Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardäre?

Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon webe » Sa 27. Jul 2013, 11:33

Nicht der Superreiche bildet das Fundament letztendlich für unsere Gesellschaft, dagegen die Anderen schon, die nicht so Vermögenden oder auch die Unvermögenden:
Sie sind die starken Schultern unseres Staates letrztendlich!
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon provinzler » Sa 27. Jul 2013, 13:49

webe hat geschrieben:Wir haben eine fadenscheinige Gesllschaft u Staatsform. Deswegen gibt es auch keine Grenzen nach Oben, siehe Milliardäre und Vielfachmillionäre, aber dagegen nach unten, siehe das Hartz-Programm.

Wir leisten uns aus humanitären Gründen ein Grenze nach unten. Aus welchen Gründen (außer Neid und Missgunst) sollten wir eine Obergrenze einführen?

Im deutschen Fußball gabs jahrzehntelang Gehaltsobergrenzen, mit der Folge, dass schwarz bezahlt wurde, und kreative Umgehungsformen eingeführt wurden (Lebensversicherungen oder Bausparverträge auf den Spieler abgeschlossen wurden, die Beiträge jedoch vom Verein bezahlt) usw.
Vor allem aber führten diese Obergrenzen dazu, dass Spitzenkräfte (Schnellinger, Brülls, Haller) ihr Glück andernorts versuchten, wo man nicht so engstirnig war. Der deutsche Vereins-Fußball wurde erst international konkurrenzfähig, als er diesen Schwachsinn Anfang der 70er Jahre eliminierte und die Bezahlung frei gab. Die Obergrenze lag übrigens davor bei 1.200 Mark im Monat. (2.000 Mark für eine Handvoll besonders "verdienter" Nationalspieler).

webe hat geschrieben:Somit gehört für untere Schichten aufgebessert und die ganz oberen Schichten aufgelöst:

Das mit der Beseitigung der wohlhabendsten Bevölkerungsgruppe hätten wir in Deutschland als Thema eigentlich durch, dachte ich zumindest?
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon hjrumland » Sa 27. Jul 2013, 14:01

Die Diskussion über die Notwendigkeit für Millionaire oder Billionaire für eine Gesellschaft ist nicht sehr aufschlussreich ohne vorher Einheiten festzulegen die hier verglichen werden.

Früher hatten wir mal einen Goldstandard und die Nationen bezahlten ihre Schulden mit Goldtransporten zwischen Banken. Ohne einen messbaren Handelsgegenstand, sei es Gold oder Salz oder Vogelfedern oder was immer der Mensch als Wechselwert akzeptiert, hat man eigentlich garnichts.

Die Milliarden und Billiarden haben nur Wert wenn andere Menschen sie beim Tauschen für andere Werte akzeptieren.Wenn eine Gruppe von Menschen, die ihrer Regierung glaubt, dass man ein Stück Papier für etwas wertvolles umtauschen kann, dann ist es schon zu spät. Das Stück Papier repräsentiert keinen Wert mehr, nur die Hoffnung, dass die anderen Mitglieder der Gruppe es noch nicht herausbekommen haben. Der Zerfall des Wertes ist normalerweise langsam, kann aber plötzlich sehr schnell vor sich gehen.

Gehen wir zurück zum August 1923. Die Weimarer Regierung zirkulates einen 100 Million Mark Schein, der nur auf einer Seite gedruckt ist. In pica 6 steht auf dem Schein, dass er spätestens in sechs Wochen ungültig sei. . Der Schein kann zur Tilgungaller privater oder öffentlicher Schulden benutzt werden. Als Besitzer dieses Scheins bist Du jetzt ein Zehntelbillionair. Schööön! Aber was ist der Wert eines solchen Scheines? Bis zur nächsten Mittagsstunde, wenn die Regierung erneuet den Wert der Mark herabsetzt, ist er etwa eine DM von 1948 wert.

Näher an heute heran, im Juni 1948, hat die Bundesregierung eine Währungsreform durchgesetzt und jeder Bürger konnte 60 Reichsmark in 60 Deutsche Mark umtauschen. Alle Reichsmarkkonten wurden gefroren. Ein Jahr später lasen wir in der Zeitun,g dass es in 1949 schon über 100 Millionaire gab! Wie sind diese von DM60 zu DM1,000,000 gekommen?

Die Frage ist also nicht ob Millionaire gut für die Gesellschaft sind. Die Frage ist ob die Gesllschaft es sich erlauben kann ein solches System aufrecht zu erhalten und wenn nein, was man da machen kann?.

Die Deutschen ignorierten das Regierungsgeld und gaben ihr eigenes Notgeld heraus mit Denominationen von zehn Pfennig bis zu einer Mark. Das Notgeld hatte Wert, da die herausgebenden Gemeinden es mit dem Realwert der Gemeinde (Land, Infrastruktur, Gebäuden, etc) absicherte. Diese Scheine waren zum Teil sehr kunstvoll gestaltet und besagten mehr als nur den Wert.
(siehe http://www.flickr.com/photos/migueloks/ ... 715226525/).
Der von Itzehohe (Eine Mark, Not kennt kein Gebot) ist für mich besonders gut gelungen, da er mit dem traurigen Zustand fertig wird ohne den Humor zu verlieren.

Es wird schwer sein aus diesem globalen Ponzischema herauszukommen und weiterhin demokratische Regierungen zu haben, aber versuchen sollten wir es.
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon Nanna » Sa 27. Jul 2013, 14:44

Ok... was genau hatte das jetzt mit irgendwas zu tun?
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon hjrumland » Sa 27. Jul 2013, 15:22

Es geht ums Geld und seinen Wert als Gegenwert für menschlichen Energieaufwand.
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon webe » Sa 27. Jul 2013, 23:34

Haben dann die Superreichen einen höheren Energieaufwand als die unteren Schichten?

Fr Merkel hat in einem Bild-Info persönlch bestätigt, dass der Energiehaushalt eines Altenplegers, unabhängig vom Geschlecht, weit über ihrem belastet wird!
Somit müsste die BK-lerin wohl weniger als die sozialen Berufe verdienen- oder?
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon provinzler » So 28. Jul 2013, 05:17

webe hat geschrieben:Haben dann die Superreichen einen höheren Energieaufwand als die unteren Schichten?

Fr Merkel hat in einem Bild-Info persönlch bestätigt, dass der Energiehaushalt eines Altenplegers, unabhängig vom Geschlecht, weit über ihrem belastet wird!
Somit müsste die BK-lerin wohl weniger als die sozialen Berufe verdienen- oder?


Im Sinne von physischem Aufwand, betreiben die Superreichen in der Tat meist einen geringeren Aufwand als untere Schichten. Was man allerdings in der Tat sagen kann, ist, dass Superreiche in ihrem Leben fast immer kalkulierte Risiken eingegangen sind, und dafür letztlich belohnt wurden. Die Mittel- und Unterschicht hingegen kennzeichnet sich dadurch, entweder gar keine oder nicht kalkulierte Risiken einzugehen. Das entscheidende ist, dass sie in der Regel für die Folgen ihrer Entscheidungen haften. Fehlt diese Haftung, so entsteht eine asymmetrische Belohnungssituation, die dazu führt, dass untragbare Risiken eingegangen werden (eins der Kernprobleme der Finanzkrise).
Staatliche Bürokratien haben auch eine asymmetrische Belohnungssituation, denn hier wird das Eingehen von Risiken gar nicht belohnt, allenfalls bestraft, weswegen eigentlich nur versucht wird, die vorgeschriebenen Prozeduren exakt einzuhalten. Das gezielte Eingehen von Risiken ist ein wesentlicher Treiber unseres Fortschritts, wobei zum Risiko die Haftung denknotwendig dazugehört.
Auch der Altenpfleger trägt im Endeffekt wenig ökonomisches Risiko. Solang er nicht über seine Verhältnisse lebt, kann eigentlich nicht allzu viel passieren, zumindest nicht, in den von uns geschaffenen Versorgungsstrukturen. Aber ohne eingegangenes Risiko halt auch auch keine Belohnung für dieses Risiko. Das bedeutet unser Krankenpfleger ist für immer zur Mittelmäßigkeit verdammt, wenn er nichts ändert und Risiken eingeht.
Was die Situation der Pflegekräfte halt die letzten 20 Jahre massiv verschärft hat ist der bürokratische Aufwand, der ihnen zusätzlich zur eigenen Arbeit noch aufgehalst wurde, ohne dass dafür zusätzliche Leute eingestellt wurden, oder auch nur mehr bezahlt wurde. Ein Pfleger verbringt mindestens ein Viertel seiner Arbeitszeit damit, haarklein aufzuschreiben, welcher Oma er wann und wo und mit welcher Waschlappennummer den Hintern geputzt hat. Das nutzt eigentlich niemanden, ist aber die inhärente Logik bürokratischer Strukturen. Du musst dafür sorgen, dass dir keiner nen Fehler nachweisen kann. Alles andre spielt keine Rolle.
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon stine » So 28. Jul 2013, 09:16

Was die Kranken- und Altenpflege angeht, verdienen einfach viel zu viele Schreibtischtäter mit. Der Verwaltungsaufwand begrenzt sich ja nicht nur auf das Aufschreiben der Pflegetätigkeiten an sich, sondern der ganze Verrechnungsmodus und die Umverteilung der Gelder ist ein noch viel größerer Anteil. An der Pflege verdienen so viele Leute, auch gut bezahlte, das kann der Pfleger gar nicht mehr erarbeiten.
Darum heißt es auch immer: Die Pflege sei unbezahlbar geworden.

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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon Vollbreit » So 28. Jul 2013, 09:49

Und das hat Konsequenzen für uns alle, wenn stimmt, was hier steht:
http://www.psyheu.de/4136/ungepflegte-g ... enotstand/
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon stine » So 28. Jul 2013, 10:00

Das Dilemma ist in der Tat die schlechte Bezahlung und die Überforderung des Pflegepersonals. Ein Pflegeplatz kostet ab 3300 € - da darf schon mal die Frage erlaubt sein, wo das Geld eigentlich hingeht. Man stelle sich vor in einem Heim sind 50 zu Pflegende. Das sind 165.000 € monatlich - und das reicht nicht????
Da braucht man nicht mal BWLer zu sein, um zu erkennen, dass das nicht stimmen kann, selbst wenn auf zwei Patienten ein Pfleger käme (was ja nun wirklich nicht der Fall ist).

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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon Vollbreit » So 28. Jul 2013, 10:17

Wie kann man das rauskriegen, wo die Kohle versickert?
Es gibt Altenresidenzen, da geht es ab 9000 € los.

@ provinzler:

Was würdest Du denn als kalkuliertes Risiko bezeichnen?
So weit ich das mitbekomme, ist Reichtum in Deutschland primär vererbt, also auch die dazu nötigen Posten.
Hobbymäßig an der Börso rummachem, da kenne ich einige, aber die gehen alle noch ihren normalen Jobs nach, scheint also nicht so zu zünden.
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon provinzler » So 28. Jul 2013, 10:52

Vollbreit hat geschrieben:@ provinzler:

Was würdest Du denn als kalkuliertes Risiko bezeichnen?
So weit ich das mitbekomme, ist Reichtum in Deutschland primär vererbt, also auch die dazu nötigen Posten.
Hobbymäßig an der Börso rummachem, da kenne ich einige, aber die gehen alle noch ihren normalen Jobs nach, scheint also nicht so zu zünden.


Jegliche Art von Unternehmertum geht mit einem gewissen Risiko einher, aber auch Investorentum (so wie ich das im kleinen Rahmen mit Aktien mache) oder auch Spekulantentum (womit auch schon Leute reich geworden sind, in D v.a. im Immobilienbereich).
Reichtum im Sinne von Vermögen wird nicht in erster Linie ererbt, weder global noch in D. Man begeht dabei nämlich immer einen entscheidenden Denkfehler. Ich nehme mal das Beispiel der Familie Walton (Walmart). Da haben die Erben des alten Sam vor 20 Jahren sicherlich ein gut eingeführtes gut laufendes Unternehmen geerbt. Seither tragen sie aber auch ganz wesentlich das geschäftliche Risiko, denn ihr Vermögen besteht im Wesentlichen aus ihren Walmartanteilen und sie halten genug Aktien um auch die Entscheidungen treffen zu müssen. Etwa 90% des heutigen Werts der Firma Walmart und damit auch des Vermögens der einzelnen Familienmitglieder sind erst in den letzten 20 Jahre entstanden, diese 90% kann man folglich auch nicht als "ererbt" betrachten, was aber gerne gemacht wird (vorzugsweise von Leuten, die noch nie in der Verlegenheit waren unternehmerische Entscheidungen treffen und die Folgen tragen zu müssen). Ähnlich Rechnungen könnte man hierzulande etwa für die Familie Quandt anstellen. Also selbst im Extremfall der Waltons sind höchstens etwa 10% des Vermögens wirklich "ererbt", den Rest haben sie durch unternehmerisches Geschick (auch gutes Führungspersonal muss erstmal gefunden werden!) selbst erarbeitet.
Aber selbst wenn man solche Leute als Erben zählt, ist es so, dass nur etwa 10-15% der Millionäre dies durch Erbschaft wurden. Die weitaus meisten werden das durch Unternehmertum, manche auch durch geschickte Immobiliengeschäfte und dergleichen. Einige wenige (ein paar Dutzend Berufsfussballer, Schauspieler und Entertainer und Manager) schaffen es durch hohes laufendes Einkommen, als Angestellte. Das mit dem Reichtum, der nur ererbt ist, ist eine alte linke Mär, die von den Fakten nicht gedeckt wird.
Das Vermögen allein hilft nix, du musst es auch bewirtschaften können, sonst ist es ganz schnell weg. Und wers bewirtschaften will, muss wieder Risiken eingehen. Manche werden auch selber Millionär, bevor sie die Millionen ihrer Eltern erben können (so nen Fall kenn ich beispielsweise persönlich), übrigens auch ohne deren (finanzielle) Hilfe.
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon stine » So 28. Jul 2013, 11:47

Vollbreit hat geschrieben:Wie kann man das rauskriegen, wo die Kohle versickert?

Ich nehme an, dass die Heimleitung Ferrari fährt und Golf spielt.

http://www.gehalt.de/einkommen/suche/Le ... heitswesen
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon Nanna » So 28. Jul 2013, 13:10

provinzler hat geschrieben:Was die Situation der Pflegekräfte halt die letzten 20 Jahre massiv verschärft hat ist der bürokratische Aufwand, der ihnen zusätzlich zur eigenen Arbeit noch aufgehalst wurde, ohne dass dafür zusätzliche Leute eingestellt wurden, oder auch nur mehr bezahlt wurde. Ein Pfleger verbringt mindestens ein Viertel seiner Arbeitszeit damit, haarklein aufzuschreiben, welcher Oma er wann und wo und mit welcher Waschlappennummer den Hintern geputzt hat. Das nutzt eigentlich niemanden, ist aber die inhärente Logik bürokratischer Strukturen. Du musst dafür sorgen, dass dir keiner nen Fehler nachweisen kann. Alles andre spielt keine Rolle.

Das hat aber mit Bürokratie erstmal wenig zu tun. Auch in einem komplett privaten System würde dieser Dokumentationszwang herrschen. Wenn man sich ansieht, was man z.B. in den USA für einen Kunst- oder Pflegefehler unter Umständen an Schadensersatz und Schmerzensgeld bezahlen muss, dann ist klar, dass auch unter privatwirtschaftlichen Bedingungen jeder versuchen wird, auf Nummer Sicher zu gehen ("cover one's ass" würde man dort sagen).
Zudem kann ich aus eigener, recht umfangreicher Erfahrung mit Teamarbeit und -führung bestätigen, dass gefühlte 90% der Fehler auf Grundlage falsch oder unzureichend weitergegebener Informationen geschehen. Wenn man ein Team jenseits von drei, vier Leuten hat und große Zeiträume abdecken muss, ist eine lückenlose, standardisierte Weitergabe der Informationen über bereits ausgeführte und noch auszuführende Aufgaben unerlässlich.

Das Problem ist vielmehr, wie du sagtest, dass nicht mehr Leute eingestellt wurden oder mehr bezahlt wird, so dass man sich zumindest für die harte Arbeit ausreichend entschädigt fühlt und einen Anreiz hat, den Job gern und gut zu machen.
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon provinzler » So 28. Jul 2013, 18:39

Nanna hat geschrieben:Das hat aber mit Bürokratie erstmal wenig zu tun. Auch in einem komplett privaten System würde dieser Dokumentationszwang herrschen. Wenn man sich ansieht, was man z.B. in den USA für einen Kunst- oder Pflegefehler unter Umständen an Schadensersatz und Schmerzensgeld bezahlen muss, dann ist klar, dass auch unter privatwirtschaftlichen Bedingungen jeder versuchen wird, auf Nummer Sicher zu gehen ("cover one's ass" würde man dort sagen).

Hängt aber auch mit den Gepflogenheiten des Rechtssystems zusammen, das einseitig Dokumentation über alles stellt. Ob der Arsch gesäubert ist, ist irrelevant, wichtig ist, dass da in dreifacher Ausfertigung steht, dass er gesäubert wurde. Das finde ich hochgradig pervers.

Nanna hat geschrieben:Das Problem ist vielmehr, wie du sagtest, dass nicht mehr Leute eingestellt wurden oder mehr bezahlt wird, so dass man sich zumindest für die harte Arbeit ausreichend entschädigt fühlt und einen Anreiz hat, den Job gern und gut zu machen.

Wobei auch da wieder das Problem gilt, wer das bezahlen soll. Letztlich ist die Verlagerung der Altenpflege aus den Familien in den öffentlichen Sektor (oder auch den Privatsektor) IMHO fast nicht bezahlbar.
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon Nanna » So 28. Jul 2013, 21:14

provinzler hat geschrieben:Hängt aber auch mit den Gepflogenheiten des Rechtssystems zusammen, das einseitig Dokumentation über alles stellt. Ob der Arsch gesäubert ist, ist irrelevant, wichtig ist, dass da in dreifacher Ausfertigung steht, dass er gesäubert wurde. Das finde ich hochgradig pervers.

Und wie genau stellst du dir die Alternative vor?

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Das Problem ist vielmehr, wie du sagtest, dass nicht mehr Leute eingestellt wurden oder mehr bezahlt wird, so dass man sich zumindest für die harte Arbeit ausreichend entschädigt fühlt und einen Anreiz hat, den Job gern und gut zu machen.

Wobei auch da wieder das Problem gilt, wer das bezahlen soll. Letztlich ist die Verlagerung der Altenpflege aus den Familien in den öffentlichen Sektor (oder auch den Privatsektor) IMHO fast nicht bezahlbar.

Es ist ja nicht so, dass die Pflege in den Familien heutzutage noch wirklich viel billiger wäre. Ich habe den Eindruck, nicht nur hier, dass du den clanartigen Großfamilienstrukturen doch sehr hinterhertrauerst. Unter Eigenverantwortung, habe ich den Eindruck, verstehst du häufig auch die Eigenverantwortung ganzer Familienverbände, nicht nur des Individuums. Rückverlagerung der Pflege in die Familie bedeutet auch Rekonstruktion der Großfamilienstruktur, nur hat sich die halt recht unwiederbringlich verabschiedet. Der Trend zur Kleinfamilie in einem urbanisierten Kontext ist weltweit zu beobachten, egal, wo du hinsiehst. Diese Kleinfamilien sind häufig überfordert mit der Altenpflege, weil sie in ein hochgradig arbeitsteiliges Umfeld eingebettet sind, weshalb sie die Pflegetätigkeit ja auch folgerichtig an Spezialisten auslagern.

Es ist in diesem Zusammenhang relativ egal, wie wir das lösen. Wenn wir den status quo nicht behalten wollen, werden Mehrbelastungen auf uns zukommen, entweder in Form von mehr privater Pflege im Familienumfeld (zusätzlicher Arbeitszeit) oder mehr institutioneller Pflege (zusätzliche monetäre Kosten). Wenn wir die Mehrbelastungen nicht wollen, müssen wir entscheiden, den medizinischen und versorgungstechnischen Fortschritt zurückzudrehen und die alten Herrschaften bitten, bei den ersten Wehwehchen doch schneller den Löffel zum Abgeben bereit zu halten. Nur ist das dann nicht weniger zynisch als der heutige Umgang mit unseren Pflegebedürftigen.
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon provinzler » So 28. Jul 2013, 21:33

Nanna hat geschrieben:Und wie genau stellst du dir die Alternative vor?

Tja, das ist halt immer die Frage. Denke aber letztlich wird dieses System in seiner heutigen Form schlicht finanziell nicht tragbar sein. Hat ja jetzt schon massive Probleme wo die Babyboomer noch nicht gepflegt werden wollen, sondern so vie Beiträge zahlen wie noch nie. Ich vermute, die Anspruchshaltung, die aufgrund dieser demografischen Situation aufgebaut wurde, weil viele Beitragszahler für wenige Alte und Kinder aufkommen mussten, wird sich nicht durchhalten lassen. Die Babyboomergeneration wird ihre Ansprüche drastisch senken müssen. War jüngst in einem Vortrag wo einer vorgerechnet hat, dass etwa 2023 die Sozialsysteme bei uns kollabieren werden. Mit den windfall profits dieser Sondersituation wurden die Leistungen auf ein Ausmaß ausgeweitet, dass schlicht nicht nachhaltig tragbar ist.



Nanna hat geschrieben:Es ist ja nicht so, dass die Pflege in den Familien heutzutage noch wirklich viel billiger wäre. Ich habe den Eindruck, nicht nur hier, dass du den clanartigen Großfamilienstrukturen doch sehr hinterhertrauerst.

Ich trauere dem nicht hinterher, ich stelle nur fest, dass bei einer Auslagerung in den öffentlichen Sektor Kosten entstehen, die für viele nicht tragbar sein werden. Hier wird man nicht drumrum kommen die Anspruchshaltung auch in punkto medizinischer Versorgung abzusenken.



Nanna hat geschrieben:Es ist in diesem Zusammenhang relativ egal, wie wir das lösen. Wenn wir den status quo nicht behalten wollen, werden Mehrbelastungen auf uns zukommen, entweder in Form von mehr privater Pflege im Familienumfeld (zusätzlicher Arbeitszeit) oder mehr institutioneller Pflege (zusätzliche monetäre Kosten). Wenn wir die Mehrbelastungen nicht wollen, müssen wir entscheiden, den medizinischen und versorgungstechnischen Fortschritt zurückzudrehen und die alten Herrschaften bitten, bei den ersten Wehwehchen doch schneller den Löffel zum Abgeben bereit zu halten. Nur ist das dann nicht weniger zynisch als der heutige Umgang mit unseren Pflegebedürftigen.

Die Frage wird sich in 20 Jahren gar nicht mehr stellen. Es wird einfach weiten Bevölkerungsteilen und auch den öffentlichen Kassen an den finanziellen Mitteln für externe Betreuung fehlen, selbst wenn man glaubt das Umverteilungsrad noch brutaler drehen zu können. Das wird nur Verweigerung und/oder Migration zur Folge haben. Als im Schweden Anfang der 90er die Steuersätze für Gutverdiener ins Astronomische gingen, war es völlig normal das Ärzte ihre Praxis nur ein oder zweimal die Woche öffneten, weil sie den Rest der Woche nur noch fürs Finanzamt gearbeitet hätten...
Dann kann ich natürlich noch versuchen die Arbeitsleistung zu erzwingen, aber ich halte es für fraglich, ob das so ein Erfolgsmodell sein wird...
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon Nanna » So 28. Jul 2013, 21:43

Mich hätte bei der Frage nach der Alternative mehr interessiert, wie du dir ein Rechtssystem vorstellst, das weniger Dokumentation erfordert.

Dass wir ansonsten in manchen Fragen jenseits des Punktes sind, wo wir das Ruder herumreißen können, ist meines Erachtens richtig. Demografisch gesehen können wir für unsere Eltern- und Großelterngeneration nichts mehr tun, das hätten die erledigen müssen. Wir werden nur die Rechnung präsentiert bekommen. Die Frage ist: Kriegen wir für uns und unsere Kinder und Enkel etwas hin, was dauerhafter funktioniert? Ich bin da auch Vorschlägen in die privatversicherungs und -wirtschaftliche Richtung keinesfalls abgeneigt.

Wobei uns das alles vom Thema wegführt...
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon provinzler » So 28. Jul 2013, 22:25

Nanna hat geschrieben:Mich hätte bei der Frage nach der Alternative mehr interessiert, wie du dir ein Rechtssystem vorstellst, das weniger Dokumentation erfordert.

Das ist weniger eine Frage des Rechtssystems, als des gegenseitigen Vertrauens. Ich glaube ein Punkt wäre, an der Anreizstruktur für Rechtsanwälte mal anzusetzen. Der Grundsatz, dass Anwälte sich umso besser stehen, je mehr die Leute gegeneinander prozessieren, muss überdacht werden. Ich hab schon Fälle erlebt, wo Mandanten aufgehetzt wurden, absolut unsinnige und aussichtlose Prozesse durch alle Instanzen hindurchzuführen, solang die Anwälte noch irgendwo Geld vermuteten (ich hab übrigens auch den Eindruck, dass das bei vielen Scheidungen ein Problem ist).

Nanna hat geschrieben:Dass wir ansonsten in manchen Fragen jenseits des Punktes sind, wo wir das Ruder herumreißen können, ist meines Erachtens richtig. Demografisch gesehen können wir für unsere Eltern- und Großelterngeneration nichts mehr tun, das hätten die erledigen müssen. Wir werden nur die Rechnung präsentiert bekommen. Die Frage ist: Kriegen wir für uns und unsere Kinder und Enkel etwas hin, was dauerhafter funktioniert? Ich bin da auch Vorschlägen in die privatversicherungs und -wirtschaftliche Richtung keinesfalls abgeneigt.

Ich stelle mir die Frage wesentlich individueller. Soll ich diese Rechnung annehmen, oder mich ihr auf die ein oder andre Weise entziehen? Sei es durch Verweigerungsstrategien (reduziertes Arbeitsengagement), nicht mehr zu tun als unbedingt nötig, oder auch durch Auswandern. Für Letzteres sehe ich für mich persönlich eher klimatische Einschränkungen (ich vertrag keine Hitze), denn irgendwelche andren. Für mich lautet die Frage, wie gehe ich mit der Situation um, denn was andre wollen, darauf hab ich ohnehin keinen Einfluss. Die Frage ist glaub ich woran man ein "funktionieren" misst. Ich glaube ein wesentliches Problem ist, dass in den vergangen Jahrezehnten eine sehr große Diskrepanz aufgebaut wurde zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wenn du dich mich Mittfünfzigern unterhältst, dann erwarten viel, jetzt bald in Rente gehen zu können und einen gewissen Lebensstandard halten zu können. Und das wird nicht darstellbar sein. Ich befürchte, dass in unserem politischen System die Mehrheit der Alten versuchen wird, uns diese Rechnung zu präsentieren, und wir beide, du genauso wie ich müssen uns fragen wie wir damit umgehen. Klar, auswandern geht nicht für alle, aber sehr wahrscheinlich für mich (für dich vermutlich genauso). Verweigern geht für die meisten, die Leute in der ehmaligen DDR können uns dann ja das Kaninchenzüchten beibringen. Und die Summe dieser individuellen Entscheidungen wird es sein, die das Ganze zum Kollaps bringt und uns dann das Problem vom Hals schaffen wird (ich vermute über eine deutliche Verkürzung der Lebenserwartung durch Unbezahlbarkeit bestimmter Leistungen). Auf politischem Wege ist das m.E. nicht lösbar, daran scheitert man ja schon seit 30 Jahren, die Anreizstrukturen des Systems lassen das einfach nicht zu. Nun stellt sich mir die Frage, ob ich da den Don Quijote spielen soll, oder lieber das Weite suchen. Ich muss sagen ich tendieren stark zu Letzterem, auch wenn viele Länder zunehmend ihre Tore schließen...


Das Kernproblem hab ich angesprochen, das sind die Anreizstrukturen. Das ist der Punkt, denn man egal was man verändert, im Blick haben muss.
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Re: Braucht die Gesellschaft Multimillionäre und -milliardär

Beitragvon Vollbreit » Mo 29. Jul 2013, 08:51

@ provinzler:

Schön und gut mit den Waltmart Erben, nur die wenigsten von uns kommen in die Verlegenheit ein Wirtschaftsimperium verwalten zu müssen. Dass man da Fehler machen kann, keine Frage, die Frage von mir war eher die nach der Aufstiegsmöglichkeit. Um mit Aktien zu spielen, musst Du doch erst mal das nötige Kleingeld haben.
Einer der Leute, die ich kenne, die nebenbei in Aktien machen ist, ist tatsächlich OP-Pfleger, ist er aber schon seit Jahren und der Sprung in die Millionenwelt ist ihm wohl nicht gelungen, es sei denn, er braucht zwecks Neidschutz die weiter Scheinidentität – nur, was bringt ihm dann die Kohle?
Die andere dich ich kenne, hat sich in den freien Minuten in den Kram reingehängt, hat wohl auch so ungefähr 10.000 Euro gewonnen, aber zur Zeit als alles aufwärts ging. Wollte überall das meiste rausholen, mit Anfang 40 dann der Burnout, sie wollte auch da schnell wieder funktionieren, später Herzinfarkt, lebt noch, arbeitet noch, immerhin. Scheiß Bilanz, für die paar Flöhe.
Nummer drei ist so ein Grandioser, der, als alles ganz schrecklich war, mal eben, weil er Geld brauchte, sich ein Dutzend Wirtschaftszeitungen gekauft hat und dann über Nacht 3000 DM, war noch zu D-Markzeiten, gemacht hat. Erzählt er. Er hätte sicher kein Probleme damit die Millionen zur Schau zu stellen, komischerweise hat er aber keine.

Spekulation mit Immobilien, kann sein, dass das was bringt, aber meinst Du die Durchschnittskrankenschwester ist in der Lage, sich mal ein paar Grundstücke zu kaufen und abzuwarten was passiert? Wie ist der Menschen, von dem Du redest denn selber Millionär geworden und wann? War das systematisch oder hat er einfach aktienmäßig den Jackpot getroffen? Es gibt ja nachgewiesenermaßen auch Leute, die durch Lotto Multimillionär geworden sind, das bestreitet keiner, was sich aber nicht glaube, ist, dass man sich von seinen mühsam abgezwackten 134 Euro pro Monat in den finanziellen Olymp schießen kann. Aber ich lasse mich da gerne belehren.


@ stine:

Danke für die Liste.
Ist schon ganz ordentlich, finde ich aber noch nicht skandalös, ist das Brutto- oder Nettolohn?
Wo wird es denn Deiner Ansicht nach maßlos?
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