Was kommt, wenn Familie geht?

Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon Nanna » Sa 6. Apr 2013, 14:52

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Es ist eine, aber eine sehr kleine - bestreitet keiner.

Finde immer lustig, wen das von Leuten angeführt wird, denen das Risiko am Roulettetisch mit maximal 1:37 zu hoch ist.
Homöopathie arbeitet dagegen ja mit Hochkonzentrationen.

Was erwartest du? Du bist nicht allein hier, mehr als ein Achzigmillionstel hast du halt bei Wahlen nicht zu melden - so wie wir alle.

provinzler hat geschrieben:Nun abgesehen von meinen Kommentaren hier und anderswo, nutze ich die letzte Option [Alltagsverhalten, Anm. Nanna]. Ich bin mir allerdings im Klaren darüber, dass es vergleichsweise wenige interessieren wird. Ich schaffe ich es damit, mit den Leuten in meinem Umfeld auf friedlicher Basis auszukommen, mit einigen wenigen auch noch mehr, und dem Rest gehe ich so gut es geht aus dem Weg.

Passt doch. Es sollte eh erstmal jeder vor seiner eigenen Tür kehren. Ich bilde mir auch nicht ein, dass ich alleine die Probleme der Welt löse, wenn ich z.B. sauber und fair hergestellte Produkte kaufe, aber ich trage mein Scherflein dazu bei. Und nur so funktionierts. Ich bete das Kollektiv nicht irgendwie an oder so, aber ich bin mir meines Platzes und meiner begrenzten Wirkmächtigkeit bewusst. Würde ich deshalb aber resignieren, würde ich trotzdem anderen Leute ganz konkret schaden. Das Kollektiv ist ja keine Essenz für sich, das sind einfach viele andere Leute.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Quatsch, du lebst im individualistischsten Zeitalter der Geschichte mit einem historischen Maximum an persönlicher Wahlfreiheit.

"Denn seit diesem Tag gehör ich nicht mehr zur Norm, denn ich trag jetzt die Nonkonformistenuniform"(Reinhard Mey)

Ja ich kann im Supermarkt zwischen 25 verschiedenen Erdbeerjoghurts auswählen. Aber schon in der Frage, wie ich gern für mein Alter vorsorgen möchte, werde ich entmündigt.

Der Grundkonflikt aller Gesellschaften ist die Frage nach dem Verhältnis von Freiheit und Gleichheit. Das Problem mit deiner Altersvorsorge ist, dass diese derzeit auf einem Solidarsystem beruht und du dich aus diesem kollektiven System ausklinken willst. Ich weiß, dass du dafür gute Gründe hast, aber das Problem ist, dass wir das letztlich alle zusammen entscheiden müssten, weil ein Solidarsystem natürlich nur so lange funktioniert, wie die Starken überproportional einzahlen. Geben wir denen die Möglichkeit, das System zu verlassen, reißt das erstmal Versorgungslöcher und das ist zumindest für diejenigen, die es als moralische Pflicht und als Garantie für eine stabile Gesellschaft betrachten, dass die Schwachen mitversorgt werden, ein Problem. Persönliche Wahlfreiheit hat selbstverständlich Grenzen, wenn man in einem Kollektiv lebt, dafür bekommt man auch etwas zurück, meist in Form von Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit der Umwelt, in der man lebt.
Das ist für Leute, die es gerne anders machen würden, schwer zu akzeptieren, klar, aber es gibt halt nur begrenzte Möglichkeiten, gemeinsame Regeln auf dem engen Raum, in dem wir zusammen leben, aufzuweichen. Für technisch/organisatorisch machbare Lösungen habe ich persönlich immer ein offenes Ohr, aber ich bin ja auch nur Einer von Vielen.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: Der Holocaust wäre nicht möglich gewesen, wäre dem nicht ein ganzes Jahrhundert an geistiger Entwicklung in Richtung Rationalisierung bei den industriellen und logistischen Methoden (Menschen als Nummern) und ein Wandel in der Selbstbetrachtung des Menschen (Rassentheorien) vorausgegangen.

Die Schoah stand am Ende einer langen Kette von Entscheidungen, die aus der ideologischen und politischpragmatischen Perspektive für sich genommen aus Sicht der Entscheider zum jeweiligen Zeitpunkte alle "alternativlos" waren. Die von dir genannten Aspekte waren zwar notwendige aber keineswegs hinreichende Bedingungen

Etwas anderes habe ich auch gar nicht gesagt. Mir ging es lediglich darum, zu illustrieren, dass die Philosophie wesentlich dazu beiträgt, zu definieren, in welchen Grenzen unser politisches Denken sich abspielt.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Du hast schon eine sehr zynische, verschlossene Haltung der Gesellschaft gegenüber. Irgendwann wird die eigene Erwartungshaltung da halt auch eine selbsterfüllende Prophezeihung.

Für mich gibt es keine Gesellschaft, sondern nur Menschen. Und mit denen komme ich im Einzelfall durchaus ganz gut aus. Meistens dienen Forderungen, die im "Namen der Gesellschaft" daherkommen, ledglich der Befriedigung ganz egoistischer Bedürfnisse.

Das wird gerne dahinter versteckt, da gebe ich dir vollkommen Recht. Und du forderst ja auch, was dir aus deiner persönlichen Lage heraus richtig erscheint, für die gesamte Gesellschaft ein, oder? Mehr Freiheit, weil DICH deine empfundene Unfreiheit ankotzt, inwiefern ist das weniger ein egoistisches Bedürfnis?
Nur lässt sich mit totaler Selbstbezogenheit halt kein Zusammenleben organisieren. Ich bringe gerne mal wieder das Beispiel von Bürgerhaushalten in Städten. Frankfurt hat da ein größeres Experiment in den letzten Jahren hingelegt, wo Bürger ihre Vorschläge für Verbesserungen am Haushalt einsenden konnten. Ein Sprecher/Politiker meinte neulich - und ich behaupte, dass er das aufrichtig bedauert hat, nicht zuletzt, weil man sich ja auch gut darstellen wollte durch das Verfahren -, dass kein einziger der Vorschläge verwendet werden konnte, weil a) sich relativ wenig Leute beteiligt hatten und b) die Vorschläge von derart extremen Eigeninteressen geleitet waren, dass das schlichtweg nicht als allgemeine Regel einsatzbar war. Ich sehe das als gute Anekdote, die illustriert, dass wir Leute brauchen, die von einem weiteren Fokus geleitet das allgemeine Interesse der Gesellschaft im Auge behalten. Auch da wieder das Stichwort der Rationalitätenfalle: Einzelinteressen und kollektive Interessen sind als solche identifizierbar (Raser versus effizienter Verkehrsfluss für alle ist eines meiner Lieblingsbeispiele, weil es so schön anschaulich ist) und sie kollidieren regelmäßig. Es muss daher allgemeinverbindliche Regeln geben, damit nicht das totale Chaos und die Selbstjustiz ausbrechen. Wir können uns nicht als Ansammlung partikularistischer Kleingemeinschaften organisieren, zumal es ja auch da wiederum Regeln für den gegenseitigen Austausch und die interne Organisation gibt. Wir sind nunmal, biologisch und durch unsere räumliche Nähe, soziale Tiere, die in Kollektiven leben und das ist eine Realität, der man sich stellen muss.
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon Nanna » Sa 6. Apr 2013, 15:25

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Der Holocaust wäre nicht möglich gewesen, wäre dem nicht ein ganzes Jahrhundert an geistiger Entwicklung in Richtung Rationalisierung bei den industriellen und logistischen Methoden (Menschen als Nummern) und ein Wandel in der Selbstbetrachtung des Menschen (Rassentheorien) vorausgegangen.

Riesenblödsinn. Was ist an systematischem Mord an einem Teil der Bevölkerung rational und logisch? Das ist Verschwendung an Ressorucen, macht sich nicht gut im Ausland und wurde unnötig grausam und pervers durchgeführt. Von der Planung, der Argumentation bis zur Ausführung ist nichts an diesem Ereignis rational oder logisch (außer dass ein mental labiles Volk gerade wegen ihrer Minderwertigkeitskomplexe unbedingt einen Sündenbock brauchte und es sich besonders leicht gemacht hat, einen mit den größten Komplexen auch noch zum fast alleinigen Verantwortlichen zu erklären. Es ist eine logische Konsequenz einer langen Geschichte, aber ergibt sich nicht primär aus der Industrialisierung oder einer imaginären Rationalisierung).

Da du die Angewohnheit hast, deine eigenen Schlüsse und impliziten Annahmen als rational und selbstverständlich anzusehen (erinner mich daran, dir an anderer Stelle mal zu erklären, inwiefern das mit dem stark intutivien Anteil unseres geteilten Persönlichkeitstyp zusammenhängt), wird's nicht ganz einfach sein, dir nahe zu bringen, dass die Begriffe, die du da verwendest, in der Ideengeschichte teils anders konnotiert werden als von dir, aber versuchen wir's halt mal:

Rationalität hat viele Dimensionen, und wenn du wissen willst, wie der Begriff verstanden wird und wurde, lies dir mal den Wikipedia-Artikel durch. Lass einfach mal für einen Augenblick zu, dass man evtl. auch eine andere Perspektive auf einen Sachverhalt haben kann, deine Welt bricht dadurch nicht zusammen, aber deine Sichtweise wird umfassender.

Im 19. Jahrhundert hat sich eine Denkweise herausgebildet, die stark an den Idealen von Effizienz, Planbarkeit, Einheitlichkeit etc. orientiert war. Dass in Nazideutschland der Mensch mehr als willenlose Maschine bzw. Rädchen im Getriebe des Volkskörpers gesehen wurde, leitet sich direkt aus dieser Denkweise ab. Gleichzeitig wurden Vorurteile über Kollektive, etwa die Juden, die aus tradierten Vorstellungen, aktuellen politischen Konflikten und einem unzureichenden Verständnis etwa der neu aufgekommenen Evolutionstheorie zusammengemixt wurden, mit wissenschaftlichen Methoden zu beweisen versucht, wobei es sich da meist um die bekannte Argumentationsform der petitio principii handelte - man versucht zu beweisen, was man eh schon zu wissen glaubt (der Fehlschluss ist immer noch weit verbreitet, du wirst dich an regelmäßige Vorwürfe diesbezüglich an deine Adresse erinnern, wenn auch glücklicherweise in komplett anderen Zusammenhängen). Bestes Beispiel dafür ist die Craniometrie, also die Schädelvermessung - wie wir heute wissen, kompletter Blödsinn, aber damals war man überzeugt und so blind vor lauter Wunschdenken, dass man eine objektive Methode gefunden hatte, Charaktereigenschaften des Menschen an banalen optischen und physiologischen Merkmalen herleiten konnte (gibt's heute noch, den Unsinn, hab erst neulich in einem amerikanischen Forum jemanden zusammengefaltet, der meinte, aus Gesichtspartien Persönlichkeitsmerkmale herauslesen zu können).

Vor dem Hintergrund, dass Teile der Bevölkerung als biologisch unterlegen gesehen wurde und man, in einer sozialdarwinistischen Weise dachte, den Völkskörper von Schädlingen reinigen zu müssen, war es komplett logisch und rational, systematisch Leute zu ermorden. Du siehst das heute zu Recht als irrational an, weil du aus einer Perspektive des besseren Verständnisses der Zusammenhänge erkennen kannst, dass die wahrgenommenen biologischen Unterschiede der Völker nicht existierten und das ganze Vorgehen in einer irrwitzigen Ressourcenschlacht endete - das war aber aus der Perspektive der dreißiger Jahre nur wenigen Menschen klar und die fühlten sich genauso gewiss in ihrer Rationalität wie du heute. Wäre vielleicht mal ein guter Anlass, der Selbstgewissheit gegenüber etwas Misstrauen zu entwickeln, einfach weil die Gefahr des Tunnelblicks so groß ist und man irgendwann anfängt, Faktoren wegzurationalisieren (mit pseudorationalen Argumenten behaupten, sie würden nicht existieren oder hätten kein Gewicht, was sehr lange gut gehen kann, bis es meist kurz und stark knallt).

Klar sind wir heute klüger. Aber damals dachte man eben, dass man mit einem maschinellen Verständnis der Gesellschaft zu einer perfekt geölten Gesellschaftsmaschine gelangen könnte, die nach höchsten Effizienzstandards funktionieren würde und in der endlich alle Widersprüche des Lebens und alle anstrengenden Unterschiede aufgelöst wären. Der Judenmord war, ökonomisch gesehen, komplett unsinnig, da hast du retrospektiv Recht, aber viele Leute glaubten eben gerne, dass die Juden, die man immer irgendwie schon ablehnte, die Ressourcenverschwender wären - vor dem Hintergrund ist es ökonomisch rational, sich ihrer zu entledigen.

Ich rechtfertige da nichts, ich will nur zeigen, wie man a) im übergroßen Vertrauen auf Rationalität zu sehr irrationalen Ergebnissen gelangen kann (wie ich immer sage: man muss seine Prämissen prüfen!) und b) wie der philosophische Zeitgeist das Denk- und Machbare einer Gesellschaft vorprägt. Innerhalb dieser Grenzen, also dieses Kontextes, erscheinen dann Dinge rational und selbstverständlich, die es vor einem anderen Hintergrund keinesfalls wären. Und da wiederum sollte man im Hitnerkopf behalten, dass es niemals Objektivität geben kann, sondern immer nur eine gesellschaftliche Intersubjektivität, die Konzepte vor dem jeweiligen Hintergrund rational erscheinen lassen, je nachdem auf welche Ziele (Freiheit, Gleichheit, Fortschritt, Stabilität, Ehre, Reinheit, usw.) eine Gesellschaft gerade Wert legt.

edit:
Kurzer Nachtrag:
Ich empfinde z.B. den derzeitigen Umgang mit den türkischen Medien im NSU-Prozess hochgradig irrational. Man muss aber beachten, dass das OLG in München diese Entscheidung auf Basis eines rationalen und im Prinzip auch transparenten Verfahrens getroffen hat und sich nun, gar nicht so irrationalerweise, davor fürchtet, beschuldigt zu werden, das (rationale) Gleichbehandlungsprinzip zu verletzen. Auch so ein Beispiel, wo unterschiedliche Rationalitätsauffassungen kollidieren. Je nach Perspektive und Zielsetzung sind eben unterschiedliche Dinge rational.
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon provinzler » Sa 6. Apr 2013, 15:30

Nanna hat geschrieben:Was erwartest du? Du bist nicht allein hier, mehr als ein Achzigmillionstel hast du halt bei Wahlen nicht zu melden - so wie wir alle.

Damit könnte ich ja noch leben, wenn ich nicht nur irgendwelche diffusen Listen pauschal wählen könnte (ich würde auch auf Bundesebene gern kumulieren und panaschieren). Und wenn gewisse Individualrechte und Grundsätze wie die Isonomie gewahrt bleiben und unantastbar bleiben.

Nanna hat geschrieben: Das Problem mit deiner Altersvorsorge ist, dass diese derzeit auf einem Solidarsystem beruht und du dich aus diesem kollektiven System ausklinken willst.

Nein. Auf einem Solidarsystem beruhen in gewisser Weise Arbeitslosen-/Kranken- und Pflegeversicherung, weil nach Einkommen und nicht nach Risiko bezahlt wird, die Rentenversicherung und auch das Pensionssystem der Beamten sind nicht im geringsten solidarisch. Denn abgesehen davon, dass eine Rente unterhalb der "Armutsgrenze" bis zu selbiger aus dem Sozialhilfetopf aufgestockt wird, hängt die Höhe der Rente nur an zwei Parametern. Wieviel du im Laufe deines Lebens relativ zu deinen Mitbürgern verdient hast (wobei Zahlung und Anspruch beide einer aneinandergekoppelten Deckelung unterliegen) und wie hoch die Gesamt-Einzahlungen während deiner Anspruchszeit sind. Das hat mit Solidarität nicht das geringste zu tun. Dafür darf die selbstständige Friseuse mit einem Viertel ihrer Steuerlast die demographischen Systemlöcher stopfen ohne jemals Ansprüche zu erhalten. Das gleiche gilt für Mitmenschen, die weniger als fünf Jahre am Stück hier berufstätig sind. Die zahlen volle Beiträge ohne Ansprüche zu erhalten. In Zeiten EU-weiter Arbeitsplatzmobilität ein gehütetes Relikt. Der Grund warum die Politik das System so schätzt ist, dass sie damit die Kontrolle über einen ganz wesentlichen Teil der Geldflüsse des Landes hat. Und die Pension eines Beamten hängt auch nur vom letzten bezogenen Sold ab, solidarische Elemente Fehlanzeige.

Nanna hat geschrieben:Persönliche Wahlfreiheit hat selbstverständlich Grenzen, wenn man in einem Kollektiv lebt, dafür bekommt man auch etwas zurück, meist in Form von Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit der Umwelt, in der man lebt.

Man kanns auch im Sinne von Benjamin Franklin sehen: "He who sacrifices freedom for security deserves neither"

Nanna hat geschrieben:Etwas anderes habe ich auch gar nicht gesagt. Mir ging es lediglich darum, zu illustrieren, dass die Philosophie wesentlich dazu beiträgt, zu definieren, in welchen Grenzen unser politisches Denken sich abspielt.

Das Beispiel zeigt eher deutlich, dass die politischen Ziele zuerst kommen, und die Politik dann ihre Mittel auswählt. Selbst ein Hermann Göring fand noch 1938 den Vorschlag Juden massenweise umzubringen schlichtweg "barbarisch". 1941 fand er ihn dann, den Staatsbankrott vor Augen "alternativlos". Politiker treibt eigentlich nur ein einziges Motiv: Machterhalt bzw. -übernahme. Dazu brauchen sie zumindest die passive Loyalität hinreichend großer Bevölkerungsgruppen. Und am leichtesten kriegt man die über eine Verbesserung der materiellen Verhältnisse. Und das geht wiederum am schnellsten (wenn auch wenigsten nachhaltigsten) auf Kosten von unbeliebten Minderheiten.


Nanna hat geschrieben:
Das wird gerne dahinter versteckt, da gebe ich dir vollkommen Recht. Und du forderst ja auch, was dir aus deiner persönlichen Lage heraus richtig erscheint, für die gesamte Gesellschaft ein, oder? Mehr Freiheit, weil DICH deine empfundene Unfreiheit ankotzt, inwiefern ist das weniger ein egoistisches Bedürfnis?

Ja. Allerdings bin ich der Ansicht, dass sich der Gewaltinitiator im Unrecht befindet.
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon provinzler » Sa 6. Apr 2013, 15:38

Nanna hat geschrieben:Vor dem Hintergrund, dass Teile der Bevölkerung als biologisch unterlegen gesehen wurde und man, in einer sozialdarwinistischen Weise dachte, den Völkskörper von Schädlingen reinigen zu müssen, war es komplett logisch und rational, systematisch Leute zu ermorden.

Man sollte hier nicht der nationalsozialistischen Propaganda zu sehr auf den Leim gehen. Der primäre Antrieb für die gewaltsamen Übergriffe bis letztlich hin zum Mord war der Wunsch auf Zugriff auf die ganz materiellen Ressourcen unpopulärer Bevölkerungsgruppen. Die Ideologie war nicht Ausgangspunkt, sondern Rechtfertigung (auch vor dem eigenen Gewissen) des massiv materiell motivierten Handelns. Und die "Ausgebombten", denen neue Wohnungen und Möbel zugeteilt wurden, ging am Arsch vorbei, was mit deren Vorbesitzern passierte, hauptsache ein Dach überm Kopf. Lokale Parteigrößen, Bürgermeister von Städten mit besonders großen Bombenschäden schrieben beispielsweise Bittbriefe an die Regierung nach Deportationen, um die Versorgung der Bombenopfer gewährleisten zu können.
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon Nanna » Sa 6. Apr 2013, 16:21

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Was erwartest du? Du bist nicht allein hier, mehr als ein Achzigmillionstel hast du halt bei Wahlen nicht zu melden - so wie wir alle.

Damit könnte ich ja noch leben, wenn ich nicht nur irgendwelche diffusen Listen pauschal wählen könnte (ich würde auch auf Bundesebene gern kumulieren und panaschieren). Und wenn gewisse Individualrechte und Grundsätze wie die Isonomie gewahrt bleiben und unantastbar bleiben.

Wenn wir uns schon bei solchen "Details" befinden, ist es möglicherweise einfacher, dich zufrieden zu stellen, als ich dachte. Ich hatte immer den Eindruck, wir reden über eine noch weit grundlegendere Ablehnung unserer Gesellschaft deinerseits.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: Das Problem mit deiner Altersvorsorge ist, dass diese derzeit auf einem Solidarsystem beruht und du dich aus diesem kollektiven System ausklinken willst.

Nein. Auf einem Solidarsystem beruhen in gewisser Weise Arbeitslosen-/Kranken- und Pflegeversicherung, weil nach Einkommen und nicht nach Risiko bezahlt wird, die Rentenversicherung und auch das Pensionssystem der Beamten sind nicht im geringsten solidarisch. Denn abgesehen davon, dass eine Rente unterhalb der "Armutsgrenze" bis zu selbiger aus dem Sozialhilfetopf aufgestockt wird, hängt die Höhe der Rente nur an zwei Parametern. Wieviel du im Laufe deines Lebens relativ zu deinen Mitbürgern verdient hast (wobei Zahlung und Anspruch beide einer aneinandergekoppelten Deckelung unterliegen) und wie hoch die Gesamt-Einzahlungen während deiner Anspruchszeit sind. Das hat mit Solidarität nicht das geringste zu tun. Dafür darf die selbstständige Friseuse mit einem Viertel ihrer Steuerlast die demographischen Systemlöcher stopfen ohne jemals Ansprüche zu erhalten. Das gleiche gilt für Mitmenschen, die weniger als fünf Jahre am Stück hier berufstätig sind. Die zahlen volle Beiträge ohne Ansprüche zu erhalten. In Zeiten EU-weiter Arbeitsplatzmobilität ein gehütetes Relikt. Der Grund warum die Politik das System so schätzt ist, dass sie damit die Kontrolle über einen ganz wesentlichen Teil der Geldflüsse des Landes hat. Und die Pension eines Beamten hängt auch nur vom letzten bezogenen Sold ab, solidarische Elemente Fehlanzeige.

Ok, da gestehe ich freimütig ein, zu wenig Ahnung zu haben. Mir ging es auch mehr darum, zu zeigen, dass bei kollektiven Systemen nicht immer auf individuelle Wünsche Rücksicht genommen werden kann.

Die Verfasstheit des Rentensystems ist eine andere Geschichte. Allerdings hast du natürlich, insbesondere vor dem Hintergrund meiner Argumentation, dass du für den Entzug persönlicher Freiheiten mit der Beteiligung an Solidarsystemen entschädigt wirst, einen Anspruch darauf, dass das System dahingehend geändert wird. Bin persönlich ohnehin kein großer Fan des Beamtentums... da wo absolute Loyalität unabdingbar ist, in den sicherheitsrelevanten Bereichen beispielsweise, ja, aber der Lehrerberuf oder Verwaltungskräfte üben meines Erachtens keine hoheitlichen Aufgaben aus und gegen Geheimnisverrat, Amtsmissbrauch etc. kann man auch ohne Beamtentum drakonische Maßnahmen ergreifen.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Persönliche Wahlfreiheit hat selbstverständlich Grenzen, wenn man in einem Kollektiv lebt, dafür bekommt man auch etwas zurück, meist in Form von Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit der Umwelt, in der man lebt.

Man kanns auch im Sinne von Benjamin Franklin sehen: "He who sacrifices freedom for security deserves neither"

Der Spruch ist in Zeiten, wo verrrückte Tea-Partysanen sich am liebsten panzerbrechende Selbstschussanlagen in den Vorgarten stellen würden, ein bisschen lächerlich geworden, findest du nicht? Freiheit ist, wie Gleichheit, eine leere Projektionsfläche, die man in Diskussionen erst mal füllen sollte, Slogans helfen da nicht weiter.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Etwas anderes habe ich auch gar nicht gesagt. Mir ging es lediglich darum, zu illustrieren, dass die Philosophie wesentlich dazu beiträgt, zu definieren, in welchen Grenzen unser politisches Denken sich abspielt.

Das Beispiel zeigt eher deutlich, dass die politischen Ziele zuerst kommen, und die Politik dann ihre Mittel auswählt. Selbst ein Hermann Göring fand noch 1938 den Vorschlag Juden massenweise umzubringen schlichtweg "barbarisch". 1941 fand er ihn dann, den Staatsbankrott vor Augen "alternativlos". Politiker treibt eigentlich nur ein einziges Motiv: Machterhalt bzw. -übernahme. Dazu brauchen sie zumindest die passive Loyalität hinreichend großer Bevölkerungsgruppen. Und am leichtesten kriegt man die über eine Verbesserung der materiellen Verhältnisse. Und das geht wiederum am schnellsten (wenn auch wenigsten nachhaltigsten) auf Kosten von unbeliebten Minderheiten.

Ich glaube, dass das zu eindimensional ist. Dass man einen Willen zur Macht braucht als Politiker, ist klar, dass Macht korrumpiert, auch, und diese Probleme finden wir ja auch in der freien Wirtschaft vor. Dort werden sie ironischerweise dadurch entschärft, dass es objektivere, thematisch sehr eingeschränkte Möglichkeiten gibt, den Erfolg zu messen (Quartalszahlen z.B.), während man in der Politik als Machthaber das Volk davon überzeugen muss, dass man gute Politik macht, um an die politische Währung (Wählerstimmen bzw. allgemeiner die Zustimmung oder zumindest die Billigung des Volkes) zu gelangen.
Trotzdem machen Politiker Politik nicht nur aus dem Machttrieb heraus, die meisten jedenfalls nicht. Manche verlieren sich in den Machtspielchen, die zur Navigation in einem politischen Apparat dazugehören, andere sind desillusioniert angesichts des geringen Umfangs dessen, was sie persönlich bewegen können und versuchen, mehr Macht zu akkumulieren, um größere Gestaltungsspielräume zu erlangen, was ein Projekt von Jahrzehnten sein kann in einer Politikerkarriere... es braucht ziemlich viel persönliche Stärke, da auch nach Jahren des politischen Hauen und Stechens noch den klaren Blick dafür zu behalten, wofür man irgendwann mal angefangen hat, in das Spiel einzusteigen. Das heißt aber nicht, dass diese Motive verloren sind, sie sind häufig sicher auch einfach von der brutalen Logik des politischen Spiels überlagert und für Außenstehende nicht sichtbar.
Ich kann mir nur ausmalen, wie viele Politiker sich gerne übergeben wollen, bei dem, was sie manchmal in die Kamera brabbeln, um bloß nicht ein Projekt zu gefährden, dass sie mit dem Koalitionspartner mühsam ausgehandelt haben und gegen etwas eingetauscht haben, was sie eigentlich nicht haben wollten.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Das wird gerne dahinter versteckt, da gebe ich dir vollkommen Recht. Und du forderst ja auch, was dir aus deiner persönlichen Lage heraus richtig erscheint, für die gesamte Gesellschaft ein, oder? Mehr Freiheit, weil DICH deine empfundene Unfreiheit ankotzt, inwiefern ist das weniger ein egoistisches Bedürfnis?

Ja. Allerdings bin ich der Ansicht, dass sich der Gewaltinitiator im Unrecht befindet.

Selbst wenn das so wäre - wie würdest du, realistischerweise, einen Zustand herstellen, der rechtens wäre? Teilweise sind Dinge einfach historisch gewachsen und waren nie so gedacht, teilweise werden sie allgemein anders empfunden als von dir und natürlich darf der ganze Apparat auch nicht einfach absaufen, dass das desaströs wäre, muss ich auch dir nicht erklären. Was wäre dein wichtigster Punkt, den du gerne ändern würdest?

provinzler hat geschrieben:Man sollte hier nicht der nationalsozialistischen Propaganda zu sehr auf den Leim gehen. Der primäre Antrieb für die gewaltsamen Übergriffe bis letztlich hin zum Mord war der Wunsch auf Zugriff auf die ganz materiellen Ressourcen unpopulärer Bevölkerungsgruppen. Die Ideologie war nicht Ausgangspunkt, sondern Rechtfertigung (auch vor dem eigenen Gewissen) des massiv materiell motivierten Handelns. Und die "Ausgebombten", denen neue Wohnungen und Möbel zugeteilt wurden, ging am Arsch vorbei, was mit deren Vorbesitzern passierte, hauptsache ein Dach überm Kopf. Lokale Parteigrößen, Bürgermeister von Städten mit besonders großen Bombenschäden schrieben beispielsweise Bittbriefe an die Regierung nach Deportationen, um die Versorgung der Bombenopfer gewährleisten zu können.

Ja, aber all das hätte nicht funktioniert, wenn es nicht eine überzeugende Begründung dafür gegeben hätte, warum man die deportieren darf und uns nicht. Hätte sich für das Jüdisch-Sein niemand interessiert, hätten die Bürgermeister genauso darum gerungen, denen Möbel zuzuteilen anstatt sie ihnen wegzunehmen. Erstmal muss der kognitive Schritt getan werden, eine Teilung in ein überlegenes "Wir" und ein unterlegenes "Die" vorzunehmen und dafür braucht es ein Narrativ, das als zufriedenstellende Erklärung empfunden wird. Selbst hinter Billigparolen wie "Ausländer raus" von der derzeitigen NPD steht ein ganzer Wald an kulturellen Narrativen, einfach, sagen wir mal, "Bäcker raus" zu brüllen, würde niemand akzeptieren oder auch nur beachten, weil dahinter keine vorgeprägte Logik erkannt werden kann. Wer dagegen in einem Kontext aufgewachsen ist, in dem es zum allgemeinen kulturellen Verständnis gehört, dass Bäcker Schädlinge der Gesellschaft sind, würde das anders auffassen, weil es an sein gewohntes Weltbild anschlussfähig wäre. Rationalität ist kontextabhängig, je nachdem, auf welche kulturelle Basis und deren implizite Annahmen man aufbaut (natürlich nicht total: physikalische Gegebenheiten lassen sich nicht ändern und Autos fahren nirgendwo ohne Räder, aber was man in einem Auto sieht (Chance, Bedrohung, Unterschied,...) ist sehr variabel und alles was mit der Bewertung von Zielen zu tun hat (tun oder lassen?) ist Gegenstand veränderbarer Perspektiven).
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon Gandalf » Sa 6. Apr 2013, 16:28

Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Aber auch bei uns heute schreitet die Entmündigung immer weiter fort, indem z.B. von Partiefunktionären und totalitären Spinnern behautpet wird, dass der Staat besser erziehen könne, als intakte Familien.

Belege für exakt diese Behauptung!


Wie was soll ich belegen? - Das es intakte Familein gibt - oder was intakte Familien sind?

Für mich ist eine intakte Famlie: Menschen die sich freiwillig zusammenschließen und bereit sind Verantwortung für das zu übernehmen, was aus diesem (biologischen) Zusammenschluss erwächst.

Danach kommt erst einmal lange Zeit nichts als zweitbeste Lösung. Den Staat braucht man an keiner Stelle dazu. Er ist sogar schädlich, wenn er z.B.. Ressourcen, die Familien erwirtschaften um ihre Verantwortung nachgehen zu können, aus ideologischen Gründen und für amoralische Zwecke um- und fehlleitet.

http://www.dijg.de/ehe-familie/forschun ... bedeutung/

(ähmm..- @mods - wie sieht es eigentlich mit dem "Leistungschutzrecht" aus. Darf man noch Absätze/Artikel kopieren oder kommt da der Abmahnanwalt)

Sozialistische Erziehung im "braunen" Staat: http://de.wikipedia.org/wiki/Erziehung_ ... ozialismus
Sozialistische Erziehung im "roten" Staat: http://de.wikipedia.org/wiki/Erziehung_ ... 6nlichkeit

Auch wenn die 'jeweilige Ausrichtung der sozialistischen Persönlichkeit' bei den "völkischen" etwas anders ist als bei den "internationalistischen" - so ist sie doch im Wesen nach gleich: Der frei und eigenverantwortliche Familienzusammenschluss (da nicht "kontrollkonform") muss zerstört werden, um den "neuen Menschen" zu "züchten" oder "zu schaffen".

Der derzeitige 'Neosozialismus', der sich diesmal nicht braun oder rot, - sondern wohl "bunt" gibt, begibt sich ja schon in ähnliche Fußsstapfen: Hochsubventionierte, gleichmacherische Erziehungslager werden mit dem Geld gefüttert, das man vorher Menschen abgenommen hat, die Eigenverantwortung bereit waren zu übernehmen. Dadurch wird es auch immer schwieriger die Ressourcen für die Gründung einer intakten Familie zusammen zu bekommen. Ich halte das nicht für Zufall oder naives Gutmenschentum. Dagegen spricht zB. auch, das man diejenigen Menschen, die bereit sind Verantwortung für Kinder zu übernehmen propagandistisch diffamiert, wenn sie einen Ausgleich für das fordern, was man ihnen wegnimmt und von - "Herdprämie" spricht und staatliche (Um-)Erziehungsprogramme von Soziologen, - die ja regelmäßig Nettostaatsprofiteure sind, - positiv konnotieren lässt.
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon Gandalf » Sa 6. Apr 2013, 16:42

Nanna hat geschrieben: Je nach Perspektive und Zielsetzung sind eben unterschiedliche Dinge rational.


Sehr wahr :2thumbs:

...und daher KANN keine zentrale Stelle jemals die richtige Entscheidung für alle Beteiligten treffen! Allein schon das Ansinnen, sowas tun zu können, zeugt von einer hochgradigen Psychose.

Dennoch kann es 'ethische Grundsätze' geben, die es herauszufinden gilt - und die das Zusammentreffen unterschiedlicher Rationalitäten nicht in Gewalt und Chaos enden lassen.
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon provinzler » Sa 6. Apr 2013, 17:17

Nanna hat geschrieben:Wenn wir uns schon bei solchen "Details" befinden, ist es möglicherweise einfacher, dich zufrieden zu stellen, als ich dachte. Ich hatte immer den Eindruck, wir reden über eine noch weit grundlegendere Ablehnung unserer Gesellschaft deinerseits.

Ich hab mich gezwungenermaßen schon mit allem möglichen irgendwie arrangiert, nicht zuletzt aus Mangel an Alternativen.
Ich prangere das an was mich stört, und das manchmal auch mit dem Holzhammer. Oben genanntes speziell das Thema Isonomie beinhaltet übrigens auch weit mehr als es dir vermutlich schmecken dürfte.


Ok, da gestehe ich freimütig ein, zu wenig Ahnung zu haben. Mir ging es auch mehr darum, zu zeigen, dass bei kollektiven Systemen nicht immer auf individuelle Wünsche Rücksicht genommen werden kann.
Nanna hat geschrieben:ja, aber der Lehrerberuf oder Verwaltungskräfte üben meines Erachtens keine hoheitlichen Aufgaben aus und gegen Geheimnisverrat, Amtsmissbrauch etc. kann man auch ohne Beamtentum drakonische Maßnahmen ergreifen.

Manche Bundesländer verbeamten ohnehin weit weniger als früher, grad auch bei den Lehrern. Man muss sich natürlich dann auch im Klaren sein, dass dann beispielsweise auch ein Streikrecht besteht (die berufstätigen Mütter freuen sich bestimmt über den zusätzlichen Betreeungsbedarf). Aber darum gings mir gar nicht. Mir gings darum, dass ich einen erheblichen Teil meiner Einkünfte in dieses System einzahlen soll (in Österreich muss ich das sogar als Selbstständiger!), obwohl ich ganz gut in der Lage bin das auf eigene Verantwortung zu machen.

Nanna hat geschrieben:Der Spruch ist in Zeiten, wo verrrückte Tea-Partysanen sich am liebsten panzerbrechende Selbstschussanlagen in den Vorgarten stellen würden, ein bisschen lächerlich geworden, findest du nicht? Freiheit ist, wie Gleichheit, eine leere Projektionsfläche, die man in Diskussionen erst mal füllen sollte, Slogans helfen da nicht weiter.

Ich denke, dass du der Tea-Party hier auch nicht ganz gerecht wirst, weil in den deutschen Medien einigermaßen einseitig berichterstattet wurde. Der Name hat nämlich nicht nur einen historischen Bezug, sondern steht auch als Akronym für "taxed enough already". Und unter diesem Banner findet sich auch ein ziemlich heterogenes Gemisch an allen möglichen Menschen, die sich auf diesen kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt haben. Ansonsten ist das ein reichlich bunter Haufen. Ist ein bisschen so wie mit den Piraten, bei denen die Frage des geistigen Eigentums der gemeinsame Nenner ist, und die sonstigen Ansichten parteiintern meilenweit auseinandergehen.

Nanna hat geschrieben:Trotzdem machen Politiker Politik nicht nur aus dem Machttrieb heraus, die meisten jedenfalls nicht.

Ich betrachte das vom negativen Standpunkt her. Droht der Verlust der Macht, war und ist Politikern buchstäblich jedes Mittel recht. Besteht eine solche Situation nicht akut, ergeben sich andre Prioritäten. Die Besonderheit der Jahre 1933-45 war ja unter andrem, dass die Regierung quasi tagtäglich am Rande der Pleite entlangwirtschaftete und man aus diesem "Not"-Modus zu keinem Zeitpunkt herauskam.

Nanna hat geschrieben:Ja, aber all das hätte nicht funktioniert, wenn es nicht eine überzeugende Begründung dafür gegeben hätte, warum man die deportieren darf und uns nicht. Hätte sich für das Jüdisch-Sein niemand interessiert, hätten die Bürgermeister genauso darum gerungen, denen Möbel zuzuteilen anstatt sie ihnen wegzunehmen. Erstmal muss der kognitive Schritt getan werden, eine Teilung in ein überlegenes "Wir" und ein unterlegenes "Die" vorzunehmen und dafür braucht es ein Narrativ, das als zufriedenstellende Erklärung empfunden wird.

Oder ich bringe nochmal das Beispiels Frankreich, wo Freiheitsberaubung und Folter durch Schlafentzug, sowie die Androhung schärferer Untaten, straflos bleiben, wenn die Opfer zu bestimmten unpopulären Gesellschaftsgruppen gehören (Stichwort "Bossnapping").
provinzler
 
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon Darth Nefarius » So 7. Apr 2013, 12:53

Nanna hat geschrieben:Da du die Angewohnheit hast, deine eigenen Schlüsse und impliziten Annahmen als rational und selbstverständlich anzusehen (erinner mich daran, dir an anderer Stelle mal zu erklären, inwiefern das mit dem stark intutivien Anteil unseres geteilten Persönlichkeitstyp zusammenhängt), wird's nicht ganz einfach sein, dir nahe zu bringen, dass die Begriffe, die du da verwendest, in der Ideengeschichte teils anders konnotiert werden als von dir, aber versuchen wir's halt mal:

Die Konnotationen erfolgen nicht aus Weltfremdheit sondern aus einer anderen Bewertung von Industrialisierung und Rationalisierung. Das erfolgt zum Großteil aus der politischen und philosophischen Haltung. Wenn auf einer Brottüte "genfrei" steht, findet das ein Grüner ganz toll, ein Biochemiker wird zuerst schmunzeln und sich dann ärgern. Industrialisierung finden eher Linke immer ganz furchtbar und denken nicht daran, dass davor mittelalterliche, noch viel grausamere Systeme ihnen nichtmal die Kraft gegeben hätte, sich gegen ihre Despoten aufzulehnen. In eurem Wunderland vor der Industrialisierung gibt es eine Gesellschaft, in der in Kommunen friedlich und altruistisch gelebt wurde. :irre:
Rationalisierung ist ein Konzept welches lediglich abstrakt beschreibt, wie unnötige, nutzlosere komponenten eines Systems beseitigt werden zugunsten der Effizienz. Bei diesem Begriff stellt sich im Zusammenhang mit dem Holocaust natürlich die Frage, ob so viele Menschen tatsächlich ein Klotz am Bein waren und ob es zur Effizienz beigetragen hat. Beides kann klar mit "nein" beantwortet werden, ich werde zu deinen Erläuterungen genaueres dazu schreiben.
Manche Begriffe sind schlichtweg neutral, die ideologische Haltung des Benutzers bestimmt den Inhalt.
Nanna hat geschrieben:Im 19. Jahrhundert hat sich eine Denkweise herausgebildet, die stark an den Idealen von Effizienz, Planbarkeit, Einheitlichkeit etc. orientiert war. Dass in Nazideutschland der Mensch mehr als willenlose Maschine bzw. Rädchen im Getriebe des Volkskörpers gesehen wurde, leitet sich direkt aus dieser Denkweise ab.

Keineswegs. Es ist ein Vorwand, den Darwinismus, die Rationalisierung oder die Industrialisierung für irrationale Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit, sowie den Hass auf alles Andersdenkende verantwortlich zu machen. Für die Vollstrecker ist es dann einfacher, sich ihrer Teilnahme an den Verbrechen zu entziehen. Wenn nicht der gesunde Menschenverstand erkennen lässt, dass es irrational ist, Ressourcen wie potentielle Verbündete oder Steuerzahler, Arbeitskräfte, Soldaten oder was auch immer zu verschwenden, oder sich ganze Völker zum Feind zu machen, indem man ihnen Mindewertigkeit auf nicht vorhandener Grundlage zuschreibt und deswegen meint, sie hätten auch noch keine Existenzberechtigung, so zeigt zumindest das Ergebnis dieser Taten (also die Niederlage), dass dies nichts mit Rationalisierung und erhöhter Effizienz zu tun hatte.
Nanna hat geschrieben:Gleichzeitig wurden Vorurteile über Kollektive, etwa die Juden, die aus tradierten Vorstellungen, aktuellen politischen Konflikten und einem unzureichenden Verständnis etwa der neu aufgekommenen Evolutionstheorie zusammengemixt wurden, mit wissenschaftlichen Methoden zu beweisen versucht, wobei es sich da meist um die bekannte Argumentationsform der petitio principii handelte - man versucht zu beweisen, was man eh schon zu wissen glaubt (der Fehlschluss ist immer noch weit verbreitet, du wirst dich an regelmäßige Vorwürfe diesbezüglich an deine Adresse erinnern, wenn auch glücklicherweise in komplett anderen Zusammenhängen). Bestes Beispiel dafür ist die Craniometrie, also die Schädelvermessung - wie wir heute wissen, kompletter Blödsinn, aber damals war man überzeugt und so blind vor lauter Wunschdenken, dass man eine objektive Methode gefunden hatte, Charaktereigenschaften des Menschen an banalen optischen und physiologischen Merkmalen herleiten konnte (gibt's heute noch, den Unsinn, hab erst neulich in einem amerikanischen Forum jemanden zusammengefaltet, der meinte, aus Gesichtspartien Persönlichkeitsmerkmale herauslesen zu können).

Diese Experimente sind nicht aus der gleichen Haltung wie der meinen entstanden und sprechen wiedereinmal eine deutliche Sprache: Sie sind das Ergebnis einer Ideologie, nicht der Wissenschaft, des Darwinismus oder der Rationalisierung. Wähernd es keinen Anlass zur Annahme von Minder-oder Höherwerttigkeit einzelner Rassen (falls dieser Begriff überhaupt zu irgendetwas taugt. Viele Biologen halten ihn für irrsinnig, gerade wegen des Darwinismus) gab, die diese Experimente und darauf oft folgende Zwangssterilisationen gab, erwächst meine Haltung zur Motivation des Menschen (also den Egoismus, auf den du wohl hinauswillst) aus Beobachtung und der permanenten Überprüfung. Unterlegenheit oder Überlegenheit kann in konkreten Experimenten widerlegt oder bewiesen werden. Das Experiment Krieg hat die Überlegenheit der arischen Rasse und einer Ideologie, die auf Hass beruhte, widerlegt. Aber immer wieder belegt das Verhalten der Menschen und der Tiere (mit denen wir uns auch vergleichen müssen und können, um den Ursprung unserer Triebe und Handlungsweisen besser zu deuten), dass der Egoismus DIE Triebfeder ist. Aber ich will die Diskussion nicht auch noch auf den Egoismus ausbreiten, sofern du nicht darauf bestehst. Ich denke, dass andernorts im Forum bereits genug dazu steht.
Nanna hat geschrieben:Vor dem Hintergrund, dass Teile der Bevölkerung als biologisch unterlegen gesehen wurde und man, in einer sozialdarwinistischen Weise dachte, den Völkskörper von Schädlingen reinigen zu müssen, war es komplett logisch und rational, systematisch Leute zu ermorden.

Nein, denn es gab keinen Anlass zu dieser Vermutung. Ein Wissenschaftler, der rational vorgeht, hat erstmal wenigstens ein Indiz für seine Theorie. Selbst die Vorurteile der Nazis über reiche, übermäßig verschlagene und zu unrecht mächtige und gebildete Juden spricht nicht für eine Unterlegenheit dieser. Der Hass erwuchs aus Minderwertigkeitskomplexen auf globaler Ebene, die auf völkische Ebene übertragen wurde. Ein eindeutiger Vorwand, den du erkennen müsstest.
Nanna hat geschrieben: Du siehst das heute zu Recht als irrational an, weil du aus einer Perspektive des besseren Verständnisses der Zusammenhänge erkennen kannst, dass die wahrgenommenen biologischen Unterschiede der Völker nicht existierten und das ganze Vorgehen in einer irrwitzigen Ressourcenschlacht endete - das war aber aus der Perspektive der dreißiger Jahre nur wenigen Menschen klar und die fühlten sich genauso gewiss in ihrer Rationalität wie du heute.

Wie gesagt, für meine Annahmen brauche ich Beweise, wenigstens Hinweise. Die Motivation für diese Taten waren offensichtlich anderer Natur als der Rationalisierung des Volkes. Ich bin sowohl mit heutigen als auch damaligen Schwachköpfen nicht vergleichbar. Gerade weil ich auch schon als Kind die Rolle des advocatus diavoli einnahm, lasse ich mich nicht auf halbgare Thesen ein. Und einem kurz überlegenden Menschen sollte wegen der Parolen, der Wahlkampfplakate, der mangelnden Indizien für entsprechende Annahmen und der Ergebnisse erkennen, dass es nicht um Rationalisierung ging.
Nanna hat geschrieben: Wäre vielleicht mal ein guter Anlass, der Selbstgewissheit gegenüber etwas Misstrauen zu entwickeln, einfach weil die Gefahr des Tunnelblicks so groß ist und man irgendwann anfängt, Faktoren wegzurationalisieren (mit pseudorationalen Argumenten behaupten, sie würden nicht existieren oder hätten kein Gewicht, was sehr lange gut gehen kann, bis es meist kurz und stark knallt).

Ich hinterfrage permanent meine Annahmen, auch in Konfrontation mit diesem Forum. Ansonsten würde ich hier nicht schreiben. Es gelingt lediglich keinem hier, mich in grundlegenden Dingen vom Gegenteil zu überzeugen. Aber einen Olivenzweig reiche ich dir doch: Zuletzt habe ich verstärkt am Egoismus gezweifelt, da mir einige Szenarien klar wurden, in denen ich selbst vielleicht nicht egoistisch handeln wollen würde. Mir machen diese hypothetischen aber möglichen Situationen Angst, da mir weder die eine noch die andere Option gefallen. Mein vorübergehendes Ergebnis ist, dass der Egoismus und geringere Emotionalität großes Leid ersparen könnten, allerdings aufkosten von Emotionen, die auch ich leider anstrebe. Fazit: Ich bin wohl nicht in der Lage zu tun, was getan werden müsste, um meine Ziele durchzusetzen, sobald ich in diese emotionale Situation gerate, sofern das passiert. Dennoch zweifle ich nicht daran, dass der rationalste Weg der des Egoismus ist.
Nanna hat geschrieben:Klar sind wir heute klüger. Aber damals dachte man eben, dass man mit einem maschinellen Verständnis der Gesellschaft zu einer perfekt geölten Gesellschaftsmaschine gelangen könnte, die nach höchsten Effizienzstandards funktionieren würde und in der endlich alle Widersprüche des Lebens und alle anstrengenden Unterschiede aufgelöst wären. Der Judenmord war, ökonomisch gesehen, komplett unsinnig, da hast du retrospektiv Recht, aber viele Leute glaubten eben gerne, dass die Juden, die man immer irgendwie schon ablehnte, die Ressourcenverschwender wären - vor dem Hintergrund ist es ökonomisch rational, sich ihrer zu entledigen.

"Ressourcenverschwender"? Nein, höchstens "Ressourcenhorter", zumindest sind das doch die geläufigeren Vorurteile, oder? Der wesentlich häufigere Vorwurf war der des Reichtums, foglich war die Motivation im gesamten irrational. Abgesehen davon überprüfen rationale Menschen damals wie heute ihre Theorien, also komm mir nicht damit.
Nanna hat geschrieben:Ich rechtfertige da nichts, ich will nur zeigen, wie man a) im übergroßen Vertrauen auf Rationalität zu sehr irrationalen Ergebnissen gelangen kann (wie ich immer sage: man muss seine Prämissen prüfen!)

Auch das Prüfen gehört zur echten Ralität. Du beantwortest dir doch gerade selbst, dass dieses Vorgehen nicht nur retrospektive irrational war.
Nanna hat geschrieben: und b) wie der philosophische Zeitgeist das Denk- und Machbare einer Gesellschaft vorprägt. Innerhalb dieser Grenzen, also dieses Kontextes, erscheinen dann Dinge rational und selbstverständlich, die es vor einem anderen Hintergrund keinesfalls wären.

Wenn dieses Verhalten tatsächlich aus einem damals rationalen Geist heraus erwuchsen, müssten doch sämtliche Wissenschaftler, Akademiker und andere gebildete und intelligente Persönlichkeiten diese Ideologie zu einer erstaunlichen Mehrheit unterstützt haben. Aber damals wie heute sind solche Ansätze nur das Ergebnis schwacher, ungebildeter und dummer Menschen, die auch diese Ideologie trugen. Hitlers Militärberater haben ihm permanent versucht, diesen Krieg auszureden (aus auch einem damals rationalen Grund: keine Chance auf Sieg). Das einfache Volk wusste nicht um diese Aussichtslosigkeit, weil sie ungebildet, unwissend und naiv waren und trugen deswegen das Projekt mit. Die Rationalen haben die Niederlage vorhergesehen, nicht so wie du es zeichnest, den Krieg und den Völkermord provoziert und getragen. Schon die Abwanderung einiger der brilliantesten Wissenschaftler (die eben auch mal jüdischer Herkunft waren), zeigt wie sehr diejenigen, die für das Verbrechen angeblich verantwortlich waren, dieses System unterstützten.
Nanna hat geschrieben: Und da wiederum sollte man im Hitnerkopf behalten, dass es niemals Objektivität geben kann, sondern immer nur eine gesellschaftliche Intersubjektivität, die Konzepte vor dem jeweiligen Hintergrund rational erscheinen lassen, je nachdem auf welche Ziele (Freiheit, Gleichheit, Fortschritt, Stabilität, Ehre, Reinheit, usw.) eine Gesellschaft gerade Wert legt.

Da haben wir deinen Fehler: Ich definiere nicht nach der Masse, was rational ist und was nicht. Du setzt Volksmeinung gleich mit objektiver (oder eben intersubjektiver) und deswegen momentan rationaler Meinung gleich. Es besteht jedoch kein Zusammenhang, da es keine Abstimmungssache ist, ob 2+2 = 4 oder 5 ist. Dieser Denkfehler resultiert (und das will ich dir noch als Kompliment anrechnen) einem demokratisch-idealistischen Geist.
Nanna hat geschrieben:Ich empfinde z.B. den derzeitigen Umgang mit den türkischen Medien im NSU-Prozess hochgradig irrational. Man muss aber beachten, dass das OLG in München diese Entscheidung auf Basis eines rationalen und im Prinzip auch transparenten Verfahrens getroffen hat und sich nun, gar nicht so irrationalerweise, davor fürchtet, beschuldigt zu werden, das (rationale) Gleichbehandlungsprinzip zu verletzen. Auch so ein Beispiel, wo unterschiedliche Rationalitätsauffassungen kollidieren. Je nach Perspektive und Zielsetzung sind eben unterschiedliche Dinge rational.

Dann ist dir nicht bekannt, dass es automatisch reservierte Plätze für einige deutsche Medienvertreter gab und die Frist sich anzumelden für die türkischen Medienvertreter kürzer war, da der "Einsendeschluss" zwar für alle gleich war, jedoch die Benachrichtigung für letztere später kam? Auch daran war nichts rational.
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon Darth Nefarius » So 7. Apr 2013, 13:04

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Aber auch bei uns heute schreitet die Entmündigung immer weiter fort, indem z.B. von Partiefunktionären und totalitären Spinnern behautpet wird, dass der Staat besser erziehen könne, als intakte Familien.

Belege für exakt diese Behauptung!


Wie was soll ich belegen? - Das es intakte Familein gibt - oder was intakte Familien sind?

Für mich ist eine intakte Famlie: Menschen die sich freiwillig zusammenschließen und bereit sind Verantwortung für das zu übernehmen, was aus diesem (biologischen) Zusammenschluss erwächst.

Nicht jeder ist dazu zeitlich oder sonstwie in der Lage, ist dir das nicht klar? Dass es einige Familien gibt, die intakt sind, reicht nicht aus, um für alle zu entscheiden, dass sie sich um sich selbst kümmern müssen. Du würdest ihnen nicht eine Last nehmen, sondern die Hilfe verweigern.
Gandalf hat geschrieben:Auch wenn die 'jeweilige Ausrichtung der sozialistischen Persönlichkeit' bei den "völkischen" etwas anders ist als bei den "internationalistischen" - so ist sie doch im Wesen nach gleich: Der frei und eigenverantwortliche Familienzusammenschluss (da nicht "kontrollkonform") muss zerstört werden, um den "neuen Menschen" zu "züchten" oder "zu schaffen".

Ein halbgarer Vorwurf. Anders bezeichten heißt das "Selektion". Aber dieses Konzept ist nicht neu (und nein, auch älter als nationalistische Ideologien). Selektion innerhalb einer Spezies durch die Spezies ist uralt, bei vielen Spezies zu beobachten. Die besten Beispiele sind die sexuellen Selektionen. noch bevor der Mensch Mensch wurde, hat er sich seinen Partner ausgesucht und damit selektiert. Schöne Lippen, Brüste, lange Haare bei Frauen oder ein größerer Körper, eine tiefe Stimme sind Ergebnisse von Selektion einer Spezies an sich selbst. Damit ist per se nichts daran faschistoid und/oder verwerflich. Jetzt ohne die geschlechtliche Komponente weiter an sich und den Fähigkeiten zu selektieren ist natürlich und nützlich.
Gandalf hat geschrieben:Der derzeitige 'Neosozialismus', der sich diesmal nicht braun oder rot, - sondern wohl "bunt" gibt, begibt sich ja schon in ähnliche Fußsstapfen: Hochsubventionierte, gleichmacherische Erziehungslager werden mit dem Geld gefüttert, das man vorher Menschen abgenommen hat, die Eigenverantwortung bereit waren zu übernehmen.

Woher willst du wissen, dass jeder bereit war oder ist, Eigenverantwortung zu übernehmen? Die wenigsten wollen das.
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon stine » So 7. Apr 2013, 15:11

Darth Nefarius hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Für mich ist eine intakte Famlie: Menschen die sich freiwillig zusammenschließen und bereit sind Verantwortung für das zu übernehmen, was aus diesem (biologischen) Zusammenschluss erwächst.

Nicht jeder ist dazu zeitlich oder sonstwie in der Lage, ist dir das nicht klar? Dass es einige Familien gibt, die intakt sind, reicht nicht aus, um für alle zu entscheiden, dass sie sich um sich selbst kümmern müssen. Du würdest ihnen nicht eine Last nehmen, sondern die Hilfe verweigern. (...) Woher willst du wissen, dass jeder bereit war oder ist, Eigenverantwortung zu übernehmen? Die wenigsten wollen das.

Wer nicht bereit ist, sich seiner Verantwortung zu stellen, sollte auf Kinder ganz verzichten. Ist ja heute kein Problem mehr.
Würden Kinder nur noch dort geboren, wo sie erwünscht sind und man für sie die Verantwortung zu übernehmen gewillt ist, wäre das Thema ohnehin erledigt, weil ausstirbt, was so nicht leben möchte.

@provinzler: Auch ich habe erlebt, was es heißt, wenn Leistungswille in der Schule gemobbt wird. Lehrer sind nun mal verpflichtet, einen Durchschnittsmenschen zu erziehen und achten sehr darauf, dass der Klassenschnitt dem Wunsch der Schule entspricht. Wenn schulische Fehlleistung nun auch noch auf ein krankes Elternhaus trifft, stehen sie Kinder im Regen. Auch ein Kämpfer wie @Darth bliebe auf der Strecke, hätte er keinen elterlichen Rückhalt erfahren.

Staatliche Kindeserziehung ab dem 3. Monat war und ist immer noch ein menschliches Disaster. Erst in neueren Studien versucht man gerne das zu widerlegen. Da aber keinerlei Langzeiterfahrungen vorliegen, müsste man auf ältere Studien zurückgreifen und die lässt man dafür aber gerne in der Schublade, weil nicht sein kann, was nicht sein darf (http://www.dhm.de/ausstellungen/lebensstationen/ddr_3.htm). Besser man behauptet erst einmal, heute wäre das alles ganz anders... die Erzieher besser ausgebildet und die Einrichtungen menschlicher, die Kinder williger und die Mütter weniger gestresst, wenn sie die Kleinen nach einem 8Stunden Arbeitstag wieder zu sich nehmen dürfen.
http://www.lehrfilme.eu/ddr/kinderkrippe.htm

LG stine
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Re: Was kommt, wenn Familie geht?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 8. Apr 2013, 21:53

stine hat geschrieben:Wer nicht bereit ist, sich seiner Verantwortung zu stellen, sollte auf Kinder ganz verzichten. Ist ja heute kein Problem mehr.

Und wenn es ein Missgeschick gibt? Wenn man trotzdem Kinder will und bereit ist, den Staat dafür zu finanzieren, damit er einen Teil der Lasten übernimmt? Willst du nur noch einer reichen Oberschicht Fortpflanzung zugestehen? Das würde den Ruin jeder Gesellschaft bedeuten und global (wenn konsequent durchgezogen) einer Spezies.
stine hat geschrieben:Würden Kinder nur noch dort geboren, wo sie erwünscht sind und man für sie die Verantwortung zu übernehmen gewillt ist, wäre das Thema ohnehin erledigt, weil ausstirbt, was so nicht leben möchte.

Tja, aber wieviele haben denn in einer Gesellschaft die nötigen Ressourcen? Und wie lange würde diese Oberschicht denn existieren, wenn die Unterschicht auf deren Rücken sie existiert, einfach verschwindet, weil sie keinen Nachwuchs hat? Gut, dann bildet sich aus der Oberschicht wieder eine Unterschicht heraus (nach großem Schwund der Population und gravierenden Umwälzungen des Systems, welches nicht ohne Chaos und Gewalt vonstatten gehen könnte). Oder (was wahrscheinlicher ist) die Unterschichten in Mehrheit werden den Reichen, die ihnen das Recht Kinder zu bekommen, absprechen, massakrieren, enteignen und ein staatliches System einführen, um Kinder erziehen zu lassen, wenn sie es nicht können und führen so kollektive Verantwortung und Unterstützung ein. Es gibt kein Szenario in denen euer Mist existieren könnte.
@provinzler: Auch ich habe erlebt, was es heißt, wenn Leistungswille in der Schule gemobbt wird. Lehrer sind nun mal verpflichtet, einen Durchschnittsmenschen zu erziehen und achten sehr darauf, dass der Klassenschnitt dem Wunsch der Schule entspricht. Wenn schulische Fehlleistung nun auch noch auf ein krankes Elternhaus trifft, stehen sie Kinder im Regen. Auch ein Kämpfer wie @Darth bliebe auf der Strecke, hätte er keinen elterlichen Rückhalt erfahren.

Der elterliche Rückhalt war wichtig, aber nicht ausreichend. Und vieles musste von mir ausgehen, da meine Eltern eher versuchen, nicht aufzufallen und ungern etwas riskieren oder Streit suchen. Wenn man selbst zu schwach ist, hat man keine Chance und das wird sich auch nicht ändern, indem man die Gesellschaft meint in den Ruin treiben zu müssen durch Abschaffung eines halbwegs gerechten Systems und dieses nicht zu ersetzen.
stine hat geschrieben:Staatliche Kindeserziehung ab dem 3. Monat war und ist immer noch ein menschliches Disaster. Erst in neueren Studien versucht man gerne das zu widerlegen. Da aber keinerlei Langzeiterfahrungen vorliegen, müsste man auf ältere Studien zurückgreifen und die lässt man dafür aber gerne in der Schublade, weil nicht sein kann, was nicht sein darf (http://www.dhm.de/ausstellungen/lebensstationen/ddr_3.htm). Besser man behauptet erst einmal, heute wäre das alles ganz anders... die Erzieher besser ausgebildet und die Einrichtungen menschlicher, die Kinder williger und die Mütter weniger gestresst, wenn sie die Kleinen nach einem 8Stunden Arbeitstag wieder zu sich nehmen dürfen.

Meine Mutter war in der Sowjetunion in so einer Lage. Wenn es diese Möglichkeit nicht für ihre Eltern gegeben hätte, wäre sie abgetrieben worden wie es ihre Mutter bereits tat. Ihre Mutter hat sie ohnehin wohl nicht geliebt, was hätte eine Kindheit ausschließlich mit dieser Frau aus meiner Mutter gemacht? Es geht immer wesentlich schlimmer als ihr euch denkt.
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