Gandalf hat geschrieben:Es geht nämlich überhaupt nicht darum Ideologien auf Basis von voraus-gedeuteten Fakten zu konstruieren (wie das manche auch hier tun), sondern darum, wissenschafltich streng deduktiv zu begründen, wie Menschen geholfen werden kann, ihre Ziele und Wünsche umzusetzen, - ohne das dies auf Kosten anderer geschehen muss.
Die These des Solidarkonzeptes lautet dementsprechend beispielhaft: Anstatt den Menschen Fische zu schenken, sollte man ihnen beim Bau einer Angel helfen.
Nichts gegen deduktive Systeme, aber auch die müssen den Faktencheck (die Falsifikation) aushalten. Gegen den Grundgedanken, den du hier äußerst, habe ich ja nicht nur nichts, ich pflichte ihm sogar bei. Allerdings glaube ich nicht, dass die Angelbauhilfe allein realistischerweise für eine Gesamtgesellschaft funktionieren kann. Liberalismus und Libertarismus, insbesondere in der anarchischen Spielart, setzen ein hohes Maß an Selbstreflektion, eines, von dem ich behaupte (!), dass die Mehrheit der Menschen damit überfordert ist. Anderen keine Kosten aufzubürden bedeutet ja permanent auch die Interessen Anderer mitdenken zu müssen. Davon sind viele überfordert, manche kapieren es gar nicht, und selbst den Menschen mit bester Absicht ist es nicht immer möglich, die Folgen ihrer Handlungen zu überblicken.
Klar, deine Antwort ist vermutlich, dass sich das Problem lösen ließe, wenn alle Folgen von Handlungen vernünftig eingepreist würden. Ich bezweifle aber, dass das immer geht, das Beispiel mit der unregulierten Autobahn, wo der Drängler sich geschwindigkeitsmäßig bereichert und die Mehrheit mit dem dadurch verursachten Stau kämpfen muss, habe ich ja schonmal gebracht. Anstelle des Staus lassen sich sicher genug andere Beispiele finden, wo eine Handlung, wenn sie nicht künstlich sanktioniert wird, unfaire Vorteile verschafft (also Kosten für Zielerreichungen Anderen aufbürdet). Deshalb bleibe ich dabei, dass es Fälle gibt, in denen Systeme Steuerung brauchen, d.h. eine künstliche Veränderung der Randbedingungen, damit möglichst wenig Kosten bei Nichtverursachern hängen bleiben - weil es eben gerade in unregulierten Systemen gute Möglichkeiten geben kann, sich Vorteile zu erschleichen, u. U. dergestalt, dass die Gemeinschaft geschädigt wird (also alle anderen Teilnehmer ein klein wenig) und es keinen personell identizifierbaren Geschädigten gibt, der Schadensersatz einfordern könnte.
Übrigens, wer bezahlt eigentlich den Angelbauunterricht?
Gandalf hat geschrieben:Das ist weitaus solidarischer, als das Konzept der angeblich so "warmherzigen" kollektivistischen Ideologien. Diese wollen letzlich nur Abhängigkeiten schaffen, um ihren unilateralen Herrschaftsanspruch zu rechtfertigen. "Sozis" z.B. steuern ja nicht mal eigene Hilfe bei, sondern nehmen anderen etwas weg, mit der vorgeblichen 'Begründung, das andere (vornehmlich die eigene Klientel) es nötiger bräuchten - DAS ist (menschenverachtende) Ideologie - und keine wirkliche Solidarität.
Na, wer geht jetzt hier induktiv vor? Du bastelst ja hier jetzt auch eine Theorie anhand unbelegter Fakten, etwa, dass Sozis keine Hilfe beisteuern. Ich denke, die Behauptung ließe sich herausfordern, insbesondere in dieser Ausschließlichkeit.
Mag sein, dass es im Sinne des empowering eines bislang Ohnmächtigen das Solidarischste ist, denjenigen zum Selbsterhalt zu ermächtigen, also durch das metaphorische Erlernen des Angelbauens und -benutzens. Da würde aber wahrscheinlich auch kaum ein "Sozi" widersprechen, ganz im Gegenteil: Der freie Zugang zu Produktionsmitteln ist ja gerade ein Kernziel des Sozialismus. Die Frage ist aber doch, was wir dem Einzelnen aufbürden, um eine Angel zu erhalten. Muss er seine Familie verlassen, in ein anderes Land ziehen, wo es gerade Holz für Angeln gibt, und danach zu lächerlichen Bedingungen Fische fangen, die ihm gerade den Lebensunterhalt ermöglichen? Wer bezahlt für die Straßen, die ihn dorthin bringen und wer garantiert für seine Sicherheit? Und wenn er ausrutscht und mit einem komplizierten Splitterbruch im Straßengraben landet, wer rettet ihn, wenn er kein Geld für seine Genesung bezahlen kann?
Gandalf hat geschrieben:Was diese 'selbstgefälligen Solidarkonzepte' von Gutmenschen in Afrika angerichtet haben und anrichten, kann man ja jeden Tag "in der Zeitung lesen". Kleinbauern müssen ihr Land aufgeben, weil sie durch die "Hilfslieferung der EU" um ihre Existenz gebracht werden und so (egal ob beabsichtigt oder nur "gut gemeint") wieder einen willkommen Nährboden für "unzufriedene Massen" liefern, auf dem kollektivistische Ideologien nur all zu gut gedeihen können.
Hat jemand schonmal verfolgt was mit den "gut gemeinten" Altkleiderspenden geschieht und was diese anrichten?
Die Entwicklungshilfe ist ja nun eines der kontroversesten Forschungsgebiete, aber das heißt nicht, dass jede Form von Entwicklungshilfe automatisch schlecht ist. Auch das Erlernen des Angelrutenbaus ist ja Entwicklungshilfe, die erstmal Ressourcen kostet, die irgendwer bereitstellen muss. Niemand hat gesagt, dass beliebige Solidarkonzepte sinnvoll wären oder dass Solidarkonzepte eine vollbefriedigende Lösung für jedes Problem wären. Aber die Diagnose halte ich für richtig, dass es ohne Solidarkonzepte in vielen Fällen schlechter wäre als ohne.
Gandalf hat geschrieben:Oder hier Äthiopien. Wie eine zentralisitsche Planwirtschaft
Dass ich nicht Äthiopien im Sinn hatte, als ich von Solidarkonzepten sprach, ist nicht ersichtlich gewesen?
Gandalf hat geschrieben:Erzähl mir nichts über Behinderte. Ich habe im engeren Familienkreis selbst zwei Fälle (Ein "Down-Syndrom" kombiniert mit Bullimie und Parkinson kombiniert mit Altersdemenz) und kann Dir aus erster Hand erzählen, wie und wo man sich (nicht) auf die staatliche Vorsorge und werthaltige Versicherungsleistung verlassen kann und wie Leute, die ihr Leben lang gearbeitet haben, dennoch auf die 'Hilfe' ihrer (funktionierenden) Familie angewiesen und sind. Ich kann Dir auch von Pflegeheimen, Selbsthilfegruppen, Tagesschwestern und Betreuungskreisen erzählen, wenn Dich das interessiert!? (und von "Berufs-H4lern" die sich um all die Sachen keinen Kopf machen, weil ihnen der Staat und "Horden" von hoch bezahlten Sozialarbeitern und Beamten "gerne" diese Verantwortung abnehmen)
Mich würde mal interessieren, wie ich in deinem Kopf aussehe. Aber mal von jemandem, der Behinderung aus erster Hand kennt, zu jemandem, auf den das auch zutrifft: Ich habe nicht nur mehrere Pflegefälle im familiären Umfeld kennengelernt, von denen manche im Heim und manche daheim gepflegt wurden, sondern auch über mehrere Jahre einen schwerkranken Menschen selbst häuslich gepflegt und nebenher ein Studium geschmissen und den ganzen Spaß über einen Nebenjob finanziert. Was solche Situationen bedeuten und wie weit (und wie weit nicht) dabei die Hilfe des Staates reicht, ist mir hinlänglich bekannt. Nachdem wir uns jetzt hoffentlich ausreichend unserer persönlichen Erfahrungsschätze versichert haben, würde ich gerne wieder etwas distanzierter herangehen:
Der Staat sorgt für eine Minimalversorgung und kümmert sich besonders um die Fälle, wo es eben keine funktionierende Familie gibt. Hätten wir alle das Glück, in gesunden, loyalen Familienstrukturen zu leben, müsste der Staat sich weniger um "Berufshartzer" kümmern. Die Realität sieht aber anders aus. Den Langzeitarbeitslosen die Unterstützung zu verweigern, wird wenig bringen, außer dass mehr Obdachlose und mehr Verzweiflungskriminalität entstehen wird. Generell stelle ich mir das Leben von Hartz-IV nicht angenehm vor, denn mit der Hilfe kommen eben auch Bevormundung und das Gefühl, nichts wert zu sein. Ich halte es deshalb nur für eine Minderheit, die wirklich findet, dass sie es ganz schlau anstellt, von Hartz-IV zu leben. Die Hilfe kommt aber eben auch und gerade der Mehrheit zugute, die arbeiten wollen würde, fände sie eine Beschäftigung. Manche Probleme dabei sind hausgemacht, ja, das bestreite ich gar nicht, aber der Grundgedanke, und um den geht es mir hier, ist sehr sinnvoll, also dass Leute nicht ins Bodenlose fallen, wenn sie das Pech haben, weder Arbeit noch Familie zu haben. Übrigens ist ja auch die Familie ein Solidarsystem, das nicht Bestandteil des Libertarismus ist.
Gandalf hat geschrieben:Hast du schon mal was davon gehört, das man sich auch privat versichern kann, wenn man will (... es viele aber gerade deshalb 'nicht können', weil ihnen die staatlichen System einfach zu viel von ihrem Einkommen abpresst und so in Abhänigkeit hält? - siehe auch die "Riester-Rente") - und das es zumindest in ländlichen Gegenden noch viele andere Arten von gelebter Solidarität innherhalb der Familie (wie etwa z.B. sowas altmodisches wie "Leibgedinge" auf das Familieneigentum) gibt, die man mit seinen Geschwistern oder Erben frei vereinbaren kann?
Sofern man diese hat, ja. Und ich komme selbst aus einer ländlichen Familie und weiß auch hier sehr genau, wovon du redest. Da reden wir aber, wie gesagt, über traditionale Familienvorstellungen, die selbst nicht Bestandteil des Libertarismus sind, sprich, sofern du auf diese zurückgreifst, lässt du den Libertarismus von Bedingungen zehren, die er selber nicht garantieren kann. Und man kann nunmal nicht entscheiden, in solche Familienstrukturen hineingeboren zu werden. Familie ist eine primordiale, also geburtlich gegebene Eigenschaft. Solidarsysteme zielen ja gerade auf die Unterstützung von Menschen ab, die dieses soziale Netz
nicht besitzen. Klar ist das dann auch nicht die Schuld derer, die in loyaleren, stabileren Verhältnissen leben, aber diese sind nunmal die Starken in der Gesellschaft, die den Schwachen beistehen sollten.
Gandalf hat geschrieben:Die Hobbys, verschiedene Persönlichkeitsenwicklungskurse und unrealistische Spekualtionen mancher Leute kosten erfahrungsgemäß (viel) Geld. Findest Du es gerechtfertigt Kosten für Freizeitbeschäftigung, Lebenserfahrung und Spekulation auf andere (z.B. fleissige Handwerker mit kurzen staatlichen Schulbildungszeiten und die brav ihre Steuern zahlen) abwälzen - also sozialisieren zu dürfen? (Es wird ja häufig unterstellt, das Bänker oder "Intellektuelle allgemein" genau das machen)
Ja und nein. Es gibt, in der Wissenschaft beispielsweise, Zweige, die sind nicht besonders produktiv im volkswirtschaftlichen Sinne. Auch Kultureinrichtungen entfalten einen mehr ideellen als materiellen Nutzen für die Gesellschaft. Ich bin der Meinung, dass kulturelle Werte den allgemeinen Schutz und die Pflege der Gesellschaft verdienen, auch dann, wenn es simple Geister gibt (müssen ja nichtmal zwingend Handwerker sein), denen sich der Mehrwert solcher Einrichtungen nicht erschließt und die trotzdem dafür mitzahlen sollen. Mir ist der Schutz des Individuums wichtig, aber auch die Gesellschaft als Superstruktur bedarf der Pflege und das geht häufig leider über das Verständnis mancher Einzelner hinaus.
Mir ging es aber darum, dass Einzelne z.B. durch die Wahl ihrer Ausbildung, Risiken auf sich nehmen, die zum lebenslangen Ruin führen können. Ich halte es für gerechtfertigt, dass die Gemeinschaft einspringt, wenn jemand sein Studienfach falsch gewählt hat und jetzt ohne richtiges Einkommen dasteht. Es geht mir nicht darum, dass das Kollektiv der individuellen Person ein Einkommen verschafft, das jenseits aller Marktmöglichkeiten liegt, aber zumindest die Chance auf einen Neuanfang sollte die Gesellschaft bieten; wenn das temporäres Durchfüttern mit Hartz-IV bedeutet, dann sei's drum. Ich möchte keine Zustände wie in Chile, eurem vielfach gepriesenen Musterland, wo Studenten mit zehntausenden Euro Kredit ins Berufsleben starten und dann manchmal weniger als tausend Euro Montagsgehalt erhalten (was bedeuten kann, dass z.B. so schlecht verwertbare Studiengänge wie Journalismus ökonomisch gesehen kaum noch Sinn machen, obwohl Journalisten ein Schmieröl für eine freie Gesellschaft sind; und weniger Studenten führen gerade nicht zu einer Marktbereinigung, weil kleine Institute tendentiell noch teurer werden), was bedeutet, dass sie keine Familie gründen und keine Rücklagen bilden können.
Gandalf hat geschrieben:Zunächst: Ich wäre Dir sehr verbunden, wenn Du auf das eingehen würdest (..zu falsifizieren versuchst), was ich geschrieben - und nicht auf Deine, (möglichweise auf einem falschen Wissenschaftsverständnis beruhenden induktiv begründeten Unterstellungen. (Eine Frage die ich schon anderweitig und ganz allgemein aufgeworfen habe und bislang nicht beantwortet wurde. Ich muss wohl demnächst eine Thread dazu eröffnen, um das mal offiziell aufs Tablett zu bringen.)
Ja, tu das bitte.
Gandalf hat geschrieben:Wenn es Dir also Ernst ist, eine nach wissenschaftlichen Kriterien erstellte These zu falsifizieren, dann sollte es Dir nicht schwer fallen, Beispiele, - also deduktiv begründete (Gedanken-)Experimente, - zu erstellen, die zeigen, das eine "auf Zwang beruhende Absprache" mindestens genauso gute Ergebnisse erzielt, wie die behauptete "Freiwillige"!?
Zwangsabsprachen kommen besonders dann zum Tragen, wenn freiwillige Absprachen erst gar nicht zustande kommen können. Das gilt immer da, wo entweder Einzelne unverhältnismäßig viele Ressourcen (Machtmittel) besitzen, die eine derart starke strukturelle Schieflage erzeugen, dass die Schwächeren zwar vielleicht nominell, aber de facto nicht mehr frei sind. In dem Fall können Zwangsabsprachen (künstlich veränderte Randbedingungen) die Blockade aufbrechen, so dass ein Funktionieren des Systems wieder gewährleistet ist. Beispiele wären Mono- und Oligopole.
Der andere Fall, wo solche Zwangsabsprachen regelmäßig sinnvoll sind, ist der, dass zu viele Spieler beteiligt sind, um alle Einzelinteressen verhandeln und berücksichtigen zu können. Der Straßenverkehr wäre eine Katastrophe, müsste das Verkehrsministerium mit jedem Fahrer einzeln Verkehrsregeln aushandeln, unmöglich wäre es zudem, einen einheitlichen Katalog zu erstellen. Die Zwangsstandardisierung führt hier überhaupt erst dazu, dass Straßenverkehr stattfinden kann. Auch bei Industriestandards kann das zwangsweise Vorgeben eines Standards (einheitliche Handyladegeräte beispielsweise) dazu führen, dass Wettbewerb überhaupt erst stattfindet.
Ich sage nicht, dass Zwangsabsprachen den freiwilligen grundsätzlich vorzuziehen sind, sondern das beide ihren eigenen Gültigkeitsbereich haben, in dem sie besser funktionieren als die jeweils andere Möglichkeit.
Gandalf hat geschrieben:Ich habe hier ausdrücklich und mehrfach Gründe angeführt, das auch Gemeinschaften funktionieren (können), ohne das vorher Bezahlung angekündigt wird!? Sei es nun innerhalb Familien oder am anarchisch organisierten Gruppen, wie "nicht eingetragenen Vereinen"!?
Ja, aber das sind alles Kleingruppen, deren Funktionieren sich nicht so einfach auf die Gesamtgesellschaft übertragen lässt. Zudem gibt es auch in solchen Gruppen Zwangssysteme, die über weichere, weniger sichtbare, aber deshalb nicht unbedingt weniger wirksame soziale Sanktionen ausgeführt werden, als bei juristisch eindeutig kodifizierten Zwängen. Gerade Familien sind auch dafür bekannt, häufig dysfunktional zu sein. Natürlich
können solche Gemeinschaften funktionieren, das bestreite ich nicht und das ist ja auch nicht der Punkt. Interessant ist ja viel mehr der Punkt, wo diese Gruppen eben
nicht mehr funktionieren. Was passiert dann?
Gandalf hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Gesamtgesellschaftlich kann es aber sinnvoll sein, zwangsfinanzierte Zwangssysteme zu haben (auch das Justizsystem gehört dazu, deine Gerichtsgebühren musst du zahlen, ob du willst oder nicht), die die Stabilität des gesamten Systems garantieren. Da werden wir aber auch nicht auf einen grünen Zweig kommen, weil du Herrschaft als destabilisierend siehst und ich als notwendige (nicht hinreichende) Bedingung für Stabilität.
Einfach nur eine weitere (persönliche) Unterstellung. Unabhängig davon, das es auch bei uns in D mittlerweile z.B. (private) "Scharia-Schiedsgerichte" gibt, die z.B. bei zivilrechtlichen Streitfragen auch von der Justiz anerkannt werden, so sie denn überhaupt dort bemerkt werden.
Diese Scharia-Schiedsgerichte gelten nur in einem sehr begrenzten Rahmen, genauso wie die Mediationsverfahren, die ja auch von gerichtlicher Seite wegen der Arbeitslast ausdrücklich gewünscht sind. Im Zweifel, wenn die Parteien sich aber eben nicht einigen können, braucht es dann doch das staatliche Gerichtssystem mit dem Gewaltmonopol im Rücken, das eine durch geltendes Recht standardisierte Entscheidung fällen und durchsetzen kann.
Gandalf hat geschrieben:These: Herrschaft, die sich der Kontrolle und damit 'negativer Rückkoppelung' durch die Beherrschten entzieht, wirkt stets destabilisierend, da sie sich als "externer Faktor" verselbständigt und sich selbst verstärkende positive Rückkopellungen den Haushalt
Das war doch der ursprüngliche Sinn der Demokratie: Kontrolle und Transparenz der Herrschenden - also für 'Regelgerechtigkeit zu sorgen und nicht für 'Tauschgeschäfte', die für Privilegien von A+B sorgen, wenn gleichzeitig C+D andere Privilegien bekommen.
Das ist sicherlich ein Demokratieverständnis, das auch meinem erstmal sehr nahe kommt. Allerdings wird es da haarig, wo "Privilegien" primär ein Nachteilsausgleich sind. Die Idee dahinter ist ja, Menschen mit ungünstigen Startbedingungen so weit weiterzuhelfen, dass sie in ihrem Leben realistischerweise eine Chance haben, zumindest in die Nähe dessen zu kommen, was Anderen einfach zufliegt (oder an diesen Punkt zurückzukehren, wenn sie einen Schicksalsschlag hinnehmen mussten). Regelgerechtigkeit könnte (Konjunktiv, einfach, um den Gedanken mal zuzulassen) hier eben auch beinhalten, dass die Einzelnen befähigt werden, in vergleichbarer Weise von den Regeln Gebrauch zu machen. Sonst gilt schnell das alte Prinzip, nach dem dem gegeben wird, der schon hat, usw.
Gandalf hat geschrieben:staatliche Justiz:
[...]
Frage: Inwieweit können auch private Schiedsgerichte diese Aufgabe (nicht)- übernehmen?
Nicht mehr heute, ok? Ich muss ins Bett.
Gandalf hat geschrieben:Jeder hat ein Recht auf eine eigene Meinung, aber niemand eines auf eigene Fakten.
Dieser Sinnspruch legt imho einen kapitalen Denkfehler bei Dir nahe, der mir schon öfter begegnet ist: Meinungen wären möglicherweise fehlerbehaftete subjektive Interpretationen von Fakten eines Beobachters, währenddessen man aus Fakten, 'objektiv eine wissenschaftliche These erstellen' könnte(?)
Ist das der Kern Deiner Aussage?
Jein. Ich weiß sehr genau, wie unsicher der Begriff "Fakt" ist. Du wirst vermutlich nicht bestreiten, dass Empirie wertvoll ist, insbesondere ja dann, wenn es um's Überprüfen der eigenen Theorie (Meinung) geht. Man kann dieselben Sachverhalte mit unterschiedlichen Theorien beschreiben und diese können ähnliche Gültigkeit oder Ungültigkeit haben (das macht die eine Theorie "richtiger" als die andere, da würde, meine ich, grundsätzlich auch dein verehrter Popper in etwa zustimmen). Wenn wir also empirische Fakten ermitteln, die sich mit den bisherigen Theorien beißen, haben wir ein Problem. Und niemand hat nunmal das Recht, eine Meinung zu vertreten bzw. Wahrheit für sie zu beanspruchen, wenn empirische Fakten dagegen sprechen, dass die Theorie wahr ist. Gerade im politischen Betrieb hat die Wahrheit oftmals eine prekäre Stellung, und ich will lediglich daran erinnern, dass es ohne den Faktencheck nicht geht. Weiterführend hat die gute alte Hannah Arendt in "Wahrheit und Politik" dazu einige brilliante Gedanken geäußert.