlungen, weil man den Verlust des primären Objektes nicht überwinden kann.
Freud glaubte irrtümlich, er irrte sich auch bezüglich der Liebe, dass es vereinfacht gesagt, im Ich eine Gesamtsumme von 100 Libidopunkten gäbe und das jede Besetzung eines anderen Objekts eine Ich-Schwäche zur Folge haben müsste, darum kam Freud auch bei der Liebe nie wirklich über die Deutung der Liebe als eines neurotischen Zustandes hinaus.
Heute sieht man das fundamental anders und weiß, dass eine emotionale Besetzung eines anderen Menschen, aber eben auch ein Interesse was über das narzisstische Kochen in der eigene Suppe (Wie komme ich an?, Wie sehen mich die anderen?, Warum erkennt keiner wie großartig ich bin?; diverse Krankheitssymptome hypochondrischer Ausprägung – auch hierbei dreht es sich bei allem Leid immer nur um mich; Sich ständig gemeint fühlen; Phantasien, dass sich andere in ihre Phantasien vor allem mit mir beschäftigen…) hinausgeht, das Ich stabilisiert und nicht schwächt.

Innerhalb all dessen, kann man Idealisierungen zu weit treiben, kann auch wieder paranoide Ideen bspw. auf Religion oder sonst etwas projizieren und damit eigene Paranoia zu legitimieren versuchen, aber das müsste man dann wieder gesondert untersuchen.
Die meisten kommen bis zu dieser Stufe der Differenzierung aber gar nicht erst.

Ansonsten ist die Idee, dass auch Seelsorger pychologische Kompetenzen haben sollten, sicher nicht hinderlich.


blauregen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Durch die Ordnung, die Religionen vermitteln.
Dieser Aspekt wird häufig nur negativ gesehen und demzufolge unterschätzt.


Naja. Ich denke es wird häufig eher so gesehen, dass alternative Ansätze wie Aufklärung und ordentliche Erziehung dieselben Vorteile wie Religionen hätten, aber wesentlich weniger Nachteile. Aber das meinte ich nicht.


Das wird oft so gesehen und ist auch einsehbar, dieses Konzept versagt aber oft beim Praxistest.

blauregen hat geschrieben:Missionierung in unterentwickelten Ländern profitiert, denke ich, sehr vom kulturellen und technologischen Vorsprung. Der Missionar aus den entwickelten Ländern bringt ja Sachen wie Antibiotika, bessere Erntemethoden , Hygiene und Ähnliches mit sich, die dann mit seiner Religion assoziiert werden. Damit schreibt der Missionar, vielleicht unwissentlich, einen Scheck aus, den seine Religion nicht einlösen kann. Es sind ja nicht Jesus Christus oder der Boddhisattva Maytrea, die kommen um die Infrastruktur zu verbessern, die Versorgung zu sichern, den Lebensstandard zu erhöhen und den Bildungsstand anzuheben, sondern ganz weltliche Ingenieure, Ärzte, Ökonomen,Lehrer und andere Spezialisten. Und mit steigendem Bildungsstand wird dieser Umstand den frisch Bekehrten, oder ihren Kindern mehr bewusst, und Religion verliert wieder an Bedeutung. Das macht diese Strategie nur kurzfristig erfolgreich.


Dem steht die Behauptung entgegen, dass z.B. religiös motivierter Fundamentalismus eben nicht in den Armenhäusern der Welt entsteht, sondern bei den Satten und Gebildeten. Nicht nur in den Staaten, auch im nahen Osten. Es ist eben nicht der typische Palästinensische Straßenjunge, dessen Haus 5 mal platt gemacht wurde und der die Hälfte der Familie verloren hat und dessen Hass zu verstehen wäre und dessen letzte Hoffnung die Religion oder sogar das Jenseits nicht mal irrational wäre. Es sind die unauffälligen Studenten der Ingenieurswissenschaften, gut genährt und gut angepasst, die sich auf einmal radikalisieren. Hunger und Dummheit (im Sinne von IQ <90), werden das nicht sein.
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