Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon Vollbreit » Sa 12. Jan 2013, 19:25

Das Problem ist nur, dass Verschwörungstheoretiker sich von Argumenten nicht beeindrucken lassen. M.E. markiert das auch die Grenzen des rationalen Diskurses, denn was macht man, wenn alle sich einig sind, jemanden widerlegt zu haben, aber derjenige davon nicht zu überzeugen ist, weil zu seinen Überzeugungen zählt, dass die Masse ohnehin manipuliert und gleichgeschaltet ist?
Übrigens eine weitere Vokabel die zum festen Repertoire der Verschwörungstheoretiker gehört.
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon stine » Sa 12. Jan 2013, 23:41

Die Eingangsfrage ist doch: Wann beginnt berechtigte Kritik in Verschwörungstheorie umzukippen?
Vielleicht kann mal ein konkretes Beispiel bei der Sache weiterhelfen:
Berechtigte Kritik an unserem Krankensystem ist, dass immer mehr Kranke nur abgefertigt werden, weil die Kassen angeblich nicht zahlen wollen. Die sich daraus entwickelnde Verschwörungstheorie könnte sein, dass der Staat gar nicht daran interessiert ist, zuviele gesunde Rentner durchzufüttern. Wer ab seinem 60. Lebensjahr mit diversen Symptomen zu einem Arzt geht, muss sehr schnell feststellen, dass die Ärzte früher (als er selbst noch jung war) besorgter mit ihm waren und wesentlich mehr Untersuchungen angestellt haben, diversen Hintergründen auf die Spur zu kommen. Ab 60 wird man zum potentiellen Ersatzteilelager für die noch funktionierenden Restorgane. Inzwischen weiß man längst, dass die Krankenhaus-Fallpauschale für die Patienten oft das Todesurteil bedeutet. Ich selbst musste vor 5 Jahren miterleben, was es heißt, wenn ein Patient "blutig" entlassen wird und gar nicht mehr zur Genesung kommt, weil die Rehabilitation nie das Gesundpflegen ersetzen kann. Der frühe Tod und das noch rechtzeitige Entnehmen einer Niere war die Folge. Ob die Niere wirklich kurz vor dem Tod noch raus musste und ob sie hinterher entsorgt wurde oder in einem jüngeren Menschen noch ihren Dienst tut, das weiß doch niemand.
Verschwörungstheorie oder berechtigte Kritik?

Und wie ist das mit den Privatpatienten? Bekommen sie die besseren Maßnahmen, weil dafür besser bezahlt wird oder bekommen sie unnötig überzogene Maßnahmen, weil die Bezahlung sicher ist? Was ist denn hier Tatsache und was Interpretation? Was das Gesundheitssystem von heute betrifft, könnte man leicht zum Verschwörungstheoretiker werden.

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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon Vollbreit » So 13. Jan 2013, 11:12

stine hat geschrieben:Die Eingangsfrage ist doch: Wann beginnt berechtigte Kritik in Verschwörungstheorie umzukippen?
Vielleicht kann mal ein konkretes Beispiel bei der Sache weiterhelfen:
Berechtigte Kritik an unserem Krankensystem ist, dass immer mehr Kranke nur abgefertigt werden, weil die Kassen angeblich nicht zahlen wollen. Die sich daraus entwickelnde Verschwörungstheorie könnte sein, dass der Staat gar nicht daran interessiert ist, zuviele gesunde Rentner durchzufüttern.


Hier muss man trennen, was die Aufgaben der Kassen, der Ärzte, der Pharmaindustrie, der Pflege und des Staates ist. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass der Staat kein Interesse hat, viele gesunde Rentner durchzufüttern, es haben Wenige überhaupt ein Interesse daran.
Alt, krank und zäh ist so die Horrorvision.

Man könnte die Instrumente der Steuer, bei Dingen, die in dem Ruf stehen krank zu machen, locker zur Lenkung der Gesundheitspolitik verwenden, indem man z.B. die Zigarettenpreise nicht in so kleinen Schritten erhöht, dass möglichst wenige aufhören zu rauchen, sondern den Preis ins Schmerzhafte anhebt.

Die berechtigte Kritik ist in meinen Augen, dass diese ganze Verwaltung des Elends, aus der jeder versucht noch Kapital zu schlagen, den Eid des Hippokrates längst pervertiert hat.

stine hat geschrieben:Wer ab seinem 60. Lebensjahr mit diversen Symptomen zu einem Arzt geht, muss sehr schnell feststellen, dass die Ärzte früher (als er selbst noch jung war) besorgter mit ihm waren und wesentlich mehr Untersuchungen angestellt haben, diversen Hintergründen auf die Spur zu kommen. Ab 60 wird man zum potentiellen Ersatzteilelager für die noch funktionierenden Restorgane.


Ich bitte Dich, Du verkennst die Kunst der Implatationsmedizin. Hüft- und Knie-TEP, Herzschrittmacher und dergleichen. Ein riesen Markt.


stine hat geschrieben:Inzwischen weiß man längst, dass die Krankenhaus-Fallpauschale für die Patienten oft das Todesurteil bedeutet. Ich selbst musste vor 5 Jahren miterleben, was es heißt, wenn ein Patient "blutig" entlassen wird und gar nicht mehr zur Genesung kommt, weil die Rehabilitation nie das Gesundpflegen ersetzen kann.


Das Medizinsystem spaltet sich in auf. Die eine Richtung ist schnell und billig mit minderwertiger Therapie, blutig entlassen, wie Du sagst.
Die andere Richtung ist der Ausbau der Exzellenzrichtung. Niveau 4 Sterne Hotel, Spitzenköche, jede Klinik zieht mit, weil die andere vorlegt. Erwünschter Kunde hier ist nicht der Privatpatient, sondern der Scheich aus Dubai oder die russische Milloinärsgattin.
In den Altenheimen ebenso: Käfighaltung versus Altenresidenz.

stine hat geschrieben:Der frühe Tod und das noch rechtzeitige Entnehmen einer Niere war die Folge. Ob die Niere wirklich kurz vor dem Tod noch raus musste und ob sie hinterher entsorgt wurde oder in einem jüngeren Menschen noch ihren Dienst tut, das weiß doch niemand.
Verschwörungstheorie oder berechtigte Kritik?


Berechtigt, aber die Sache ist immer die:
Jeder kennt jemanden, bei dem dies oder das mal schief gelaufen ist. Vor Gericht ein ungerechtes Urteil, im Krankenhaus über die Klinge gesprungen, überversichert und im Schadensfall kommt dann keine Kohle und und und. Man neigt immer dazu den eigenen Fall (und den emotional naher Menschen) zu verabsolutieren, das ist eine Gefahr.
Es gibt auch notorische Dauernörgler, die suchen Probleme und finden sie auch. Was für andere die Vorstufe zum Paradies wäre, ist für sie Anlass für einen 10-seitigen Beschwerdebrief.

Über die Realität in Kliniken fragt man am besten das entsprechende Personal, aber das wird dezent zum Schweigen animiert. Und, es gibt immer Ausnahmen, aber selbst Idealisten habe es heute schwer gegen den Strom zu schwimmen.

stine hat geschrieben:Und wie ist das mit den Privatpatienten? Bekommen sie die besseren Maßnahmen, weil dafür besser bezahlt wird oder bekommen sie unnötig überzogene Maßnahmen, weil die Bezahlung sicher ist?


Privatpatienten werden gerne gemolken, das stimmt schon. Meistens durch Überdiagnostik. Das Vetrauensverhältnis zum Hausarzt, falls man eines hat und er nicht nur ein guter Schauspieler ist, ist da ein probates Gegenmittel.

stine hat geschrieben:Was ist denn hier Tatsache und was Interpretation? Was das Gesundheitssystem von heute betrifft, könnte man leicht zum Verschwörungstheoretiker werden.


Das Problem ist wohl, dass jemand der intime Kenntnisse hat schnell als Querulant daherkommt.
Irgendwo empfinde ich diese, exemplarisch für andere, Situation aber als Zwickmühle, denn einerseits ist Aufklärung wichtig, andererseits ist es ebenfalls wichtig, sich einen Glauben an Effektivität und gute Absicht derer, denen man seine Gesundheit anvertraut, zu erhalten.
Der Nocebo-Effekt ist eben sehr kräftig und ich kenne Menschen, die bekommen fast Panikattacken, wenn sie mit dem Medizinsystem in Kontakt kommen, das kann es auch nicht sein.

Eine gesunde Mitte ist schwer zu finden, da es eine Mischung aus Korruption, Medienhypes, Abhängigkeiten und so weiter gibt. Es gibt medizinische Moden, die dem Zeitgeist geschuldet sind und es gibt kaum noch Ecken, an denen das Medizinsystem als Ganzes überhaupt noch gesund ist.
Die Leute an der Front geben nicht selten ihr Bestes und sind kleine Helden, nicht nur der geniale Operateur, der nach einem Unfall einen Haufen Matsche auf den OP-Tisch gekippt bekommt und daraus wieder einen lebenden Menschen macht, auch Nachtschwester Ludmilla, die sich heimlich, still und leise unter der steten Überforderung des Personalabbaus ihre Gesundheit ruiniert.

Aber da es leicht ist immer nur zu meckern und schwer positive Visionen zu entwerfen, die auch funktionieren, lass uns aus dem Thema lieber mal einen eigenen Langlaufthread machen, der aufzeigt, wie es laufen sollte, von unserer Seite aus.

Man kann dann diskutieren, was medizinisch möglich ist, was finanziell möglich ist, mit wem man kooperieren könnte und wen man dringend ausbooten sollte. Ein völliges Fiasko wird die Versorgung der Alten in der Zukunft.
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon stine » So 13. Jan 2013, 12:16

Vollbreit hat geschrieben:Alt, krank und zäh ist so die Horrorvision.
:2thumbs:
Genau das habe ich mal vor!
Einen eigenen Thread ist das eigentlich nicht wert, weil (wahrscheinlich...) ganz schnell alles gesagt ist. Natürlich gibt es Ärzte und Schwestern, die im System ihr Bestes geben, aber das Gesundheitssystem an sich ist ja schon kolabiert. Es ist zu einer kapitalistischen Parallelwirtschaft geworden. Wir zahlen mit unseren Beiträgen die Forschung in der Pharmazie, der Apparatemedizin, die Gebäude, die Verwaltung unserer Gelder und die Arztgehälter von unten nach oben. Wenn wir dann erkranken bekommen wir auch richtigerweise Pillen gegen die Symptome, teure Apparateuntersuchungen, viele Wartezimmer und Papierbescheide für die Zuzahlungen. Und der Hausarzt erledigt die Krankschreibungen.

Ja, ich gehöre wohl zu der Gruppe mit den Panikattacken, wenn sie mal zum Doktor müssen :erschreckt: . Da hilft nur eins: Gesund bleiben!

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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon Vollbreit » So 13. Jan 2013, 12:38

stine hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Alt, krank und zäh ist so die Horrorvision.
:2thumbs:
Genau das habe ich mal vor!


Glückwunsch zu Deiner antisozialen Einstellung. :kg:

stine hat geschrieben:Einen eigenen Thread ist das eigentlich nicht wert, weil (wahrscheinlich...) ganz schnell alles gesagt ist. Natürlich gibt es Ärzte und Schwestern, die im System ihr Bestes geben, aber das Gesundheitssystem an sich ist ja schon kolabiert. Es ist zu einer kapitalistischen Parallelwirtschaft geworden.


Kein Einspruch.

stine hat geschrieben:Ja, ich gehöre wohl zu der Gruppe mit den Panikattacken, wenn sie mal zum Doktor müssen :erschreckt: . Da hilft nur eins: Gesund bleiben!


Seit dem man Schritt für Schritt den alten und richtigen Gedanken der Kur in die Reha verwandelt hat, hat man viel verloren. Vorsorge ist keine Untersuchung, sondern auch eine Lebenshaltung.
Es darf nur nicht in Gesundheitswahn umkippen. Dann ist man am Ende ganz gesund und hat vergessen wofür eigentlich.
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon mat-in » So 13. Jan 2013, 16:44

Mir macht in unserem gesundheitsystem eigentlich nicht der Leistungsabbau sondern der "Umbau zum Markt hin" Gedanken. Da wird eine Behörde für die Zulassung von medikamenten privatisiert und die Angestellten bekommen Prämien für jedes zugelassene Medikament. Dann gibt es da noch ein "Eso-Zeug" wollen in der Bevlkerung, gestützt von "Eso-Zeug bewerben" bei den Firmen, die im Verkauf von Wasser ohne Wirkstoff und Zuckerkugeln ohne Wirkstoff morgenluft wittern und... bald werden wir wider blutig schröpfen, animalisiertes Kupfer zu uns nehmen und unseren Gipsverband durch getrockneten Kuhmist ersetzen und nach Mondphase wechseln... DA hat man keine Lust mehr zu Arzt zu gehen. Ich habe zum Glück einen Hausarzt gefunden der solchem Mist nicht anhängt und auch eine Apotheke die neben gutem Service auch bietet, das man nicht mit zusatzstehwänden und quängelware-regalen voll eso-kacke Zusatzmist beläßtigt wird. Ich frage mich nur wie lange noch... aber... um mal Themen zusammen zu führen: Der Markt will das so ;-)
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon fopa » So 13. Jan 2013, 20:12

Um bei dem Beispiel unseres Krankensystems (manche nennen es fälschlicherweise "Gesundheitssystem" :lachtot: ) zu bleiben:
Ich sehe eure Kritik als Kritik, also auch stines Anmerkungen:
stine hat geschrieben:Berechtigte Kritik an unserem Krankensystem ist, dass immer mehr Kranke nur abgefertigt werden, weil die Kassen angeblich nicht zahlen wollen. Die sich daraus entwickelnde Verschwörungstheorie könnte sein, dass der Staat gar nicht daran interessiert ist, zuviele gesunde Rentner durchzufüttern.
Mir fehlt die Verschwörung: Wer verschört sich mit wem gegen wen und zu welchem Zweck?
Bloß Politiker untereinander ("der Staat") gegen den Bürger? Aber wozu? Um unnötige Ausgaben zu sparen und andere, junge Bürger zu entlasten?
Das würde ich nicht als Verschwörungstheorie bezeichnen, denn zu einer solchen gehört das "qui bono?", wie Vollbreit schon gesagt hat. Um aus dem Beispiel eine Verschwörungstheorie zu konstruieren, müsste man also die Pharmaindustrie ins Spiel bringen. Die wiederum hätte aber wohl eher ein großes Interesse daran, alte Menschen möglichst lange am Leben zu halten und ständig mit Medikamenten zu versorgen - also eher die entgegengesetzte Richtung.
Auf jeden Fall müsste man behaupten, dass Pharmalobbyisten die Politiker im Hinterzimmer bestechen oder unter Druck setzen, um irgendwelche kruden Interessen durchzusetzen, damit das Ganze zu einer Verschwörungstheorie verkommt.
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon stine » Mo 14. Jan 2013, 07:49

fopa hat geschrieben:Um aus dem Beispiel eine Verschwörungstheorie zu konstruieren, müsste man also die Pharmaindustrie ins Spiel bringen. Die wiederum hätte aber wohl eher ein großes Interesse daran, alte Menschen möglichst lange am Leben zu halten und ständig mit Medikamenten zu versorgen - also eher die entgegengesetzte Richtung.
Da hast du recht.
Der Schuh passt ja auch an dieser Stelle am besten. Die bestochenen Ärzte behandeln Symptome mit Pillen, statt nach einer Ursache zu forschen und die Kassen zahlen das. Die Werte für Cholesterin, Blutdruck und Zucker usw. werden immer enger gesteckt, damit immer mehr Menschen als krank bezeichnet werden können und Pillen schlucken müssen. Die kaputte Leber nimmt man dabei in Kauf, sie kann eventuell wieder ersetzt werden. Vorsorgeuntersuchungen mit teurer Apparatemedizin werden gesponsert, für das Beratungsgespräch ist aber dann keine Zeit mehr, weil die Kasse dem Patienten nur noch wenige Minuten beim Arzt zugesteht.

fopa hat geschrieben:manche nennen es fälschlicherweise "Gesundheitssystem" :lachtot:
Sobald für die Vorsorge Geld in die Hand genommen wird, ist es auch ein Gesundheitssystem. Die meisten Kassen werben heute zum Thema "gesund bleiben",sehr heftig. Da ist zweifellos inzwischen auch ein starkes politisches Interesse dahinter. Das macht von der wirtschaftlichen Seite aus betrachtet auch Sinn, denn es gibt mehr Gesunde als Kranke und die Einnahmen decken sicher mehr ab, als nur die Ausgaben für die Gesundheitsvorsorge.

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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon Vollbreit » Mo 14. Jan 2013, 10:51

Zum Thema Pharmakritik nur ein link von mir:
http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Sawicki
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon stine » Mo 14. Jan 2013, 11:30

Na also, da haben wir den Salat...

Danke, stine
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon Vollbreit » Mo 14. Jan 2013, 12:42

Den könnte man gewiss auch noch tüchtig anmachen, aber das wäre die Fokussierung auf ein inhaltliches Thema und mir geht es tatsächlich darum, zu klären, was Kritik und Verschwörungsdenken unterscheidet.
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon stine » Mo 14. Jan 2013, 13:12

Na DIE Frage ist doch schnell geklärt: Beweise!
Nicht Indizien sammeln und Geschichten dazu schreiben, sondern Beweise vorlegen.

Kritik ist ja erstmal nur der Unzufriedenheit Luft machen. Verschwörungstheorie ist das Vernetzen und sich Hineinsteigern in eine Sachlage. Das Gegenstück zur Verschwörungstheorie ist deswegen auch nicht die Kritik als solche, sondern das Aufdecken von Missständen.

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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon Vollbreit » Mo 14. Jan 2013, 13:53

Wenn's mal so leicht wäre, mit den Beweisen.
An Beweisen und auch an Quellen mangelt es Verschwörungstheoretikern in aller Regel nicht, weil sich immer irgendwer auf (aus Mainstream-Sicht) Abwegen befindet. Manchmal nur ein „Spinner“, nicht selten durchaus einer der Großen der Zunft.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kary_Mullis
Weiß der nun mehr oder ist der bekloppt?
Und woran können wir armen Laien das entscheiden?

Der Punkt ist nicht selten der, dass, wenn man es zu recherchieren versucht, man am Ende auch nicht schlauer ist.
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon stine » Mo 14. Jan 2013, 14:10

Auch er muss Beweise für seine Theorien vorbringen. Wenn er das nicht kann, bleiben seine Wortergüsse nur leeres Gewäsch.

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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon Vollbreit » Mo 14. Jan 2013, 14:27

Du, das Problem ist, dass es eine ganze Menge von Leuten gibt, die für eine ganze Menge „wilder Theorien“ eine ganze Menge an „Beweisen“ haben und wenn es so ein klares Kriterium gäbe, wie man immer wieder meint, bestimmte Diskussionen gar nicht erst entstehen würden.

In aller Regel läuft es auf ein Kräftemessen zwischen Mainstream und Abweichlern hinaus, was über die größere Zahl entschieden wird, da die Argumente oft eh nur von Insidern verstanden werden.

Es ist ja beileibe nicht so, dass die Abweichler immer die dümmsten ihres Fachs wären, sondern oft sind es eben Leute die durchaus wissenschaftlich etwas geleistet haben, so Kleinigkeiten wie Professur oder Nobelpreis bekommt man dann doch nicht hinterhergeworfen.

Hinzu kommt, dass viele von denen, die heute hoch verehrt werden, zu ihrer Zeit durchaus auch mal als Idioten angesehen wurden. Jahre später treten derselben Sorte Mensch, die sie kalt lächelnd – gerne auch mal ohne jeden Sachverstand - als Idioten abqualifizierten die Tränen der Rührung in die Augen, ob dieser „Helden“.

Nimm doch nur mal das Thema Klimawandel: Dieselben konservativen Drecksäcke, die vor 30 Jahren, jeden, der es wagte vom Klimawandel und dass man die Erde nicht endlos ausbeuten darf und so weiter zu reden, als einen linksradikalen Hysteriker, schwärmerischen Gutmenschen und was weiß ich nicht bezeichneten, wetzen heute die Messer gegen jeden, der als „Klimaskeptiker“ (das ist so kurz vor Irrenanstalt, aus deren Sicht) auftritt. Empörend, wie kann man nur so vernagelt sein und die ganzen „Beweise“ leugnen.
Zuletzt geändert von Vollbreit am Mo 14. Jan 2013, 15:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon stine » Mo 14. Jan 2013, 14:36

Ja, da gebe ich dir recht. Als Laie hast du schlechte Karten, wenn es um dir wissensfremde Gebiete geht.
Dann musst du dich eben entscheiden, zu WEM du mehr Vertrauen aufbauen kannst. Und diese Entscheidung widerrum ist dann Sache deiner eigenen Beweise für oder gegen eine Person oder Personengruppen.

:wink: stine
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon Vollbreit » Mo 14. Jan 2013, 15:10

Und jetzt sagt mir mal, wer von uns nicht zu einem hohen Prozentsatz in den meisten Bereichen in dieser Situation steckt. Es gibt die gute Strategie, sich auf bewährtes und tradiertes Wissen zu beziehen, aber wenn ein Weg gut klappt, heißt dass erstens nicht, dass nicht ein anderer auch klappt und auch nicht, dass er vielleicht nicht noch viel besser klappt.
Das kann man dann nur über Bande ableiten, schauen, bei wem viel Kohle dahintersteckt, wie authentisch jemand rüberkommt, Mitarbeiter befragen oder sich eben selbst schlau machen.
Nicht immer kann man ja sofort ein Experiment dazu mahen.

Ich habe mal mit einem Matheprof von der Uni, so einer der Lehrbücher über Dinge verfasst hat, die keine Sau versteht, darüber geredet, wie es denn so mit „alternativen Mathematiken“ aussieht.
Er sagte mir, dass im Schnitt so jede zweite Woche einer zur Uni käme und erzählen würde, er habe Fehler in der Mathematik gefunden und in Wirklichkeit sei das alles ganz anders, Lösung inklusive.
Eigentlich immer könne man nach wenigen Minuten nachweisen, dass derjenige ganz fundamentale Fehler gemacht habe, was aber jemand der sich Wochen bis Jahre in so etwas hineingesteigert hat natürlich nicht wissen und annehmen will.

Aber es gibt eben auch die andere Geschichte, wo jemand eine neue Mathematik aus der Taufe zu heben meinte und da wirklich auch am Ball blieb. Er selbst ist eigentlich kein Mathematiker und brauchte so die Hilfe eines Mitarbeiters die er fand. Ein nachweislich überbegabter Mathematiker, mit dem er wohl eine Zeit sehr intensiv zusammenarbeitete. Wie der Deibel es wollte, lernte ich den Mitarbeiter soweit, auch „über Bande“, kennen – als er sich schon von dem Initiator distanzierte – und telefonierte eines Tages mit ihm (dem Mitarbeiter).
Der Mann gab sich am Telefon ziemlich zugeknöpft, sagte, er wolle mit der Sache nichts mehr zu tun haben und ich solle bei Interesse doch mit dem Initiator selbst reden und mir eienn Eindruck verschaffen. Darum ginge es mir aber nicht, erklärte ich, sondern ich wolle wissen, ob aus seiner Sicht als Fachmann für Mathe was an der Sache dran sei. Er blockte wieder und sagte, dass die Mathematik in der heutigen Form entstanden sei hätte schon seinen Sinn usw. Konnte ich einsehen, blieb aber penetrant und wünschte mir dennoch eine Antwort, auf die Frage, ob denn an der Mathematik von … was dran sei oder nicht.
„Ja“, war seine knappe Antwort, ich bedankte mich und legte auf.

Das sind so Sachen, die mir dann zu denken geben.

Ist auch längst nicht alles Verschwörung. Habe vor noch gar nicht so langer Zeit mit jemandem telefoniert der zur transkraniellen Magnetstimuation (Beeinflussung der Psyche durch induzierte Magnetfelder – habe sich heute die Leute um Spitzer untern Nagel gerissen) geforscht hat und Beachtliches herausgefunden hat. Warum er denn nicht weitergeforscht habe, wollte ich wissen und banalerweise wurde einfach nichts mehr gezahlt. Das war die Zeit wo alle Kohle in die Gentherapie gepumpt wurde und woanders kam dann nichts mehr hin.

Dann gibt es Verfahren, die einfach nicht wahrgenommen werden und es gibt eigentlich keinen Grund. Da habe ich auch mit jemandem geredet, der an der Forschung zu Hyperthermieverfahren in der Krebsmedizin beteiligt ist, der sagte, es gäbe eine Reihe erstklassiger Studien, die die Effektivität belegen, aber alle Welt fährt derzeit auf eine neue Chemotherapie ab, zu der es zu der Zeit keine einzige Studie gab.

Also, ein Kessel Buntes, auch hier.
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Re: Wann kippt berechtigte Kritik in Verschwörungsdenken?

Beitragvon stine » Mo 14. Jan 2013, 16:34

Das Geld für Forschungsaufträge spielt schon eine erhebliche Rolle. So gab es in der Vergangenheit ja auch immer wieder mal betrügerische Machenschaften, also zB gefälschte Ergebnisse in der Genforschung, um sich weitere Gelder zu sichern. Dass die Wissenschaftler oft abblocken und sich bedeckt geben, ist sehr verständlich, denn bis ein Erfolg gesichert veröffentlicht werden kann, muss viel gearbeitet und investiert werden. Da will man sich nicht kurz vor Schluss noch die Wurst vom Brot klauen lassen.

Wie gesagt, als Laie musst du halt glauben, was du zugetragen bekommst und dabei immer die Quellen kritisch beäugen.

Andererseits haben Verschwörungstheorien auch was Gutes: Sie bekommen Aufmerksamkeit und vielleicht steckt ja doch hinter der einen oder anderen was Wahres. Wer weiß :pfeif:

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