Ich weiß nicht, wie stark das wirklich ein Deutschlandspezifisches Phänomen ist, oder ob das nicht vielmehr eine Frage dessen ist, mit welchen Leuten man als Ausländer in einem fremden Land zu tun bekommt. Meine persönlichen Erfahrungen waren eigentlich fast durchweg positiv. Allerdings hab ich im Lauf der letzten drei oder vier Jahre einige Erfahrungen gemacht, die eher darauf hindeuten, dass es bestimmte Probleme (fast) überall gibt. Wir beide gehören einer relativ kleinen kosmopolitischen Elite an und laufen Gefahr unsere eigenen Werte und Erfahrungen ohne Weiteres auf unser Mitmenschen zu projizieren.
Wir sollten nicht unterschätzen, dass sich hinter ablehnendem Verhalten, gehörige Ängste verstecken. Dazu muss man sich vermehrt unter Leute mischen, deren Lebenswirklichkeit eine andre ist. Wenn ich in den Semesterferien bei meinen Eltern bin, hab ich das automatisch. Frag nicht, wieviele Menschen meine Entscheidung für ein Semester nach Spanien zu gehen "mutig" genannt haben ("hätt ich mich nie getraut"). Ich weiß bis heute eigentlich nicht so wirklich wieso. Ich mein, ich konnte die Sprache, hatte vor Ort Ansprechpartner und im allerschlimmsten Fall hätte ich mich nur in den Flieger setzen müssen und wäre in zwei Stunden wieder zu Hause gewesen. Für mich kein Grund, mir groß Sorgen zu machen. Aber es gibt erwachsene Menschen für die ist eine Fahrt mit dem Bus in die nächste Kreisstadt ein Abenteuer, das sie sich nur in "qualifizierter" Begleitung zutrauen. Eine zweistündige Zugfahrt in unsere schöne Landeshauptstadt? Für manche allein undenkbar.
Das sind reale Ängste vor dem Unbekannten, und wenns bloß ein ungewohntes Verkehrsmittel oder eine unbekannte Stadt ist. Für uns beide vielleicht schwer nachzuvollziehen, aber es scheint vielen Menschen so zu gehen. Und ich bezweifle sehr, dass die Deutschen die einzigen sind, die solche Ängste plagen. Generell frage ich mich, wo diese Ängste eigentlich herkommen, denn sie scheinen mir auch eine nicht unwichtige Triebfeder für das permanente Geschrei nach immer noch mehr Staat zu sein (obwohl wir eh schon viel zu viel davon haben). Woher kommt dieser massiver Wunsch nach einem Leben, das dem eines Tiers im Zoo gleicht. Käfig mit kleinem Bewegungsspielraum, dafür geregelte Verpflegung und keine Verantwortung (und kein Risiko). Das ist so weit weg von meiner Lebenswirklichkeit, dass ich solche Dinge zwar noch wahrnehme, aber beim besten Willen nicht mehr nachvollziehen kann.
Nanna hat geschrieben:Mal davon abgesehen frage ich mich, wie der Thread es jetzt innerhalb von wenigen Beiträgen geschafft hat, von einer intoleranten Studentin auf das doch sehr andere Feindbild ungebildeter und krimineller Hartz-IV-Horden zu extrapolieren, das mir bei der Frage der Qualifikation der Einwanderer eher zugrunde liegen scheint. Das bestätigt irgendwie meinen Verdacht, dass der Skepsis gegenüber Einwanderern ein weitaus diffuseres emotionales Unwohlsein gegenübersteht als eine faktenorientierte Analyse der Lage. Denn dann wäre aufgefallen, dass das Problem, das wir beim Threadstart noch diskutiert haben, höchstwahrscheinlich nicht durch eine andere Zuwanderungspolitik verhindert worden wäre.
Wobei das mit der Toleranz so eine Sache ist. Wenn eine "Protestgruppe" in irgendwelche Kirchen kackt, hat es nichts mit Intoleranz zu tun, diese Aktion im wahrsten Sinne des Wortes "scheiße" zu finden, und ich hätte da durchaus gewisses Verständnis, wenn man da in einem Akt der Selbstjustiz die Delinquenten nötigte, die fragliche Stelle ohne jegliche Hilfsmittel auf biologischem Wege wieder zu reinigen. Menschlich hätte ich Verständnis, wohlgemerkt, die rechtliche Sache ist ein andres Thema. Intolerant verhalten sich dann allenfalls diese selbsternannten "Protestierer". Toleranz ist nämlich erstens keine Einbahnstraße, und bedeutet außerdem "erdulden" oder "ertragen" und nicht "gut finden müssen". Ich kann Homosexualität widerlich und abstoßend finden, solange ich darauf verzichte, es meinem Nachbarn mit freiwilligen Partnern seiner Wahl verbieten zu wollen, bin ich nicht "intolerant".