Danke, für die rege Beteiligung.
@ Zappa:
Ich glaube, dass auch ein guter Kritiker eine Agenda haben darf.
Man kann ja ideologisch aus dem konträren Lager kommen und dennoch den schwachen Punkt genau benennen können.
Meines Erachtens macht die Art der Kritik den Unterschied aus, ob man reden oder abrechnen will.
Und vor allem, ob das Weltbild des Kritikers grundsätzlich Korrekturen zulässt.
Ich finde man kann ruhig mit der Überzeugung in eine Recherche reingehen, dass in dem Bereich x nur Verbrecher sitzen, wenn man am Ende auch den Mut hat, zu sagen, dass es nicht so ist.
@ provinzler:
Genau um diese Punkte geht es mir. Man wächst mit einem irgendwie selbstverständlichen guten Glauben an und bestimmten Überzeugungen auf. Manche kommen zu dem Punkt, wo sie diese Überzeugungen bezweifeln, aber bei einigen scheint dieser Zweifel irgendwie chronisch zu werden und sie sehen überall (typerischerweise mit Ausnahme vielleicht einer kleinen Gruppe, zu der sie in den meisten Fällen selbst gehören) Verschwörung, Trickserei und so weiter.
Auf der anderen Seite, kann man diesen Eindruck tatsächlich manchmal haben, wenn es z.B. um die Machenschaften von Datenkraken im Internet geht. Vielleicht ist der geübte Paranoiker sogar besonders gut geeignet solche Machenschaften tatsächlich aufzudecken, frei nach dem Motto, dass man auch paranoid sein und trotzdem verfolgt werden kann. Einer renommierter und wohl auch Internetkritiker hat eine paranoid schizophrene Mutter, ihm dürften zumindest die Demkmuster nicht fremd sein, Recht hat er wohl dennoch.
@ Nanna:
Da ist eben auch was dran. Es gibt eine gewisse Wurschtigkeit, die sich positiv gewendet damit anfreunden und abfinden kann, dass es sowas wie willenlose und anaonyme Systeme und Systemzwänge gibt, ohne dass es geheime Strippenzieher und von langer und längster Hand geplante Verschwörungen gibt, die so geheim sind, dass jährlich mehrere 1000 Seiten Bücher über die ultrageheimen Machenschaften gedruckt werden.
Ich glaube auch, dass Du Recht damit hast, dass neben dem moralisierenden Element immer ein gewisse Egozentrik mit Größenwahn zur Verschwörung gehört.
„Es sagt den Leuten ja keiner, wie es wirklich ist und wenn ich es nicht tue, wer sonst...?“
Man muss auch sehen, dass solche Einstellungen sexy sind. Wer das versteht und durchschaut, gehört von jetzt auf gleich zu den Durchblickern, die anderen als Herdenvieh zurücklassend, so billig ist das selten zu haben.
Wiederum ist die notwendige Kehrseite der investigative Journalismus, der vermutlich ähnliche Typen braucht, die biestig sind, sich nicht abspeisen und einschüchtern lassen und um jeden Preis, wenn sie mal Blut geleckt haben, ihr Ziel verfolgen.
Ich meine, dass die Präsentation der gesammelten Daten viel verrät.
Verschwörer geben gerne den selbstgefälligen Bescheidwisser und ihre Sprache ist dunkel und voll Geraune und sehr gerne generalisierend: „Wie man bekanntlich weiß, ….“ das sind so typischen Wendungen, die schon unausgesprochen suggerieren („und wer es nicht weiß, ist ein Idiot“).
Oder gerne auch: „Ist es nicht merkwürdig, dass...?“
Da wird mehr an die Affekte als an den Verstand appelliert, wobei es auch diejenigen gibt, die beteuern nur logisch vorzugehen und meinen Wahrheit wäre das, was sich in simple Kosten-Nutzen Rechnungen pressen lässt. Das „Cui bono?“ ist in der Verschwörungsindustrie allgegenwärtig.
Auch die Wortwahl ist hier ein Indiz: Werden eher affektive - und dort vor allem idealisierende und entwertende - Begriffe verwendet oder wird tatsächlich argumentiert? Erscheinen Polemiken, die ein probates Stilmittel sein können, angemessen oder schießen sie übers Ziel hinaus und diskreditieren die/den ganze(n) Person/Institution/Staat.
@ Lumen:
Lumen hat geschrieben:Neben dem, was Zappa aufgeführt hatte, würde ich noch hinzufügen, dass klassische Verschwörungstheorien nicht falsifizierbar sind und zusätzlich einfache Erklärungen für komplexe Sachverhalte anbieten. Dabei ist immer eher die Ursache einfach, die vielen Fakten müssen durch umständliche Erklärungen zurecht gerückt werden.
Ja, das scheint auch mir ein wichtiger Punkt zu sein.
Das Ergebnis steht fest, die Begründung wird noch gesucht. Gar nicht mal immer umständlich, sondern hier und da durchaus virtuos, Verschwörer können sehr gut Bescheid wissen, die Unkorrigierbarkeit ihres Weltbildes, ist m.E. ein springender Punkt.
Lumen hat geschrieben:Es ist aber auch wieder leicht, bei allem "Verschwörungstheorie!" zu rufen, was nicht genehm ist. Es gilt bei manchen Leuten als Verschwörungstheorie, dass die USA seit dem 2. Weltkrieg die politische Landkarte der Welt nach eigenen Bedürfnissen umgestaltet und dabei auch keine moralischen Bedenken gezeigt hat.
Ich glaube, dass kann man durchaus auch diskutieren, aber der Befund, dass die USA seine moralische Autorität verspielt hat, ist heute kaum mehr von der Hand zu weisen. Ob das nicht ein schleichender Übergang war, da würde ich dann eher noch mal hinschauen wollen, aber das wären Details ist hier nicht so wichtig sind.
Lumen hat geschrieben:Demokratisch gewählte Vertreter, vor allem in Mittel- und Südamerika wurden genauso aus dem Weg geräumt, wie unliebsame Diktatoren. Anderswo wurden Demokraten oder Diktatoren ins Amt gehievt, ganz wie es gefiel. Interessanterweise wurde nie jemand wirklich zur Rechenschaft gezogen, nicht einmal Henry Kissinger (Hitchens der Tausendsassa hat sich auch mal
dafür eingesetzt).
Was mich immer wundert, ist, wenn es jemanden wundert, dass Staatsführer primär nationalistische Interessen haben, dazu sind sie in den meisten Fällen per Gesetz verpflichtet. Deutschland ist da eher zurückhaltend, was auch historische Gründe haben wird.
Aber genau darum soll es ja gehen, zu versuchen, Kriterien zu finden, die Verschwörungen von berechtigter Kritik unterscheiden lassen.